Im siebten Himmel

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Andy92
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Im siebten Himmel

Beitrag: # 6737490Beitrag Andy92
24.9.2008 - 22:14

Mein neuer AAR!

Spiel: RSM 08 (1.0.2.3.)
Database: Selbst zusammen gebastelt

Die Geschichte wird sich in ihrem Verlauf selbst erklären und deshalb ist eine Einleitung zum Text nicht notwendig und stört eher den Lesefluss. Kritik, egal ob positiv oder negativ, ist wie immer sehr erwünscht.
Info: Alles was vor der Saison 2008 im wirklichen Leben galt, gilt auch hier. Doch die Geschichte wird sich von der Wirklichkeit immer mehr abwänden, um so weiter sie fortschreitet. Was ich damit meine, werdet ihr schon merken, wenn es soweit ist. Dennoch ist der Satz erwähnenswert.

Beinahe hätte ich es vergessen: Ein großes Dankeschön an Nando96, der mir großartiges Material für die Geschichte geliefert hat: Das waren ausschließlich grafische Sachen, bzw. werden es noch sein. Er hat einen großen Anteil daran, dass das Projekt erst möglich geworden ist.

Weitere Informationen: Da ich mir bei meinem letzten AAR durch ein zu hohes Tempo ein wenig die Motivation genommen habe, müsst ihr euch auf ein paar längere Wartezeiten einstellen, was aber die Spannung noch verstärken wird. Darüber hinaus habe ich mir vorgenommen nicht mehr ganz so lange Kapitel zu schreiben wie zuletzt bei meiner vorigen Managerstory. Und da wären wir auch schon beim Thema: Es ist im eigentlichen Sinn keine Managerstory, sondern eine Biographie in Romanform. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen.

Update: Insgesamt wird die Geschichte aus der Sicht einer Person erzählt. Zur Abwechslung werden aber immer wieder Seitenblicke auf andere Personen geworfen und für ein Kapitel wechselt die Erzählweise auf eine andere Person. Damit niemand verwirrt wird.

Die Geschichte ist rein fiktiv, sämtliche Personen und Charaktere, die nicht im RSM 08 auftreten, sind von mir frei erfunden.

Personenschema und deren Beziehungen:

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Zuletzt geändert von Andy92 am 2.5.2009 - 12:36, insgesamt 7-mal geändert.
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Andy92
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Beitrag: # 6737491Beitrag Andy92
24.9.2008 - 22:16

Teil 1 - Schicksal

1.Kapitel - Das Spiel mit dem Unbekannten

Ich könnte mich verfluchen! Kopfschüttelnd beschleunigte ich meinen Tritt wieder und blickte in die verbissenen Gesichter einer Radlergruppe, die ich gerade überholte. Doch das war bei weitem nicht die einzigste...
Über 6000 Radler. Über 6000! Das waren doch viel mehr. Ganz eindeutig. Einige lächelten, andere plauderten und andere kämpften – ich überholte zu meiner eigenen Überraschung fast alle.
Es war gerade mal halb 9 am Morgen. Ich befand mich kurz nach Prad in den ersten ansteigenden Abschnitten. Wie oft war ich diesen Sommer diese Straße schon hochgefahren? Bis jetzt nur mit dem Auto. Ich war mit meinen Eltern hier. Wir zelten, gehen wandern, fahren Rad, ein Familienurlaub eben, in den Sommerferien 2007. Südtirol ist wirklich herrlich und die Dolomiten sind wirklich eine der schönsten Bergregionen der Erde, wenn nicht sogar die schönste. Und zum Abschluss wollte ich unbedingt ans Stilfser Joch. Diese atemberaubende und vielbefahrene Passstraße an den Gletschern des Ortlers vorbeiführend und immer wieder der Kontrast zwischen Einsamkeit und großen Menschenansammlungen. Ich liebe diese Region.
Aber warum muss ich ausgerechnet heute auf die Idee kommen, den Pass mit dem Rad zu befahren? Das war wieder Mal typisch. Obwohl die jetzige Situation hatte auch ihre Vorzüge: Keine Autos, keine Motorräder – nur Radfahrer so weit das Auge reicht. Vor einer halben Stunde hatte der Radtag am Stilfser Joch begonnen. Diese traditionelle Veranstaltung fand also ausgerechnet heute statt, am 1. September 2007.
Meine Eltern machten sich jetzt einen schönen Tag in Prad. Ich hatte ihnen versprochen, nur bis zur Passhöhe zu fahren und dann mit dem Linienbus zurück ins Tal zu kommen, in denen man auch Fahrräder mittransportieren kann. Das ist auch ausgesprochen sinnvoll, denn die Anzahl der Radfahrer ist auch an ganz „normalen“ Tagen relativ hoch. Da können andere Alpenpässe nicht mithalten.


