Wie aus einer anderen Zeit...

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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Wie aus einer anderen Zeit...

Beitrag: # 6812843Beitrag Strandkorb
9.5.2010 - 16:07

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Eine Managerstory von Strandkorb.

Anmerkungen:
Alle Inhalte und Entwicklungen dieser Story sind rein fiktiver natur und haben nichts mit der Realität zu tun!
Kritiken werden gerne entgegengenommen und bestmöglich in die Story einfließen. Sie sind sogar ausdrücklich erwünscht!
Die Erzählperspektive ist variabel und wird dementsprechend aus der Sicht von mehreren Personen stattfinden.
Diese Übersicht wird regelmäßig aktualisiert, wenn ihr Fragen habt solltet ihr also immer zuerst nachgucken, ob diese nicht schon längst beantwortet wurden!

Informationen:
RSM 2006 (Original-Datenbank) & RSM 2009 (vizlfx 2009-Datenbank) werden benutzt.
Ich habe bereits vor fast einem halben Jahr mit dem Schreiben dieser Story begonnen, daher nicht über die anfängliche Geschwindigkeit wundern.
Die Story wurde zudem schon in einem anderen Forum gepostet (rsm-news.com), von daher könnte sie dem ein oder anderen bekannt vorkommen. Dort kam sie bislang immer ganz gut an, und ich hoffe, dass ich vielleicht auch euch damit eine kleine Freude bereiten kann.

Soviel vorweg, los geht's!

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Beitrag: # 6812845Beitrag Strandkorb
9.5.2010 - 16:09

Prolog

Paolo di Fermio

An diesem Freitagnachmittag verließ Paolo di Fermio ungewöhnlich früh sein Büro im Zentrum von Bozen, Südtirol. Paolo di Fermio hieß mit ganzem Namen Giampaolo Giovanni Pasquale di Fermio, wurde aber von allen nur Paolo die Fermio genannt. Di Fermio bestieg mit zufriedenem, aber keineswegs glücklichem Gesichtsausdruck sein Auto und machte sich auf den Heimweg. Was war er eigentlich nur für ein Idiot? Warum konnte er nicht einmal das einhalten, was er sich vornahm?

Paolo di Fermio war in seiner Heimat Italien eine Legende, hatte sich diesen Status hart erarbeitet. Er kam aus einer wohlhabenden Familie und ging mit achtzehn Jahren zum Studieren in die Vereinigten Staaten von Amerika, aus der seine Mutter stammte. Nachdem er schon in der Schule gute Leistungen abgeliefert hatte, konnte er auch sein Jura-Studium mit einer guten Abschlusszensur von 1,3 verlassen, einem Wert, mit dem man in den USA sicherlich das große Geld hätte verdienen können. Doch di Fermio zog es zurück in die Heimat, nach Italien. Er hatte sich nie eine große Anwaltskarriere gewünscht, nein, er war immer vom Wunsch besessen gewesen, einmal den Giro d’Italia zu gewinnen.

Radsport war in den feinen Kreisen, in denen seine Familie angesiedelt war, verpönt und so hatte di Fermio von seinen Eltern keinen Raum für eine Profikarriere bekommen. Dies wollte er nun als Teammanager nachholen und bekam 1998 einen Job beim Lampre-Team, das in diesem Jahr nahe am endgültigen Knockout vorbeischrammte. Durch die schwachen Leistungen der Mannschaft konnte di Fermio, der vor allem durch seine stark ausgebildeten analytischen Fähigkeiten und seine Gabe, eine Situation enorm schnell richtig einzuschätzen, zu überzeugen wusste, schnell im Ansehen aufsteigen – bis er es nur gut zwei Jahre später, im Juni des Jahres 2000, auf den Posten des Teammanagers aufgerückt war. Noch im selben Jahr gewann Oscar Camenzind die Tour de Suisse, es war di Fermios erster großer Sieg. Noch viele Siege sollten folgen.
Der vermutlich größte folgte schon ein Jahr später: Gilberto Simoni, der Kletterer, zu dem di Fermio innerhalb weniger Monate ein besonderes Verhältnis aufgebaut hatte, siegte beim Giro d’Italia mit einem Vorsprung von über siebeneinhalb Minuten und trug sich so in die Geschichtsbücher ein. Nach dem dritten Platz im Vorjahr hatte sich dieser Triumpf schon lange angedeutet, doch in dieser Deutlichkeit hatte wohl doch keiner damit gerechnet. In Simoni sah di Fermio einen guten Freund.
Simoni zeigte einige Monate später, dass diese Freundschaft keine einseitige war: Nachdem di Fermio sein Amt aufgrund eines fehlenden Zieles und der damit verbundenen Sinnfrage niedergelegt hatte, bat der Giro-Gewinner seinen ehemaligen Teammanager in einer Pressekonferenz um die Rückkehr und widmete ihm seinen Erfolg. Di Fermio blieb seiner Einstellung aber treu, Simoni wechselte daraufhin zu Saeco.
Für di Fermio war es ein entscheidender Karriereeinschnitt: Er schlug sich in den folgenden Monaten und Jahren mit kleineren Berufen durch, völlig ziellos. 2004 konnte er die Langeweile dann nicht mehr aushalten und nahm kurzerhand ein Angebot vom Fassa Bortolo-Rennstall an. Mit eindrucksvollen Ergebnissen konnte er die Fachwelt des Radsports erneut begeistern, fast schon faszinieren. Herausragend waren natürlich die Leistungen von Alessandro Petacchi, der wie aus dem Nichts kommend, beim Giro, Tour und Vuelta insgesamt 16 Etappen zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Auch im Jahr darauf konnte Petacchi wieder gewaltig zuschlagen: Er siegte bei 9 Abschnitten des Giros, vor allem deshalb, weil er von seinen Teamkollegen – unter Regie von di Fermio – fast immer in perfekten Ausgangspositionen in die Massensprints entlassen wurde.
Doch wirklich erfüllen konnte diese Siegesserie ihn nicht: Sprints waren zwar auch etwas Schönes, aber di Fermio bevorzugte dennoch die Kämpfe in den Bergen und dort hatte Fassa Bortolo herzlich wenig zu melden. Di Fermio verließ die Mannschaft zurück zur Lampre-Equipe, die gerade mit Saeco fusioniert hatte und mit dem überraschenden Giro-Sieger-2004 Damiano Cunego sowie Gilberto Simoni gleich zwei Weltklassekletterer in ihren Reihen hatte.
Doch Cunego ging gehandicapt an den Start und Simoni konnte sich nicht gegen Savoldelli durchsetzen - Der Tiefpunkt einer famosen Managerkarriere. Di Fermio zog die Reißleine und ging freiwillig, obwohl er begünstigt durch seine legendäre Position wohl so bald nicht geflogen wäre. Nach einem weiteren Engagement 2006 blieb er dem Radsport in den kommenden Jahren fern – bis zu dem Tag, als Lampre-Chef Giovanni Battaglia ihn im Juni 2008 anrief – und Di Fermio nicht nein sagen konnte.

Im Nachhinein hatte er sich darüber geärgert. Warum hatte er nicht nein sagen können? Klar, da war irgendwie noch eine Lust auf den Radsport. Natürlich war Battaglia ein großer Redner und hatte seine Mittel geschickt eingesetzt. Und sicher war ein weiterer Giro-Sieg ein großes Ziel. Im Innern wusste er aber genau, dass es nur zwei Gründe gegeben hatte: Einmal war da die grenzenlose Motivation, die Entwicklung der letzten Jahre zurückzudrängen. Die Abstände im Gesamtklassement wurden immer kleiner, weil die Mannschaften immer ausgeglichener wurden und die Fahrer sich immer bis zum letzten Moment belauerten. Das Zeitfahren war inzwischen zur einigen Möglichkeit geworden, viel Zeit gutzumachen.
Und dann war da ein Mann, dem er einfach etwas schuldete: Simoni wollte es noch einmal wissen! Der alte Mann wollte die junge Garde noch einmal in die Schranken weisen. Seite an Seite mit di Fermio! Wie in alten Zeiten! Simoni unterschrieb nur einen Tag nach di Fermios Zusage – für den letzten großen Kampf!

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Beitrag: # 6812865Beitrag Strandkorb
9.5.2010 - 18:02

Giovanni Battaglia

Im Moment, als di Fermio seinen Kühlschrank öffnete und etwas zu essen zu Tage förderte, nur einige hundert Kilometer weiter südlich und einige Dutzend Kilometer weiter westlich, saß Battaglia auf der Veranda seines Ferienhauses und genoss die Nachmittagssonne. Er machte hier, an der Westküste Süditaliens, seine Ferien, hier, wo trotz der immer früher untergehenden Sonne immer noch ein angenehmes Klima vorzufinden war. Battaglia konnte ausspannen, musste sich um nichts Sorgen machen. Und doch tat er es pausenlos.

Es war seine Idee gewesen, di Fermio aus dem Frühruhestand herauszuholen. Es hatte geklappt, womit nicht viele gerechnet hatten. Aber war es das Richtige gewesen? Di Fermio hatte eine Menge umgekrempelt, genau wie er es gewollt hatte. Nur irgendwie beschlich Battaglia das Gefühl, dass es die falschen Veränderungen gewesen waren.
Ohne Frage, di Fermio hatte die Mannschaft für den anstehenden Giro d’Italia gestärkt. Aber zu welchem Preis? Gleichzeitig wurden andere Mannschaftsteile geschwächt. So war das nicht gedacht gewesen, aber sonst hätte man di Fermios Wunschfahrer Simoni und Petacchi einfach nicht finanzieren können. Auch für Gasparotto und Visconti brauchte man Geld. So viel, dass der Rest nicht einmal dazu gereicht hatte, Paolo Savoldelli, den zweimaligen Girosieger, zum Weitermachen zu überreden. Statt noch ein Jahr auf höchstem Niveau, aber zu niedrigen Bezügen, zu bestreiten hatte er lieber sein Karriereende verkündet. Und dies war nicht der einzige Rückschlag gewesen.

Natürlich, es hatte auch Lichtblicke gegeben. Simoni Ponzi galt in Italien als eines der hoffnungsvollsten Nachwuchstalente und auch Enrico Magazzini hatte sicherlich eine Menge Potenzial. Aber letztendlich hatten sie ihre Klasse noch nie wirklich unter Beweis stellen können. Die ganz großen Erfolge hatten sie, in ihrem Alter fast logisch, noch nicht einfahren können. Neben diesen beiden waren eigentlich alle neuen Fahrer Auslaufmodelle jenseits der 30er. Ongarato, Codol, Cioni, diese Fahrer würden vielleicht noch ein, maximal zwei Jahre mitmachen, dann würden sie in ihren Leistungen einbrechen. Es war absehbar.

