Tour de Lance

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6731402Beitrag Valverde3007
18.8.2008 - 22:34

Bild

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6731600Beitrag Valverde3007
20.8.2008 - 1:01

Frösis Tourtagebuch 2005 hat geschrieben:5.Etappe
"Hektik im Rennen - und wenig Glamour danach"
Eine hektische Etappe war das heute. In der ersten Stunde sind wir einen 55er-Schnitt gefahren, ich kam mir vor wie beim Mannschaftszeitfahren gestern, ich hing wie's Fähnchen im Wind... Heute früh schaue ich aus dem Fenster - Regen, toll! Bis wir vom Hotel am Start waren, hat es aber glücklicherweise wieder abgetrocknet. Im Startbereich waren wir heute das erste Mal im "Village", nachdem wir sonst immer im und am Bus abhängen. Ich war enttäuscht vom Village du Tour. Riesiges Areal und nichts los. Ein paar versprengte Fahrerkollegen und kaum Leute. Beim Giro ist das alles viel enger, hektischer. Aber viel geselliger und gemütlicher. Naja, Italien halt! Am Start rollt Armstrong vorbei - die Nummer 1 im normalen Teamtrikot. Wir haben alle gerätselt: Wieso trägt er nicht das Gelbe? Wie wir dann erfuhren, wollte er ein Zeichen setzen für Zabriskie. Das ist eine merkwürdige Logik. Wir sind hier beim Radrennen. Wenn jeder immer auf ein Trikot verzichten würde, wenn mal einer stürzt... Schwachsinn. Am Ende der Neutralisierungsphase musste sich Armstrong dann doch noch umziehen. 10 Minuten Diskussion, bis es endlich losging. Was ein Theater! Ich habe das nochmal zur Pinkelpause genutzt... Das Rennen begann enorm schnell. Die erste Stunde hatte ich fast nur 60 auf dem Tacho. Ich hing hinten wie ein Fähnchen im Wind in der Reihe. Habe gar nichts mitgekriegt, was vorne passiert. Als dann die Gruppe weg war, hat es sich etwas beruhigt, aber es war trotzdem noch schnell. Ekliges Gelände. Und die Straßen waren sehr rauh, wie es sie in Frankreich oft hat. Da rollt es gar nicht. Das Finale wie zu erwarten hektisch, um so mehr, weil keine Mannschaft richtig kontrolliert hat. Für die letzten 25 km brauchten wir keine halbe Stunde. Paco und ich waren ganz gut positioniert. Bis 3km vor Schluss, da gab es einen Sturz. Ich kam aus dem Pedal raus und bis ich wieder in Fahrt kam, hatte ich schon viele Plätze verloren. Von 20. Position aus haben wir uns wieder mit Macht vorgekämpft bis an die ersten Zehn. Dann kam diese eklige letzte Kurve und auf der ansteigenden Zielgerade ging mir die Kraft aus. Mit Platz 10 bin ich da zufrieden. Da war nicht mehr drin. Aber das geht in Ordnung, schließlich sind wir hier beim größten Rennen der Welt. Dafür, dass es so schnell war und diese Zielgerade gar nichts für mich war, bin ich wirklich zufrieden. Nach dem Rennen standen nochmal 130km Transfer auf dem Programm. Für die ersten 2km im Zielort brauchten wir eine halbe Stunde. Die Organisatoren haben uns vor der Tour versprochen, dass sie uns aus den Zielorten besser rauslotsen wollen. Heute war davon nichts zu spüren. Wir standen im Chaos des Berufsverkehrs. Um halb acht waren wir endlich im Hotel. Massagen bis halb neun. Essen. Um 22 Uhr im Zimmer zur Nachtruhe. Tour de France - die Champions League im Radsport, zwei Köche bedienen die Profis. Wer das so in der Zeitung liest, der stellt sich sicher vor, was wir für ein glamouröses Leben führen. Ihr solltet uns heute mal sehen: Das Hotel - Motel! - ist toll. So'n kleiner Bunker mit Schimmel in den Badezimmern. Paco meinte schon, er übernachtet lieber im Camper. Wir haben ja zwei Köche dabei, da freut man sich immer aufs Abendbrot. Die durften heute aber nicht in die Küche. Der Hotel-Küchenchef hat sein Reich mit dem Schlachtermesser verteidigt. Also gab es blutige Steaks, bei denen man den Pulsschlag noch zu sehen glaubte... Morgen die Etappe wird schwer. Sehr hügelig, Terrain für Ausreißer. Ich hoffe natürlich auf einen Massensprint, aber ich fürchte, morgen hat eine Gruppe gute Chancen. Mal schauen. Bis morgen!
Frösis Tourtagebuch (7)
Heute war ein Tag zum vergessen. Die Franzosen nennen das „jour sans“. Ein Tag, an dem rein gar nichts lief, wie es sollte. Ich hatte keine Beine, das Rennen lief falsch, alles an diesem Tag lief falsch. Deshalb fällt auch mein Bericht etwas kürzer aus. Ich bin einfach fertig von der Etappe und brauche mehr Ruhe als sonst. Da bringe ich auch nicht mehr die Kraft auf, viel zu schreiben.
Am Anfang war es heute mal etwas ruhiger, weil vorne gleich die vier weg sind. Wir sind dann bei zehn Minuten Rückstand in die Tempoarbeit eingestiegen. Dann gab es ein gutes, zügiges Tempo bis 45 Kilometer vor Schluss und als der Abstand dann unter drei Minuten gesunken war, haben wir rausgenommen, weil keine Gefahr mehr fürs gelbe bestand. Danach herrschte ein richtig ekliges Tempo. Nicht richtig eingeschlafen, aber auch nicht auf Zug. 20 Kilometer vor dem Ziel wurde es den Sprintermannschaften dann aber zu knapp und die haben noch mal richtig reingetreten. Das hat mich umgehauen. Ich fahre lieber gleichmäßig mit einem guten Rhythmus als dauernd unterschiedlich schnell. Dann kam noch eine kleine Welle und ich bekam richtig schwere Beine. Hasi pilotierte mich zwar wieder vorbildlich bis kurz vor Schluss, aber dann kam diese eklige letzte Kurve und auf der ansteigenden Zielgerade ging mir die Kraft aus. Im Endspurt hatte ich nichts mehr zuzusetzen. Da sind Klassikerfahrer wie Ete und Freire oder so erfahrene Leute wie Cipollini im Vorteil.
Ich weiß gar nicht wievielter ich am Ende geworden bin, aber das ist dann auch egal. Fürs grüne Trikot habe ich bei 40 Punkten Rückstand sowieso keine großen Ambitionen mehr und ob achter oder 14. ist am Ende auch egal. Sprinter misst man eben an Siegen. Wenigstens haben wir das gelbe Trikot verteidigt. Das wollen wir jetzt bis nach Gerardmer halten. Aber dafür muss morgen die ganze Mannschaft arbeiten, vielleicht inklusive mir. Denn morgen die Etappe wird wieder schwer. Natürlich ist sie erneut sehr hügelig, Terrain für Ausreißer. Ich hoffe wie 2005 auf einen Massensprint, aber ich fürchte, diesmal wird sich wirklich meine Prognose erfüllen und eine Gruppe wird das Ziel vor dem Feld erreichen. Wenigstens ist das Hotel besser. Heute gab es statt blutigen Fleisches allerfeinste Pasta. Da macht Radfahren doch gleich viel mehr Spaß, hoffentlich morgen auch.
Drückt uns die Daumen!

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6731678Beitrag Valverde3007
20.8.2008 - 15:28

Wie am 14.Juli


Bild
Nachdem sie gestern direkt an der Strecke waren, suchten sie sich heute ein Plätzchen im Zielbereich, nahe der letzten Kurve. Eine ansteigende Zielgerade würde ein packendes Finale bringen. Vielleicht mit dem großen Feld, vielleicht mit einer kleinen Gruppe. Der Veranstalter hatte sogar extra im Rahmen des Tourprogramms der Stadt, das mit der Werbekarawane und der Liveübertragung für Aufmerksamkeit sorgen sollte, eine Großbildleinwand aufgestellt.
Schließlich war es aber ab der ersten Minute das Rennen, das die Massen fesselte. Die erste Rennstunde bot ein einziges Spektakel, andauernde Angriffe. Eisel, Landaluze, Acosta, Boardman. Sie alle lieferten sich ein Duell um die Ausreißerwertung. Es wurde aber keiner weggelassen. Nach dreißig Kilometern entstand dann eine 35-köpfige Ausreißergruppe. Spannung, wer war dabei, wer nicht? In dem Moment, in dem Radio Tour die Namen verkündete, ging ein Raunen durch die Menge. Einer der großen Favoriten war dabei…

Sie hatten schon wieder einen Fehler gemacht. Der starke Seitenwind war ausgenutzt worden um auf Kante zu fahren. Jetzt waren vorne einige weg. Illustre Namen. Von Telekom, das die Windkante veranstaltet hatte waren es Jan Ullrich und Alexander Vinokurov, von ONCE Abraham Olano, dazu Klassikerspezialisten wie Erik Dekker, Laurent Jalabert und Juan Antonio Flecha. Diese Konstellation bedeutete Gefahr, Gefahr für das gesamte Unternehmen Toursieg. Er erinnerte sich an eine Etappe bei Paris-Nizza vor einigen Jahren, wo CSC die Windkante ausgenutzt hatte und auf der ersten Etappe schon die wichtigsten Kontrahenten abgehängt hatte. Dazu durfte es heute nicht kommen. Eine Minute hatten die Ausreißer schon herausgefahren, jetzt mussten sie aufpassen, dass es nicht mehr wurde. Obwohl er sich eigentlich darauf eingestellt hatte erst in den Bergen arbeiten zu müssen, weil Gerolsteiner das gelbe Trikot hatte, sah er nun die Zeit gekommen, das Heft in die Hand zu nehmen. Er forderte über Funk Unterstützung an und setzte sich an die Spitze des Feldes.

Jetzt musste US Postal Tempo machen. Ullrich durfte man nicht fahren lassen. Nick blickte sich zu Jean um und geradewegs in dessen strahlendes Gesicht. Jalabert war in der Gruppe mit dabei und er hätte im Sprint bei dieser Konstellation Chancen aus dieser Gruppe zu gewinnen. Für das ansteigende Finish schien er prädestiniert zu sein. Doch auf einen Sprint wollten sich nicht alle einlassen, also jetzt fuhr erst eine kleine Gruppe weg. Eisel war dabei, Bortolami, Navas und noch einer von CSC, Sörensen. Die vier konnten sich einen Vorsprung erarbeiten, weil hinten in der Gruppe das Tempo wieder einschlief. Man hatte zwar schon zwei Minuten Vorsprung, aber es bestand keine Einigkeit. Telekom war das einzige Team, das mit mehreren Mann Tempo machte, aber auch das war nicht richtig konsequent. So schien es, dass das Feld von hinten wieder aufschließen konnte.

Sie kamen aus dem kleinen Wäldchen heraus um eine scharfe Kurve und da sah er sie. Sie hatten es wieder auf Sichtweite an die Gruppe um Ullrich herangeschafft. Mit dieser zusätzlichen Motivation konnte er noch eine Schippe drauflegen. Er wusste, dass es noch nicht geschafft war, der Rückstand war aber wieder im Rahmen. Also schob er seinen Ellbogen zur Seite und ließ sich ablösen. Bald könnte er sich wieder ausruhen. Nur noch ein kurzes Stück. Zuerst eine kleine Steigung vierte Kategorie. Er trat voll in die Pedale. Hinter sich hörte er Keuchen, ob von seinem Teamkollegen oder einem Gegner, das war ihm egal. Am Seitenrand sah er die Teamwagen stehen. Der Abstand war also unter einer Minute. Das gab Auftrieb. Er beschleunigte erneut und hielt das hohe Tempo die kompletten 1200 Meter bis zum Gipfel. Dann stürzte er sich in die Abfahrt. Als er wieder in der Ebene angekommen war, sah er sie genau vor sich. Nur noch knapp fünfzig Meter vor sich war die Gruppe. Er steckte den Funk, den er sich vor dem Berg aus dem Ohr genommen hatte, wieder ins Ohr. Als er von erbostem Geschrei begrüßt wurde, dass er zu schnell sei, blickte er sich um und sah niemanden. Er hatte das Feld abgehängt und war alleine an die Spitze gefahren. Seine Arbeit war umsonst gewesen. Wütend über sich selbst schloss er den Abstand zur Gruppe.

„Da ist einer von US Postal alleine an die Gruppe rangefahren. Schlechte Abstimmung, wenn du mich fragst.“ Jean hatte Recht. In solch einem routinierten Team dürfte das eigentlich nicht passieren. Das Feld lag immer noch 20 Sekunden hinter der Ausreißergruppe inklusive des übermotivierten Postalfahrers. Der Abstand konnte dennoch auf den nächsten 15 Kilometern überbrückt werden, weil die Telekomfahrer jetzt endgültig ihre Entschlossenheit verloren hatten und kurz vor dem nächsten Anstieg schaffte aber auch der Rest der Gruppe den Anschluss. Das ganze Fahrerfeld war nun wieder komplett. Das ganze Fahrerfeld? Nein, ein paar unbeugsame Rennfahrer leisteten dem Tempodiktat von US Postal Widerstand. Sieben unbeugsame Klassikerfahrer hatten ihre Ziele für den Tag noch nicht erreicht und gingen in die Attacke.

Gruppo compatto hätten die Italiener es genannt. Entspannt nahm er raus und verschwand in den tiefen des Feldes. Da bekam er die Nachricht per Funk. „Sieben Fahrer sind vorne weg, darunter Jaja und Valverde. Darum sollen sich aber andere kümmern.“ Johan sah sie also nicht als Bedrohung an. Immerhin bestand auch von keinem Gefahr für die Gesamtwertung, am ehesten noch von Valverde, aber der würde im Hochgebirge ohnehin einbrechen und hatte schon fünf Minuten Rückstand aus den Zeitfahren. Und Jalabert würde sich im Kampf um Tagessiege und das Bergtrikot aufreiben. Also scherte er sich nicht weiter um das Rennen. Seine Arbeit für diesen Tag war erledigt, Lance war zeitgleich mit all seinen Konkurrenten. Zufrieden ließ er sich zurückfallen und holte ein paar Flaschen. Das erschien ihm nach der vorangegangenen Arbeit wie ein Kinderspiel.

„Laurent Jalabert, Alejandro Valverde, Fabian Cancellara, Erik Dekker, Nico Mattan, Ludovic Cappelle und Stefano Zanini sind jetzt auf der Verfolgung der vier vorne. Sie haben noch 1:13 Rückstand nach vorne und bereits fast zwei Minuten Vorsprung auf das Feld.“ Die Etappe gewann immer mehr an Qualität. Jetzt sammelte sich die Klassikerelite um den Sprintern ein Schnippchen zu schlagen. Der Vorsprung wuchs immer weiter und kurz nach der letzten Sprintwertung vereinigten sich die beiden Gruppen. Sörensen und Navas verdoppelten sofort ihre Anstrengungen und so konnte die Gruppe weiterhin einen konstanten Vorsprung von knapp über einer Minute halten. Zu Beginn der letzten Steigung scherten die beiden dann aus. Sofort eine Tempoverschärfung. Ein Antritt. Ein Loch.

