Die Wahrheit des Radsports

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6826781Beitrag Flame of Za-i-ba
2.8.2010 - 15:52

Bevor ich zu dieser Inception – Methode komme, noch ein, zwei andere Beispiele.

Regeneration und Erholung ; In einer mehrwöchigen Rundfahrt wohl genauso wichtig wie Kletter- und Zeitfahrqualitäten, sowie Glück und Taktik. Ersteres kann man beim Gegner nicht beeinflussen, Zweiteres nur bedingt. Bleibt somit die Regeneration und Erholung um den Kontrahenten zu schädigen. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Giro d'Italia. Das war ein Jahr nach meinem Wechsel, von dem bereits erwähnten Continental-Team, zu einem Höherklassigen. Dort war ich zwar ebenfalls noch nicht Kapitän, hatte aber meine Freiheiten. Zunächst sollte ich noch ein Jahr lernen und die Belastungen einer solchen Rundfahrt kennenlernen. Für die Gesamtwertung hatte ich mir nichts ausgerechnet. Durch einen Defekt verlor ich auch bereits in der ersten Woche eine Menge Zeit. Mein Ziel war somit ein Etappensieg. Ein Teilabschnitt in der Mitte der Rundfahrt bot sich perfekt für mich an. Zwar würden die Favoriten sich am Schlussanstieg einen Schlagabtausch liefern, doch bereits zuvor warteten einige Anstiege, in denen ich Minuten an Vorsprung ansammeln konnte. Bereits am Etappenvorabend schaute ich mir das Profil genauestens an und merkte mir die entscheidenden Passagen. Es folgte noch eine Besprechung mit meinem sportlichen Leiter und dann sollte ich früh zu Bett gehen. Ich hatte als einziger in unserem Team ein Einzelzimmer, das machte mir aber nicht viel aus. Mit Vorfreude und ein wenig Nervosität ging ich schlafen.

Ein Knall weckte mich. Danach war es wieder still. Auf dem Weckerdisplay stand in leuchtend roten Buchstaben 02:35. Gerade als ich erneut zu dösen begann, hörte ich dieses Geräusch erneut. Und noch einmal. Und noch einmal. Es klang wie an Silvester. Ein Feuerwerkskörper. Nicht die Raketen, die mit einem zischen gen Himmel empor steigen und sich dann in allen möglichen Farben ausbreiten. Viel mehr war es einer dieser Böller, die Jugendliche durch die Luft schmeißen, in Briefkästen stecken und durch Fensterscheiben werfen. Im Augenblick einer Sekunde stand ich aufrecht in einem Zimmer. Ich hörte Glas zerspringen und kurz darauf wieder eine Explosion dieser Böller. Es war nah. Und laut. Flüche und Fußgetrappel verrieten mir, dass meine Zimmernachbarn ebenfalls auf waren. Gerade als ich den Hotelflur betrat, wies mich ein Betreuer unserer Mannschaft zurück ins Zimmer. Bleib da , sagte er. Einen Moment lang blieb ich noch an der Tür stehen. Unser Kapitän Mario Pedersoli kam mit wutentbranntem Gesicht ebenfalls in den Gang gestürmt. Diese verdammten Idioten! , schrie er. Anscheinend wollte er zur Treppe, doch unser Betreuer hielt auch ihn auf. Lass das Mario. Wir klären das. Vince und Ivan sind schon unten. Geh rüber zu Frederico und schlaf da. Du brauchst die Ruhe. Alessandro , fügte er mit einem Blick ins innere des Raumes hinzu: geh in mein Zimmer. Nimm deine Schlafsachen mit. Rasch ging ich zurück zu meinem Bett. Eine Minute später kam Mario dazu. An dem Abend lehrte er mich, dass nicht nur Rad fahren den Sieg einer Rundfahrt ausmacht.

Diese verdammten Deppen.

Wen meinst du?
Die, die nachts zu unseren Hotels kommen und uns den Schlaf rauben wollen. Manchmal kommen Sie nur mit Autos und hupen, manchmal schreien sie nur die ganze Nacht und manchmal werfen sie Steine, Feuerwerkskörper und so ein Scheiß – wie jetzt.
Das passiert öfter?
Meistens vor einer wichtigen Etappe.
Damit du dich nicht ausruhen kannst?
Genau deswegen. Sie haben Angst zu verlieren, Angst, erholt könnten wir sie schlagen. Ivan, Vince und Bortelli kümmern sich um die, verzeih mir, aber ich brauch Schlaf.
Mario, haben wir auch so Deppen?
Nein, haben wir nicht.
Gut.