Battaglia erinnerte sich an die Bedingung, die di Fermio an seine Verlängerung geknüpft hatte: „Nach einem Giro-Sieg ist Schluss. Ein Abenteuer, ja, das brauche ich noch, aber mehr nicht. Das muss dir klar sein!“ So wie es aussah, hatte di Fermio seine Mannschaft genau für diese Bedingung ausgerichtet – in einem Jahr würde Lampre nichts Großes mehr vollbringen können.
Dennoch: Di Fermio hatte sich noch nie groß geirrt, das hielt sich Battaglia immer zum Selbstschutz vor. Wenn man genauer darüber nachdachte, dann hatte di Fermio aber auch noch nie in diesem Maße unlogische Transfers vollzogen.
Eine Menge Fahrer hatten gehen müssen: Fabio Baldato und Paolo Fornaciari gingen nach langen Jahren in den wohlverdienten Ruhestand, Francisco Vila, Roberto Longo und Christian Murro hatten noch keine neue Mannschaft gefunden und waren somit noch arbeitslos. Lubos Pelanek war zu Amore & Vita gewechselt, aber diese sechs Abgänge waren locker von der Hand gegangen, weil sie entweder nicht zu verhindern waren oder keinen Qualitätsverlust bedeuteten. Francesco Gavazzi, den es zu ISD – Neri zog, hätte Battaglia dagegen gerne gehalten, doch di Fermio hatte ihn nicht für so wichtig befunden.
Am meisten schmerzten aber die Abgänge von Danilo Napolitano zum neuen Team Katusha, von Sylvester Szmyd zum Konkurrent Liquigas, von Marzio Bruseghin zum zweitklassigen LPR-Team und vor allem der Abgang von Weltmeister Alessandro Ballan zu Silence-Lotto nach Belgien. Ballan war schon vor seinem WM-Triumpf gegangen. Nachdem man nicht genug Geld für die Verpflichtung von Simoni und Petacchi hatte aufbringen können, hatte der Star die Koffer packen müssen. Silence-Lotto sagte „Danke!“, Battaglia sagte „Scheiße!“. Ballan hatte er, wenn man von Damiano Cunego, dem Sponsorenliebling, absah, am wenigstens gerne abgeben wollen, doch es gab keine andere Lösung. Cunego war nicht zu verkaufen und sonst hätte keiner das große Loch stopfen können, dass die Verpflichtung der beiden Routiniers aufgerissen hatte. Ein bitterer Verlust, das war nicht wegzureden!

Aber trotz all dieser ärgerlichen Entwicklungen war Battaglia immer noch optimistisch, dass di Fermio doch noch eine starke Mannschaft würde formen können. Personell war sie auf jeden Fall nicht besser als im vergangenen Jahr, aber darauf kommt es im Radsport auch nicht immer an. Wichtig ist, dass sich die Fahrer gut verstehen, dass ein gutes Klima herrscht – und dass alle stur das gleiche Ziel verfolgen. Mit diesen Gedanken verließ Battaglia die Veranda und marschierte mit erhobenem Haupt ins Haus.

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Beitrag: # 6812935Beitrag Strandkorb
9.5.2010 - 21:10

Gilberto Simoni

Simoni quälte sich. Er tat dies äußerst ungern und hätte am liebsten sofort aufgehört, doch das ging nicht: Simoni strampelte sich im Windkanal ab, in dem normal Autos getestet wurde. Diesmal war es ein Rennrad mitsamt Fahrer, was hier auf die Probe gestellt wurde.

„Alles klar, du kannst aufhören!“, rief in diesem Moment Marco Milanesi, der speziell für die Lampre-Mannschaft abgestellte Mitarbeiter von Wilier, dem Ausrüster der Mannschaft. Die Windmaschinen verstummten und Simoni stieg vom Rad ab. War Milanesi jetzt endlich zufrieden? Eigentlich konnte Simoni ihn gut leiden, doch sein Perfektionismus war manchmal einfach nur übertrieben. Simoni verließ den Windkanal und schritt in den Kontrollraum, wo inzwischen nur noch Milanesi aufzufinden war. Zu Beginn des Tages waren noch zwei weitere Mitarbeiter anwesend gewesen, aber die hatten wohl keine Überstunden machen wollen. Inzwischen war es 19:30 Uhr und Simoni wollte nur noch raus hier.
„Die Werte sind spitze. Ich denke, wir haben es für den Moment geschafft!“, sagte Milanesi.
„Was heißt: Für heute? Du erwartest doch hoffentlich nicht, dass ich morgen noch einmal komme, oder?!“, entgegnete Simoni: „Alle anderen sind schon längst im Urlaub. Warum muss ausgerechnet ich hier so lange Testreihen durchführen?“
„Das hat zwei Gründe: Einmal waren Damiano und Alessandro hier auch schon zum Testen. Und außerdem willst du Giro-Sieger werden, da muss man halt auch mal Opfer bringen. Aber keine Angst, das heute war der letzte Test im Windkanal. Sobald du wieder ins Training einsteigst, wird das Rad dann unter realistischen Bedingungen auf die Probe gestellt, was aber keineswegs mehr Arbeit für dich bedeutet. Und überhaupt: Statt so gestresst zu gucken wäre ich an deiner Stelle lieber froh, dass du im nächsten Jahr das vielleicht beste Rad der Szene fahren wirst!“
Eigentlich hatte Milanesi Recht und Simoni wusste das. Er wollte es aber in diesem Moment nicht zugeben. „Wollen wir hoffen, dass du Recht behältst“, antwortete er deshalb demokratisch.
„Da möchte ich doch glatt von ausgehen“, sagte Milanesi grinsend: „Wenn du deine Ziele verfehlst, muss das andere Gründe gehabt haben. Ich werde deine Daten jetzt auf jeden Fall noch eine Zeit lang auswerten um zu gucken, ob man doch noch etwas ausbessern könnte, ich gehe mal nicht davon aus, dass du da dabei sein möchtest, oder?“
Simoni überlegte nicht lange: „Nein, ich muss nach Hause. Bin schon ziemlich erschöpft muss ich zugeben.“
„Schlecht in Form, was?“, fiel ihm Milanesi ins Wort.
„Mitten in der Rennpause kann man wohl schlecht in Form sein“, stichelte Simoni: „Na ja, ich will jetzt hier keinen Kleinkrieg anfangen. Wir sehen uns!“ Simoni drehte sich um und ging in Richtung Ausgang. „Und melde dich, bevor du mit dem Training anfängst“, rief ihm Milanesi noch hinterher. „Ja, ja“, murmelte Simoni so leise, dass der Techniker es unmöglich hatte hören können.

Simoni verließ das Testcenter auf eine Straße etwas außerhalb von Mailand. Eigentlich hatte er heute deutlich eher fertig sein wollen. Simoni ärgerte sich. Es war nicht nach Plan gelaufen. Aber gut, er wollte noch einmal vorne angreifen und da war es wichtig, dass alles passte. Simoni stieg in sein Auto und bretterte die Straße hinunter.
Würde er es schaffen können? Simoni fühlte sich stark wie seit Jahren nicht mehr, aber war das genug. Die Konkurrenz würde groß sein, er würde es mit Gegnern zu tun bekommen, denen er im letzten Jahr noch deutlich unterlegen war. Und er wurde älter. Konnte er da noch besser werden? Langsam aber sicher näherte er sich den 40 Jahren an. Wenn er es jetzt nicht schaffen würde, wann dann? Wahrscheinlich nie.

Simoni erreichte sein Hotel nahe dem Zentrum von Mailand. Eigentlich hatte er heute noch den Heimweg antreten wollen, aber dafür war er zu erschöpft und dafür war die Zeit zu knapp. Er verschob es auf den morgigen Tag. Auf seinem Zimmer angekommen schaltete er den Fernseher ein. Auf RAI kamen gerade die Nachrichten. Dort wurde über ein Zugunglück in Südtirol berichtet, bei dem zum Glück keiner zu Tode gekommen war. Von der nächsten Meldung hätte Simoni wohl viel erwartet, nur eines nicht: Dass sie seinen Traum in so entscheidendem Maße gefährden würde. Simoni starrte wie paralysiert auf den Bildschirm, auf dem das Comeback von Riccardo Ricco vermeldet wurde. Erst Lance Armstrong, dann Ivan Basso und jetzt auch noch Riccardo Ricco. Na, das konnte ja ein Spaß werden!

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Beitrag: # 6813081Beitrag Strandkorb
10.5.2010 - 18:39

Hintergrundinformationen:

Zugänge:
Enrico Gasparotto (Barloworld)
Pietro Caucchioli (Crédit Agricole)
Manuele Mori (Scott-American Beef)
Simone Ponzi (Neoprofi)
Enrico Magazzini (Neoprofi)
Gilberto Simoni (Serramenti PVC Diquigiovanni-Androni Giocattoli)
Alessandro Petacchi (LPR Brakes Ballan)
Dario David Cioni (Silence-Lotto)
Massimo Codol (Acqua & Sapone – Caffè Mokambo)
Alberto Ongarato (Team Milram)
Giovanni Visconti (Quick Step)

Abgänge:
Danilo Napolitano (Team Katusha)
Sylvester Szmyd (Liquigas)
Lubos Pelanek (Amore & Vita-McDonald’s)
Christian Murro (Unbekannt)
Fabio Baldato (Karriereende)
Paolo Fornaciari (Karrierende)
Paolo Bossoni (Unbekannt)
Francisco Vila (Unbekannt)
Roberto Longo (Unbekannt)
Marzio Bruseghin (LPR Brakes Farnese Vini)
Alessandro Ballan (Silence-Lotto)
Francesco Gavazzi (ISD – Neri)

Kader 2009:
Marco Bandiera
Emanuele Bindi
Matteo Bono
Pietro Caucchioli
Dario David Cioni
Massimo Codol
Damiano Cunego
Enrico Gasparotto
Andrea Grendene
David Loosli
Mirco Lorenzetto
Enrico Magazzini
Marco Marzano
Manuele Mori
Massimiliano Mori
Christian Murro
Alberto Ongarato
Alessandro Petacchi
Simone Ponzi
Daniele Righi
Mauro Santambrogio
Simon Spilak
Gilberto Simoni
Paolo Tiralongo
Giovanni Visconti

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Beitrag: # 6813082Beitrag Strandkorb
10.5.2010 - 18:40

1. Kapitel: Vorbereitung und erste Bewährungsproben

Paolo di Fermio

Viele Wochen später, um genau zu sein nämlich genau vier Tage nach Neujahr, hämmerte di Fermio hektisch auf die Tasten seines Mobiltelefons. Dies war der Tag, an dem er zum ersten Mal die gesamte Mannschaft auf einmal sehen würde, und alles war mehr schlecht als recht organisiert. Di Fermio versuchte nun seinen wahrscheinlich wichtigsten Mitarbeiter zu kontaktieren. Nach vielen Anläufen hatte dies nun endlich funktioniert, das Tuten verstummte und am anderen Ende der Leitung meldete sich der wahrscheinlich beste Trainer, den der italienische Radsport je gesehen hatte.