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6731789Beitrag Valverde3007
21.8.2008 - 17:05

Einer im Banestotrikot fiel zurück, dann einer im weißen des dänischen Teams CSC. Also alles in Ordnung, sie waren nah an den Ausreißern. Keine Probleme mehr für die Gesamtwertung. Aber das Tempo blieb hoch. Die Sprinter wollten wohl unbedingt noch einen Etappensieg. Dabei war ein Erfolg gegen diese starke Gruppe so gut wie unmöglich. Es ging in den letzten kleinen Hügel, knapp drei Kilometer lang. Da kamen die nächsten, einer von Lampre, Eisel, der niederländische Meister Dekker. Immer mehr Fahrer wurden eingeholt. Noch einer von CSC. Der Blick von der Kuppe hinab auf die Abfahrt verriet, dass sich nur noch zwei Fahrer hatten halten können. Und auch für die würde es noch eng werden. Der Abstand war für die dreizehn Kilometer bis zum Ziel wohl doch etwas zu viel. Aber wenn es einer schaffen konnte, dann der Fahrer, den er da vorne erahnen konnte.

Die Spannung im Zielbereich war enorm. Nach Cancellaras Tempoverschärfung zu Beginn der letzten Steigung war Laurent Jalabert den anderen mit einem gewaltigen Antritt davongefahren, nur der Spanier Alejandro Valverde konnte kurz vor der Kuppe wieder aufschließen. Auf der Abfahrt zeigte sich dann aber, wer eindeutig der stärkere der beiden war. Valverde hing nur am Hinterrad und spekulierte wohl wieder auf einen letzten kraftvollen Sprint auf der ansteigenden Zielgeraden. Diesen Gefallen wolle ihm Jalabert nicht machen. Als der Spanier am Ende der Abfahrt fünf Kilometer vor dem Ziel nicht die Führung übernehemen wollte, handelte Jalabert kompromisslos. „Jaja greift an. Er kommt weg. Das Ding schießt er ab.“ Jeans Euphorie war trotz es kleinen Vorsprungs von 15 Sekunden ungebrochen. Angefeuert von seinen Landsleuten durchquerte Jalabert die flame rouge. Aber unmittelbar dahinter folgte schon das Feld. Wie in seinen besten Zeiten schlug Bradley Mc Gee auf dem letzten Kilometer ein höllisches Tempo an. Dann die erste Steigung über die Jalabert locker rüberzog. Er erreichte die letzte Kurve wo sie standen. Mit vollem Risiko nahm er die Kurve, die von einer Mischung von Regen und Staub ganz rutschig geworden war, so eng wie möglich, was sich beinahe als fataler Fehler erwiesen hätte. Ein kleiner Schlenker, erneuter Tempoverlust und das Feld kam immer näher. Aber Jaja wäre nicht Jaja, wenn er nicht bis zum letzten Meter kämpfen würde. Keine drei Sekunden später kam Mario Cipollini um die Kurve. Er wollte sich seinen zweiten Etappensieg nicht von einem Ausreißer nehmen lassen.

Das Tempo war höllisch schnell. Er hielt sich vorne im Feld auf, bei Lance. Sie wollten einen Sturz bei den schlechten Straßenverhältnissen unbedingt vermeiden. Das dachten sich auch andere und so wurde es extrem eng auf der ohnehin schmalen Straße. Dann ein Scheppern noch weiter vorne, ein verirrtes Rad flog über die Straße, ein Schrei. Ein Sturz, der in solchen Situationen nicht einzelne Fahrer betrifft. Er wich dem Rad mit einem Schlenker nach rechts aus und kam gerade noch so vorbei. Wenigstens waren keine Löcher im Feld entstanden. Im Ziel erkundigte er sich, ob einer von ihnen in den Sturz verwickelt war, was zwar nicht der Fall war, aber die Namen erstaunten ihn.

Während Jalabert sich ein letztes mal aufbäumte, kollabierte der junge Mann neben ihm beinahe. Jaja kämpfte um jeden Zentimeter und rettete sich mit einem Tigersprung über die Ziellinie. Aber hatte er gewonnen? Mario Cipollini war ihm selben Augenblick wie er über die Linie gefahren, vielleicht hatte er ihn sogar noch überholt. Das konnte auch eine Täuschung wegen der höheren Endgeschwindigkeit gewesen sein. Jean gab ein kurzes Stoßgebet von sich, mehr konnte er in dem Moment aber nicht tun. Während sie auf die Juryentscheidung warteten, kam ein Fahrer von ONCE verspätet an ihnen vorbei. Er bot einen schlimmen Anblick. Seine gesamte linke Seite war aufgerissen, er hatte mehrere Schürfwunden, den gebrochenen Helm hielt er in der Hand. Die spanische Mannschaft verlor heute einen seiner drei Kapitäne, den Zeitfahrspezialisten Abraham Olano. Ein Sturz im schnellen, hektischen Finish einer ungeliebten Flachetappe hatte ihn wohl um den Erfolg der gesamten Tour gebracht. Es traf ihn trotzdem weniger schlimm als einen anderen Favoriten. In diesem Moment an der Strecke hörten sie nur das Krankenwagensignal, wussten aber nicht um wen es sich handelte. Wenig später sollte sich herausstellen, dass der Lamprekapitän Raimondas Rumsas nach seinem zweiten Sturz mit einem Schlüsselbeinbruch ausgeschieden war. Jean riss ihn mit einem lauten Schrei aus seinem Grübeln: „Er hat sie gewonnen, Jaja hat sie gewonnen!“ Soeben hatte die Jury mitgeteilt, dass Jalabert mit einigen Millimetern Vorsprung gewonnen hatte. Der erste französische Etappensieg bei der Tour und dementsprechend ein Erlebnis, dass es zu feiern galt. Nach der Siegerehrung setzten sie sich noch draußen an eine kleine Bar um ihre eigene Siegesfeier zu feiern. Lange nach dem Zieleinlauf der ersten sahen sie dann noch einen Fahrer mit schmerzverzerrtem Gesicht des Weges fahren. Peter Luttenberger hatte in der ersten Rennstunde Defekt und den Anschluss nicht wieder gefunden. Jetzt rollte er nach vierstündigem Kampf sechs Minuten nach dem Zeitlimit und über eine halbe Stunde nach Jalabert ins Ziel. Um seinen heldenhaften Kampf zu würdigen traf die Jury dann die zweite Entscheidung zugunsten des dänischen Teams. Das Zeitlimit wurde aufgehoben. Jeder Fahrer sollte gewertet werden, egal wann er ins Ziel kam. Das würde vor allem den Sprintern in den Bergen helfen. Bevor es aber in die Berge ging, führte die Streckenführung morgen noch nach Deutschland. Nick und Jean fuhren aber direkt nach Gerardmer und sparten sich diesen Umweg. Stattdessen würden sie sich die schönsten Stellen des Elsasses anschauen.

Tageswertung
1. Laurent Jalabert CSC 4h30:02
2. Mario Cipollini Saeco s.t.
3. Stuart O’Grady Credit Agricole s.t.
4. Baden Cooke FdJeux s.t.
5. Erik Zabel Telekom s.t.
6. Jimmy Casper FdJeux s.t.
7. Robbie McEwen Lotto-Domo s.t.
8. Robert Förster Gerolsteiner s.t.
9. Johan Museeuw Lotto-Domo s.t.
10. Mario Scirea Saeco s.t.
...
175. Peter Luttenberger CSC 30:10

Gesamtwertung
1. Uwe Peschel Gerolsteiner 19h56:42
2. Igor Gonzales de Galdeano ONCE 0:08
3. Levi Leipheimer Gerolsteiner 0:24
4. Joseba Beloki ONCE 0:25
5. Jörg Jacksche ONCE 0:35
6. Markus Fothen Gerolsteiner 0:41
7. Lance Armstrong US Postal 0:42
8. Isidro Nozal ONCE 0:57
9. Victor Hugo Pena US Postal 1:12
10. George Hincapie US Postal 1:21

Grün
1. Erik Zabel Telekom 116
2. Mario Cipollini Saeco 113
3. Robbie McEwen Lotto 101
4. Baden Cooke FdJeux 88
5. Oscar Freire Rabobank 77
6. Robert Förster Gerolsteiner 72
7. Jimmy Casper FdJeux 68
8. Alessandro Petacchi Fassa Bortolo 66
9. Thor Hushovd Credit Agricole 58
10. Jean-Patrick Nazon AG2R 58

Berg
1. Inigo Landaluze Euskaltel 14
2. Chris Boardman Credit Agricole 14
3. Bernhard Eisel FdJeux 12
4. Uwe Peschel Gerolsteiner 10
5. Nicki Sörensen CSC 10

Combatif
1. Inigo Landaluze Euskaltel 308
2. Chris Boardman Credit Agricole 300
3. Bernhard Eisel Fdjeux 290

Teamwertung
1. ONCE 59h50:19
2. Gerolsteiner 0:06
3. US Postal 2:42

Benutzeravatar
Style
Beiträge: 272
Registriert: 21.8.2005 - 14:42

Beitrag: # 6732214Beitrag Style
25.8.2008 - 9:41

Nice Nice Nice:) Ich freu mich auf jedenfall schon auf die berge!

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6732242Beitrag Valverde3007
25.8.2008 - 14:57

Frösis Tourtagebuch 2005 hat geschrieben:6.Etappe
"Minimalziel erreicht"
Heute bin ich richtig zufrieden. Platz 3 bei der Tour - zumal bei dieser wirklich harten Etappe, das ist schon okay. Ein "Podiumsplatz" war mein Minimalziel. Nach meinen dritten Plätzen beim Giro habe ich oft gehört: Naja, Giro ist nicht Tour. Da wollte ich es unbedingt beweisen, dass ich es auch bei der Tour kann. Natürlich hast Du als Sprinter nicht das Ziel, Dritter zu werden. Aber darauf kann man aufbauen. Schlecht geschlafen habe ich heute Nacht. Das ist jetzt ja schon der Normalfall hier. Soviele Dinge gehen mir im Kopf rum, man denkt den Tag nochmal durch, was war richtig, was hat man falsch gemacht. Es fällt mir unheimlich schwer, abzuschalten und Ruhe zu finden. Die Fahrt zum Start war heute kurz, 7km. Das Rennen begann wieder bei KM 0 - gleich voll auf Reihe. 60, 65 km/h. Ich hing da hinten in den Seilen. Ein bißchen ruhiger könnten sie es jetzt doch mal angehen lassen, ein bißchen Erholung - aber nein. Erste 40km mit 55er Schnitt. Nachdem sich die Ausreißergruppe formiert hat, wurde es hinten ein bißchen ruhiger, alle haben erst mal Pinkelpause gemacht. Aber es dauerte nicht lang, bis es wieder schnell wurde. Als der Vorsprung acht Minuten betrug, haben die Leute von Boonen und McEwen Tempo gemacht. Die Straße war so grobkörnig, da rollte es gar nicht. Mir tat alles weh, ich hatte gar keine Lust mehr. Bei KM 110 beginnt meine Kette zu rattern. Bei Tempo 60 wollte ich nicht riskieren, so weiterzufahren. Über Funk informiere ich Christian (Henn, den Sportdirektor). Der entschied, ich solle das Rad wechseln. Er war schnell da mit dem Auto. Angehalten. Das geht ruckzuck, aber eine halbe Minute verliert man doch. Und das sind bei dem Tempo dann gleich 500 Meter, die man wieder zufahren muss. Ich habe mich durch die Autos vorgehangelt, das ging ganz gut. In einer Kurve komme ich mit Schwung rein, rechts stehen Autos, da muss ich vorbei. Der Fahrer von Liberty hat mich nicht gesehen, ich habe sein Rücklicht erwischt. Au weiha, war das knapp. Zentimeter haben gefehlt, da wäre ich dem mit 50 km/h voll draufgescheppert. Was hatte ich ein Glück! Mit Hilfe von Beat Zberg, der auf mich gewartet hat, kam ich dann schnell wieder ans Feld. Das fuhr 60. Reihe. Über Funk hieß es: Passt auf, da gehen viele fliegen, haltet Euch besser weiter vorn im Feld. Da mussten wir uns vorkämpfen. Da war ich dann schon am Limit. Da hört man dann zwei Stimmen im Kopf: "Auf gehts, Feuer", sagt die eine. "Ach Scheiß, lass gehen, kriegste halt 10 Minuten heute", sagt die andere. Der letzte Berg war noch mal heftig. Die ersten 2 km gingen noch sehr gut. Auf dem dritten gingen meine Beine auf. Ich stand. Fabian (Wegmann) kam zu mir, feuert mich an: "Hopp, quäl Dich!" Ich dachte, nee, das wird nix. Aber ich kam dann doch noch mit dem Hauptfeld über den Berg. Wir waren schon oben, da haben wir sie dann doch noch verloren. Mit 20 Mann sind wir 100, 200 Meter dahinter gefahren. 4km vor Schluss waren wir erst wieder vorne. Ja, was machste jetzt? Fährt man einfach durch oder versucht man es nochmal, sich nach ganz vorne zu kämpfen? Fabian hat mir heute super geholfen und mich nach vorne pilotiert. 1000 Meter vor Schluss diese Kurve. Als ich von weitem den Zebrastreifen sah, dachte ich mir: Halte Dich bloß da raus. Da knallt es mit Sicherheit. Ich fuhr auf Abwarten und das war genau richtig. Um den Sturz kam ich super rum und an 15.Position aus der Kurve. 300 Meter vorSchluss bin ich einfach angetreten. Ich wollte es einfach probieren. Die zwei vorne waren nicht mehr zu kriegen, das war klar. Also was solls, sprinte ich los um Platz 3. Das hat schön geklappt. Dritter Platz bei der Tour - das gibt mir schon jetzt ein bißchen Selbstvertrauen. Die Etappe war hart. Ich habe gelitten. Der Regen ist unangenehm und macht das Rennen sehr gefährlich. Wenn man das aber alles überwindet und kommt vorne mit an, ist das ein schönes Gefühl. Boonen und McEwen sind natürlich noch weit weg. Aber man darf auch nicht vergessen, dass deren Mannschaften ganz auf sie ausgerichtet sind, während bei uns für die Klassementfahrer Leipheimer und Totschnig gefahren wird. Ich beschwere mich nicht darüber. Aber man muss das auch berücksichtigen. In der Wertung ums Grüne Trikot bin ich Fünfter - vor McEwen! Schon ein super Gefühl... Aber aufs Punkteklassement schaue ich jetzt überhaupt nicht. An den Zwischensprints beteilige ich mich nicht. Etappen sind mein Ziel und darauf lege ich jetzt meine ganze Kraft. Morgen kommen wir nach Deutschland. Ich freue mich auf die Etappe. In Karlsruhe wird es sicherlich viele Zuschauer geben und ich glaube, jeder deutsche Tourfahrer ist morgen besonders motiviert. Dass es regnen soll, ist nicht so schön. Ich denke, es wird wieder einen Sprint geben. Ausreißer werden gehen, aber Boonen, McEwen und auch Francaise des Jeux mit Eisel und Cooke und Cofidis sind zu sehr interessiert an einer Sprintankunft. Wir hoffen natürlich da der lachende Dritte zu sein. Die lange Zielgerade in Karlsruhe passt mir gut. Da ist es nicht so gefährlich wie mit so einer Kurve heute. Drückt mir die Daumen!
Frösi