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Der zweite und berühmteste Abschnitt der radsportbekannten Nordseite.


Noch lagen knapp 1800 der zu bezwingenden 1972 Höhenmeter vor mir. Ich war noch fitter als ich gedacht hatte. Das Wandern in der Höhe, hatte meinem Körper also sehr gut getan. Doch noch war die Belastung nicht mit dem zu vergleichen, was ab der 2000 Meter Grenze auf mich zu kommen würde. Ich hatte schon ein wenig Angst davor, aber wenn das mit der Kondition und der körperlichen Verfassung so weitergehen sollte, dann dürfte das kein allzu großes Problem darstellen.
Überraschend schnell hatte ich einen Rhythmus gefunden: Auf meinem relativ leichtem Mountainbike sitzend, bewältigte ich die ersten Rampen unten im Tal – das machte richtig Spaß!
Vor allem deshalb, weil ich mittlerweile sämtliche andere Hobbyradler überholte. Dabei hatte ich die Radsportszene erst letztes Jahr so richtig entdeckt. Seit diesem Frühjahr trainiere ich ungefähr 3-5 Mal in der Woche mit meinem neuen Rad. Für ein Rennrad finde ich es noch zu früh, vielleicht macht mir dieser Sport ja doch irgendwann keinen Spaß mehr. Und außerdem ist es mit 16 Jahren doch ein wenig spät noch so richtig einzusteigen und in die Weltspitze zu gelangen. Das war mein Ziel: Wenn ich etwas mache, dann richtig! Das heißt, ich will unbedingt der beste werden. Mit allen Mühen, Qualen, Niederlagen und Triumphen. Und der Radsport ist vielleicht gar keine so schlechte Wahl für mich: Ich war schon immer sehr ausdauernd, kämpferisch, bin zwar relativ groß, dafür aber sehr schmächtig.
Jetzt musste ich aus dem Sattel gehen – es wurde etwas steiler, doch ich machte das ganz ruhig – ja nicht schon so früh übersäuern. Das hatte ich in diesem Frühling an mir selbst gelernt.
Ich überholte weiterhin unzählige Gruppen. Das motivierte mich nur noch weiter. Mein Kopf musste die Beine bereits etwas zügeln, die einfach so davon rasen wollten. Da fiel mir ein Radler auf: Sein Fahrstil – irgendwie kam der mir bekannt vor. Er fuhr schneller als die anderen und ich hängte mich an sein Hinterrad – ging wieder zurück in den Sattel und warf einen Blick in sein Gesicht – den kannte ich doch...

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Der Ortler:

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Zuletzt geändert von Andy92 am 7.2.2009 - 21:35, insgesamt 3-mal geändert.
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Österreicher
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Beitrag: # 6737492Beitrag Österreicher
24.9.2008 - 22:25

Auf diesem Weg viel Glück, und möge dein AAR genauso ein Erfolg werden, wie es dein letzter After Action Report bereits war. Hab Spaß, und dräng dich nicht. Wir haben Zeit, ;).
Zuletzt geändert von Österreicher am 25.9.2008 - 14:43, insgesamt 1-mal geändert.
DanyHilarious
Bananen Sind Kalt. Echt?!.