Natürlich war das gelogen.


--

Eine Woche nichts, Wacken ruft mich. 8)
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6828035Beitrag Flame of Za-i-ba
13.8.2010 - 14:53

Der Traum großartiges zu tun ist gewaltig.
Der Traum groß zu sein ist erst recht gewaltig.
Und wer dies erreichen will, der braucht Gewalt.

Natürlich gab es nie Zeiten, in denen verbale Konversationen einem Radsportler den Sieg eingebracht haben. Zumindest, wenn es auf komplett verbaler Ebene bleibt. Natürlich spielt Psychologie eine Rolle, aber sie muss von etwas körperlichem oder materiellem unterstützt werden.

Bestechung.

Diese gibt es wohl schon seit Menschen gedenken. Tu dies und ich gebe dir das. Einfachste Methode. Quasi ein Tauschhandel. Für den Radsport natürlich: Gib mir den Sieg und ich gebe dir das Geld: Gib mir den Ruhm und du bekommst den Vertrag oder auch; Gib mir deine Ehre und ich gebe dir nichts. So würde es ein Vorbildathlet ausdrücken. Doch gibt es den überhaupt? Ich bin keiner, das gebe ich offen zu. Natürlich nicht. Einige meiner Schattenseiten haben Sie ja bereits kennen gelernt.
Bevor Sie lange überlegen. Er existiert nicht. Keiner im modernen Radsport ist als Vorbild geeignet. Zumindest für niemanden, der seine Ehre über alles stellen möchte. Man verkauft sich selber, wie Frauen, die an den Straßen stehen, mit ihren Röcken wirbeln und jeden anhaltenden Autofahrer in ihren Ausschnitt blicken lassen, um ihn geil zu machen. Er bezahlt sie und nimmt ihnen etwas, dass sie immer mehr verlieren. Ehre. Ich möchte hier keine Hassdiskussion über Prostitution entfachen, schließlich tun es einige auch für ihre Familien, was dann tatsächlich eine ehrenvolle Arbeit wäre, aber ehrenvoller als die Ehre, die sie Stunden zuvor verloren? Schluss jetzt.

Jedenfalls verhält es sich im Radsport ähnlich. Ich weiß nicht ob mein Team mehr Geld mit dem Verkauf oder mit dem Kauf von Siegen erwirtschaftet hat. Doch auf jeden Fall war ich ein Teil dieses Systems. Das erste Mal passierte es bei dem bereits erwähnten Giro d'Italia.
Die Nacht konnte ich nicht gut schlafen und somit war ich am nächsten Tag erschöpft, müde, ausgelaugt. Unser Kapitän Mario Pedersoli sagte mir vor dem Start, dass ich dennoch attackieren sollte. Man dürfe sich nicht einschüchtern lassen. Ich folgte seinem Rat und war doppelt motiviert. Tatsächlich schaffte ich es in eine fünf Mann starke Ausreißergruppe. Über Funk sagte mir mein Teamchef, dass wir wohl durchkommen wüden und ich nicht auf Mario warten solle. Der Sieg solle meiner sein. Greife kurz an!, sagte er mir am vorletzten Berg.

Möglicherweise können Sie sich denken wie es weiterging. Mein Teamchef wollte nicht, dass ich mich löse und die Etappe im Alleingang gewinne. Nur Sekunden, nachdem ich mich von meinen Ausreißerkollegen gelöst hatte, pfiff er mich zurück. An diesem Tage sagte er mir noch nicht die Wahrheit, er lies mich nur eine offensichtlich sinnlose Taktik verfolgen, durch die ich letztendlich nur Zweiter wurde. Alle anderen Sportlichen Leiter hatten meine Stärke im Moment des Angriffs gesehen und das Bieten für den Sieg begann. Wie beim Poker, nur dass es keine Karten gibt.

Soviel zu den harmlosen Methoden, die den Gegner schwächen und sich selber auf das Siegertreppchen bringen. Ab jetzt wird es brutal.