„Graziale?“ Franco Graziale hatte sich einst einen Namen gemacht, als er ein angesehenes, inzwischen verehrtes Buch für den Hobbysportler auf den Markt brachte, in Fachkreisen war er aber schon vorher bekannt gewesen. Graziale hatte schon früher mit di Fermio zusammengearbeitet, die beiden kamen gut miteinander aus, waren in den Jahren Freunde geworden. Komisch, wenn man bedachte, wie verschieden sie im Grunde doch waren. Graziale war mehr der Familienmensch, dem Karriere nicht so wichtig war. Di Fermio dagegen hatte schon immer nach ganz oben gewollt. Es hätte auch gut sein können, dass di Fermio sich einfach nur nach Graziales Wohlbefinden hatte erkundigen wollen.
Dieser Anruf war aber kein solcher, sondern verfolgte ein bestimmtes Ziel, und di Fermio hielt damit nicht lange hinter Berg zurück:„Franco, wie lange brauchst du, um zum Konferenzzentrum von Bozen zu kommen?“
„Weißt du, wie viel Uhr es ist?“, fragte Graziale.
„Zeit, etwas Großes in die Wege zu leiten. Ich brauche dich, also schwing dich schon aus dem Bett!“, antwortete di Fermio. Es war ein Montag, Graziales freier Tag, und diesen pflegte er immer mit einem langen Schlaf zu beginnen. Dementsprechend mürrisch klang er, nachdem di Fermio ihn um sieben Uhr aus dem Bett geklingelt hatte.
„Schon gut, ich bin in einer Stunde da“, sagte Graziale, wohl wissend, dass eine Diskussion sowieso keinen Sinn gehabt hätte. Am Ende zog er doch immer den Kürzeren.
„So lang brauchst du? Na ja, wenn es sein muss. Dann bis gleich!“, gab di Fermio noch schnell durch sein Handy durch, bevor er die Verbindung unterbrach.

Sein Taxi erreichte gerade sein Ziel, das Konferenzzentrum von Bozen, das seine Mannschaft für diesen Tag gemietet hatte.
In erster Linie war dieser Tag dazu da, Gemeinschaft zu schaffen. Die Fahrer kannten sich untereinander nicht, di Fermio kannte einen Teil auch nicht, und da war es das Beste, Barrieren erst gar nicht aufkommen zu lassen. Di Fermio betrat das Foyer, menschenleer. Noch war keiner hier. Als Treffpunkt hatte er 8:30 Uhr bekannt gegeben. Bis dahin war es noch über eine Stunde, deshalb wunderte sich di Fermio erst gar nicht. Er versuchte stets, möglichst zu früh bei einem Treffen zu erscheinen, wusste aber ebenso gut, dass solche Leute wie er in dieser Sache in der Unterzahl waren. Normale Menschen kamen lieber auf die Minute pünktlich – oder auch mal zu spät.

Offizielles Ziel dieses Treffens war es, die Renn- und Trainingspläne noch einmal durchzusprechen, aber diese standen eigentlich schon fest und waren nicht mehr zu verändern. Das war den meisten Fahrern aber noch nicht bekannt, weshalb das Treffen auch inhaltlich einen Sinn hatte.
Di Fermio zog seine Jacke aus und hängte sie auf einen der Haken in der Kommode. Dann kehrte er ins Foyer zurück. Die beiden ersten Fahrer waren schon eingetroffen.
„Guten Morgen Damiano, guten Morgen Gilberto!“, rief di Fermio und ging auf seine beiden Teamkapitäne zu.

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Beitrag: # 6813201Beitrag Strandkorb
11.5.2010 - 17:10

Damiano Cunego

„Damiano! Gilberto!“ Di Fermio schüttelte kräftig Cunegos Hand und wiederholte es mit der von Simoni: „Was macht ihr denn schon so früh hier?“
Di Fermio betonte das „ihr“ so stark, dass Cunego sofort klar war, dass es um seinen Konflikt mit Simoni beim ersten Anlauf im gleichen Team ging. Damals hatte Simoni ihn verbal oft attackiert, Cunego aber auch gerne zurückgeschlagen. Verbal und auf der Rennstrecke. Doch für den jungen Italiener war die Sache längst Vergangenheit und auch Simoni schien ihm, als sie sich das erste Mal wiedertrafen, nicht mehr so angriffslustig wie früher.
„Ich wollte einfach nur einen kleinen Plausch mit dir abhalten“, sagte Simoni nun.
„Und wie ist es mit dir, Damiano?“, wollte di Fermio wissen.
„Ich wollte mich mit Ihnen noch einmal über die Zielsetzung unterhalten“, antwortete Cunego

„Du kannst mich ruhig duzen Damiano, so alt bin ich auch noch nicht. Aber das Thema geht natürlich vor. Tut mir Leid, Gilberto.“ Di Fermio zwinkerte Simoni zu. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Worum geht es denn genau?“
„Das Ziel ist der Giro-Sieg, oder?“, fragte Cunego.
„Ja, genau. Das Hauptziel wohlbemerkt.“
„Glauben Sie, äh, glaubst du, dass das ein realistisches Ziel ist?“
„Sicherlich, warum nicht. Einfach wird das natürlich nicht, aber mit der Mannschaft sollten wir doch eine gute Chance haben. Oder glaubst du das nicht?“
„Die Mannschaft ist gut aufgestellt, das ist klar. Aber wer soll den Giro denn gewinnen? Die Konkurrenz ist enorm stark, alleine Basso und Ricco werden uns am Berg heftig einheizen, das kann man ja jetzt schon sagen. Glaubst du wirklich, dass wir dagegen halten können?“
„Ich kann dir leider gerade nicht so ganz folgen. Warum sollten wir nicht dagegen halten können?“
„Weil die Konkurrenz einfach besser ist. Das klingt jetzt hart, aber das letzte Jahr hat es gezeigt. Gilberto ist da Zehnter geworden, ich war gar nicht erst am Start, weil ich wusste, dass ich sowieso keine Chance haben würde. Schon damals ging nicht viel, und da waren zum Beispiel Basso und Ricco noch gar nicht dabei! Ich weiß nicht, wie wir da überhaupt ansatzweise mithalten können!?“
„Meinst du nicht, dass du dich gewaltig unterschätzt, Damiano? Du hast den Giro doch schon gewonnen. Warum sollst du das nicht noch einmal schaffen? Radfahren verlernt man nicht so schnell! Mit der richtigen Vorbereitung kannst du es dieses Jahr wieder schaffen. Und auch Gilberto unterschätzt du, trotz seines Alters ist er immer noch einer der besten Fahrer am Berg, das kannst du mir glauben!“
„Ich bin aber kein Rundfahrer mehr. Ich habe im letzten Jahr das Amstel Gold Race gewonnen und war zum dritten Mal bei der Lombardei-Rundfahrt erfolgreich. Bei dreiwöchigen Rundfahrten dagegen ging zuletzt nicht mehr. Ich denke, die Konkurrenz hat, wie soll ich es sagen, mehr Talent für solche Rennen. Eine bessere Veranlagung.“
„Talent, Veranlagung. Das gibt es nicht. Talent ist das, was wir in den ersten Jahren unseres Lebens machen. Da entwickeln wir uns oder eben nicht. Das bisschen, was durch die Gene weitergegeben wird, ist nicht einmal ein Prozent von unserer gesamten Leistungsfähigkeit. Lächerlich wenig. Damiano, Training ist im Ausdauersport alles, Training, Training, Training. Talent gibt es effektiv gesehen nicht. Es ist eine Erfindung des Menschen, um einen Grund zu haben, in einer Sache schlechter oder besser als ein anderer zu sein. Fakt ist, dass immer der, der mehr und besser geübt hat, besser ist. Wenn du dich an deinen Trainingsplan hältst, dann wirst du um den Girosieg mitfahren, das kann ich dir garantieren – genau wie Gilberto. So ein starkes Duo hat mit Sicherheit keine andere Mannschaft!“

Kurze Zeit sagte keiner etwas. Cunego starrte zu Boden. Er wusste nicht, was er von dieser Ansicht halten sollte. Fakt war, dass di Fermio ein intelligenter Mann war und selten bis nie Mist erzählte. Er hob seinen Kopf und nickte.
„Danke, das hat mir neuen Mut gegeben. Jetzt glaube ich auch, dass wir es schaffen können!“, sagte Cunego und ging durch die Tür in den Konferenzraum. Zurück blieben di Fermio und Simoni.

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Beitrag: # 6813248Beitrag Strandkorb
11.5.2010 - 21:29

Gilberto Simoni

Da waren also nur noch sie beide in der Eingangshalle, er, Simoni, und sein alter Freund, di Fermio. Stille. Simoni wollte etwas sagen, aber klappte den Mund dann doch wieder zu.
Stattdessen sagte di Fermio: „Hoffen wir, dass der bis zum Saisonbeginn noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein gewinnen kann. Komm jetzt, lass uns auch reingehen.“

Für Simoni gab es an diesem Tag nicht viel Neues. Er hatte schon vorher mit di Fermio alles Wichtige abgesprochen. Simoni bemühte sich, die anderen nicht übermäßig abzulenken, konnte es aber nicht lassen, während den Vorträgen von di Fermio und Graziale mit seinen Sitznachbarn ein paar Worte zu wechseln. So hatte er sich schon vor der eigentlichen Gesprächsrunde gegen Ende der Veranstaltung mit fast allen Teamkollegen ausgetauscht. Die Stimmung war bestens. Alle schienen mit Trainings- und Rennplänen sowie den sonstigen Details sehr zufrieden. Was Simoni vor allem überraschte: Die Generationen waren wild durchmischt. Diese Mannschaft, die von der Presse zuvor immer in zwei Lager, nämlich das von Simoni und das von Cunego, zeigte sich als Einheit. Ein wichtiger Faktor auf dem Weg zum großen Ziel!