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Andi91
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Beitrag: # 6737521Beitrag Andi91
25.9.2008 - 13:59

Schön das du deine neue Story beginnt :)

Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737568Beitrag Luis_Sanchez
25.9.2008 - 19:48

oh die story ist spannend...also
wenn du da ins gesicht vom herrn pettachi geschaut hast dann bist du ein guter bergfahrer
wenn dies ein hoste ist bist du ein klasse fahrer
wenn dies ein ballan war bist ein rießen talent
wenn dies gerdemann war bist du "endlich haben wir bald wieder einen tour sieger"
und wenn das ein contador war.....dann wirst du mal reich


also ich bin schon gespannt wie es weiter geht
klasse story..:D

Andy92
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Beitrag: # 6737572Beitrag Andy92
25.9.2008 - 19:53

Danke euch dreien. :D
Heute Abend erscheint noch Teil 2. Ihr werdet überrascht sein, in wessen Gesicht dieser 16-jährige Junge geschaut hat. 8)
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Megamen 1
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Beitrag: # 6737574Beitrag Megamen 1
25.9.2008 - 19:57

Ullrich?
Nee, Sinkewitz?
Nee, Eddy Merckx?
JAAAAAAAAAAAAAAAAA

Andy92
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Beitrag: # 6737575Beitrag Andy92
25.9.2008 - 19:57

Du kommst schon eher in die Richtung aber alles falsch. Lasst euch überraschen...
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PS
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Beitrag: # 6737580Beitrag PS
25.9.2008 - 19:59

Armstrong.

Gar net schlecht der Post.
Pe Es - Sieger Giro 2010, 3. TdF 2011, 3. Giro 2013, 2. TdF 2015, 2. Giro 2017, 3. Vuelta 2017, Sieger Vuelta 2023
Etappensiege: Vuelta Etappe 18+19 2008; Giro Etappe 7 2010; Giro Etappe 19 2011; Vuelta Etappe 3+5 2011; Giro Etappe 3 2013; Giro Etappe 8 2016; Tour Etappe 9 2016; Giro Etappe 18 2017; Tour Etappe 17 2017; Vuelta Etappe 12 2018; Tour Etappe 13 2019; Giro Etappe 12 2020; Giro Etappe 14+20 2021; Tour Etappe 14 2021; Vuelta Etappe 7+15 2021

Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737584Beitrag Luis_Sanchez
25.9.2008 - 20:03

mach weiter so ist auch klasse geschrieben.... :D

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Mateus10
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Beitrag: # 6737587Beitrag Mateus10
25.9.2008 - 20:05

Sehr spannend bin gespannt wer das ist :D

Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737589Beitrag Luis_Sanchez
25.9.2008 - 20:06

ohja...ich tippe auf ....voigt...den erkennt man immer an seinem fahrstyle..:D

Andy92
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Beitrag: # 6737591Beitrag Andy92
25.9.2008 - 20:07

Hey, cool. Ich bin so viel Aufmerksamkeit gar nicht gewöhnt. :oops:
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Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737593Beitrag Luis_Sanchez
25.9.2008 - 20:10

haha...naja...gute arbeit wird einfach belohnt.. :!: :!:

Andy92
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Beitrag: # 6737625Beitrag Andy92
25.9.2008 - 22:54