Frösis Tourtagebuch(8)
So langsam wird es Routine. Schon morgens belagern uns unglaublich viele Journalisten, die mit Uwe reden wollen. Darunter die Journalisten der öffentlich-rechtlichen, die sich auf jedes Mitglied des Gerolsteinerteams stürzen. Nach dem Medienmarathon ist das Rennen beinahe schon Entspannung. Wäre da nicht die Führungsarbeit am Tage. Leider muss ich meine Ambitionen etwas zurückstellen, dadurch dass Hasi jetzt weniger für mich arbeiten kann. Der schönste Teil ist immer die Siegerehrung am Abend. Das gelbe Trikot ist nicht nur eine Auszeichnung für Uwe, es ist auch Belohnung für die gute Arbeit der Mannschaft. Jeder hat seinen Anteil und kann stolz auf sich sein. Besonders heute, nachdem wir es erreicht haben, dass wir den kompletten Abschnitt der Tour in Deutschland einen deutschen im gelben Trikot haben.
Doch dafür musste heute das ganze Team schuften. Nach drei Jahren bestätigte sich erneut meine Prognose, dass eine Ausreißergruppe große Chancen haben wurde durchzukommen und dass ein richtiger Massensprint unwahrscheinlich sei. In der ersten Stunde entstand eine größere Gruppe mit Jan Ullrich, gegen die wir über eine Stunde mit US Postal kämpften. Dabei fuhren wir begünstigt vom starken Rückenwind selten unter 50-55 km/h und als dann die Jalabertgruppe ging, war klar, dass es der wohl härteste Tag zur Verteidigung des gelben Trikots werden würde. Wir ließen die 11 vorne nie weiter als drei Minuten weg. Dazu war aber der Einsatz jedes einzelnen nötig. Fötchen und Seppel haben heute eine richtig starke Leistung abgeliefert. Und sogar ich musste mich trotz meines Sonderstatus als Sprinter mit in die Führungsarbeit einklinken um die Gruppe mit Jalabert wieder einzuholen. Er war zu gefährlich um ihn mit Vorsprung durchkommen zu lassen. An der letzten Bergwertung musste ich dann fliegen lassen, konnte mich aber in der kurzen Abfahrt wieder an das Feld herankämpfen. Leider waren meine Kraftreserven zu erschöpft und ich konnte im Sprint nicht mehr voll reinhalten. Dafür ist mein achter Platz ein ziemlich gutes Ergebnis und ein achter Platz mit dem gelben Trikot in den eigenen Reihen ist mir lieber als ein zweiter ohne Trikot. Leider haben wir die Etappe nicht sturzfrei überstanden. Man sollte ja meinen, dass die Fahrer gelernt haben, dass die Zielgerade gefährlich ist. Trotzdem gab es heute wieder eine Reihe von Stürzen, von denen neben den Geheimfavoriten Raimondas Rumsas und Abraham Olano auch Seppel Lang betroffen war. Damit ist leider sein guter Gesamtplatz weg. Immerhin ist Uwe bisher von Stürzen und Pannen verschont geblieben.
Morgen kommen wir nach Deutschland. Ich freue mich auf die Etappe, obwohl es in den drei vergangenen Jahren schwieriger geworden ist, Radrennen in Deutschland zu fahren. Die deutschen Fernsehsender haben uns Radsportler in letzter Zeit nicht besonders freundlich behandelt und fast schon Hetzte gegen unseren schönen Sport betrieben. Das bleibt natürlich auch beim Publikum nicht ohne Konsequenzen. In Karlsruhe wird es sicherlich weniger Zuschauer als damals geben. Trotzdem glaube ich, dass jeder deutsche Tourfahrer morgen besonders motiviert ist. Außerdem ist die Wettervorhersage eine komplett andere als bei der letzten Ankunft in Karlsruhe. Statt zu regnen soll die Sonne scheinen und es werden Temperaturen bis zu 35 Grad Celsius erwartet. Etwas zu heiß für meinen Geschmack, aber da muss man durch. Vielleicht haben wir ja Glück und die Ausreißer lassen es morgen ruhiger angehen. In Deutschland das gelbe abzugeben wäre zu bitter um keine Nachführarbeit zu leisten. Ich denke, es wird wieder einen Sprint geben. Die lange Zielgerade in Karlsruhe passt mir immer noch gut. Da ist es nicht so gefährlich wie mit so einer Kurve heute. Drückt mir die Daumen!
Frösi

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6732298Beitrag Valverde3007
25.8.2008 - 18:43

Bild

Das wird vorerst die letzte Equipe sein, weil das Erstellen einer Zeitung relativ viel Zeitaufwand erfordert und diese Zeit habe ich momentan nicht. Also wird sie für die nächsten Etappen vorläufig "abbestellt".

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6732529Beitrag Valverde3007
27.8.2008 - 10:22

Endlich. Die letzte Flachetappe. Aber weil diese Flachetappe eigentlich schon eine zu viel ist, gibt es schon diesmal einen kleinen Vorgeschmack auf die Berge.

Auf den Spuren der Profis

Als Nick am frühen morgen hinunter in das geräumige Frühstückszimmer des Hotels ging, erwartete ihn ein unerwarteter, aber erfreulicher Anblick. Der Monsieur aus dem Cafe stand vor ihm, dieses mal aber nicht in gemütlicher Kleidung und Kaffee trinkend, sondern im Anzug und Befehle erteilend. Er erblickte Nick und winkte ihn zu sich. Nach anfänglicher Überraschung klärte ihn Monsieur schnell über den Grund seiner Anwesenheit auf. Es handelte sich bei dem netten, älteren Herrn nämlich nicht nur um einen Tour de France Fan aus der Provinz, sondern ebenfalls um den Besitzer einer größeren Hotelkette. Er war nur anlässlich der 5. Etappe der Tour de Lance in sein kleines Heimatdorf an der Loire gekommen um dort einen Tag die Atmosphäre spüren zu können. Im weiteren Verlauf der Tour würde er sich wieder ein wenig um seine Geschäfte kümmern. Dabei hatte er seine Verpflichtungen so gelegt, dass er möglichst immer in dem Hotel erledigte, in dessen Nähe die Tour vorbei kam. Ein weiterer Grund die Tour zu verfolgen war, dass er als Co-Sponsor bei einer französischen Mannschaft aktiv war und deshalb - natürlich aus rein geschäftlichen Zwecken – quasi dazu gezwungen wurde die Tour zu verfolgen. Als Nick Monsieur verriet, dass er und Jean ebenfalls noch die komplette Tour verfolgen wollten, bekamen sie sogar zwei „Hoteldauerkarten“ von ihrem neuen Freund zu einem ermäßigten Preis verkauft, was sehr nützlich für die Pläne der beiden war. Im Laufe der Tour würden sie damit noch häufiger auf Monsieur treffen und sich überflüssige Dinge wie die Suche nach Hotels ersparen. Das bedeutete außerdem verbesserte Trainingsbedingungen für Jean. Der junge Franzose hatte ihm am Vorabend verraten, dass er noch während der Tour trainieren wollte um es vielleicht zu schaffen für dei nächste Saison einen Profivertrag zu bekommen.
Anschließend an das kurze Gespräch verabschiedete sich Nick von Monsieur, denn Jean kam in voller Fahrradmontur und mit seinem Rennrad an die Tür. Sie wollten sich ja noch die schönsten Stellen des Elsasses ansehen und das waren für zwei Radsportbegeisterte natürlich die Anstiege in den Vogesen. „Kommst du mit, ne Runde trainieren fahren?“ Man konnte die Vorfreude auf die Fahrt durchs Elsass, das endlich Berge bot, aus seiner Stimme hören.
Nick sagte zu, weil er das Leistungsvermögen seines jungen Kameraden in Augenschein nehmen wollte und sehen wollte, ob der Junge mit seinen Profiplänen ein realistisches Ziel anstrebte. Während sie ihre Route besprachen, bemerkte Nick den interessierten Blick des Hotelbesitzers, machte sich aber nichts weiter daraus.
Sie legten eine Route fest, die Streckenteile der neunten und zehnten Etappe beinhalteten, also eine kleine Rundfahrt durchs Elsass. Sie würden an ihrem Hotel am Lac du Gerardmer losfahren, dann die ersten Kilometer der Etappe nach Mulhouse bis zum Grand Ballon fahren und dann über einen Bogen Richtung Colmar und dann über den Col de la Schlucht zurück. Eine knapp 180 Kilometer lange Strecke über fünf Bergwertungen der Tour. Insgesamt wären 54 Kilometer Anstieg und 2200 Höhenmeter zu bewältigen. Sie waren etwas spät dran, müssten sich also beeilen um zum Finale der realen Touretappe wieder im Hotel zu sein.
Sie starteten ihre Trainingstour um 12:00, genau wie die Profis, die um die gleiche Zeit eine Autostunde entfernt in Luneville starteten. Sie hatten zwar 50 Kilometer mehr als Jean vor sich, aber dafür waren diese überwiegend flach. Um den Zieleinlauf im Fernseher zu verfolgen musste Jean die Strecke also mit einem Stundenmittel von über 35 km/h fahren. Ein guter Test, dachte sich Nick. Über sein Autoradio würde er die Tour mitverfolgen und Jean die Zeiten durchgeben. Voller Zuversicht machten sie sich auf den Weg.

Der Tag sollte ruhiger werden als der letzte, wo sein Team pausenlos hatte arbeiten müssen. Die schnelle gestrige Etappe hatte das Feld gezeichnet, besonders die abgehängten und gestürzten Fahrer des Vortages sahen teilweise erbärmlich aus. Abraham Olano hatte heute so wie Vinokurov vor ein paar Tagen ganz dicke Verbände an und auf dem Weg zur Einschreibekontrolle konnte man sehen, dass ihm jeder Schritt Höllenqualen bereitete. Dass er überhaupt weitergefahren war, grenzte an ein Wunder. Er war einem der viel zu häufig vorkommenden Sturz zum Opfer gefallen, der das Resultat aus den teilweise ziemlich langen Rennpausen der älteren Fahrer waren. Viele hatten einfach noch nicht die Technik wiedererlangt und fuhren richtig unsicher im Feld. Während er noch vor sich hin überlegte schepperte es schon wieder. Tom Steels lag auf der Straße. Viele von denen sollten noch mal neu lernen Rad zu fahren, dachte er und attackierte.

Jean war schnell angegangen, aber die Strecke war doch härter als sie auf dem Papier aussah. Jetzt konnte man rechts das Schild lesen: „Col de Bramont 1 kilometre“. Über 30 wellige Kilometer hatten sie bereits hinter sich, aber die erste Stunde neigte sich auch dem Ende entgegen. Jean ließ sich ein wenig zurückfallen, bis er neben Nicks Auto war. „Wie steht’s“, brachte er unter Keuchen hervor. Trotz der Notwendigkeit zu trainieren und die Form zu behalten, wollte er die Tour komplett mitbekommen. Nick gab ihm einen kurzen Überblick über die Situation. In einer hektischen Anfangsphase mit vielen Attacken und einem hohen Tempo hatten sich an der ersten Bergwertung nach zehn Kilometern Commesso und Garcia Acosta abgesetzt. Auf der Abfahrt hatten sich dann noch David Plaza, Belohvosciks, Nicolas Portal, der Bergtrikotträger Landaluze und wieder Walter Beneteau dazu gesellt. Diese sieben hatten den ersten Sprint unter sich ausgemacht und hatten gerade die zweite Bergwertung bei Kilometer 45 passiert. Dabei gab es innerhalb der Spitzengruppe einen Kampf zwischen Belohvosciks, Landaluze und Beneteau um die Bergwertung. Momentan lag virtuell noch der Spanier vorne. Der Vorsprung auf das Hauptfeld, das sich noch am Aufstieg befand, betrug mittlerweile über acht Minuten. „Kampf um Bergpunkte? Das kann ich auch.“ Jean trat an, verfolgte den Hobbysportler vor sich, überholte ihn unmittelbar vor der Passage des höchsten Punktes und stürzte sich in die Abfahrt.

Wie gewünscht war Ruhe in die Sache gekommen. Heute hatte niemand wirkliche Ambitionen das Rennen schnell zu machen. Die Ausreißergruppe war auch akzeptabel gewesen, der bestplatzierte Portal lag bereits über sechs Minuten zurück und wäre im Hochgebirge ohnehin kein Gegner. Zusätzlich führte die Jagd um die Bergpunkte zu Uneinigkeit in der Ausreißergruppe, was auch die Sprinterteams beruhigte, die später die von ihrem Kampf ausgelaugten Fahrer einfach einholen würden. Leider hatte er es nicht in die Gruppe geschafft, das Feld hatte ihn schnell wieder eingeholt. Und noch ein wichtiger Punkt: Es war endlich windstill. Heute würde keiner wie auf der vorherigen Etappe auf Kante fahren können und damit das Feld spalten. Heute rollte der Tross einträchtig Richtung deutsche Grenze. Vor sich erblickte er bereits den Col du Hantz, einen Berg der dritten Kategorie, nichts im Vergleich zu dem, was ihnen in der nächsten Woche bevorstehen würde. Gerade gab Johan die Nachricht durch, dass die Ausreißer jetzt zwölf Minuten hätten und dass das genug wäre. Also fuhr er ein Stück nach vorne, an den gemütlich daher fahrenden Fahrern vorbei und setzte sich an die Spitze des Feldes.

Benutzeravatar
Style
Beiträge: 272
Registriert: 21.8.2005 - 14:42

Beitrag: # 6732532Beitrag Style
27.8.2008 - 10:43

Ich bin gespannt wer der fahrer von discovery ist:) und ich habe ne frage... lässt du den aar dannach in einer karriere laufen? oder ist nach der tour schluss. ich meine gelesen zu haben das du in einer karriere weiterspielen wolltest.. oder war dsa nen anderer aar bin mir nicht mehr sicher...
weil ich meine wenn jean noch seinen profivertrag kriegt^^ dann ist doch jutes material gegeben;)

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6732785Beitrag Valverde3007
28.8.2008 - 16:58

Sie erreichten das kleine Dörfchen Fellering. Es ging ein kurzes Stück bergab in die Ortschaft hinein und dann wieder sanft bergauf, bevor die steilsten Rampen des „Grand Ballon“ warteten. Sieben Kilometer Anstieg lagen noch vor dem jungen Franzosen. Nick bekam wieder ein Handzeichen, dass ihm zeigte, dass er zu Jean aufschließen sollte. „Wie lieg ich im Rennen?“ hörte er ihn keuchen. „Die sind jetzt knapp 20 Kilometer weiter als du“, antwortete er. „Du kommst aber bald ins flache. Wir liegen gut in der Zeit. Achja, Beneteau hat die nächste Bergwertung gewonnen. Er liegt jetzt nur noch vier Punkte hinter Landaluze. Vielleicht wird das ja noch was.“ Das wäre herrlich, ein Franzose im Bergtrikot. Beim Betrachten seines Vordermannes kam der ihm vor, als würde er auch liebend gerne im Bergtrikot fahren. Leichtfüßig stiefelte er den Berg hinauf, scheinbar ohne müde zu werden. Und das Tempo war auch richtig gut. Immerhin hatte er auf dem schweren Teil des Parcours nur eine Viertelstunde auf die Marschtabelle des Veranstalters verloren. Und das obwohl er alleine fuhr. Besonders auf den Abfahrten hatte er mit waghalsigen Manövern immer wieder Zeit herausgeholt. Auf der letzten Abfahrt hatte er es sogar geschafft Nick mit seinem Begleitwagen abzuhängen. Jean ließ sich wieder ein wenig fallen, so dass er neben Nicks Fenster fuhr und ließ sich eine Zeitung für die Abfahrt und etwas Kleines zu essen reichen, dass sie aus dem Hotel mitgenommen hatten. Kurz drauf hatten sie auch den Grand Ballon erreicht. Jetzt folgte eine zwanzig Kilometer lange Abfahrt und dann ein etwa sechzig Kilometer langes Flachstück, bevor es hoch zum Col de la Schlucht gehen würde.