Ende Heft 2
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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Fus87
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Beitrag: # 6828055Beitrag Fus87
13.8.2010 - 17:01

Spitze.
Man erfährt einiges, kann sich seinen Teil zwischen den Zeilen denken, und wartet voll Spannung auf den nächsten Teil.

Hoffentlich vergehen zwischen Heft 2 und Heft 3 nicht wieder 2 Jahre. ;)

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Flame of Za-i-ba
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Beitrag: # 6832263Beitrag Flame of Za-i-ba
15.9.2010 - 22:27

Der Koffer

Ein beklemmendes Gefühl überkam ihn. Zu seiner rechten war eine vermoderte Mauerwand, zu seiner linken ein klappriger Zaun. Die einzige Laterne in der Nähe war defekt. Nur der Mond schien. Sterne waren nicht am Himmel zu sehen. Federico Casserano ging weiter, blickte sich aber oft um. Plötzlich platschte es und er spürte. wie sich seine rechte Socke mit Wasser vollsog. Es interessierte ihn nicht. Der nächste Schritt, dann war auch der linke Fuß nass. Jetzt ärgerte er sich doch. Mit kleinen Sprüngen umkurvte er die Pfützen so gut es ging. Sein Ziel war eine Tür ganz am Ende der Gasse. Er hasste den Ort, doch der er brauchte ihn. Vorsorglich nahm er seinen Rucksack ab und trug ihn fort an in seiner rechten Hand, als hätte er Angst, dass jemand von hinten die Dokumente einfach herausnehmen würde. Diese Zettel waren mehr als ein paar Blätter Papier. Sie waren seine Lebensversicherung. Zu Beginn des zweiten Heftes hatte er geblufft. Niemand hatte die Unterlagen, niemand würde sie veröffentlichen, falls er tot sein würde. Eigentlich war er sich nicht mehr einmal sicher, ob sie überhaupt herausgegeben werden sollten. Wichtig war erst einmal nur, dass sie geschrieben waren. Die Fortsetzung über die Wahrheit des Radsports müsse warten. Erst einmal musste er sich selbst im Klaren werden, ob es für sie wert war ins Gefängnis zu gehen – oder für sie zu sterben.

Endlich hatte er die Tür erreicht. Hastig kramte er in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel und öffnete das Schloss. Dann trat er ein. Es roch nach Ratten. Perfekt, dachte er sich. Nur er kannte diesen Ort. Vielleicht noch ein paar Obdachlose, aber sogar die würden hier nicht herein wollen und selbst wenn, die Tür war stabiler, als die Mauern es vermuten ließen. Federico zuckte urplötzlich zusammen. Er spürte einen Windzug und ein undefinierbares Geräusch. Irgendetwas war gerade dicht an ihm vorbei geflogen. Vor Schreck ließ er den Rucksack fallen und wich einige Meter zurück. Dann war wieder alles ruhig. Vermutlich war es eine Fledermaus. Auf dem Boden kniend tastete er nach der Tasche. Ein Licht gab es nicht, die Fenster zeigten nur die Schwärze der Nacht. Anscheinend waren Wolken vor den Mond gezogen. Er fühlte den Boden entlang, spürte Nässe, Matsch, Tierkot und endlich den Rucksack. Dort drin hatte er sein Feuerzeug. Er holte es heraus und ließ den Lichtschein nur zwei Sekunde lang aufleuchten. Länger konnte er es nicht riskieren. Anschließend tastete er sich die Wand entlang. Auch sie war feucht und wohl voller Schimmel, aber er wollte hier ja auch nicht leben. Nach einigen weiteren Metern fand er endlich was er suchte. Ein kleiner Koffer, kaum größer als Schuhkarton. Zur Sicherung hatte es einen vier-stelligen Zahlencode. Nun musste es wieder schnell gehen. Mit der einen Hand bediente er das Feuerzeug, mit der anderen gab Federico die Kombination ein.