Ich schätzte ihn um die dreißig. Sein Gesichtsausdruck schien mir wohlbekannt. Doch woher? Helm und Sonnenbrille verunsicherten mich.
Er wirkte gefasst. Atmete ruhig. Sein Blick war auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, den er starr taxierte, als würde er irgendetwas bekämpfen wollen. Wir passierten das Ortsschild von Gomagoi – ab hier war die Straße offiziell gesperrt, doch anlässlich des Tages und wegen der Uhrzeit waren wohl schon aus Prinzip wenige Autos unterwegs.
Ich folgte leicht nach hinten versetzt dem Unbekannten auf Schritt und Tritt. Ich versuchte seine relativ hohe Trittfrequenz zu imitieren, stellte jedoch sehr schnell fest, dass mir der Rhythmus einfach nicht lag: Einmal hatte ich an einer kurzen Steigung in meinem Heimatort versucht, den sogenannten „Nähmaschinentritt“ von Lance Armstrong zu kopieren – so schnell hatte ich an diesem Hügel noch nie übersäuert. Für mich sind langsame aber flüssig zu tretende Gänge ideal. Da fühle ich mich einfach am wohlsten.
Obwohl ich den Unbekannten jetzt schon beinahe fünf Minuten begleitet hatte, ohne von seiner Seite zu weichen, beachtete er mich keineswegs. Kein kurzer Blick. Er zuckte nicht einmal, wenn ich etwas näher kam, doch seit ich bei ihm war, hatte er sein Tempo deutlich erhöht – wie hätte ich ihn sonst einholen können?
Wir passierten die Abzweigungen nach Sulden links und nach Stilfs rechts. Ich dachte darüber nach, wie schön es doch wäre, wenn eine Bergetappe der Italienrundfahrt mal in Sulden enden würde: Das Zermatt Südtirols – mehr braucht man dazu nicht zu sagen!

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Dorfkirche Sulden vor Ortler bei Sonnenuntergang.


Jetzt folgt mit 10 % Steigung der erste Hammer. Bis jetzt war die Geschwindigkeitsanzeige meines einfachen Tachos kaum einmal unter 20 km/h gefallen – doch jetzt waren es nur noch 16. Ich versuchte weiterhin mit der gleichen gefühlten Leistung weiter zufahren, das Tempo meines rätselhaften Mitstreiters tat sein übriges und ich verlor keinen Zentimeter auf ihn. Mittlerweile hatte ich sein Rad genauer unter die Lupe genommen: Es sah teuer aus – ein Rennrad von Specialized. Und sein Fahrstil – war er oder ist er sogar noch ein Profi? Zumindest in der Continentalliga müsste dieser Mann schon gefahren sein. Ich spürte wie sich das Adrenalin seinen Weg durch meinen Blutbahnen suchte – bin ich wirklich so talentiert? Ist mein Traum gar nicht so weit hergeholt? Die Gedanken machten mich ganz hibbelig, was wohl auch den plötzlichen Ausstoß des Stresshormons zur Ursache hatte.
Aber: Fuhr ein Profi beim Radtag am Stilfser Joch mit? Mir kam ein lustiger Gedanke. Vielleicht war ihm das selbe passiert wie mir?
Ich musste grinsen. Meine Sonnenbrille hatte ich in der Tasche meines einfach gestrickten Radtrikots dabei. Ein Pokerface fand ich heute sowieso völlig unangebracht, deshalb wollte ich sie eigentlich gar nicht aufsetzen, obwohl die Sonne mittlerweile vom Himmel brannte – beim Wandern hatte ich auch noch nie eine gebraucht, warum also jetzt?
Ansonsten hatte ich noch zwei Schokoriegel und ein wenig Geld mit – und für den Flüssigkeitsverlust zwei Trinkflaschen am Rahmen befestigt, von denen ich gerade Gebrauch machte. Auf der Passhöhe wollte ich sie wieder auffüllen.
Gerade als ich meinen Blick wieder nach vorne richtete, konnte ich noch aus dem Augenwinkel erhaschen, wie sich der Unbekannte wieder nach vorne drehte – hatte er mich endlich bemerkt?