Sein Vordermann scherte aus, er übernahm wieder die Führung. Nachdem sie einmal kurz das Tempo angezogen hatten, war der Vorsprung der Ausreißer schnell um eine Minute geschmolzen. Deshalb konnten sie sich jetzt ein relativ moderates Tempo leisten. US Postal hatte im Kampf gegen die Ausreißer Verbündete gefunden. So musste er seine Arbeit nicht alleine verrichten, sondern wurde seit geraumer Zeit von einem Telekomfahrer und zwei vom Team Gerolsteiner unterstützt. Gemeinsam war es die leichteste Verfolgungsarbeit, die er seit langem geleistet hatte. Die Spitzengruppe umfasste zwar sieben Fahrer, davon waren aber drei in ihrem Kampf um das Bergtrikot gefangen und zwei hatten mit Cipollini, Nazon und Kirsipuu starke Sprinter hinten im Feld, so dass sie auch nicht mit vollem Einsatz fuhren. Damit blieben nur Garcia Acosta, dem noch seine letzte Flucht in den Knochen steckte und Plaza, der sich noch nicht völlig von seinem Sturz auf der ersten Etappe erholt hatte. Leichte Beute. „Noch sechs Minuten“, hörte er Johan über den Funk und grinste zufrieden in sich hinein.

War es im bergigen Land noch so gut gelaufen, so war in der Ebene die Luft raus. Flaches Terrain lag Jean sichtlich nicht. Nach der langen Abfahrt war er nach Kilometern bereits wieder so weit gewesen wie das Hauptfeld. Aber im Flachstück ließ er viel Zeit liegen. Zum Glück waren sie nach der Hälfte der Strecke auf einen anderen Radfahrer getroffen, der dasselbe Ziel hatte und sich im Flachstück mit dem 21-jährigen Bergspezialisten abwechseln konnte. So ließ sich die Zeit leichter überbrücken und als Nick Jean darüber informierte, dass Beneteau mit einem fulminanten Sprint an der letzten Bergwertung Landaluze überflügelt hatte und nun die Führung in der Bergwertung übernommen hatte, war die Moral des Jungen wieder hergestellt. So langsam begann die Straße wieder leicht anzusteigen und sie näherten sich Munster, wo der Aufstieg zum Col de la Schlucht beginnen würde.

Die Spitzengruppe, oder das was von ihr übrig geblieben war, war gerade an der letzten Sprintwertung vorbeigerollt. Neben Comesso und Beneteau war Landaluze war als einziger Spanier vorne verblieben, die anderen beiden waren zurückgefallen. Der Abstand hatte sich auch immer weiter verringert. Als weniger als fünf Minuten verblieben waren, hatte er sich aus der Führungsarbeit ausgeklinkt. An der deutsch-französischen Grenze sollten Telekom und Gerolsteiner ruhig alleine Tempo machen. Seine Arbeit würde morgen wieder beginnen, wenn sie wieder aus Deutschland heraus fahren würden. Bis dahin hieß es sich ausruhen und Körner sparen.

Körner sparen, dass war es, was Jean sich jetzt nicht mehr erlauben konnte. Er befand sich jetzt im Aufstieg zum Col de la Schlucht. Seinen Kollegen aus dem Flachstück hatte er gleich zu Beginn des Berges mit einem trockenen Antritt abgehängt. Trotz der Hilfe im flachen Teil hatte er kein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit am Berg und außerdem hätte der andere das hohe Tempo ohnehin nicht mitgehen können. Nick hatte dem ehemaligen Begleiter als Dank für die Hilfe im flachen noch einen Energieriegel in die Hand gedrückt, aber dann musste er wieder Jean hinterherfahren, der wie im Rausch den Berg hochfuhr. So miserabel er alleine im Flachstück ausgesehen hatte, so sehr sah man, dass er nun wieder in seinem Element war. Erneut kam die Frage: „Wie schnell muss ich damit wir rechtzeitig kommen?“ Eine gute Frage. „Unter einer halben Stunde. 2005 hat Klöden 27 Minuten gebraucht.“ „Klöden? Dieser Flachlandtiroler? Den mach ich platt.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen ging er erneut in den Wiegetritt und erhöhte die Trittfrequenz. Er überholte einen Hobbyfahrer nach dem anderen und die, die sich versuchten an ihn heranzuhängen, platzten bereits nach wenigen Metern wieder ab. Angetrieben von dem Verlangen schneller als die Tourfahrer zu sein ließ er bis zum Gipfel nicht nach. Oben angekommen fragte er nach seiner Zeit. „29 Minuten.“ „Die Abfahrt pack ich schneller.“ „Natürlich.“ Und er machte seine Worte wahr. Sekunden schneller als Klöden und Weening 2005 sauste er den Berg hinunter. Die letzten sechs flachen Kilometer bestand er auch noch und als die beiden am Hotel eintrafen, gingen die Tourfahrer gerade auf die letzten fünf Kilometer. Jean hatte den Kampf gewonnen. Nächstes Jahr würde er ihn nicht alleine kämpfen.

Zehn Kilometer vor dem Ziel hatten sie auch den letzten geholt. Commesso hatte sich am längsten gehalten, konnte aber gegen die Sprinterteams wenig ausrichten. Ab dem Zusammenschluss der Gruppen hieß es Lance im Feld nach vorne zu bringen um das Risiko eines Sturzes oder Zeitverlustes zu minimieren. Er suchte seinen Kapitän auf, nahm ihn ans Hinterrad und pilotierte ihn auf die letzten drei Kilometer. Dann nahmen sie ein wenig raus. Heute gab es zum Glück gut ausgebaute, trockene Straßen und es gab diesmal nicht den alltäglichen Massenspurt. Vom Ausgang des Sprints sah er wenig, weil er zu weit durchgereicht worden war. Der Ausgang eines Massensprints war ihm auch reichlich egal. Für ein Team wie US Postal zählen nur Bergetappen und Zeitfahren.

Im Finale hatte Rabobank einen kleinen Zug aufgebaut. Das Problem war, dass ihr Kapitän Freire kurz aus den Pedalen rutschte und das Hinterrad seiner Teamkollegen verlor. Das nutzte Jan Kirsipuu sofort aus und eröffnete den Sprint mit Jean-Patrick Nazon am Hinterrad. Dieses Hinterrad, das ideale für den Sprint, hatte sich wieder der Sprinterkönig der diesjährigen Tour gesichert. 150 Meter vor dem Ziel ging Erik Zabel wie spielerisch am Franzosen vorbei und sah aus wie der sichere Sieger. Doch dann schoss in unvergleichlicher Manier der Australier Robbie Mc Ewen und Alessandro Petacchi aus einer hinteren Position nach vorne. Während Zabel immer schwerfälliger aussah, sah es so aus, als ob McEwen und Petacchi sogar noch beschleunigen könnten. Der Abstand zwischen den dreien wurde immer kleiner. Schließlich reichte es dennoch für den deutschen Sprintstar. Erik Zabel gewann seine Heimetappe. Bei dieser Tour schaffte er es, seine Defizite im Schnellkraftbereich durch ideale Positionierung wieder wettzumachen. Durch seinen dritten Etappensieg schob er sich auch wieder in der Punktewertung nach vorne.



Tageswertung
1. Erik Zabel Telekom 5h31:12
2. Alessandro Petacchi Fassa Bortolo s.t.
3. Robbie McEwen Lotto s.t.
4. Jean-Patrick Nazon AG2R s.t.
5. Laurent Jalabert CSC s.t.
6. Stuart O’Grady Credit Agricole s.t.
7. Oscar Freire Rabobank s.t.
8. Mario Cipollini Saeco s.t.
9. Juan Antonio Flecha Rabobank s.t.
10. Alejandro Valverde Banesto s.t.

Gesamtwertung
1. Uwe Peschel Gerolsteiner 25h27:54
2. Igor Gonzales de Galdeano ONCE 0:08
3. Levi Leipheimer Gerolsteiner 0:24
4. Joseba Beloki ONCE 0:25
5. Jörg Jacksche ONCE 0:35
6. Markus Fothen Gerolsteiner 0:41
7. Lance Armstrong US Postal 0:42
8. Isidro Nozal ONCE 0:57
9. Victor Hugo Pena US Postal 1:12
10. George Hincapie US Postal 1:21

Sprintwertung
1. Erik Zabel Telekom 153
2. Mario Cipollini Saeco 136
3. Robbie McEwen Lotto 128
4. Baden Cooke FdJeux 104
5 .Alessandro Petacchi Fassa Bortolo 97

Bergwertung
1. Walter Beneteau Bonjour 30
2. Inigo Landaluze Euskaltel 29
3. Raivis Belohvosciks Lampre 26
4. Chris Boardman Credit Agricole 14
5. Nicolas Portal AG2R 13

Combatif
1. Inigo Landaluze Euskaltel 514
2. Walter Beneteau Bonjour 382
3. Vicente Garcia Acosta Banesto 371

Teamwertung
1. ONCE 76h23:55
2. Gerolsteiner 0:06
3. US Postal 2:42


Die nächsten Tage wird es wahrscheinlich erst einmal keine neuen Posts geben, weil ich keinen Internetzugang haben werde. Danach geht es dann aber mit den Bergen weiter.
@Style: Das hast du richtig gelesen, es schließt sich eine Karriere an, für die Jean so langsam aufgebaut wird. In dieser Etappe konnte man ja bereits seine Stärken und Schwächen sehen. Da wird im Laufe der Zeit noch eine Überleitung zu einer Fortsetzung kommen.

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6733973Beitrag Valverde3007
3.9.2008 - 16:02

Tour de France für arme

Abends saßen sie noch zusammen mit Monsieur in der Hotelbar. Das Gesprächsthema lag auf der Hand, natürlich die Tour. Monsieur erklärte uns seine Tipps für den Rennverlauf der Tour. In den Vogesen erwartete er bereits Angriffe auf Lance Armstrong, weil man an der Erfahrung von damals schon sehen konnte, dass seine Helfer an größeren Hügeln wie dem Col de la Schlucht Probleme hatten. Spätestens da müsse man angreifen, wenn nicht sogar früher. Die Spanier? Nein, sagt Monsieur, die Spanier werden in den Vogesen nicht viel reißen, auf jeden Fall keine Zeit gewinnen. Morgen werden ohnehin keine großen Abstände herausgefahren. Höchstens ein paar Sekunden. Erst nach Courchevel würde man die Form der Favoriten einschätzen können. Dann käme wieder US Postal. Das wäre der Knackpunkt der Tour. Wer diese Etappe gewinnen könnte und vielleicht sogar das maillot jaune erobern würde, der würde sich zum Topfavoriten machen. Wer es werden könnte? Lance Armstrong, Jan Ullrich? Vielleicht ein Außenseiter mit guter Form. Einer, der noch im Rennzirkus aktiv ist. Es gab viele Möglichkeiten.
Der Kampf um das Bergtrikot sollte auch entbrennen. Beneteau würde es nicht auf seinen Schultern durch die Alpen, geschweige denn durch die Vogesen tragen können. Möglicherweise könnte ja ein anderer Franzose übernehmen. Jalabert, Virenque oder fast vergessene Fahrer wie Christophe Rinero, Bergkönig von 1998. Andere Aspiranten wären der Däne Michael Rasmussen, Spanier wie Iban Mayo oder Roberto Heras. Die Liste der Aspiranten war lang. Die Punkte auf dem Weg nach Gerardmer wären dabei weniger von Bedeutung, größere Punktzahlen waren auf Etappe neun und zehn möglich.
Beim Stichwort Gerardmer erkundigte sichMonsieur nach der Fahrt der beiden am Nachmittag, die ja auch über den Col de la Schlucht ging. Wie schwer der Berg zu fahren sei. Nick musste lachen. Als er erzählte, dass Jean den Berg in knapp 30 Minuten bezwungen hatte, wollte Monsieur das zuerst nicht glauben. Er hatte es dem jungen Franzosen nicht zugetraut in den Bergen bereits so stark zu sein. 30 Minuten waren schon eine ordentliche Hausmarke. Monsieur war begeistert von dem jungen Mann und als dieser dann noch erwähnte, dass er am ersten Ruhetag eine Runde durch die Alpen drehen wollte, machte Monsieur ihm ein Angebot.
Das von ihm gesponserte, französische Team würde ein Jedermannrennen veranstalten, das über einige Alpengipfel führen würde. Am Rande der Tour sollte diese PR-Veranstaltung einerseits die Bekanntheit des Teams steigern, aber auch für die Personalplanung der Mannschaft war es von Bedeutung. In der Mannschaft war ein junger Fahrer ausgefallen und deshalb wurde jetzt noch ein guter, junger Fahrer gesucht, der bei der Tour de l’Avenir und kleineren französischen Rennen an den Start gehen sollte. Das Team wäre für einen talentierten Fahrer dankbar um genug Helfer für den Kapitän zu haben. Monsieur würde im Hochgebirge feststellen, ob Jean dazu geeignet wäre.
Dazu müsste Jean am Ruhetag bei dem Rennen an den Start gehen. Von Saint-Etienne-des-Cuisine würde es über Croix-de-Fer, Mollard, Madeleine und Roselend nach Albertville gehen. Eine hammerharte Strecke mit starker Konkurrenz. Einige der besten Nachwuchsfahrer Frankreichs hatten sich bereits angekündigt. Viele wollten den heiß begehrten Platz als Stagiaire erhalten. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, dort erfolgreich zu sein. Aber Jeans entschlossener Blick zeigte seine Bereitschaft dieses Rennen zu bestreiten. Und es zu gewinnen.

Die Bergetappen dauern leider noch ein bisschen, deshalb einen kleinen Lückenfüller. Die Bergetappen sollten aber spätestens am Wochenende folgen.

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6734310Beitrag Valverde3007
5.9.2008 - 15:07

Die erste Selektion

Die erste Bergetappe. Endlich waren die Flachetappen vorbei. Das lange Warten auf den Kampf um die Gesamtwertung war vorbei. Heute sollte sich zum ersten mal zeigen, wer wirklich in der Form war, die gesamte Tour vorne zu beenden. Sein Kapitän würde dabei sein. Die Taktik für den heutigen Tag war ganz einfach. Sie sollten Lance unbeschadet an den Berg bringen und dann einfach die Gruppe zusammen halten. Wenn sich die Erfahrung der letzten Passage des Col de la Schlucht bestätigen sollte, dann würde es wieder viele Angriffe geben, die aber zu kontrollieren wären. Besonders auf Telekom würde man heute achten müssen. Die würden am letzten Berg wieder eine Attacke nach der nächsten setzen. Aber selbst, wenn ein Angriff erfolgreich sein sollte, wäre das keine Katastrophe. Heute war kein Tag an dem man die Tour gewinnen konnte, man konnte sie nur verlieren.