Simoni war mit dem Bus angereist und wurde von Milanesi mitgenommen. Das war schon vorher abgesprochen gewesen; Milanesi hatte nämlich Simonis finales Rad fertiggestellt und wollte dies nun beim Routinier abliefern. Ein weißes Rennrad, nicht so wie die der Teamkollegen, die alle in schwarz gehalten waren. Simoni hatte etwas Besonderes gewollt und etwas Besonderes bekommen.
Milanesi stoppte den Van direkt vor Simonis Haustür. Der Kletterer hatte sich ein Haus in Bozen gekauft, weil hier die Trainingsmöglichkeiten einfach fast optimal waren.
„Die paar Kilos schaffst du so, oder?“, rief Milanesi Simoni durch die Kofferraumtür zu?
Simoni wuchtete das Rad unfassbar locker aus dem Kofferraum. Es war wirklich irre leicht. So ein leichtes Rennrad hatte Simoni noch nie gesehen.
„Ja, danke. Fühlt sich spitze an, das Teil. Bis demnächst“, sagte Simoni und schloss die Klappe. Der Van brauste davon. Simoni überlegte einen Moment, direkt eine Proberunde zu drehen, entschied sich dann aber doch dagegen. Dieses Rennrad war zu wertvoll, um es bei Dunkelheit und Müdigkeit zu testen.

Simoni war wirklich schon sehr müde, dabei war es nicht einmal nach neun Uhr. Kaum hatte er die Tür geöffnet und sein Fahrrad an die Wand gelehnt, fiel er in sein Bett. Mit diesem Rennrad würde er nicht zu schlagen sein, dachte Simoni. Mit einem Lächeln schlief er ein.
Zuletzt geändert von Strandkorb am 11.5.2010 - 22:30, insgesamt 1-mal geändert.
Strand Korblsang (Den)
RSA (2010 - 2011) | RRR (2011) | TRN (2012 - 2015) | R06 (2019 - ???)

Giro d'Italia
2010 - 2015: 66. | 14. | 10. | 24. + E7 | 8. | 14. + E9
2020 - 2023: 19. | 40. | 12. | 17. + E4

Tour de France
2010 - 2015: 12. + E10 | 1. + E18 + E19 | 12. + E7 | 2. + E19 | 3. | 5. + E1 + E6
2019: 2. + E6
2021 - 2023: 2. | 14. + E7 | 1. + E9

Vuelta a Espana
2010 - 2015: 29. | 27. | 27. | 19. | 8. + E15 | 29.
2019 - 2022: 16. + E12 | 39. | 14. | 5.

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Hermi
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Registriert: 9.1.2008 - 16:46

Beitrag: # 6813254Beitrag Hermi
11.5.2010 - 22:04

Liest sich echt gut, nach langer Zeit nochmal ein AAR, den ich richtig verfolgen werde. Freue mich schon auf mehr :D
Hermi* 116Franzoni | -Ljutić | 59Lapalus | 35Bergane | 8Habdas | -Belshaw | -Bortolas | -Lombardot | -Richard*| 14

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Beitrag: # 6813364Beitrag Strandkorb
12.5.2010 - 19:57

Paolo di Fermio

Paolo di Fermio bestieg das Flugzeug am Mailänder Flughafen. Ein langer Flug stand an, er ging nämlich nach Australien. Direkt zum Saisonauftakt seiner Mannschaft, zur Tour Down Under, die seit vielen Jahren den Auftakt der Radsportsaison darstellte. Das war auch schon bei seinen letzten Stationen so gewesen.
Di Fermio hatte sich einen Fensterplatz reserviert. Er konnte es gar nicht haben, so lange nicht aus dem Fenster zu blicken. Neben ihm saß Enrico Gasparotto, sein Kapitän bei der Rundfahrt durch Australien. Die Etappen, mit Ausnahme der letzten, allesamt nicht ganz flach, aber eben auch nicht bergig genug, um Differenzen herauszufahren, sollten dem hügelfesten Gasparotto entgegenkommen.
Auch wenn dieses Rennen in Italien kaum Beachtung fand, Pro-Tour-Rennen ist Pro-Tour-Rennen und so wollte di Fermio der Konkurrenz hier direkt zeigen, auf wen es zu achten gilt. Das war kein netter Ausflug, wie andere Mannschaften dieses Rennen auffassten, sondern ein erster Härtetest, eine erste Möglichkeit, sich mit den anderen Teams zu messen.

Di Fermio schaltete seinen MP3-Player ein. Er hörte Queen. Queen war seine Lieblingsband. Freddy Mercury war ein fantastischer Sänger gewesen und nach Meinung von di Fermio von keinem anderen je getoppt worden. Neben ihm blätterte Gasparotto in der Gazzetta dello Sport. Auf der Titelseite war ein großes Bild von Andrea Pirlo. Darunter stand geschrieben: Für immer Milan: Pirlo verlängert bis 2015. Bis 2015. Das waren über 5 Jahre. Ein Wahnsinn. So eine lange Bindung wäre di Fermio nie in seinem Leben eingegangen. Gerade deshalb bewunderte er diesen Spieler, er musste unglaublich zufrieden sein, wenn er sich so lange an etwas binden wollte.

Di Fermio war müde. Er hatte die Nacht zuvor nicht viel geschlafen. Absichtlich, um nun mehr schlafen zu können. Immer wieder klappten ihm die Augen zu, aber einschlafen konnte er nicht. Er schaute aus dem Flugzeugfenster. Wolken, nichts als Wolken. Zu sehen gab es hier nichts. Diese Leere sorgte dann nach einer ganzen Zeit dafür, dass di Fermio doch noch in den Schlaf sank. In einen solch tiefen Schlaf, dass er bis zur Ankunft in Australien nicht mehr aufwachte.
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13.5.2010 - 13:37

Gilberto Simoni

Viele gute Radfahrer hatten den Weg nach Australien angetreten, Simoni aber war in Italien geblieben. Während auf der anderen Seite der Weltkugel fast schon unangenehm warme Temperaturen herrschten, war es in Italien eisig kalt. Ganz Europa wurde von einem Winter heimgesucht, der so kalt war wie kein anderer in den letzten Jahren. Das Befahren der Straßen rund um Bozen war unmöglich geworden und so war Simoni mit einigen Teamkollegen zum Training nach Sizilien gefahren. Hier war es sogar noch einigermaßen auszuhalten, wenngleich es Simoni auch im südlichsten Süden Italiens gelegentlich fröstelte.

Simoni und seine Teamkollegen Dario David Cioni und Massimo Codol hatten für diesen Tag eine lange Trainingsfahrt angesetzt. Beide waren als wichtige Helfer für Simoni beim Giro eingeplant und bestritten daher eine ähnliche Vorbereitung wie ihr Kapitän. Cioni fuhr mit offener Thermojacke, ihm schienen die Temperaturen kaum etwas auszumachen. Codol dagegen sah aus, als ob er die „Rundfahrt um den Nordpol“ bestreiten würde; er trug gleich zwei Thermojacken, eine Sturmhaube unter seinem Helm, dicke Handschuhe, zwei Thermohosen, Überschuhe. Eigentlich war bis auf die Augen und seine Nase nichts mehr von ihm zu sehen.
Simoni kam mit beiden gut klar. Codol war mehr der ruhige Typ, den Simoni gerade dafür schätzte, dass er nur redete, wenn er auch etwas zu sagen hatte. Mit Cioni dagegen ließen sich auch sinnlosere Diskussionen führen, so auch in diesem Moment. Simoni und Cioni philosophierten darüber, ob man nicht doch lieber in den Dolomiten trainieren sollte, mit extra für diesen Anlass entwickelten Winterrädern; diese hätten besonders breite Reifen und vorne ein Brennglas, um den hoch liegenden Schnee schon vorher wegzuschmelzen. Am Ende einigten sich die beiden aber doch darauf, dass die Zeit noch nicht reif für solch große Erfindungen sei.

Simoni vermied es während des Trainings, länger mit dem Blick auf dem eingemummelten Codol zu verharren, denn dann musste er stets selbst frösteln. Ansonsten ging es ihm eigentlich spitze: Seine Form kam langsam, aber sicher. Bis zum Giro waren es ja noch einige Monate, bis dahin würde er in bester Verfassung sein. Und durch die sinnlosen Einfälle von Cioni waren die Trainingsfahrten immer etwas Besonderes.
Dennoch: Simoni war heiß auf einen Wettkampf. Die kleinen Sprints an Ortsschildern, die er meist gegen seine wenig spritzigen Kontrahenten gewinnen konnte, waren ihm nicht genug. Er wollte sich endlich mit der Weltspitze messen. Als er di Fermio dies bei ihrem letzten Telefonat mitgeteilt hatte, hatte dieser geantwortet: „Konzentrier dich auf dein Training. Um die Motivation brauchen wir uns wohl keine Gedanken mehr machen.“ Und solange er beim Training nicht schwitzen musste, hatte er mit den immer länger werdenden Fahrten eigentlich auch keine Probleme.
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13.5.2010 - 20:24

Paolo di Fermio

Radsportfieber! Endlich ging es los, mit den Straßenradmeisterschaften von Australien startete die Radsportsaison endlich und Paolo di Fermio war natürlich live dabei.
Er hatte sogar noch länger warten müssen, als eigentlich gedacht, denn aufgrund der sogar für Australien ungewohnten und für die Fahrer unzumutbaren Temperaturen hatte man die Meisterschaften vom 13.01. um eine Woche auf den 20.01. verlegt. Das Wetter hatte sich beruhigt – auch die starken Winde, die aus Landesinneren gekommen waren, waren abgeflaut – und so konnte man endlich loslegen. Nur zwei Tage vor dem Start der Tour Down Under mussten die australischen Fahrer schon ein erstes Mal ran!

Di Fermio genoss das Rennen nicht an der Strecke, sondern gemütlich in seinem Hotel, wo seine Mannschaft den Keller gemietet hatte. Auch seine sieben Fahrer, die in zwei Tagen in Norwood ins erste Rennen der Saison starten sollten, waren anwesend. Er saß zwischen seinem Sprinter Mirco Lorenzetto, der beim Giro den letzten Anfahrer von Petacchi geben sollte, und Massimiliano Mori, für den dies höchstwahrscheinlich die letzte Saison im Profiradsport sein sollte.
Di Fermio fieberte beim Rennen richtig mit. Er hatte seinen Fahrern eine Freude gemacht und sich am teaminternen Wettspiel beteiligt. Es ging um ziemlich viel, nämlich um di Fermios Ruf als Radsportexperte. Er hatte auf Allan Davis von Astana gesetzt. Mauro Santambrogio und Lorenzetto waren ihrem Manager gefolgt, die anderen hatten auf andere Fahrer gesetzt: Andrea Grendene, Mori und Daniele Righi waren von Rundfahrtspezialist Cadel Evans überzeugt, Enrico Gasparotto hatte auf Michael Rogers und Matteo Bono auf Matthew Lloyd getippt. Bei einem Sprint aus einer größeren Gruppe wäre di Fermio also auf der sicheren Seite mit seinem Tipp.