Die Anzahl der anderen Hobbyradler war mittlerweile rapide gesunken. Ab und zu überholten wir noch einen. Die meisten von ihnen hatten sich wohl übernommen, andere waren einfach früher gestartet als wir. Doch wir zwei waren die schnellsten. Erst jetzt fiel mir auf, wie schmächtig mein „Kontrahent“ war. Irgendwo hatte ich einmal gelesen, dass Profiradsportler, vor allem die Bergflöhe, nicht gerade durch ihre muskelbepackten Oberkörper auf sich aufmerksam machen.
Endlich erreichten wir die ersten beiden registrierten Serpentinen. In den Kehren musste ich aus dem Sattel gehen – so ganz hatte ich das „Schwung holen“ noch nicht verstanden. Jetzt musste ich etwas kämpfen. Trafoi und damit die erste Verpflegungszone war nicht mehr weit – würde er dort ein Pause einlegen?
Plötzlich hatte ich zu knabbern – hatte er das Tempo angezogen, oder war ich bereits müde? Zur Sicherheit stopfte ich mir einen meiner beiden Riegel in den Mund. Mist! Ich hatte mich beim Essen verschätzt. Mit dem Geld konnte ich mir auf der Passhöhe zwar ein gutes Mittagessen leisten, doch die zwei Riegel könnten mir bis oben nicht genügend Energie geben – und dabei hatte ich heute morgen doch so gut gefrühstückt!
Tatsächlich ging es mir kurz darauf wieder besser. Ich war so auf Essen und Fahren konzentriert gewesen, dass ich den Unbekannten völlig aus den Augen verloren hatte. Ich glaubte die Farben seines Radtrikots ungefähr 200 Meter weiter vorne entdecken zu können. Er passierte gerade das Ortsschild von Trafoi. Ich erhöhte meinen Rhythmus etwas und fuhr noch im Ort wieder an ihn heran. Hier lauerten die nächsten zwei Kehren auf uns. Diesmal konnte ich schon sitzen bleiben, ohne dabei Geschwindigkeit oder Kraft zu verlieren. Am Ende des Ortes standen Tische am Fahrbahnrand: Die Verpflegungszone war erreicht. Ein paar Helfer trafen letzte Vorbereitungen: Sie platzierten Flaschen, Energieriegel und mehrere Buden warben für Würstchen und Pommes – schon im Ort hatte man für jeden Gasthof Werbeschilder mit den Spezialitäten des Tages aufgestellt. Hier gab es auch die ersten „Zuschauer“: Die Helfer und ein paar Einwohner klatschten uns zu, schienen aber etwas enttäuscht zu sein, dass wir nicht anhielten. Ich lächelte den Helfern aber freundlich zu, während mein Vordermann ohne jede Zuckung weiter stakste – oh ja, er ging aus dem Sattel!
Er setzte sich wieder und nahm sich jetzt auch einen Riegel aus seiner Trikottasche. Das musste eines von diesen Energiegels sein, denn die Verpackung erinnerte nicht zwingend an einen Müsliriegel. Jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass er auch relativ professionell Rennen fahren musste, oder gefahren war, denn jeder „normaler“ Hobbyfahrer, hätte bei der Verpflegungszone doch einen Stop eingelegt – oder etwa nicht?

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Der Blick von Trafoi hinauf in Richtung Passhöhe.
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Andy92
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Beitrag: # 6737759Beitrag Andy92
26.9.2008 - 20:55

So, der zweite Teil von Kapitel 1 ist oben - Teil 3 folgt dann morgen.
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Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737771Beitrag Luis_Sanchez
26.9.2008 - 21:30

Erzähl weiter...dein schreib style einfach klasse...und langsam wird es spannend..: :D mach weiter so :!: :!:

Andy92
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Beitrag: # 6737773Beitrag Andy92
26.9.2008 - 21:37

Danke Luis Sanchez. Ich bin leider erkrant (Erkältung - zum Glück noch ohne Fieber), weshalb ich heute Abend einfach keine Kraft und keine Kreativität mehr besitze um weiter zu schreiben. Aber morgens geht es mir meistens immer besser als abends (wenn ich krank bin) und deshalb wird es da dann auch den nächsten Post geben.
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Luis_Sanchez
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Beitrag: # 6737775Beitrag Luis_Sanchez
26.9.2008 - 21:39

ok ne dann wünsch ich dir erstmal gute genesung!!!
so kann man sich dann auch auf morgen freuen.... :!: :!: :!: :D

sciby
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Beitrag: # 6737776Beitrag sciby
26.9.2008 - 21:40