Die Sicht auf den See war traumhaft. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, Segler vergnügten sich auf dem Wasser. Doch noch traumhafter war die Aussicht dadurch, dass man durch eine 180°Drehung von ihrem Balkon aus eine prächtige Sicht auf den Boulevard d’Alsace bekam, jene Straße, auf der heute das Ziel der Etappe lag. Dort standen bereits um die Mittagszeit viele Fans der Tour de France, andere saßen in Cafes und Restaurants am Straßenrand. Die ganze Stadt war im Tourfieber. Heute erwarteten sie wieder viele Angriffe und ein aktives Rennen. Einige Kilometer weiter konnte man den stark bewaldeten Anstieg zum Col de la Schlucht erahnen, wo heute der erste Showdown der Favoriten stattfinden würde. Und sie hatten Logentickets dafür.
Sie befanden sich in der Luxussuit eines der Hotels von Monsieur, der sich diese, die zu dem Balkon gehörte, freigehalten hatte um hier die Tour zu genießen und Nick und Jean dazu eingeladen dies auch zu tun. Genau in der Mitte des Balkons war ein Breitbildfernseher aufgestellt, auf dem sie die ersten 230 Kilometer verfolgen wollten, bevor das Feld den Zielort erreichen würde. Das Rennen begann zwar wieder aktiv, diese Aktivität währte aber nur fünf Kilometer, denn danach hatte sich schon eine Spitzengruppe um Erik Dekker gebildet. Die siebenköpfige Gruppe fuhr auf dem ersten Abschnitt, der um drei dritte Kategorien leichter war als 2005, einen Abstand von über 11 Minuten heraus. Anschließend übernahm das Team Gerolsteiner wie in den vergangenen Tagen das Tempo. Uwe Peschel würde es heute verlieren, aber die beiden Kapitäne des Teams lagen bislang beide noch so aussichtsreich, dass sie das Maillot Jaune heute von ihrem Teamkollegen erben könnten. Nach hundertfünfzig Kilometern geschah dann das unvermeidliche in diesen Tagen, ein Sturz.

„Sturz von Santiago Botero!“ Johans Stimme riss ihn aus Tagträumereien, in die er in den letzten ereignislosen Minuten verfallen war. Jetzt stellte sich die Frage, ob man Tempo rausnehmen und den Kolumbianer wieder ins Feld fahren lassen sollte, oder ob das Tempo beibehalten oder noch erhöht werden sollte. Doch als er leichte Anstalten machte nach vorne zu fahren, hielt ihn Lance mit einer Geste zurück. „Lass ihn herankommen. Ich gewinne diese Tour nicht, weil jemand stürzt. Alle Konkurrenten sollen dabei bleiben. Es sind sowieso schon genug benachteiligt.“ Mit seiner Meinung war er aber relativ alleine, denn im nächsten Moment folgte ein Angriff von vier Fahrern, darunter jeweils einer von CSC, Banesto und Telekom.

„Die müssen aber ordentlich was vorhaben heute. Wenn so starke Fahrer dabei sind.“ Monsieur hatte Recht. Das Kameramotorrad fuhr jetzt ganz langsam durch die Spitzengruppe. Da war Laurent Jalabert, der bereits eine Etappe gewonnen hatte und im Gesamtklassement an neunter Stelle lag. Da war Francisco Mancebo, ehemals vierter der Tour und Gewinner des weißen Trikots. Da war Andreas Klöden, der zweite der Tour 2004. Und schließlich Kim Kirchen, der starke Luxemburger von Fassa Bortolo. Genau in dem Moment in dem hinten Botero stürzte, als er einen Verpflegungsbeutel entgegennehmen wollte, waren die vier vorne angetreten und hatten schnell Abstand zwischen sich und das Feld gelegt, wo man zwischen der Möglichkeit Botero aufschließen zu lassen und der die Angreifer zu verfolgen schwankte. Als endlich eine konsequente Nachführarbeit organisiert war, lag das Quartett bereits über eine Minute vorne und nur noch knapp fünf Minuten hinter der Spitze. Hinter dem Feld hatte Botero den Anschluss nicht geschafft und kämpfte nun mit seinen Teamkollegen Vidal und Ochoa um den Anschluss. Gekennzeichnet von seinen Sturzverletzungen sah es aber nicht so aus, als hätten die Kelmefahrer noch eine Chance nach vorne aufzuschließen. Botero verlor gerade auf dem flachen Teil der leichtesten Bergetappe die Tour.

Als die Zusammensetzung der Verfolgergruppe bekannt gegeben worden war, brach leichte Panik im Feld aus. Einige wollten immer noch den ehemaligen Gelbträger ins Feld zurücklassen, anderen gingen die Nerven durch und sie nahmen die Verfolgungsarbeit auf. Als der Abstand zu beiden Seiten auf eine Minute angewachsen war, entschied er sich auch an der Führungsarbeit zu beteiligen. Botero würde den Anschluss ohnehin nicht mehr schaffen und das Postalteam konnte nicht unendlich lange den Samariter spielen. Klöden und Mancebo waren viel zu gefährlich um weggelassen zu werden. Ein Jalabert im gelben Trikot und ein Andreas Klöden in aussichtsreicher Position, der auf eigene Kappe fuhr, könnten ernsthafte Gegner werden. Noch mehr Sieganwärter konnten sie auf keinen Fall gebrauchen. Vorne im Feld fuhren jetzt einschließlich ihm acht Fahrer mit voller Kraft, dennoch wurde der Vorsprung nicht kleiner sondern immer größer. Die Verfolger durften keinesfalls zur Spitzengruppe aufschließen, denn wenn sie auch noch eine Zugmaschine wie Erik Dekker bekämen, dann würden ihre Chancen durchzukommen auf einen Schlag sehr viel größer. Um das zu verhindern mussten sie vor dem Zusammenschluss beider Ausreißergruppen wieder heran sein.

„Mal scheuen ob die schneller fahren als du gestern.“ Das angeschlagene Tempo in der Spitzengruppe ließ nicht darauf schließen, dafür wollte das Feld die Ausreißer mit aller Macht einholen. Die Gruppe vorne konnte sich bis zum letzten Anstieg etwa 60 Sekunden vor den Verfolgern halten und schon weitere 20 Sekunden später folgte das Feld. Dort legte US Postal ein extremes Tempo vor und trotz der geringen Schwierigkeit des Berges mussten auf den ersten Kilometern schon einige Fahrer abreißen lassen. „Bei dem Tempo geht vorne keiner mehr raus, aber hinten, hinten werden viele Zeit verlieren. Mal schauen wer von den großen dabei ist.“ Kurz danach blendete das französische Fernsehen „arriere de la course“ ein und man konnte bereits einige große Namen am Ende der Gruppe sehen. Natürlich waren einige Sprinter dabei, aber auch Abraham Olano hatte seine Sturzverletzungen noch nicht überwunden und konnte hier das Tempo der Gruppe nicht mehr halten. Ebenso wie Carlos Sastre. Nicht nur hinten gab es Einbrüche, jetzt hatten auch weiter vorne Fahrer Probleme. Die Verfolger waren jetzt nur noch zu zweit, Laurent Jalabert und Kim Kirchen fuhren weiterhin zwischen der Gruppe und dem Feld. Aber wo waren Mancebo und Klöden? Waren sie nach vorne herausgefahren oder zurückgefallen?

Bereits nach drei Kilometern Anstieg überholten sie Mancebo und Klöden. Die beiden fuhren ein unglaublich langsames Tempo und im Vorbeifahren schaute er ihnen ins Gesicht. Er sah nur zwei schmerzverzerrte Fratzen. Mussten sie jetzt schon den Anstrengungen des Ausreißversuches Tribut zollen? Das wäre eine Überraschung. Dabei waren sogar seine Beine noch sehr gut, obwohl er sich nicht zu den Bergspezialisten zählte. Mitleid war jetzt aber Fehl am Platz, vorne waren noch zwei gefährliche Männer, die das gleiche Schicksal erleiden sollten wie Klöden und Mancebo. Man konnte sie auf den geraden Stücken jetzt bereits erkennen, wie sie einen Ausreißer nach dem anderen überholten. Einer nach dem anderen fiel aus der ursprünglichen Spitzengruppe zurück, ihr Tempo schien hoch genug zu sein um Angriffe zu verhindern. Ihre eigene Tempoverschärfung sollte genügen. Dennoch begann nun zu Beginn des letzten Anstieges die Phase der Attacken. Eingeläutet wurden sie von zwei Spaniern.

Benutzeravatar
Time2Play
Beiträge: 1449
Registriert: 22.7.2008 - 22:02
Kontaktdaten:

Beitrag: # 6734318Beitrag Time2Play
5.9.2008 - 15:42

Endlich Bergetappen ^^

Weiterhin Top!

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6734397Beitrag Valverde3007
6.9.2008 - 0:05

„Escartin attackiert. Das ist doch eigentlich gar nicht sein Gelände.“ In der Tat war es etwas überraschend, dass der Spanier nicht erst in den Alpen oder Pyrenäen attackierte. Im Schlepptau zog er Georg Totschnig und einen der ganz heißen Podiumsanwärter mit, seinen Landsmann Joseba Beloki. Den durfte US Postal auf keinen Fall wegfahren lassen und so wurde noch einmal das Tempo forciert. Mittlerweile waren auch Jalabert und Kirchen wieder zurück im Feld und Klöden, Mancebo und Olano hatten sich bereits wieder nach hinten verabschiedet. Die drei Ausreißer versuchten es einige hundert Meter, doch als sie danach immer noch das Postalteam direkt hinter sich sahen, war das Tempo wieder raus. Vor der Gruppe fuhr jetzt nur noch Erik Dekker und der würde bis zum Gipfel bestimmt noch geholt werden. Genau in diese ruhige Phase kam ein Angriff eines Fahrers mit magentafarbenen Trikot. „Oho, der Vinokurov will wohl wieder Zeit gewinnen.“ Aber war es Vinokurov? Die Nahaufnahme des Angreifers zeigte etwas ganz anderes.

Gerade in dem Moment in dem sie Beloki, Escartin und Totschnig eingeholt hatten, sah er auf der linken jemanden davonsprinten. Es war mal wieder einer vom Team Telekom. Wahrscheinlich schickte Ullrich jetzt nach Klöden seinen nächsten Mann nach vorne. Wer würde es diesmal sein? Guerini oder Vinokurov? Er setzte zur Verfolgung an, wollte den Ausreißer erst auf Distanz halten und später das Loch zufahren. Es folgten mehrere Kurven und schon hatte er den Angreifer im stark bewaldeten Gebiet aus den Augen verloren. Da schrie Johan durch den Teamfunk: „Mehr Tempo. Das ist Ullrich.“ Er spürte sofort einen Kloß im Hals. Im Leben nicht hatte er damit gerechnet, dass dieser schlanke Fahrer mit der höheren Trittfrequenz das ehemalige Moppelchen Ullrich sein sollte. Der deutsche war viel zu gut in Form. Das bedeutete, dass er heute noch auf keinen Fall Zeit gewinnen konnte, weil er die in seiner Verfassung vielleicht sogar im Gebirge halten könnte. Mit letzter Kraft zog er am Lenker, erhöhte zum Abschluss ein letztes mal das Tempo und scherte dann aus. Völlig demotiviert und entkräftet viel er schnell zurück ans Ende des Feldes und ließ abreißen. Sie hatten sich von Ullrich überrumpeln lassen und jetzt hatte er Vorsprung.

Jan Ullrich zeigte schon am heutigen Tag, dass er sich nicht bedingungslos der Rangordnung der sieben Toursiege Folge zu leisten, wo Armstrong bereits auf der ersten richtigen Bergetappe die Tour entschieden hatte. US Postal hatte trotz des Rückstandes von fast dreizig Sekunden dennoch noch nicht aufgesteckt. Roberto Heras setzte sich jetzt an die Spitze der kleiner gewordenen Gruppe und hämmerte mit vollem Einsatz in die Pedale. Sofort reduzierte sich der Vorsprung etwas, 25 Sekunden, 21 Sekunden. Je näher das Feld heranrückte, desto nervöser wurden die Fahrer. Sechs Kilometer vor dem Gipfel griff Richard Virenque an, US Postal setzte sofort hinterher und der Angriff verpuffte. Doch der Abstand zu Ullrich war auf zwölf Sekunden gesunken. Virenque ging aus der Führung, Roberto Heras übernahm wieder bis der Rückstand zu Ullrich auf knapp 40 Meter gesunken war. Dann nahm er erschöpft raus und Tyler Hamilton übernahm die Spitze.

Er konzentrierte sich jetzt weniger auf seine eigene Fahrt – das Zeitlimit würde er schon schaffen – sondern mehr auf den Teamfunk. Er hörte Lance rufen: „Komm Tyler, den schnappst du dir. Hinten krepieren die schon reihenweise. Ulle packst du auch noch.“ Darunter mischten sich Johans Angaben: „12 Sekunden, 8 Sekunden, 4…“ Und dann war die Gruppe wieder zusammen. Beruhigt schaute er sich um, wer denn mit ihm in dieser abgehängten Gruppe fuhr. Mit einem Blick zurück erkannte er den Portugiesen Jose Azevedo, der auch zweimal mit ihnen für Lance gefahren war. Es tat ihm ein bisschen Leid, dass einer seiner ehemaligen Teamkollegen jetzt schon aus dem Kampf um das Gesamtklassement ausscheiden musste. Und es war nicht der einzige. Auch Levi Leipheimer musste bereits reißen lassen. Es schien ein schwarzer Tag für das Team Gerolsteiner zu werden, das gelbe Trikot war verloren und für einen der beiden Kapitäne auch die Chance auf eine sehr gute Platzierung. Dass so früh schon die Konkurrenten zurückfielen machte ihm Mut, dass das Team gut drauf war und in der Lage das Peloton zu beherrschen.

„Armstrong, Ullrich, Basso, Vinokurov, Hamilton, Boogerd, Bettini, Valverde, Casagrande, Voigt, Moncoutie.“ Jean zählte die elf Fahrer auf, die er in der Spitzengruppe erkennen konnte. Es waren also nicht Virenque, Jalabert oder Moreau die hier die französischen Fahnen hochhielten, sondern David Moncoutie, der immer noch bei Cofidis aktiv war. Nachdem die Gruppe zu Ullrich aufgeschlossen hatte, war die Luft in der Spitze aber raus. Tyler Hamilton führte die Spitzengruppe über den Gipfel und in die Abfahrt hinein. 23 Sekunden später fuhr die nächste Gruppe mit Zülle, Tonkov, Virenque, Mayo und Voeckler über den Gipfel. Dadurch dass man sich vorne in der Gruppe nicht einig war, konnten die fünf schnell wieder aufschließen und im weitern Verlauf der Abfahrt kamen immer mehr Fahrer von hinten dazu. Das Geschehen in der Spitzengruppe blieb jetzt ruhig und die drei stellten sich schon auf einen Sprint aus der immer größer werdenden Gruppe ein, da trat einer an.

„Tyler geht.“ Diese Nachricht ließ ihn aufhorchen. Sein amerikanischer Teamkollege konnte sich wohl in einem Moment absetzen, in dem alle auf Lance achteten und seinem Teamkollegen nicht so viel Beachtung schenkte. Doch nun verhießen Johans Schreie gutes: „Du hast 15 Sekunden. Noch drei Kilometer.“ Keine schlechte Ausgangssituation für den guten Zeitfahrer aus Massachusetts. Wenn sich jetzt die Verfolgergruppe nicht einig werden würde, dann könnte Tyler die Etappe gewinnen, was ihnen dann neben dem Tagessieg auch eine hervorragende Position im Gesamtklassement einbringen würde. Weil er davon in seiner abgehängten Gruppe nichts mehr mitbekommen würde, tat er das einzige was er noch tun konnte um seinem Teamkollegen zu helfen, indem er ihn durch den Teamfunk anfeuerte. Erst hatten sie Ullrichs Angriff abgewehrt, Lance hatte keine Zeit verloren, Tyler war auf dem Weg zum Tagessieg. Ein Tag wie früher, dominiert durch ein perfektes Postalteam.