Mit einem Klick gab das Schloss nach und der Deckel öffnete sich automatisch. Der Boden war mit einem Tuch ausgelegt. Mehr befand sich nicht dort drin. Aus dem Rucksack kramte er die Folien, in denen die Wahrheit eingeschweißt war. Federico schmerzte, was dort geschrieben war, auch wenn er es in diesem Moment gar nicht sehen konnte. Nun konnte er nicht mehr direkt auf sie aufpassen, aber es war das Richtige. Mit leicht aufprallenden Geräusch schloss sich der Deckel. Er überlegte welchen Zahlencode er einstellen sollte um es so unauffällig wie möglich zu machen. Drei-Null-Sieben-Vier zeigte das Zifferblatt zunächst. Warum wusste er auch nicht. Eine Kombination, die einfach unauffällig und langweilig aussah. Ein paar Sekunden später stand dort Eins-Eins-Drei-Acht. Zufrieden bedeckte Federico den Koffer mit einer Decke, dann machte er sich wieder in Richtung Tür auf. Er schrak zusammen. Dieses Mal war es keine Fledermaus und keine Ratte. Jemand machte sich an eben jener Tür zu schaffen. Eilig überlegte er, ob er sie wieder abgeschlossen hatte. Natürlich. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet. Sein Herz pochte, sein Atem hielt er an. Dann trat jemand gegen die Tür, es war eindeutig. Scheiße. Er war im Arsch. Was sollte er nun tun,. Erst einmal die Papiere, nein, das Leben ist wichtiger. Ohne die Papiere ist dein Leben verpfuscht. Wenn Sie mich haben, habe ich gar kein Leben mehr. Durch seinen Kopf rasten eine Million Gedanken.

Wieder dieser dumpfe Aufschlag von etwas, dass gegen die Tür hämmerte, trat, was auch immer. Ein paar Minuten würden sie vielleicht für die Tür brauchen. Hastig versuchte er sich zu orientieren, dann lief er in Richtung Koffer. Er stolperte über etwas, knallte mit den Knien auf den Boden, fühlte den Bruchteil einer Sekunde einen stechenden Schmerz. Unweigerlich entfuhr ihm ein kurzer Aufschrei. Er spürte wie Blut sein Schienbein herunter lief. Jetzt wussten sie sowieso, dass er hier drinnen war. So schnell es ging, nahm er sein Feuerzeug und machte wieder Licht, sah die Decke und stürmte auf sie dazu. Vom Windzug ging das Licht aus. Hastig warf er die Decke weg und nahm den Koffer. Wohin damit. Von außen war nun nichts mehr zu hören. Hatten sie aufgegeben? Ein Schuss, sie versuchten nun mit allen Mitteln herein zu kommen. Voller Panik versuchte Federico das Feuerzeug erneut zu entflammen, doch es ging nicht. Zu sehr zitternden seine Hände. Das Gebäude hatte nur diesen einen Eingang, aber. Er versuchte kurz klar zu denken. Scheiße. Sein Herz raste. Er hatte keine Wahl. Er musste es tun. Irgendwo musste dieser verfluchte Hocker stehen. Der Mond warf nun wieder ein wenig Licht, die Wolken waren verzogen. Zum Glück. Nur ein wenig neben sich konnte Federico die Umrisse des Hockers erkennen. Er zog ihn zu sich ran, nahm den Koffer und stieg auf ihn. Wieder ein Schuss. Kurz darauf knallten sie wieder gegen die Tür. Sie musste bald nachgeben. Einen kurzen Moment zögerte er, dann trat er zu. Sogleich spürte er einen ungeheuren Schmerz, wie er ihn noch nie vor her erlebt hatte. Ein klein wenig Überwindung musste er noch leisten. Seine Beine zitterten, im Hintergrund hörte er die Männer immer noch gegen die Tür hämmern. Dann sprang er. Mit seinen Armen nahm er weitere Glassplitter in seine Haut auf. Er schrie. Und kam hart auf seinen Beinen auf, die sogleich nachgaben. Mit schmerz verzerrter Mine richtete er sich auf. Er wollte gar nicht wissen wie viel Blut an ihm hinunter lief. Mit dem ersten Schritt merkte er, dass es nicht nur Schnittwunden waren. Dennoch biss er die Zähne zusammen und verschwand mit seinem Koffer in der Nacht.
"Alle lachen mich aus, weil ich anders bin - Ich lache sie aus, weil sie alle gleich sind."

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arkon
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Beitrag: # 6832391Beitrag arkon
17.9.2010 - 12:16

so kanns doch jetzt weiter gehen.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

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