Spamt doch diesen schönen AAR nicht zu
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

Andy92
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Beitrag: # 6737828Beitrag Andy92
27.9.2008 - 16:12

Nun verlässt die Straße das Tal und kämpft sich am Hang hinauf in einen kühlen Kiefernwald. Wir beide kämpfen auch, denn jetzt wird es spürbar steiler. Es schließt sich Kehre an Kehre. So langsam fange ich an zu stöhnen, wenn noch ein weiteres „Tornante“-Schild vor mir auftaucht. Doch es folgt noch ein – und noch eine.
Es ist unerträglich steil und man sieht nichts mehr von der Umgebung. Der Wald will kein Ende nehmen. Wenigstens spendet er einen kühlen Schatten, wodurch die Schmerzen etwas gelindert werden. Ich verliere die Lust, weiter zu fahren. Plötzlich bin ich am Ende. Die Oberschenkel brennen und ich muss aus dem Sattel gehen – ich verliere den Anschluss an den Unbekannten, der weiterhin im Sitzen einen kleinen Gang tritt. Ich denke darüber nach anzuhalten und zu verschnaufen, doch die Neugierde, wer dieser Mann vor mir ist, treibt mich weiter.
Und da öffnet sich der Blick: Links die Gletscherwelt des Ortlers und vor mir die imposante Wand der Madatschspitze – was für eine Aussicht! Jetzt kann ich endlich auch die Franzenshöhe sehen – das letzte Haus vor der Passhöhe. Das motiviert mich wieder. Mein Vordermann ist noch in Sichtweite, biegt aber schon in die nächste Kehre ein. Ich will unbedingt wieder zu ihm aufschließen! Und tatsächlich finde ich einen neuen Rhythmus in diesem steileren Gelände. Jetzt läuft es wieder.
Schließlich ereiche auch ich die nächste Kehrenkombination, die ich ohne Probleme meistere. Ich glaube sogar ein wenig Erholung zu verspüren, als ich um die Kurven sause.
Das Hotel der Franzenshöhe ist nicht wirklich näher gekommen, dafür aber mein „Kontrahent“. Er blickt sich um. War das ein Lächeln? Auf diese Entfernung konnte ich das nicht so recht erkennen. Eigentlich war es mir sowieso egal, was dieser Mann von mir hielt, Hauptsache ich kam vor ihm oben an. Ich hatte also tatsächlich ein Ziel! Der „Siegeswille“ lies alle Schmerzen vergessen, aber auch, dass das hier gar kein Rennen war. Warum glaubte ich das nur?
Mit jedem Meter weniger stieg meine Motivation. Ich saugte mich förmlich an ihn heran. Jetzt waren es vielleicht nur noch 20 Meter. Da drehte er sich wieder um und jetzt erkannte ich deutlich ein Grinsen. Als er sich wieder nach vorne drehte, schüttelte er mit dem Kopf. Doch was er jetzt tat, gefiel mir überhaupt nicht: Er ging aus dem Sattel und beschleunigte. Rasend schnell flog er davon. Sollte mir das endgültig den Zahn ziehen?
Nein, natürlich nicht. Ich behielt meinen Rhythmus bei und holte bereits wieder zu ihm auf, als er sich wieder auf sein Rad zurück fallen lies. Er drehte sich wieder um und es bildete sich erneut ein Grinsen auf seinem Gesicht. Wollte er mich loswerden? Dieses ständige Lächeln nagte an meiner Psyche. Wahrscheinlich wollte er den Pass alleine befahren – ohne irgendwelche lästigen „Hobby-Begleiter“.
Oh nein. Dazu hatte er mich jetzt viel zu wütend gemacht! Ich nahm den letzten Schluck aus meiner ersten Trinkflasche und saugte mich wieder heran. Währenddessen ging es um weitere Kehren. Plötzlich glaubte ich gegen eine Wand zu fahren. Was war das nur für eine Rampe! Hier verlor ich wieder an Boden. Ich keuchte mich über diese schreckliche Steigung hinweg und konnte die Franzenshöhe jetzt deutlich vor mir erkennen – zwei Kehren lagen noch vor mir. Kurz vor der Hotelanlage (mit Tennisplatz auf rund 2200 Metern Höhe!) schloss ich zu ihm auf. Auch hier machte er keine Anstalten einen Stopp einzulegen. Es waren ja auch „nur“ noch etwas mehr als 500 Höhenmeter. Doch die Passhöhe schien viel höher zu liegen. So greifbar nahe und doch so fern. Der Blick war gigantisch! Die an den Geröllhang „geklebten“ unzähligen Serpentinen und das Haus in der Felsscharte machten dieses Bild einfach einmalig.