Doch genau nach einem solchen Sprint sah es nicht aus. Gerade hatten sich drei Fahrer aus einer acht Fahrer großen Gruppe abgesetzt: Darunter mit Allan Davis zwar auch di Fermios Favorit, aber mit Michael Rogers und Matthew Lloyd auch zwei weitere Kandidaten auf den Sieg. Und Davis machte nicht den allerbesten Eindruck, das merkte di Fermio schnell. Immer wieder ließ er die Führung aus. Noch zehn Kilometer waren zu absolvieren. Und just in dem Moment, als di Fermio einmal kurz nicht hinschaute, suchte einer die Flucht nach vorne. Es war Michael Rogers, der Mann von Columbia, der Gerüchten zufolge in diesem Jahr den Giro als Saisonziel auserkoren hatte. Di Fermio glaubte da noch nicht dran, aber dafür war er umso mehr davon überzeugt, dass sowohl Davis als auch Lloyd damit jetzt geschlagen waren. Es war ein schnelles Rennen gewesen und Rogers schien von diesen drein schon die meiste Rennhärte zu haben. Rasch entfernte er sich an diesem Anstieg und da nur noch sieben Kilometer vor ihm lagen, bestand kaum noch ein Zweifel daran, dass er dies durchziehen würde. Gerade bei einem so starken Zeitfahrer wie Rogers.

Während man auf dem Bildschirm noch die beiden stark angeschlagenen Verfolger sehen konnte, blickte sich di Fermio um. Alle waren aufgesprungen. Di Fermio hatte es gar nicht gemerkt, so fixiert war er auf die Rennsituation gewesen. Jetzt setzten sich die ersten wieder hin.
Als Rogers, inzwischen deutlich in Führung liegend, auf die Zielgerade einbog, hatten sich alle wieder hingesetzt. Gasparotto, der als einziger richtig getippt hatte, hatte damit begonnen, seine Teamkollegen mit seinem richtigen Tipp aufzuziehen. Di Fermio sah, wie Rogers unter tosendem Jubel und mit erhobenen Händen die Ziellinie überquerte. Direkt dahinter wurde er von Reportern umringt. Der Medienrummel war gewaltig, allerdings beschränkte er sich lediglich auf den Sieger. Der Zweite Davis und der Dritte Lloyd wurden kaum beachtet.
Di Fermio blickte auf die Uhr, siebzehn Uhr zeigte sie. „Leute, ich geh nochmal zur Strecke“, sagte er an die Fahrer gewandt und verließ das Hotel.

Di Fermio brauste in seinem Mietwagen die Schnellstraße in Richtung Innenstadt hinab. Die Straßenradmeisterschaften waren sinnigerweise am selben Ort wie die erste Etappe der Tour Down Under ausgetragen worden, um den Fahrern große Transfers zu ersparen. Das kam di Fermio jetzt zu Gute. Er war sich eigentlich sicher gewesen, dass diese Strecke nicht schwer genug war für solch einen Soloritt. Rogers hatte es trotzdem geschafft. Und Rogers wollte angeblich den Giro fahren. In dieser Form konnte er eine echte Gefahr sein!
Di Fermio brauchte jetzt Gewissheit.
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13.5.2010 - 22:32

Giovanni Battaglia

Giovanni Battaglia saß an diesem Montagmorgen an seinem Schreibtisch und genehmigte sich eine kurze Pause, um den winzig kleinen Artikel der Gazetta Dello Sport zu lesen. Die Überschrift, die nur wenig kürzer war als der Artikel, lautete: Lorenzetto wird Zweiter: Gelungener Saisonauftakt für die Lampre-Mannschaft. Der restliche Artikel: Nach dem Etappensieg gestern hat Mirco Lorenzetto den Gesamtsieg zwar um zwei Sekunden verpasst, trotzdem darf er mit sich zufrieden sein: Neben dem Tageserfolg reichte es zudem auch für drei Top-10-Ergebnisse.

Battaglia war nicht überrascht von der geringen Resonanz. Alle Rennen, die nicht in Europa ausgetragen wurden, waren den Italienern eigentlich völlig egal. Der Werbeeffekt war minimal. Für Battaglia war es in erster Linie schön zu sehen, dass die Mannschaft auf einem hohen Leistungsstand war und schon früh in der Saison mithalten konnte. Das war erleichternd.
Battaglia konnte aus der Zeitung keine neuen Informationen ziehen. Er hatte jeden Tag mit Di Fermio telefoniert, um sich über die Rennen zu informieren. Di Fermio war auch zufrieden mit den Leistungen und berichtete, dass die Mannschaft voll im Plan liegen würde. Die Ergebnisse gaben seinen zunächst etwas fragwürdig erscheinenden Transfers Recht.

Battaglia legte die Zeitung weg. Er hatte den Rennkalender seiner Mannschaft genau im Kopf: In Katar würde man mit einer Rumpfmannschaft und mit extrem geringen Erwartungen an den Start gehen. Danach folgte noch einmal eine kurze Rennpause, ehe man mit dem GP Costa Degli Etruschi in die europäische Saison einsteigen würde. Alessandro Petacchi wollte dort seinen ersten Saisonsieg einfahren, zuletzt konnte er das Rennen viermal in Folge für sich entscheiden. Bis zum ersten wirklich interessanten Rennen, Tirreno-Adriatico, waren es aber noch etwa eineinhalb Monate. Dort würde sich zeigen, was die ersten Ergebnisse wert waren.
Battaglia hatte jetzt auf jeden Fall keine Zeit mehr, über Radsport nachzudenken, denn in just diesem Moment kam ein Geschäftsmann für ein enorm wichtiges Treffen in sein Büro. Und noch war sowieso alles noch Spekulation – würde man es wirklich schaffen können?
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14.5.2010 - 15:44

Paolo di Fermio

Am Vorabend vom ersten italienischen Klassiker der Saison, dem G.P. Costa degli Etruschi, war Paolo di Fermio ganz weit weg vom Rest der Welt. Gut, eigentlich nicht. Er saß in seinem Hotelzimmer in einem Hotel, mitten in Livorno, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, in der am nächsten Tag das Rennen ausgetragen werden sollte. Geistig aber war di Fermio ganz weit weg. Er hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen und dachte über Gott und die Welt nach.
Di Fermio brauchte von Zeit zu Zeit solche Momente der Ruhe. Für ihn war das kein Zeichen von Erschöpfung, Langeweile oder Resignation, sondern etwas ganz Alltägliches.

Völlig in sich versunken hätte er das Klopfen an der Tür fast gar nicht wahrgenommen. Langsam erhob er sich von seinem Bett und schlurfte in seiner viel zu weiten Jogginghose zur Tür. Vor dieser stand Enrico Gasparotto, der morgen als einer der Anfahrer von Alessandro Petacchi fungieren sollte. Die beiden anderen Größen im „Zug“ von Lampre sollten Santambrogio und Ongarato sein.
Das Unternehmen Sieg stand aber unter keinem guten Stern, denn Alessandro Petacchi war erkältet und konnte sich kaum aus seinem Bett rühren. So lieferte sein Zimmerkollege Gasparotto immer wieder Report über seinen Zustand.
Und er kam gleich zum Punkt: „Alessandro kann wohl morgen nicht starten. Seine Erkältung hat sich nicht verbessert. Nichts schlimmes, aber ein Start macht keinen Sinn. Er wäre sowieso nicht im Stande, seine volle Leistung zu bringen.“
Di Fermio war nicht überrascht. Diese Nachricht hatte er schon erwartet. Er nickte, bedankte sich bei Gasparotto für die Mitteilung und war wenig später wieder alleine.

Für Lampre lief bis dato nicht alles nach Plan. Überraschend viel klappte aber überraschend gut. Di Fermio war äußerst zufrieden mit den bisherigen Entwicklungen. Für Petacchi persönlich war der Ausfall natürlich bitter – er hätte zu gerne das Rennen zum fünften Mal in Serie gewonnen – aber bis Tirreno-Adriatico war noch viel Zeit und erst da wollte der Sprinter seine Top-Form ein erstes Mal erreichen. Ohne Petacchi würde man morgen nicht viel erreichen können. Somit war der erste Höhepunkt schon das Spektakel zwischen den beiden Mittelmeerküsten, welches von den Medien auch dementsprechend behandelt wurde. Dort musste man die Top-Form erreichen. Alles bis dahin war mehr oder weniger egal, wenn die Leistung in Italien stimmen würde.
Di Fermio griff nach seinem Handy. Er musste noch schnell einen Ersatzmann für Petacchi organisieren. Er entschloss sich für Massimo Codol, der in seiner leicht mürrischen Art zusagte. Danach verfiel di Fermio wieder in seinen Halbschlaf.
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14.5.2010 - 22:12

2. Kapitel: Aufbruch in eine neue Zeitrechnung

Massimo Cigarini

Massimo Cigarini blätterte in seinen Unterlagen, während vorne auf der Bühne di Fermio sich gerade einer Frage eines Journalisten widmete. Cigarini hatte alles bekommen, was er an Informationen gewollt hatte. Ein bisschen gelangweilt hörte er, wie di Fermio von großer Ehre und hohen Erwartungen redete. Am liebsten wäre er gegangen, aber das war nicht möglich, ohne einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.
So blieb Massimo Cigarini, von Beruf Journalist der bedeutendsten Sportzeitung ganz Italiens, der Gazzetta dello Sport, doch bis zum Schluss und konnte den Raum erst etwa eine Stunde später als geplant verlassen. Die Kollegen schätzten di Fermio sehr. Cigarini nicht. Für ihn war di Fermio ein Schwätzer. Er mochte zwar gut reden können, aber seine Fähigkeiten wurden nach Meinung von Cigarini ganz klar überschätzt. Er war nicht schlechter, aber auch nicht besser als jeder andere Teamleiter. Wenn, dann eher ersteres.
Cigarini hatte sich die Teamaufstellung gleich zu Beginn notiert, dann noch ein paar Fragen gestellt, auf jede eine ausführliche Antwort bekommen, und hatte danach nicht mehr richtig zugehört. Di Fermios Ziel, den Giro zu gewinnen, hielt Cigarini für genauso übertrieben wie das Ziel, Tirreno-Adriatico beherrschen zu wollen. Natürlich waren Petacchi und Cunego, die beiden Leader der Mannschaft für diese Mannschaft, zwei Topfahrer, aber die Konkurrenz schlief natürlich nicht. Der Gesamtsieg war nicht drin, da war sich Cigarini absolut sicher. Dazu hatte Cunego in den letzten Jahren zu viele Schwächen offenbart. Ein Etappensieg auf dem Weg zum Monte Lupone, den hielt er da schon für realistischer.