Der Amerikaner erreichte jetzt die letzten zwei Kilometer und befand sich bereits im Stadtgebiet von Gerardmer. Er war jetzt in dem Bereich, den sie von ihrem Balkon aus sehen konnten. Knapp 15 Sekunden hinter ihm fuhr die Verfolgerguppe, die jetzt auf knapp 25 Fahrer angewachsen war, nachdem die Gruppe mit Zülle und eine weitere mit Fernando Escartin und Alex Zülle von hinten wieder herangerollt war. 20 Sekunden dahinter befand sich dann bereits eine weitere Gruppe, die noch mal etwa 20 Fahrer umfasste. „Der schafft es! Der kommt durch!“ Jean war vollständig von dem Ausreißer überzeugt, aber Monsieur bremste sofort. „Schau mal, da kommt die Gruppe. Banesto zieht das Ding für Valverde an.“ Und tatsächlich, Hamilton gingen auf dem letzten Kilometer die Kräfte aus, während von hinten Bettini und Valverde heransprinteten. Es wurde immer knapper, noch hielt der Amerikaner einen kleinen Vorsprung. Er bäumte sich auf, versuchte zu beschleunigen. Hundert Meter noch bis zum Ziel, fünfzig, zwanzig. Und dann kam das Unvermeidbare. Alejandro Valverde kam mit unglaublicher Endgeschwindigkeit kurz vor dem Ziel noch vorbei und gewann mit einem ähnlichen Vorsprung wie drei Tage zuvor Laurent Jalabert. Die letzten Zeitgutschriften sicherte sich auf Platz 3 Paolo Bettini, der den Rest der Verfolger ins Ziel führte.

„Tyler liegt vorne, Tyler liegt vorne! Komm Junge das reicht, noch fünfzig Meter! NEIN!“ Passender hätte Johans Livereportage nicht sein können. Schon wieder hatte ihnen dieser junge Spanier einen Sieg gestohlen, wie in Courchevel. Immerhin war Lance in der ersten Gruppe dabei. Nach getaner Arbeit für seinen Kapitän rollte er gemütlich mit seiner Gruppe knapp drei Minuten nach dem Sieger ins Ziel und suchte sofort seine Kollegen auf. Lance konnte er gratulieren, Tyler musste erst einmal getröstet und aufgemuntert werden. Frustrierte Fahrer konnten sie aber nicht gebrauchen, wenn sie morgen gelb übernehmen wollten.

„Jetzt ist der Galdeano in Gelb. Irgendwie wiederholt sich doch alles.“ Der Spanier hatte vor seinem Teamkollegen von ONCE, Joseba Beloki, gelb übernommen. Ob er es auf den nächsten Etappen aber behaupten könnte, war mehr als fraglich. „Jetzt gewinnt Armstrong auch die Tour“, meinte Monsieur. Nick hielt dagegen, Ullrich war sein Favorit. Jean setzte auf einen der Franzosen, Jalabert, Virenque, Chavanel oder Moncoutie. Jeder legte fünfzig Euro in die Mitte, die Wette war besiegelt. Jetzt galt es die nächsten Tage abzuwarten.

Tageswertung
1. Alejandro Valverde
2. Tyler Hamilton US Postal s.t.
3. Paolo Bettini Mapei s.t.
4. Jens Voigt Credit Agricole s.t.
5. Alexander Vinokurov Telekom s.t.
6. Lance Armstrong US Postal s.t.
7. Michael Boogerd Rabobank s.t.
8. David Moncoutie Cofidis s.t.
9. Francesco Casagrande Fassa Bortolo s.t.
10. Ivan Basso CSC s.t.

Gesamtwertung
1. Igor Gonzales de Galdeano ONCE
2. Joseba Beloki ONCE 0:17
3. Jörg Jacksche ONCE 0:27
4. Lance Armstrong US Postal 0:34
5. Victor Hugo Pena US Postal 1:04
6. Tyler Hamilton US Postal 1:08
7. Georg Totschnig Gerolsteiner 1:13
8. George Hincapie US Postal 1:13
9. Laurent Jalabert CSC 1:43
10. Kevin Livingston US Postal 1:53

Sprintwertung
1. Erik Zabel Telekom 153
2. Mario Cipollini Saeco 136
3. Robbie McEwen Lotto 127
4. Baden Cooke FdJeux 104
5. Alessandro Petacchi Fassa Bortolo 97

Bergwertung
1. Walter Beneteau Bonjour 30
2. Inigo Landaluze Euskaltel 29
3. Raivis Belohvosciks Lampre 26
4. Tyler Hamilton US Postal 20
5. Lance Armstrong US Postal 15

Teamwertung
1. ONCE
2. US Postal
3. Credit Agricole
4. CSC
5. Gerolsteiner

Aktivster Fahrer
1.Raivis Belohvosciks Lampre 534
2.Iniho Landaluze Euskaltel 514
3.Walter Beneteau Bonjour 382
4.Jose Vicente Garcia Acosta Banesto 371
5.Chris Boardman Credit Agricole 315

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6735530Beitrag Valverde3007
11.9.2008 - 20:07

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Die zweite Bergetappe, die schwerere der beiden sollte an diesem Tag stattfinden. Über den Grand Ballon und den Ballon d’Alsace hinweg führte sie nach Mulhouse. Ein schwieriger Abschnitt mit vielen kleineren Bergwertungen. Heute würden viele Ausreißer gehen, meist ungefährliche, die im Gesamtklassement schon weit zurückliegen, aber wenn doch ein gefährlicher Fahrer angreifen würde, würde das viel Arbeit bedeuten. Die Etappe durchs Elsass schien wie geschaffen für Ausreißer und einige Fahrer würden sicher schon vor dem Hochgebirge Zeit herausholen wollen. Doch um ihre Kräfte nicht schon heute zu sehr zu beanspruchen, sollte bei gefährlichen Angriffen auch einer von US Postal dabei sein, den andere Teams ebenfalls nicht fahren lassen dürften. Damit würde die Verantwortung nicht bei ihnen liegen und sie müssten kaum Führungsarbeit leisten.

Die große Elsassetappe sollte eine große Selektion bringen. Die Frage war nur wie groß diese ausfallen würde. Das Rennen war vollkommen unberechenbar. Es konnten wie 2005 einige Ausreißer durchkommen, wie gestern Klassikerspezialisten mit Sprintfähigkeiten wie Valverde oder Bettini, sowie vielleicht sogar schon Gesamtwertungsfavoriten, die sich gestern bereits aktiv gezeigt hatten, gewinnen. Welchen Verlauf das Rennen nehmen würde, war dabei völlig offen. Am realistischsten schienen eine frühe, mittelgroße Ausreißergruppe und ein Schlagabtausch der Favoriten am Ballon d’Alsace sein. Das Problem an der Streckenführung des heutigen Tages lag darin, dass es von diesem berühmtesten Gipfel der Vogesen bis ins Ziel noch 56 Kilometer wären, in denen wieder einiges zusammenrollen würde. Und über die anderen leichteren Gipfel auf der Anfahrt zum Ballon würde sogar der eine oder andere Sprinter überstehen. Sie mussten heute auf eine der weiteren Lebensweisheiten von Monsieur vertrauen: „Nicht die Strecke, die gefahren wird, macht eine Tour, sondern die Fahrer die sie fahren.“ Und die legten gleich los. Bei Kilometer zwei gab es den ersten Angriff.

„Wer liegt vorne?“ „Niemand wichtiges. Große Namen mit großen Rückständen. Der nächste ist Bruseghin mit fast neun Minuten.“ Das beruhigte ihn und das ganze Team. Zwar waren sie wieder nicht in der Spitzengruppe vertreten, aber so konnten sie immerhin ihre Kraft auf die Arbeit für Lance konzentrieren. So langsam wurden die Namen im Feld bekannt. Christophe Rinero war dabei, der Bergkönig von der Skandaltour 1998. Marzio Bruseghin, dritter des Giro 2008. Leonardo Piepoli, mehrfacher Etappensieger bei großen Rundfahrten. Erik Dekker, Weltcupsieger 2000 und mit dem belgischen Kämpfer Kurt van de Wouwer ein weiterer Fahrer aus den Beneluxstaaten. Diese fünf würden sie heute fahren lassen, keine Gefahr fürs Klassement und vielleicht könnten sie sogar Valverde und Co die Zeitgutschriften wegnehmen. Es bahnte sich eine Etappe wie vor drei Jahren an.

Das Rennen verlief ruhig. Das Feld rollte gemächlich über die Straßen, die sie vor zwei Tagen noch abgefahren waren. Die Ausreißer fighteten vorne um die Bergpunkte, sonst lief die Gruppe harmonisch. Mit gleichmäßigem Tempo fuhren sie den Grand Ballon hinauf, keiner hatte Probleme, es war aber auch keiner so stark, dass er die anderen hätte abhängen können. Im Peloton kontrollierten ONCE und US Postal das Tempo und machten keine Anstalten den Vorsprung von inzwischen neun Minuten zu verringern. Das gedrosselte Tempo hielt bis zum letzten Flachstück des Anstieges an und so verpassten die drei fast die erste gesamtwertungsrelevante Aktion. Der Belgier Johan Museeuw griff an und in seinem Schatten ein Mann im blauen Trikot. Armstrongs Team ging in die Offensive.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass Museeuw eine Attacke setzte. Das war ihre Chance, dem Rennen eine neue Wendung zu geben und den anderen Teams die Verantwortung zu übergeben. Er animierte seinen Teamkollegen ihm zu folgen, dann trat er auch an. Jetzt musste er alles aus sich herausholen, möglichst Vorsprung vorausfahren und dann seinen Kollegen auf die Flucht schicken. Der flache Bereich des Berges war nun vorbei, es folgte eine letzte, steilere Rampe. Er versuchte noch einmal das Tempo zu erhöhen, blickte kurz zurück und sah nur ein blaues Trikot an seinem Hinterrad. Sein Kamerad musste es also alleine durchziehen. Während er ausscherte, rief er ihm noch zu: „Komm, Tyler, das schaffst du.“ Dann übermannte ihn die Müdigkeit. Runterschalten, Rhythmus finden, das musste er jetzt versuchen. Einen Kilometer vor dem Gipfel hatte ihn das Feld unter der Führung wieder eingefangen. Sie wollten gerade das Tempo drosseln, als Beloki nach vorne kam und die ONCE-Fahrer anschrie: „Ahi es otro!“ Auch mit seinen begrenzten Spanischkenntnissen verstand er die Situation. Die Spanier hatten gedacht, sie hätten den Angriff abgewehrt, als sie ihn wieder eingeholt hatten. Doch sie hatten sich verkalkuliert und jetzt war Tyler bereits über eine Minute weggefahren.

Verdutzt guckten sich die drei an. Wie sollte man diese Situation bewerten? Hamilton war weggefahren. Musste man in ihm den Gesamtsiegaspiranten sehen, der mit geschlossenem Schlüsselbein zweiter beim Giro und vierter bei der Tour geworden war. Oder als den kleinen Helfer von Lance Armstrong, der nach getaner Arbeit im Grupetto ausrollte? Wie so häufig in diesen Tagen war die Entschlossenheit nicht so groß. Telekom zeigte wie immer in seiner langen Karriere taktisches Unverständnis und setzte nicht nach, CSC ließ seinen alten Kapitän ebenfalls fahren, Banesto setzte auch nicht nach um Piepolis Vorsprung und möglichen Tageserfolg nicht zu riskieren. Damit blieben nur einige wenige Helfer von ONCE, die sich an die Spitze setzten. Doch diese hatten auch zusammen nicht die Möglichkeit den Abstand zu verringern. Hamilton schien in sehr guter Form zu sein und vergrößerte den Abstand immer weiter. Als es wieder flacher wurde, blendete Eurosport dann alte Bilder von der 16.Etappe der Tour 2003 ein, als Hamilton im Alleingang die letzte Pyrenäenetappe gewonnen hatte. Der Fernsehsender blendete alte Bilder ein, Bilder seines Angriffes, wie er in die Gruppe um Millar nach vorne fuhr, wie er sich am Berg absetzen konnte und einen Vorsprung von fünf Minuten erreichte. Dann der triumphale Zieleinlauf mit einem immer noch großen Vorsprung von fast zwei Minuten, der ihn im Gesamtklassement noch an den Basken Iban Mayo und Haimar Zubeldia vorbei auf Platz vier brachte. Damals war er zum Helden geworden, heute fünf Jahre später konnte er diesen Heldenstatus nach seinen Eskapaden wieder zurück erlangen.

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6736478Beitrag Valverde3007
16.9.2008 - 21:50

Johan gab regelmäßig Zeiten durch. Am Fuße des Grand Ballons hatte Tyler zwei Minuten Vorsprung, dann im flachen Teil nur noch 1:30, jetzt im Anstieg wuchs der Abstand wieder. Leider konnte er es noch nicht schaffen zur Spitzengruppe vorzuarbeiten. Sie erreichten die ersten steilen Rampen des Ballon d’Alsace. An der Spitze des Pelotons machten jetzt der ehemalige Vueltasieger Abraham Olano und der ehemalige Vueltazweite Isidro Nozal Tempo. Dieses war so hoch, dass er so langsam bereits Probleme bekam das Tempo zu halten. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter nach hinten, der ihn stark beruhigte. Hinter ihm fuhr Lance ganz ruhig und flüssig seinen Gang den Berg hoch. Sein Kapitän hatte sogar genug Kraft um regelmäßig Anfeuerungsrufe per Funk abzugeben. Die letzten Kilometer brachten ihn dann an seine Grenzen. Schwer atmend hielt er sich am Ende der nun kleiner gewordenen Gruppe und kämpfte verzweifelt um Anschluss. Er versuchte sich verzweifelt an verschiedenen Punkten zu motivieren. Vor ihm ließ ein Fahrer abreißen, den er überholte. Da sah er vor sich Santiago Botero. Der Kolumbianer geriet also wieder in Schwierigkeiten. Er setzte sich an das Hinterrad des Kolumbianers und schaffte es dieses bis zum Gipfel zu halten. Sein Blick war aber so auf das Halten des Rades fixiert gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass die beiden nicht mehr am Ende der Gruppe fuhren, sondern schon im Fahrzeugkonvoi. Also überholte er Botero, wählte seine Linie und erhöhte das Tempo.

Sie als Zuschauer waren von dem Geschehen am Ballon d’Alsace etwas enttäuscht. Wie 2005 gab es nicht viel Aktion und die Favoriten beschränkten sich darauf sich zu neutralisieren. Dafür gab es ein hinreißendes Rennen um das Bergtrikot. Vor der letzten Bergwertung der ersten Kategorie hatten Erik Dekker 37 Punkte, Bruseghin 45 und Christophe Rinero 31 Punkte auf dem Konto. Kurz vor dem Gipfel kam es dann beinahe zu Stehversuchen. Kurz vor dem Bergsprint trat Christophe Rinero an, während die anderen abwarteten. Der Franzose konnte sich einen kleinen Vorsprung erarbeiten, bis hinten Marzio Bruseghin die Nerven verlor. Er trat als nächstes an, aber Erik Dekker hing direkt an seinem Hinterrad. Kurz vor der Bergwertung ging dieser vorbei und sogar Piepoli konnte noch am Italiener vorbeifahren. Kurzes Rechnen. Rinero hatte 61 Punkte, Erik Dekker und Marzio Bruseghin jeweils 63 Punkte. Jetzt stellte sich die Frage nach welchen Kriterien die Jury das Trikot vergeben würde. Schließlich kam die Meldung, dass Dekker Führender der Bergwertung sei. Damit dürfte er morgen im Gepunkteten Trikot des besten Bergfahrers fahren.