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Mit dem Ziel vor Augen fuhr es sich doch gleich noch einmal leichter. Obwohl mich der Unbekannte ganz eindeutig registriert hatte, fuhr er mit konstantem Tempo weiter. Es wurde auch deutlich flacher, was mir etwas Zeit zum durchschnaufen verschaffte. Die folgenden 6 Kehren passierte gar nichts, außer, dass wir die zweite Verpflegungszone passierten. Als wir an den dort aufgestellten Dixiklos vorbeifuhren, wollte ich umso schneller auf die Passhöhe gelangen. Zum Glück musste ich nicht allzu dringend Wasser lassen...
Ein kleines weißes Schild (die in jeder registrierten Kehre aufgestellt sind) wies uns auf die letzten 14 Serpentinen hin. Soweit ich mich erinnern konnte, müsste das die letzte und wohl auch die längste Kehrenkombination sein.
Ich nahm erst mal ein paar kräftige Schlücke aus meiner zweiten Trinkflasche, nachdem wir Kehre 14 passiert hatten. Erst in Kehre 10 drehte sich mein Vordermann wieder einmal um und wieder huschte ein kurzes Grinsen über sein Gesicht. Und als hätte ich es nicht geahnt, trat er an und setzte ungefähr 30 Meter zwischen uns. Ich folgte ihm nicht, sondern behielt meinen Rhythmus bei und versuchte mich auf ihn zu konzentrieren. Und tatsächlich zog ich nach zwischen Kehre 9 und 8 wieder näher an ihn heran.
Direkt über uns lag die Passhöhe. Jetzt lagen vielleicht noch etwas mehr als 2 Kilometer vor uns. Mit Sicherheit hatte ich mich verschätzt, obwohl alles schon verdammt nah schien. Musik dröhnte von der Passhöhe her. Wieder jagte Adrenalin durch meinen Körper. Ich war bis in die Fingerspitzen aufs Höchste angespannt. Das konnte doch nicht mehr soweit sein!
Schließlich hatte ich endgültig zu ihm aufgeschlossen. Er hatte das Tempo jetzt deutlich erhöht, so schnell war er bisher im Sitzen noch nicht gefahren. Er blickte sich um – was für eine Überraschung: Er trat wieder an und während er im Wiegetritt davon preschte, schaute er erneut zurück und drosselte seine Geschwindigkeit gleichzeitig. Wartete er auf mich?
Kurz vor Kehre 6 hatte ich wieder zu ihm aufgeschlossen – ich fuhr im Sitzen er im Stehen. Auch er schien vergessen zu haben, dass das hier kein Rennen war.
Meine Chancen gegen einen möglicherweise ehemaligen Profi dürften theoretisch verschwindend gering sein, doch der Kampfesrausch, die Gewissheit mithalten zu können und ein Gefühl der Macht, alles zu kontrollieren – ich war ja jetzt schon zum zigsten Mal wieder an ihn herangefahren – schienen mir Flügel zu verleihen. Ich fuhr jetzt neben ihm her, immer noch im Sitzen!
Nach Kehre 5 bemerkte ich eine Markierung auf dem Straßenbelag: 1000m! Doch bevor ich mich dazu durchringen konnte jetzt mal einen eigenen „Angriff“ zu starten, beschleunigte erneut der Unbekannte. Diesmal kam er vielleicht nur 15 Meter weit weg, doch so richtig anzustrengen schien er sich nicht. Spielte er nur mit mir?
Er blickte sich um und schien wie schon vorhin auf mich zu warten. Ich behielt weiterhin meinen Rhythmus bei und schloss zu ihm auf – doch diesmal behielt ich das Tempo bei und zog an ihm vorbei. Sofort verschwand er hinter mir. Ich zog das Tempo weiter an. Immer noch sitzend, bis meine Oberschenkel brannten! Mein Tacho zeigte „nur“ 21 km/h. Der Gang war mir zu klein. Ich schaltete hoch, nahm den Schwung der extrem engen Kehrenkombination 2,3,4 mit und ging aus dem Sattel.