Und wo war Simoni, di Fermios Liebling? Warum würde er nicht am Start stehen? Wollte er seine Schwächen möglichst lange verstecken? Das musste der Grund sein. Wenn er konkurrenzfähig wäre, wäre er sich dabei gewesen. Bei einem solch wichtigen Rennen stellte eine italienische Mannschaft immer die beste Mannschaft auf. Simoni war nicht dabei. Di Fermio hatte ihn wohl einfach überschätzt. Das schrie förmlich nach einem Kommentar von Cigarini. Beim Gedanken daran musste er fast lachen.
Auf dem Weg zu seinem Auto summte Cigarini seine Lieblingsmelodie. Schon beim ersten italienischen Rennen der Saison war di Fermio gewaltig aufs Gesicht gefallen: Keiner seiner Mannschaft hatte es auch nur in die Top-10 geschafft. Auch wenn Petacchi gefehlt hatte: Auch mit dem schnellen Sprinter hätte es nicht für deutlich weiter vorne gereicht. Und nun, eine Woche vor dem Beginn von Tirreno-Adriatico, war Cigarini mehr denn je vom Versagen der Lampre-Mannschaft überzeugt.
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15.5.2010 - 22:18

Alessandro Petacchi

Es sollte seine Rundfahrt werden. Alessandro Petacchi wurde von der Presse im Vorfeld von Tirreno-Adriatico als für die Flachetappen unschlagbar erklärt. Viele glaubten es. Bei Petacchis Leistungen im Vorfeld war das auch keine große Überraschung: Bei der Tour of California hatte er einen Monat zuvor bei seinem Saisoneinstieg mit drei Siegen und zwei zweiten Rängen bei fünf Massensprints für mächtig Aufsehen gesorgt.

Zu diesem Rennen in Nordamerika gab es eigentlich nur zwei grundlegende Unterschiede: Die Konkurrenz war hier in Italien um einiges größer und vor allem deutlich prominenter. Statt Alexandre Usov und Jimmy Casper standen hier Großkaliber wie Tyler Farrar, Mark Cavendish oder Robbie McEwen im Weg. Der andere Unterschied: In Kalifornien war Petacchi fast alleine gewesen – hier würde ihm ein gewaltiger Zug zur Seite stehen, bestehend aus Santambrogio, Ongarato und Lorenzetto. Und das war es dann auch, was die italienische Presse zu den Jubelhymnen bewegt hatte.
Petacchi war nicht mehr der Sprinter von früher, der nur mit einem optimal geplanten Zug gewinnen konnte. Er hatte im Verlauf der Jahre gelernt sich alleine durchzuschlagen. Natürlich nicht so perfekt wie es ein Robbie McEwen in seiner besten Zeit verstanden hatte, aber gut genug, um auch im Konzert der Großen bestehen zu können.
Doch das würde hier gar nicht nötig sein. Der Zug war von di Fermio nach bestimmten Kriterien zusammengestellt worden, um Petacchi optimal im Endspurt zu platzieren. Für Petacchi bestanden keine Zweifel, dass das funktionieren würde.
Petacchi schlenderte durch den abgesperrten Bereich zum Start. Als Petacchi an den Zuschauern, die hinter dem Zaun warteten, vorbeiging, wurde ihm zugejubelt. Die Italiener falteten ihre Fahnen aus und schwenkten sie ausladend im Wind. Alle schienen Petacchi zu unterstützen. Was würde wohl passieren, wenn er heute nicht gewinnen würde? Würde man ihm immer noch zujubeln? Keine Zeit, daran Gedanken zu verschwenden. In fünf Minuten war schon Start und Petacchi war spät dran.

Wenig später rollte Petacchi dann los. An seiner Seite Kapitän Cunego und Petacchis alter Freund Ongarato. Während vorne die Post abging, dachte Petacchi schon ans Etappenfinale.
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16.5.2010 - 21:54

Paolo di Fermio

Di Fermio steuerte sein Fahrzeug wie gewohnt sicher über den Parcours. Er blickte noch einmal auf die Streckenskizze, die die einzige Bergwertung des Tages ankündigte. Keine besonders harte und somit auch nur mit fünf, drei und einem Punkt belohnt, aber dass der Gipfel lediglich fünfzehn Kilometer vor dem Ziel lag, machte das ganze schon ein bisschen heikel.
„Alles klar, Alessandro?“, erkundigte sich di Fermio bei seinem Sprintstar. Wie immer die kurze Antwort: „Klaro.“ So lief das schon den ganzen Tag über. Di Fermio war schon ziemlich nervös. Auf Petacchis Schultern lastete der Druck von Millionen Italienern. Außer ihm wurde aus dem Land des Stiefels höchstens noch Paolini der Sieg zugetraut.
Immerhin hatte di Fermios Mannschaft souverän dafür gesorgt, dass die Ausreißer keine Chance bekommen würden. Kurz bevor es bergauf ging, wurde mit dem Russen Ivanov auch der letzte der vier Ausreißer gestellt.

Noch fünf Kilometer. Petacchi war immer noch ohne irgendwelche Probleme, obwohl man das Tempo vorne doch deutlich verschärft hatte. Scheinbar wollte jemand die reinrassigen Sprinter hier abschütteln, aber vielleicht war der Anstieg dafür doch zu kurz. Lampre hatte sich am Anstieg jetzt völlig aus der Führung zurückgezogen. Vorher hatte man die Etappe dominiert, war immer mit vier und fünf Fahrern vorne gewesen. Aber seinen eigenen Fahrer abhängen wollte di Fermio logischerweise nicht.
Im unteren flachen Teil passierte so gut wie gar nichts. Zwei Kilometer vor der Wertung übernahm Scarponi das Tempo. Ohne lange Nachzudenken rief di Fermio in sein Mikrophon: „Ihr müsst sofort Positionen gewinnen!“ Di Fermio schien zu ahnen, was jetzt bevorstand. Und in der Tat: Scarponi forcierte urplötzlich das Tempo und sorgte dafür, dass das Feld in die Länge gezogen wurde. Während die Lampre-Fahrer vorne kaum Probleme hatten, sah man hinten im von der Motorradkamera eingefangenen Bild mehrere Favoriten kämpfen. Vor allem Farrar und Haedo machten keinen guten Eindruck und musste reißen lassen. Herankommen war auf den abschließenden Kilometern nicht mehr möglich.
Kurz vor der Bergwertung dann die Attacke von Mazzanti, der sich hier die volle Punktzahl sicherte. Absetzen war aber nicht möglich. Scarponi nahm mit vollem Tempo die Abfahrt in Angriff, nicht steil, aber durchaus knifflig. Hinten gaben die Tempomacher der Sprinter noch einmal richtig Gas, es sollte aber niemand mehr herankommen.

Für di Fermio war es exzellent gelaufen. Sein kompletter Zug plus Cunego hatte den Sprung nach vorne geschafft und die Konkurrenz war fast vollständig distanziert worden: Neben Farrar und Haedo hatte es auch Mark Cavendish, Robbie McEwen und völlig überraschend Luca Paolini erwischt. Der Weg zum Sieg war frei!
Zumindest für ein paar Minuten, denn acht Kilometer vor dem Ziel gab Ongarato die erste Hiobsbotschaft durch: „Ich kann nicht mehr. Tut mir echt leid. Es ist besser, das Finale findet ohne meine Beteiligung statt!“ „Alles klar. Du kannst dich zurückfallen lassen. Hauptsache, morgen bist du wieder fit“, antwortete di Fermio und unterdrückte dabei seine Enttäuschung äußerst geschickt. Der vielleicht wichtigste Baustein seines Zuges war damit ausgefallen. Er gab die Botschaft an seine zwei verbliebene Anfahrer und seinen Sprinter durch, der vor Selbstvertrauen nur so triefte: „Ist nicht so schlimm. Wer soll mich denn stoppen?“ Theoretisch wären di Fermio da zig Namen eingefallen, aber er verkniff sich jeden Kommentar.
Noch 2000 Meter! Santambrogio hatte schon Position direkt hinter der Spitze bezogen und wartete nur noch auf den Teufelslappen, dort sollte er nach vorne gehen. Doch bevor er nachdenken konnte, rauschte auf der linken Seite Martijn Maaskant mit Matti Breschel am Hinterrad vorbei. Santambrogio saugte sich schnell ans Hinterrad des Dänen. Maaskant blickte sich kurz um, aber jetzt blieb ihm keine andere Wahl mehr, er musste durchziehen. Und es klaffte hinter Petacchi tatsächlich eine Lücke! Vorne also das Quintett mit di Fermios drei Fahrern in der idealen Position, das musste doch einfach der Sieg sein.
Maaskant musste kurz darauf herausnehmen, er hatte sich etwas überschätzt. Der Teufelslappen war inzwischen passiert, Breschel vorne und dahinter bekam Santambrogio nun auch Probleme. Das nutzte Breschel aus, er trat enorm explosiv an. „Mirco, hinterher“, brüllte di Fermio in sein Mikrophon und wäre beinahe von der Strecke abgekommen. Lorenzetto blieb ruhiger als sein Chef und konnte die Lücke zu Breschel spielend leicht schließen. Und dann ging er vorbei. „Ziiiieeeeeeeh!“, feuerte di Fermio seinen Schützling an, der an Breschel vorbeisauste. Als der Däne das sah, konnte man die Kräfte schwinden sehen. Er brach auch ein. Vorne blieben Lorenzetto und Petacchi. Sonst niemand. Und die Ziellinie nur 300 Meter entfernt. Das konnten sie sich nicht mehr nehmen lassen!
Und sie ließen es sich nicht mehr nehmen. Petacchi ging kurz vor dem Zielstrich vorbei und di Fermio brach in Jubel aus. Doppelsieg für seine Mannschaft. Besser hätte es nicht beginnen können!