Mittlerweile hatte er den Anschluss ans Feld wieder gefunden. Dass er Botero im Schlepptau mitgezogen hatte, war nicht schlimm gewesen, denn der hatte ohnehin genug Rückstand. Als er am Horizont die Zwanzigkilometermarke sah, ließ er sich zurückfallen um nochmal Flaschen am Materialwagen zu holen. Diese Gelegenheit nutzte er dazu um sich bei Johan zu erkundigen, wie die Situation an der Spitze nun aussehe. Die Antwort ließ ihn um seinen Teamkollegen zittern. Bei 40 Kilometern zum Ziel hatte er noch 3:30 gehabt, 30 Kilometer vor dem Ziel 3:08 und nun 20 Kilometer vor dem Ziel noch 2:14. Mittlerweile hatte vorne Erik Dekker Defekt gehabt. Wenn Tyler den einholen könnte, dann würden ihre Chancen durchzukommen steigen. Er fuhr wieder nach vorne, gab seine Flaschen weiter, als er das Abstandsschild auf dem Motorrad sah: 15 Kilometer, 1:36. Es würde sehr knapp werden, so wie gestern. Tyler war es zu gönnen, die Etappe erfolgreich abzuschließen oder wenigstens Zeit zu gewinnen.

Der Postalfahrer kämpfte mit letztem Einsatz. Heldenhaft versuchte er seinen Vorsprung zu verteidigen. Mittlerweile hatte er Gesellschaft von Erik Dekker bekommen und gemeinsam behaupteten sie einen Vorsprung von etwa einer Minute. Ein Kameraschwenk und man sah den Bogen, der die letzten zehn Kilometer anzeigten. Währenddessen ging vorne das Rennen um den Tagessieg los. Bruseghin setzte den ersten Angriff, Rinero und van de Wouwer konterten. Nur Piepoli konnte der Attacke nicht folgen. Aber jetzt fingen die taktischen Spielereien an, keiner wollte zu lange und zu kraftintensiv führen. Ein anderes Bild boten die beiden Verfolger. Dort gab jeder sein bestes um das Hauptfeld auf Distanz zu halten. Das half aber nichts, der Abstand schrumpfte konstant zusammen und zwei Kilometer vor dem Ziel geschah das Unvermeidliche. Das Peloton konnte aufschließen. Ein weiterer Fahrer, der wieder zu einer Gruppe aufschließen konnte war Leonardo Piepoli. Weil seine drei ehemaligen Begleiter das Tempo zu stark verschleppt hatten, konnte er an die Gruppe heranfahren und gleich eine erneute Attacke setzen. Diese wurde aber von seinen aufmerksamen Fluchtgefährten gekontert und der nächste der Angriff war Rinero. Das Kameramotorrad zeigte Rinero nur von hinten, aber ein Schnitt auf die Helikopterkamera zeigte, dass nur einer den Antritt mitgehen konnte. Gemeinsam mit van de Wouwer durchfuhr Rinero die flame rouge. Er blickte sich mehrmals um, zehrte von dem Vorsprung gegenüber den anderen beiden, doch das nützte alles nichts. Als er in der taktisch ungünstigen Position knapp 250 Meter vor dem Ziel einen kurzen Blick nach vorne auf die Straße warf, ging der Belgier vorbei. Mit einer energischen Tempoverschärfung überholte er Rinero und konnte seine Führung bis zum Schluss verteidigen. Der ehemalige Bergkönig kam geschlagen als zweiter ins Ziel, zwei Punkte fehlten zum Bergtrikot, 200 Meter zum Etappensieg. 20 Sekunden später kamen Bruseghin und Piepoli, bevor das Feld mit etwas über einer Minute Rückstand angeführt von Alejandro Valverde ins Ziel rollte. Geschlagen an letzter Position fuhr Tyler Hamilton, der Kämpfer des Tages.

Tageswertung
1. Kurt van de Wouwer Lotto
2. Christophe Rinero Cofidis s.t.
3. Marzio Bruseghin Fassa Bortolo 0:24
4. Leonardo Piepoli Banesto s.t.
5. Alejandro Valverde Banesto 1:11
6. Jens Voigt Credit Agricole s.t.
7. Beat Zberg Gerolsteiner s.t.
8. Patrice Halgand Credit Agricole s.t.
9. David Etxebarria Euskaltel s.t.
10. Serge Baguet Lotto s.t.

Gesamtwertung
1. Igor Gonzales de Galdeano ONCE
2. Joseba Beloki ONCE 0:17
3. Jörg Jacksche ONCE 0:27
4. Lance Armstrong US Postal 0:34
5. Victor Hugo Pena US Postal 1:04
6. Tyler Hamilton US Postal 1:08
7. Georg Totschnig Gerolsteiner 1:13
8. George Hincapie US Postal 1:13
9. Laurent Jalabert CSC 1:43
10. Kevin Livingston US Postal 1:53

Sprintwertung
1. Erik Zabel Telekom 153
2. Mario Cipollini Saeco 136
3. Robbie McEwen Lotto 127
4. Baden Cooke FdJeux 104
5. Alessandro Petacchi Fassa Bortolo 97

Bergwertung
1. Erik Dekker Rabobank 63
2. Marzio Bruseghin Lampre 63
3. Christophe Rinero Cofidis 61
4. Leonardo Piepoli Banesto 51
5. Kurt van de Wouwer Lotto 45

Teamwertung
1. ONCE
2. US Postal 1:41
3. Credit Agricole 3:50
4. CSC 4:21
5. Gerolsteiner 4:55

Aktivster Fahrer
1.Raivis Belohvosciks Lampre 534
2.Iniho Landaluze Euskaltel 514
3.Walter Beneteau Bonjour 382
4.Erik Dekker Rabobank 374
5.Jose Vicente Garcia Acosta Banesto 371

Benutzeravatar
Style
Beiträge: 272
Registriert: 21.8.2005 - 14:42

Beitrag: # 6736514Beitrag Style
17.9.2008 - 11:56

Wow:) sehr gut und spannend geschrieben die bergetappen. Ich freu mich schon auf die fortsetzung!

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6737079Beitrag Valverde3007
21.9.2008 - 14:46

Wie einst Poupou
Der morgen des Rennens war gekommen. Es war eine Art Jedermannrennen des französischen Pro-Tour-Teams, mit der Bedingung, dass die Starter unter 23 Jahre alt sein mussten. Ein sportlicher Leiter würde anwesend sein und einen Fahrer suchen, der für das Team geeignet wäre. Der Start sollte in Saint-Etienne-des-Cuisines sein. Von dort würde es zuerst hoch zum Col de la Croix de Fer gehen, dann über den Col du Mollard hinunter ins Tal. Anschließend würde die Strecke dann in der Nähe des Startortes in Richtung Norden über den Col de la Madeleine führen und anschließend über den Cormet de Roselend nach Albertville. Die Strecke führte über eine Gesamtdistanz von 212 Kilometern, es würde also einen harten Kampf von ungefähr sieben Stunden bedeuten.
Beim Frühstück herrschte eiserne Stille. Keiner sagte ein Wort, die einzigen Geräusche erzeugte Jeans Löffel, mit dem er stumm sein Müsli in sich hineinschaufelte. Er bedankte sich nur kurz einsilbig bei Monsieur, der ihm ein Bergtrikot mit Aufdruck des Sponsors geschenkt hatte.
Sie brauchten etwa eine Stunde um mit dem Auto zum Startort zu gelangen. Dort fuhr sich Jean ein wenig warm, denn er wollte gleich von Anfang an am ersten Anstieg, der direkt auf die Neutralisationsphase folgte, das Rennen im Griff haben. Nick blickte etwas besorgt zu dem jungen Franzosen, der zwar hochkonzentriert war, aber etwas überheblich an die Sache heranging. Für ihn zählte nur mit möglichst viel Vorsprung auf den zweitplatzierten zu gewinnen. Jede Faser seines Körpers schien vor Energie nur so zu strotzen.

Nach einer kurzen Neutralisationsphase begann das Rennen direkt nach dem Startsignal mit dem Anstieg zum Col de la Croix de Fer. Neben dem sportlichen Leiter und provisorischen Scout fuhren auch Nick und Monsieur hinter den Fahrern her, was ihnen gestattet wurde, weil man nicht Monsieur als finanzkräftigen Co-Sponsor unzufrieden machen wollte. Das Rennen wurde mit einem langsamen Tempo aus Respekt vor den Schwierigkeiten des Tages in Angriff genommen. Doch an dem ersten Steilstück testete Jean gleich seine Gegner. Wie auf der Tour durchs Elsass tänzelte er spielend leicht vor der Gruppe den Berg hoch und suchte den Blick in die Gesichter seiner Gegner. Einige hatten sichtlich Respekt vor ihm, aber etwas irritierte ihn. In der vorderen Reihe fuhren zwei Fahrer in weißen Trikots mit aufreißender Lässigkeit die Lücke zu ihm wieder zu. Er hatte es doch nicht nur mit stümperhaften Amateuren zu tun. Dabei hatte er geplant, gleich am ersten Berg das Heft in die Hand zu nehmen, ein kleines Grüppchen zu bilden und dann am Cormet de Roselend anzugreifen. Er setzte gerade wieder zur Attacke an, da hörte er Nick durch das Funkgerät, dass Monsieur ihnen besorgt hatte: „Bleib ruhig. Du kannst nicht zweihundert Kilometer von vorne fahren. Spar deine Kräfte.“
Etwas enttäuscht vom aus seiner Sicht mangelnden Vertrauen setzte er sich wieder und ließ sich ein wenig zurückfallen.

Der Junge war wohl doch ein ganz schöner Heißsporn. In seiner Trainingsfahrt hatte er selbstbewusst und stark gewirkt, jetzt war er nur noch überheblich und taktisch unklug. Er wollte mit voller Kraft das ganze Feld zerlegen ohne einzusehen, dass seine Kräfte dann nicht für die lange Distanz reichen würden. Er hatte zweifellos Talent, aber auch eine Menge taktisches Unvermögen.

An der kleinen Gegensteigung zum Mollard hielt er es nicht mehr aus. Er trat knapp drei Kilometer vor dem Gipfel an und merkte, dass ihm nur sieben Fahrer folgen konnten. Sofort fragte er nach, ob jemand interessantes dabei sei, den er aus seinen Juniorenrennen kennen könnte. Zwei Fahrer mussten schon abreißen lassen, bevor er die Namen erfuhr. Die anderen drei waren Cyril Gautier, der beim Bretagneteam fuhr, Tony Gallopin, gegen den er schon gefahren war und Johan Le Bon der Juniorenweltmeister. Dazu waren noch zwei Fahrer des FdJeuxteams in der Gruppe, Anthony Roux und Yoann Offredo. Es waren also auch drei Profis dabei, die es zu schlagen galt. Er sicherte sich wie schon am Croix de Fer den ersten Platz am Gipfel, was ihm Punkte für die inoffizielle Bergwertung brachte. Dann ging es hinunter in die Abfahrt. Sofort setzte er sich an die Spitze und raste den Berg hinab wie Sammy Sanchez in seinen besten Zeiten. Jedenfalls fühlte er sich so.

Als er sah, wie Jean den Berg hinunterfuhr, erinnerte er ihn zuerst an den Spanier Sanchez. Die erste schärfere Kurve zeigt aber die Unterschiede zwischen den beiden. Während Sanchez durch seine ideale Linie und Risikobereitschaft schnell war, kompensierte Jean das über größenwahnsinnige Manöver und mangelnde Benutzung der Bremsen. Mehr als einmal schaffte er nur ganz knapp die Kurven. Doch es ging in dieser Abfahrt gut. Unten im Tal hatte er auf die fünf Verfolger fast eine Minute herausgefahren. Nick fuhr an ihn heran, reichte ihm eine Trinkflasche und nannte ihm den genauen Abstand.

Jean ließ es dann auf dem Flachstück wieder ruhiger angehen und wurde erwartungsgemäß am Fuße des Col de la Madeleine wieder eingeholt. Wiederum griff er in dem ersten steilen Abschnitt an. Ein abrupter, knackiger Antritt, dem niemand etwas entgegenzusetzen haben dürfte. Das dachte jedenfalls Jean. Doch als er sich umdrehte, sah er dass einer der beiden Fahrer von FdJeux noch unmittelbar an seinem Hinterrad war. Er nahm Tempo raus und kurze Zeit später füllte sich die Gruppe mit Le Bon und Gautier wieder auf. Frustriert ließ er sich ans Ende der kleinen Gruppe zurückfallen. Er hatte sich das Rennen einfacher vorgestellt.

„Abwarten. Du musst ruhiger an die Sache herangehen. Auf dem Flachstück hast du sowieso keine Chance gegen eine Fünfmanngruppe. Wieso sparst du nicht deine Kräfte für den Roselend? Der junge Mann zeigte mittlerweile nicht mehr das Selbstvertrauen, das Nick am Anfang bei ihm gesehen hatte, sondern Größenwahn und Selbstüberschätzung. Er verschleuderte seine Kräfte durch sinnlose Angriffe, die seine Gegner neutralisieren konnten. Wenn er seine Kräfte von Anfang an gespart und erst am Roselend alles auf eine Karte gesetzt hätte, wären seine Siegchancen viel höher. Im weiteren Verlauf des Madeleine hielt er sich jetzt aber zurück und überquerte mit seinen drei Begleitern den Gipfel. Auf der rasanten Abfahrt und dem Flachstück geschah dann nichts mehr. Die Entscheidung sollte am Roselend fallen.

Benutzeravatar
Style
Beiträge: 272
Registriert: 21.8.2005 - 14:42

Beitrag: # 6737205Beitrag Style
22.9.2008 - 14:11

*Gespannt sein* :)
mehr muss ich zu dem letzten text echt nicht sagen. gute spannungskurve und der cut genau an der richtigen stelle. ausserdem finde ich die charakter beschreibung sehr schön:) er erinnert mich leicht an gilbert.. der ist letztes jarh auch immer nur angegriffen^^

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6737481Beitrag Valverde3007
24.9.2008 - 20:49

Er hatte sich zunächst an Nicks Anweisungen gehalten und war ruhig mit der Gruppe mitgefahren. Nach fünf Kilometern konnte er sich dann nicht mehr halten. Im ersten steilen Stück des Roselend griff er an. Ohne sich umzuschauen hämmerte er in seine Pedalen. Nach einer Weile wagte er einen Blick zurück. Er erwartete diesmal niemanden zu sehen, doch er wurde von seinem Schulterblick enttäuscht. Ein Fahrer hatte Anschluss gehalten. Überraschend war es aber nicht der Fahrer von FdJeux und auch nicht der von Bretagne, sondern der Juniorenweltmeister Johan Le Bon. Mit scheinbar geringem Aufwand und ruhiger Fahrweise hielt er Jeans Hinterrad, was diesen weiter demotivierte. Er überließ dem Le Bon die Führung und ließ sich von ihm den Rest des Berges hochziehen. Am letzten Steilstück versuchte er es mit einem letzten Angriff, der aber auch verpuffte. Nach den Strapazen des Tages und den ständigen Attacken hatte er einfach nicht mehr die Energie seinen Kontrahenten abzuhängen. Dann müsste er es eben in der Abfahrt versuchen.