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Der Rausch der Geschwindigkeit zog mich in seinen Bann. Ich hatte das Gefühl über den Asphalt zu schweben – dem Gipfel entgegen. Weit konnte es doch nicht mehr sein. Ich zog voll durch. Alles ging wie von selbst. Jetzt konnte mich nichts mehr stoppen! Auch nicht die letzte Kehre. Ohne mich umzudrehen raste ich weiter.
In einer Art Ekstase flog ich über die Markierung der letzten 500 Meter hinweg. Der Tacho zeigte 22 km/h. Nach ungefähr 200 Metern fingen meine Oberschenkel endgültig an zu brennen. Ein Krampf in der linken Wade ließ mich kurz aufschrecken – ich konnte nicht mehr weiter treten und verlor Geschwindigkeit. Ich setzte mich wieder auf den Sattel. Schließlich hatte sich die Verkrampfung gelöst und ich beschleunigte wieder im Stehen. Jetzt blickte ich mich um und sah, dass ich den Unbekannten tatsächlich abgehängt hatte. Rund 30 Meter lagen zwischen uns, doch er kam wieder näher. Mit letzter Kraft sprintete ich die letzte extrem steile Rampe hinauf und erreichte endlich die Kurve – die Häuser – die Menschen, die hier oben warteten – ich war oben! Als erster von uns beiden!
„Und da ist der erste Hobbyfahrer auf der Passhöhe!“, rief jemand mit italienischem Akzent in ein Mikrophon – er wiederholte den Satz in seiner Muttersprache. Einige Leute klatschten – viele waren nicht oben. Zunächst bezog ich diesen Satz überhaupt nicht auf mich. Ich war am Ende! Keuchend fuhr ich auf einen der großen Parkplätze und drehte um. Mein Brustkorb hob und senkte sich in einem irren Tempo, der rasendschnelle Puls hämmerte gegen meine Stirn. Gut – ich war nicht am absoluten Limit gewesen, sonst würde ich jetzt heulend auf der Straße liegen, aber ich war wirklich fertig. Dennoch vergaß ich für kurze Zeit alles um mich herum – auch den Unbekannten.
Plötzlich räusperte sich jemand neben mir. Ich blickte auf. Da war er ja. Ich hatte ihn geschlagen. Auch er musste kräftig schnaufen und der Schweiß rann ihm über die Stirn, doch er wirkte bei weitem gefasster als ich.
„Junge, alles in Ordnung mit dir?“, fragte er. Ich erschrak beim Klang seiner belegten, aber hellen Stimme. Wie von einem Blitz getroffen, erstarrte ich. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Hatte ich tatsächlich denjenigen besiegt, von dem ich glaubte, dass er vor mir stand?
Ich nickte langsam. Noch immer bebte meine Brust. Doch jetzt nicht nur vor Erschöpfung, sondern viel mehr von Aufregung. Meine Hände zitterten. Er nickte mir zu und öffnete den Verschluss seines Helmes. Dunkelblondes, platschnasses, kurzes Haar kam zum Vorschein. Wie in Zeitlupe nahm er seine Sonnenbrille ab – ich war völlig baff! Er war es tatsächlich...
Zuletzt geändert von Andy92 am 27.9.2008 - 20:39, insgesamt 1-mal geändert.
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