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Direkt nach der Ziellinie fielen sich Petacchi und Lorenzetto in die Arme. Die Erleichterung war genauso wie die Freude spürbar. Di Fermio war stolz auf seine Fahrer, auch wenn sich die Konkurrenz eigentlich gegenseitig ausgeknockt hatte. Serramenti hatte nicht einmal einen Fahrer in die Top-10 gebracht. Scarponi hatte völlig umsonst geschuftet. Nein, umsonst war es nicht gewesen. Es hatte den Weg zu Petacchis Sieg geebnet. Dafür, beschloss di Fermio, stand Scarponi ein Kasten Bier zu. Er würde ihn gleich morgen abschicken. Aber nun galt es erst einmal, den Sieg zu feiern – und morgen dann den nächsten folgen zu lassen!
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17.5.2010 - 19:29

Massimo Cigarini

An diesem Abend rief sich Cigarini immer wieder diese eine Szene vor Augen: Elia Rigotto reißt die Arme nach oben, bejubelt den Sieg. Petacchi hängt deutlich zurück. Nichts war es gewesen mit dem von einigen Kollegen prophezeiten Siegeszug der Lampre-Mannschaft, ein Fahrer einer zweitklassigen Mannschaft hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das war zugegebener weise aber auch nötig gewesen, denn die anderen großen Namen Cavendish und Farrar präsentierten sich in absolut unterklassiger Verfassung.
Petacchi war geschlagen worden und Cigarini brütete gerade über seinem Artikel. Er überlegte, wie er seine Freude am besten verstecken konnte. Cigarini hatte den Ruf eines äußerst unparteiischen Journalisten – obwohl er das noch nie gewesen war. Wegen so einer Lappalie wollte er seinen Ruf nicht gefährden. Er entschied sich doch für eine sehr neutrale Sichtweise, ohne auch nur einen versteckten Seitenhieb einzuarbeiten.
Petacchi hatte an diesem Tag überhaupt keine Chance auf den Sieg gehabt. Er war so weit zurück gewesen, wie er die ersten beiden Tage vorne gelegen hatte – und das war eine ganze Ecke. Am Ende war es noch Platz fünf. Es war nicht alleine die Schuld des Altmeisters gewesen, das war Cigarini wohl bewusst. Der Zug hatte einfach nicht so funktioniert, wie er sollte.
Aber, um gar nicht erst ins Grübeln zu kommen, es war auch nicht die Schuld von Vladimir Efimkin gewesen. Nach dem Rennen hatten vereinzelte Stimmen verlauten lassen, dass der Russe die Sprintvorbereitung entscheidend gestört hätte. Das sah Cigarini anders, seiner Meinung nach war alles fair abgelaufen. Es hatte für die hochgelobte Lampre-Mannschaft einfach nicht gereicht. Damit mussten sie sich abfinden, denn in erster Linie waren die Anfahrer selbst schuld daran. Und natürlich Petacchi, der am Ende irgendwie auch nicht mehr hatte zulegen können.

Cigarini ging noch ein letztes Mal den Artikel durch. Morgen würde es wieder interessant werden, das war sicher. Der Schlussanstieg nach Montelupone gehörte zu den steilsten Rampen, die der Radsport überhaupt zu bieten hatte. Auch wenn er nur kurz war, so sollte hier doch nur einer der stärksten gewinnen können. Hier würde sich zeigen, ob Cunego in guter Verfassung war. Cigarini freute sich darauf. Nach dem Durchgehen drückte er auf den „Absenden“-Button seines E-Mail-Anbieters. Sein Artikel über das Versagen der Lampre-Mannschaft würde am nächsten Morgen im ganzen Land zu lesen sein.
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18.5.2010 - 19:37

Gilberto Simoni

Simoni hatte gerade seine lange Trainingsfahrt beendet, da klingelte schon das Telefon. Es war di Fermio, der eine klare Anweisung durchgab: „Schalt den Fernseher ein und guck dir das Finale an. Das wird ein ganz heißer Tanz!“ Solch einen Befehl nahm Simoni gerne entgegen. Nur wenige Minuten später saß er schon auf seinem Sofa und konnte seine Mannschaft an der Spitze des Rennens entdecken.
Die heutige Trainingsausfahrt war hart gewesen, deshalb kam Simoni diese Entspannung jetzt ganz recht. Er war mit Paolo Tiralongo unterwegs gewesen und der hatte an den Anstiegen immer mächtig aufs Tempo gedrückt. Simoni war richtig ins Schwitzen gekommen, obwohl die Temperaturen das eigentlich immer noch nicht hergaben: 10°C wurden nach wie vor äußerst selten überschritten, der Winter war schon ein langer gewesen und nach wie vor konnte sich der Frühling irgendwie nicht wirklich durchsetzen.
Umso mehr freute sich Simoni jetzt auf einen heißen Tee. Mist, dafür hätte er das Wasser anstellen müssen. Er raffte sich noch einmal auf, marschierte in die Küche und kam zurück, als die Spitzengruppe, deren Zusammensetzung und Vorsprung Simoni natürlich noch nicht mitbekommen hatte, gerade zur interessant angelegten Sprintwertung – genau auf dem Gipfel eines längeren Anstieges, also eher eine Bergwertung – etwa 30 Kilometer vor dem Ziel zurück. Die Stimme von Italiens Kommentatorenlegende Giovanni de Spiaggia und seinem Kollegen Andrea Poltrona, ehemaliger Profi, konnte Simoni nur erahnen und drehte deshalb die Lautstärke hoch. Jetzt waren die Stimmen klar zu erkennen.
Giovanni de Spiaggia zeichnete sich in erster Linie dadurch aus, dass er sehr nah am Renngeschehen kommentierte. Er war in seinem Fach der beste, sparte sich dafür allerdings einige Erklärungen, die wirkliche Radsportfans sowieso nicht brauchten. Darum war er bei diesen auch so beliebt. Vorne gewann in diesem Moment einer von Serramenti PVC Diquigiovanni den Sprint vor dem Mann im Bergtrikot, Timothy Gudsell, und einem Fahrer von Barloworld. Wenig später stellte sich heraus, dass der Sieger Bertolini und der Dritte Scognamiglio gewesen war. „Keine Ahnung, warum die da vorne so viel investieren, um die Sprintwertung zu gewinnen. Sie haben dort genauso wie in der Gesamtwertung sowieso nichts zu melden. Zuletzt wurden zwei Minuten Vorsprung gemeldet, das wird nicht reichen“, meinte de Spiaggia und hatte damit mal wieder Recht. Zwei Minuten waren zu wenig, alleine am Schlussanstieg konnte man schnell eine Minute einbüßen. „Also, vorne ist jetzt das Quintett zusammen mit den dreien, die bei der Wertung gepunktet haben sowie Botcharov von Katusha und dem Basken Hernandez von Euskaltel. Dahinter dann noch die neun Fahrer, die dem Angriff von Botcharov gerade nichts entgegensetzen konnten, die verlieren aber enorm an Boden und liegen schon etwa fünfzig Sekunden zurück. Das Feld, nach wie vor angeführt von Lampre, wird diese Gruppe bald schlucken“, fuhr de Spiaggia fort. Genau in diesem Moment bekam Simoni das erste Mal das Feld in den Blick: Seine Mannschaft kontrollierte mit starker Unterstützung von Riccardo Riccos Ceramica-Team das Tempo. Simoni entdeckte sofort Cunego, etwa an zehnter Position radelnd. Der kleine Mann sah noch sehr frisch aus. Irgendwo etwas weiter hinten war ein schon ziemlich ausgelaugt scheinender Alessandro Petacchi zu erkennen, der sich aber noch in der Gruppe halten konnte.

Die Fahrer stürzten sich in die Abfahrt, was Simoni dazu nutze, seinen Tee aus der Küche zu holen. Er hörte, wie de Spiaggia und Poltrona sich über die Favoriten des Tages unterhielten, dabei über Andy Schleck, Ivan Basso, Kim Kirchen und Vincenzo Nibali redeten, dann auf Riccardo Ricco, Joaquim Rodriguez, Philippe Gilbert, Alessandro Ballan und Damiano Cunego zu sprechen kamen, sich aber auf keinen einigen konnten. Am Ende setzte de Spiaggia auf Cunego, Poltrona auf Ricco.
Als Simoni das Wohnzimmer wieder betrat, befanden sich die Fahrer schon in der Anfahrt auf die erste Passage des gefürchteten Montelupone. Entgegen de Spiaggias Prognose hatte sich die zweite Gruppe vor dem Feld wieder etwas näher an die Spitze heranarbeiten können. Sie schienen hier noch nicht aufgesteckt zu haben, obwohl das Unterfangen erfolgslos schien. Vielleicht ging es ihnen aber auch nur um die Bergpunkte. „So, jetzt heißt es kraxeln, was das Zeug hält. Die Spitze ist schon drin im Anstieg und jetzt auch das Feld. Diese Rampe ist zwar kurz, aber unfassbar steil. Im Feld übernimmt jetzt Mori für Lampre das Tempo, ich denke der wird hier noch einmal verschärfen. Lampre fährt also voll auf die Karte Cunego, denn für Petacchi wird das jetzt zu schnell!“, sagte de Spiaggia. In der Tat, Petacchi hatte jetzt richtig Probleme, während Cunego vorne immer noch relativ locker aussah. Mori ging noch einmal aus dem Sattel und das Feld explodierte jetzt richtig. Reihenweise mussten Fahrer die Segel streichen. Die Vorentscheidung, die di Fermio hier hatte herbeiführen wollen, hatte gesessen.

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Vorne an der Spitze tobte derweil der Kampf um die Bergpunkte, nachdem die zweite Gruppe tatsächlich noch einmal zur ersten aufgeschlossen hatte. Gudsell konnte ihn für sich entscheiden und damit die Wertung für sich entscheiden, egal wie die erste gelaufen war. Immerhin für ihn hatte sich der Kampf gegen das heran jagende Feld also gelohnt.
Das Feld passierte den Gipfel und war enorm verkleinert worden. Vorne immer noch Mori, der Unterstützung von Santambrogio und Lorenzetto bekam, die für ihn direkt nach dem Gipfel übernahmen und dafür sorgten, dass die Gruppe am Laufen blieb und keiner mehr aufschließen konnte.

Simoni nippte an seinem Tee. Zu heiß. Simoni hasste nichts mehr, als kochend heißen Tee. Obwohl, doch, kalten Tee hasste er noch mehr. Zu dumm für jemanden, der für sein Leben gerne Tee trank. Er musste also noch warten. Weil im Rennen gerade nicht viel passierte, erlaubte er sich einen Blick in den Videotext. Gasparotto hatte sich bei Paris – Nizza auf den elften Platz der Gesamtwertung verbessert. Das war doch mal eine erfreuliche Nachricht. Mehr hatte man vorher nicht erwarten können.