Es war gekommen, wie es kommen musste. Die vielen Antritte hatten zu viel Kraft gekostet um am Ende noch etwas zusetzen zu können. Und jetzt versuchte Jean es wieder mit vollem Risiko in der Abfahrt. Nick lief es bei den riskanten Manövern in den Kurven immer wieder kalt über den Rücken. Jean ging jetzt höchstes Risiko. Aus dem Teamwagen sahen die halsbrecherischen Aktionen richtig schlimm aus. Er konnte zwar schnell einigen Abstand zwischen sich und seinen Gegner legen, aber das nicht ohne den entsprechenden Einsatz. Der Fahrer fuhr ohne Rücksicht auf seine Gesundheit, einen Sturz einkalkulierend. Und das unvermeidliche geschah. Eine steile Kurve steuerte Jean mit zu viel Tempo nicht genug an und so schaffte er es nicht sauber um die Kurve, sondern verlor das Gleichgewicht und stürzte.

Eine lang gezogene Linkskurve, dann eine scharfe nach rechts. Jean wollte um die nächste Kurve beschleunigen, als er bemerkte, dass diese schärfer war als er gedacht hatte. Er versuchte noch die Balance so zu verlagern, dass er auf den Rädern bleiben würde, doch es war zu spät. Das Rad rutschte unter ihm weg und er stürzte auf die Straße. Ein kurzer Blick an sich herab und eine kurze Kontrolle der motorischen Funktion seiner Arme und Beine zeigten ihm sofort, dass er den Sturz relativ unbeschadet überstanden hatte. Er wollte gleich aufspringen und weiterfahren, doch daran war mit seinem Rad nicht mehr zu denken. Es war komplett verbogen und so musste Jean darauf warten, dass Nick ihm vom Dach des Begleitfahrzeuges das Ersatzrad gab. Diese Aktion hatte Zeit gekostet, viel Zeit. Le Bon war jetzt weit voraus und Jean wollte ihm Rest der Abfahrt kein unbegrenztes Risiko mehr eingehen. Jetzt musste er den zweiten Platz halten.

Die Abfahrt des Roselend war beendet. Rechts am Straßenrand sah er das Ortsschild stehen: „Beaufort“. Von hier waren es noch knapp zwanzig Kilometer bis ins Ziel. Er fuhr neben Jean und betrachtete ihn kurz von der Seite. Durch den Sturz war seine rechte Trikotseite aufgerissen, die Haut war an mehreren Stellen abgeschürft. Sein Unfall war wohl doch schlimmer gewesen, als er seine Begleiter im Auto wissen lassen wollte. Zeit für eine Behandlung war ohnehin nicht vorhanden. Le Bon war in der Abfahrt weiter davon gefahren und keiner machte sich noch die Hoffnung den fünften der Juniorenweltmeisterschaft im Zeitfahren einzuholen. Wichtiger war es den Abstand nach hinten zu halten.

Die Schmerzen in seiner rechten Seite wurden kombiniert mit der wachsenden Müdigkeit von Minute zu Minute schlimmer. Er hatte die Abschürfungen nicht beachten wollen, doch nun waren sie nicht mehr zu verdrängen. Hilflos warf er einen Blick über die Schulter um zu schauen ob hinter ihm noch jemand fuhr und er konnte tatsächlich schon seinen nächsten Verfolger sehen. Und da näherten sich bereits die beiden nächsten. Jean nahm ein bisschen Tempo heraus um sie aufschließen zu lassen. Nachdem er sich in den Windschatten gesetzt hatte, schaute er sich seine beiden neuen Begleiter an. Es waren Cyril Gautier und Tony Gallopin, beides schwächere Bergfahrer als er, dafür aber die besseren Sprinter. Demotiviert fuhr er die letzten Kilometer bis zum Ortsschild von Albertville am Ende der Gruppe und achtete nicht auf den Versuch der Animation der anderen beiden die Führungsarbeit zu übernehmen. Unter dem Bogen für die letzten zwei Kilometer griff Gautier dann an. Sofort konnte er sich ein bisschen absetzen, doch Jean hatte keine Lust mehr ihm hinterherzufahren.

Nick sah, dass die beiden Franzosen kurz miteinander redeten, wie die Verfolgung organisiert werden könnte. Eine Frage Gallopins, ein kurzes Kopfschütteln Jeans mit einem Verweis auf seine Sturzwunden als Antwort. Trotzdem setzte sich Gallopin an die Spitze und übernahm das Tempo. Verzweifelt kämpfte er gegen den Wind, wobei er sich immer wieder Hilfe suchend umblickte. Als Jean sah, dass sie wieder näher an Gautier herankamen, übernahm er doch wieder die Führung. Schließlich schafften die beiden es wieder in die Nähe der beiden Spitzenreiter. Kurz vor dem Ziel holten sie Gautier dann wieder ein, doch Jean blieb in der Führung, was Nick stark verwunderte. Es sah so aus, als würde er Gallopin den Sprint anziehen. Und dieser schaffte es tatsächlich noch auf Platz zwei, während Jean noch Gautier vorbeilassen musste und vierter wurde.

Die kleine Prozession, die in Richtung Podium schlurfte, bot ein fast schon witziges Bild. Der strahlende Le Bon umgeben von grimmigen Verlierern. Die vier wurden jetzt vom sportlichen Leiter des Veranstalterteams begrüßt. Dieser wurde von zwei weiteren Männern begleitet und es stellte sich schnell heraus, dass nicht nur ein Team sich an diesem Tag nach Nachwuchsfahrern umgesehen hatte, als klar war, dass die Elite des französischen Nachwuchses am Start stehen würde. Nach einem kurzen Gespräch wurde klar, dass die beiden Männer, die sich als Teamchefs vorgestellt hatten nur Interesse an Gautier und Le Bon zeigten. Also blieben nur der dritte Mann, Tony Gallopin und Jean zurück.

Wunderbar, dieser Lance. Der verleiht dem AAR einen ganz anderen Realitätsbezug. Jetzt kann man schauen wie viel Chancen die alten Leute wirklich noch haben. Außerdem muss man schauen, wo die jungen Leute hinkommen.

Valverde3007
Beiträge: 1770
Registriert: 20.5.2006 - 11:53

Beitrag: # 6737977Beitrag Valverde3007
28.9.2008 - 18:14

"Morgen beginnt die Tour wieder von vorn."

Nach dem Rennen fuhren sie zurück ins Hotel in Courchevel. Doch die Stimmung war gedrückt. Jean war völlig niedergeschlagen und Nick wusste, dass man das heutige Rennen auf keine Weise schön reden konnte. Sein Konkurrent hatte gewonnen und war nun erster Anwärter auf den Platz im Kader des Profiteams. Er dagegen müsste wohl weiter Amateurrennen fahren. Doch die Chance, die ihnen der dritte Mann, der sich als Leiter des B-Teams der Franzosen für die Tour de l’Avenir vorgestellt hatte, eröffnet hatte, war ebenfalls attraktiv. Er war von seinen Qualitäten überzeugt, wollte aber noch mit einer Nominierung warten. Am zweiten Ruhetag würde er mit Tony Gallopin noch ein Amateurrennen fahren sollen und dann würde die Entscheidung über seine Nominierung fallen. Das Rennen würde dann die Chance für Tony sein, Jeans Hilfe am heutigen Tag zurückzuzahlen. Als Jean eingesehen hatte, dass die beiden es ohne seinen Einsatz nicht mehr nach vorne schaffen konnten, er im Sprint aber auch unterlegen wäre, hatte er sich entschieden einen Platz zu verlieren, aber einen Freund zu gewinnen.

Nach dem Abendessen setzten sie sich noch eine Weile vor den Fernseher. Dort wurde gerade eine Analyse des bisherigen Rennverlaufs gezeigt. Das Umschalten auf die Tour der Profis brachte Jean wieder auf andere Gedanken. Das Thema des Tages war ganz klar die erste Bergetappe der Alpen, die Etappe des Lance Armstrong, auf der er bei jedem seiner Toursiege bereits ein beachtliches Polster herausgefahren hatte. Dabei konnte der Texaner seine Gegner immer so weit distanzieren, dass die Tour beinahe schon entschieden war. Mit den letzten Worten widmete sich der Kommentator noch den Sprintern, bevor er auf die Berge zu sprechen kam.

Mit den Worten "… und so hat Zabel nun gute Chancen grün auch bis Paris zu behalten“, wurde gerade der Rückblick beendet. Während Jean sich mit völlig leerem Blick neben ihm auf dem Sofa platz nahm, lauschte er interessiert den Worten der beiden Experten.
„Nachdem wir jetzt über das bisher geschehene gesprochen haben, kommen wir nun zu einem Ausblick auf die nächsten Etappen. Dazu habe ich ein interessantes Zitat eines Experten zur morgigen Etappe gefunden:
Was bisher geschah, können sie getrost vergessen. Auch wenn es noch so spannend in den Vogesen zugegangen ist. Morgen beginnt die Tour wieder von vorn. Denn es steht die erste der drei großen Alpen-Etappen an. Jetzt müssen die Karten auf den Tisch gelegt werden, jetzt kann nicht mehr geblufft oder taktiert werden. Jetzt muss Rad gefahren werden, denn ab heute geht’s ums Klassement. Deshalb ist diese erste Alpenetappe auch eine der entscheidenden der Tour. Heute kommt es auch darauf an, wie die Teams der großen Favoriten funktionieren. Ein ganz harter Tag!“

„Treffend formuliert. Mal schauen, was die Teams von Armstrong und Ullrich morgen leisten können. Vielleicht ist das Postal-Team wieder so stark wie in früheren Jahren.“
„Genau, beispielsweise wie 1999 auf dem Weg nach Sestriere. Damals arbeiteten Tyler Hamilton und besonders Kevin Livingston hervorragend für ihren Kapitän. Am Schlussanstieg konnte Armstrong, der zwei Tage zuvor mit einem Zeitfahrsieg in Metz das gelbe Trikot übernommen hatte, sich dann aus einer fünfköpfigen Verfolgergruppe lösen. Alleine fuhr er zu den beiden Spitzenreitern Ivan Gotti und Fernando Escartin nach vorne, die er nach kurzer Zeit ebenso stehen ließ wie den Rest des Feldes. Als Alex Zülle die Gruppe wieder erreichte, verschärfte er erneut das Tempo und konnte seine drei Begleiter stehen lassen. Im Ziel hatte er dann dreizig Sekunden Vorsprung auf Zülle und 1:30 auf Gotti und Escartin. Seine Führung im Gesamtklassement konnte er nach der ersten schweren Bergetappe bereits auf über sechs Minuten ausbauen. Es war die erste Hochgebirgsetappe, die der Amerikaner bei der Tour gewinnen konnte und es sollte nicht seine letzte bleiben.“

„Ja, denn zwei Jahre später entschied er die Tour auch am ersten Tag in den Alpen. Es wird unvergessen bleiben, wie Rubiera zu Beginn des Anstieges mit Armstrong am Hinterrad das Tempo erhöhte, nachdem der Amerikaner den ganzen Tag schlecht ausgesehen hatte und bereits einige Teamkameraden unter dem Tempodiktat von Telekom verloren hatte. Aber an dem legendären Anstieg nach Alpe d’Huez wurde auch dem letzten klar, dass das ein Bluff gewesen war. Erst konnten Ullrich und Kivilev noch mithalten, aber nachdem sich die Gruppe wieder aufzufüllen schien, folgte der legendäre Blick Armstrongs zurück auf seine Gegner und der unwiderstehliche Antritt, dem nun niemand mehr folgen konnte. Es folgte ein legendärer Fernkampf zwischen Armstrong und Ullrich, der zwar in einer Gruppe fuhr, aber kaum Unterstützung erhielt. Ullrich konnte sich zwar noch von allen anderen Fahrern absetzen, aber zwei Minuten nach dem texanischen Triumphator war er nur noch bester der geschlagenen. Lance Armstrong hatte mit diesem Sieg wieder auf der ersten Alpenetappe den Grundstein zu seinem Sieg gelegt und alle Konkurrenten deklassiert.“

„2003 verlief die erste Alpenetappe Armstronguntypisch. Im Vorjahr hatte er wegen Ullrichs Fehlen konkurrenzlos die Tour gewonnen, doch bei der Jubiläumstour sollte alles anders werden. Bereits bei der ersten schweren Etappe, die wieder nach L’Alpe d’Huez führte, kam er zwei Minuten hinter dem Basken Iban Mayo und 30 Sekunden hinter Alexander Vinokurov ins Ziel. Seine Herrschaft war in diesem Jahr bedroht wie nie zuvor und erst mit seinem Etappensieg in Luz-Ardiden konnte er den fünften Toursieg klar machen.“

„Und auch 2005 hatte er auf der ersten Hochgebirgsetappe einige Probleme. Auf dem selben Kurs, der morgen absolviert wird, hatte er mit Hilfe seiner Teamkollegen, insbesondere von Popovych und Hincapie, die Gruppe der besten auf vier Fahrer, Mancebo, Rasmussen, Valverde und ihn, begrenzt. Im Sprint musste er sich zwar dem jungen Spanier Valverde geschlagen geben, trotzdem war die Etappe ein Erfolg. Er hatte seine gefährlichsten Konkurrenten Basso und Ullrich auf drei, bzw. vier Minuten distanziert.“

„Somit kann man zusammenfassen, dass Armstrong in seinen starken Jahren jedes Mal am ersten Tag die Entscheidung im Gesamtklassement herbeiführen wollte und es ihm bis auf 2003 jedes Mal gelang. Wir spekulieren, dass er es morgen wieder versuchen wird, die Tour an der ersten Bergankunft zu entscheiden. Doch das wird schwer wie nie zuvor. Fahrer, die im Gesamtklassement bereits durch Stürze oder Schwächen in den ersten Tagen zurückgefallen sind, werden schon am Cormet de Roselend versuchen anzugreifen. Kandidaten dafür sind besonders Fernando Escartin und Richard Virenque, die mit fünf, beziehungsweise zehn Minuten Rückstand einiges aufzuholen haben, insbesondere, weil sie beim letzten Zeitfahren wieder viel verlieren werden. Am Schlussanstieg werden dann wohl besonders die spanischen Teams Banesto, ONCE und Kelme ein Feuerwerk abbrennen. Mal sehen ob US Postal das kontrollieren kann. Und schließlich gibt es da ja noch zwei der Hauptkonkurrenten von Armstrong, die ihm bei der Tour wohl am besten Paroli bieten konnten, Jan Ullrich und Ivan Basso. Die beiden liegen vor den Bergen schon 1:24 und 2:23 zurück und werden alles daran setzen, diesen Rückstand so schnell wie möglich zu tilgen. Besonders Ullrich scheint zum zweiten mal nach 2003 die Form zu haben, Armstrong ernsthaft attackieren zu können.“
„Wir dürfen uns also auf einen Showdown in Courchevel freuen, vielleicht auf einen Husarenritt von Lance Armstrong, vielleicht aber auch auf eine Überraschung und einen Machtwechsel, wie er 2003 fast geschehen werde. Die Tour war nie so offen wie dieses Jahr und nie war die Chance höher, Armstrong zu schlagen. Wünschen wir ihm und all seinen Gegnern, aber auch uns Zuschauern ein schönes, spannendes Rennen. Möge der Beste gewinnen."

Antworten