Lorenzetto und Santambrogio investierten an der Spitze des Feldes jetzt noch einmal ihre letzten Kräfte. Was hatte sich di Fermio für diesen Schlussanstieg überlegt? Man durfte mit seiner Attacke nicht zu lange warten, aber auch nicht zu früh vorstoßen. Es war ein irrer Balanceakt. Es war nicht nur die Power, die dieses Rennen entscheiden würde. Nein, auch Taktik spielte hier eine große Rolle. Noch größer als im Hochgebirge.
Nach und nach wurden die ehemaligen Ausreißer eingesammelt, drei von ihnen, nämlich Langeveld, Bailetti und Hernandez, wie Simoni den Informationen entnehmen konnte, konnten sich länger vorne halten. „Lampre will nicht, dass sich jetzt jemand löst, sonst würden sie hier nicht so ein Tempo vorlegen. Aber das funktioniert nicht, da ist der Angriff! Und da gehen gleich ein paar Fahrer hinterher!“, brüllte Poltrona jetzt in sein Mikrophon! Tatsächlich gingen ein paar Fahrer aus dem Windschatten rechts aus dem Feld heraus. „Da, Rodriguez setzt hier enorm früh alles auf eine Karte. Was machen die anderen? Die bleiben sitzen!“, rief de Spiaggia. Im blau leuchtenden Fuji-Trikot konnte man den kleinen Spanier sehen, der es scheinbar nicht auf ein direktes Duell ankommen lassen wollte. Komisch, fand Simoni, denn Rodriguez galt an solchen Anstiegen eigentlich als einer der besten Fahrer überhaupt. In Topform war er dort kaum zu schlagen. Simoni folgerte, dass es um seine Form nicht ganz so gut bestellt war.
Die Fünfkilometermarke wurde durchschossen und um das wackere Ausreißertrio war es damit auch geschehen. Lorenzetto und Santambrogio hatten inzwischen die Fahnen gehisst, Mori war wieder vorne. Aber irgendwie schien er nicht mehr wirklich zulegen zu können. „Jetzt muss etwas passieren, sonst ist das Ding durch für die Fahrer hinten. Die Lücke nach vorne wird immer größer!“, sagte de Spiaggia. In der Tat, das war auch Simoni nicht entgangen. Gilbert war es nun auch zu viel, er zog davon, weitere Fahrer im Schlepptau. Cunego dagegen schien immer noch zu warten. Mach schon, hätte Simoni ihm am liebsten zugerufen. Worauf wartete er noch? Cunego radelte seelenruhig im vorderen Teil des nur noch vierzig Fahrer großen Feldes herum.
Die Kilometer verflogen. Rodriguez nahm schon den Anstieg in Angriff, nur eineinhalb Kilometer also noch. Simoni sprang auf. Warum machte Cunego nichts? Wollte er die ganze Arbeit, die das Team geleistet hatte, einfach so verpuffen lassen? Ein Fahrer nach dem anderen nahm die Verfolgung auf, aber Cunego wartete immer noch.

Simoni setzte sich wieder hin. Es war vorbei. Die Lücke war zu groß, um sie noch zu schließen, egal, was Cunego jetzt unternehmen würde. Ballan attackierte in diesem Moment und endlich reagierte Cunego und ging hinterher. Es war zu spät. Er würde nicht mehr nach vorne kommen, das war klar. Simoni lag schlaff auf seinem Sofa. Was war denn da passiert? Nichts. Aber warum war nichts passiert? Man hatte den Sieg weggeschenkt. Vorne kämpfte Rodriguez, einige Verfolger kamen näher. Cunego kam auch näher, aber er hätte fliegen müssen, um noch einmal heranzukommen.
Während vorne Rodriguez den Sieg ganz knapp nach Hause brachte, kämpfte Cunego nur noch darum, nicht zu viel Zeit zu verlieren. Er sah nicht einmal wirklich erschöpft aus, er hätte wahrscheinlich noch einige Kilometer bergauf fahren können, aber das nutze nun nichts mehr. Er hatte verloren.

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Simoni war enttäuscht. Was war los gewesen? Er konnte es sich nicht erklären. Di Fermio war ein Meister der Taktik. Warum war er dann so bitter auf der Schnauze gelandet? Es war unerklärlich. De Spiaggia sagte: „Eine tolle Etappe.“ Das gab Simoni den Rest.

Simoni schaltete den Fernseher aus. Er wollte es nicht länger sehen. Man würde das Team am nächsten Tag in den Zeitungen zerreißen. Zu Recht, denn das war eine verdammt bittere Niederlage gewesen. Simoni griff nach seinem Tee. Kalt. So ein Mist. Wütend rannte er in die Küche und kippte den Tasseninhalt in den Ausguss.
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19.5.2010 - 20:27

Massimo Cigarini

Cigarini konnte es immer noch nicht fassen: Wie hatte Damiano Cunego das gemacht?
Cigarini spulte die ganze Szenerie noch einmal vor seinem inneren Auge ab: Gerade hatte Stijn Devolder die Ziellinie überfahren, erwartungsgemäß legte er eine gute Zeit auf die Strecke, vorerst der dritte Platz sollte es sein. Nur Cancellara, Wiggins, Boom und Basso waren schneller – bis dahin.
Eigentlich hätte Devolder aber bis zum Ende auf diesem fünften Platz verweilen müssen. Wenn überhaupt, dann hätten wohl höchstens noch Jens Voigt und Sylvain Chavanel die Chance gehabt, daran etwas zu ändern.
Doch Devolder war gefühlt gerade erst ins Ziel gerollt, da wurde Damiano Cunego schon von den Kameras im Zielbereich eingefangen. Der kleine Italiener powerte noch einmal alles heraus. Am Ende reichte es für Platz 3. Cigarini war der Kiefer heruntergeklappt. Zunächst hatte er einen Darstellungsfehler vermutet, dann, dass Cunego die falsche Strecke gefahren war oder sich vom Teamwagen hatte ziehen lassen. Nichts davon wurde bestätigt. Cigarini witterte Betrug.
Klar, das Profil war nicht das leichteste gewesen, vor allem der Anstieg hin zum Ziel hatte es, gerade für ein Zeitfahren, in sich gehabt. Aber hallo? Wer war Damiano Cunego? Wer? Ein miserabler Zeitfahrer, das war er. Er hatte im Kampf gegen die Uhr noch nie etwas gerissen. Cigarini würde dem Betrug schon noch auf die Schliche kommen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Vielleicht hatte man sich bei der Zeitnahme verrechnet oder Cunego hatte den Chip irgendwie manipuliert. Bei der letzten Zwischenzeit, kurz vor dem Schlussanstieg, war er immerhin noch fast zwei Minuten zurück gewesen. Es war unmöglich, auf diesem kurzen Abschnitt bis zur Ziellinie so viel Zeit auf einen Zeitfahrer wie Cancellara gutzumachen. Auch für einen kleinen Teufelskerl wie Cunego. Hinter eben jenem Cancellara und Chavanel lag er nun auch auf dem dritten Platz der Gesamtwertung und damit wieder auf Kurs.
Wie auch immer, Cigarini würde der Sache schon noch auf die Schliche kommen. Und wenn es das letzte wäre, was er machen… ach, ihr wisst schon.

Besonders sauer war Cigarini aufgrund der Tatsache, dass er seinen gesamten Bericht neu schreiben musste. Cunego nicht zu erwähnen, das war nach dieser Vorstellung nicht mehr möglich gewesen. Aber was Cigarini zu dieser Uhrzeit auch versuchte auf das Papier zu bringen, irgendwie klang alles dumm. Die Uhr zeigte 22 Uhr. Bis 23 Uhr musste der Artikel fertig sein, sonst würde man ihn nicht mehr drucken können.
Cigarini reizte sein Zeitlimit an diesem Tag zum ersten Mal in seiner ganzen Karriere voll aus.
-------------------------------------------------------------------------------------
Falls es falsch herüberkam, noch einmal: Kommentare sind ausdrücklich erwünscht! Ich komme gerne mit den Lesern in Kontakt, einmal zur Bestätigung, dass jemand mitließt, und darüberhinaus natürlich auch um die Story zu verbessern. :)
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Beitrag: # 6814778Beitrag Strandkorb
22.5.2010 - 15:24

Gilberto Simoni

Simoni war deutlich weniger überrascht gewesen als Cigarini. Er kannte ja in etwa den Trainingsplan seines Teamkollegen und wusste, dass dieser hart an seinen Fähigkeiten im Kampf gegen die Uhr gearbeitet hatte. Das schwere Profil tat sein Übriges. Simoni hoffte nur, dass Cunego sich dieses Mal etwas schlauer anstellen würde.
Er griff noch einmal nach seinem Telefon und wählte die Nummer von Paolo di Fermio. Dieser ging sofort dran:
„Di Fermio?“
„Hier ist Gilberto.“
„Hallo, Gilberto. Wie läuft es? Ich nehme an, du hast gestern Damianos großen Streich gesehen?“
„Natürlich. Tolle Leistung von ihm. Ich hoffe mal, ihr löst das heute taktisch besser als letztes Mal!“
„Hoffe ich natürlich auch. Vorgestern, das war ja gar nichts. Da habe ich schon gemerkt, dass ich so lange ausgesetzt habe.“
Ja, das hatte auch Simoni gemerkt: „Na ja, wird schon. Ich gucke mir das Finale natürlich wieder an. Ich muss jetzt aber los, heute steht wieder eine lange Trainingsfahrt an. Fahrt nicht so schnell, dann kann ich mehr vom Rennen sehen.“
„Geht natürlich klar. Wir haben ja immer die volle Kontrolle über die Renngeschwindigkeit.“ Simoni bemerke den ironischen Unterton. Di Fermio fuhr fort: „Dir dann eine erfolgreiche Trainingsausfahrt und bis später.“ Bevor Simoni sich verabschieden konnte, hatte di Fermio schon aufgelegt. Gestresst wie immer.

Simoni beschloss, möglichst schnell aufzubrechen, um wirklich die größtmögliche Zeit des Rennens mitzubekommen. Er würde auch heute wieder alleine fahren. Fast alle anderen Fahrer waren bei Rennen unterwegs und die restlichen, die auch im Training waren, hatten einen anderen Plan als Simoni. Es war schon ein bisschen langweilig, so ganz allein. Simoni war von einer vernünftigen Rennform aber noch weit entfernt, er musste noch trainieren. Das erste wichtige Rennen für ihn war traditionell der Giro del Trentino durch das schöne Trentin. Schwere, bergige Etappen, genau das richtige für ihn. Danach noch die Tour de Romandie und dann würde der Giro beginnen. Simoni konnte es kaum erwarten, es der Konkurrenz noch einmal so richtig zu zeigen!
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