Tour de France - Armstrong: "Keine Chance zu betrügen"
Eurosport - Mi 10.Sep. 15:08:00 2008
Vier Jahre nach seinem siebten Sieg will Lance Armstrong noch einmal die Tour gewinnen und endgültig alle Kritiker zum Schweigen bringen. Denn es geht nicht nur um einen achten Triumph: Diesmal soll nach seinen Plänen auch jeglicher Doping-Vedacht um ihn schon im Vorfeld ausgeschlossen werden.
Der umstrittene Seriensieger weiß um den Ruf des Radsports insbesondere in den Jahren seiner Dominanz: "Es gibt diesen Eindruck, dass die aktuelle Fahrergeneration die sauberste seit Jahrzehnten ist - wenn nicht aller Zeiten. Und die Generation, in der ich gefahren bin, war die schmutzigste", so Armstrong, der zugesteht: "Viele Fahrer, die bei der Tour hinter mir die Plätze zwischen zwei und zehn belegten, wurden inzwischen positiv getestet, gesperrt, erwischt. Deshalb kann ich es verstehen, wenn die Leute sagen: Die wurden erwischt - und du nicht? Das ist ein netter Aspekt, auf den ich mit einem wirklich umfassenden Testprogramm antworten kann und es wird dabei keinen Weg geben, zu betrügen", erklärte er im Gespräch mit dem US-Magazin Vanity Fair.
Seine Glaubwürdigkeit ist in diesem Fall ein besonders hohes Gut, immerhin sei die Motivation für diese überraschende Rückkehr ins Renngeschehen sein Einsatz im Kampf gegen jene Krankheit, die ihn selbst 1996 fast das Leben kostete. "Der Grund ist der Start einer internationalen Krebs-Initiative", so Armstrong in einer Video-Botschaft auf seiner Internetseite, "alle weiteren Details werden am 24. September in New York im Rahmen eines Forums der 'Clinton Global Initiative' präsentiert werden."
Der Sport diene diesmal vor allem als Mittel für einen guten Zweck. Ihm gehe es darum, Aufmerksamkeit zu erwecken und damit Druck auf die Politik auszuüben. Ein Beispiel ist das Rauchen: "Im Augenblick sind 25 US-Bundesstaaten rauchfrei - unser Ziel sind alle 50", nennt Armstrong in den Gesprächen mit dem Vanity-Fair-Autor eines der Ziele.
"Ein wenig Rachegeist"
Doch natürlich wäre Armstrong kaum Armstrong, wenn er nicht auch noch eine offene Rechnung zu begleichen hätte - die anhaltenden Doping-Anschuldigungen haben Spuren hinterlassen. Ein neuerlicher Sieg unter dem inzwischen im Radsport herrschenden verschärften Kontrollregime scheint ihm die Chance zu bieten, allen Zweiflern endgültig zu beweisen, dass er seine früheren Erfolge nicht dem Doping zu verdanken hat. "Bei meinem ersten Comeback in den Jahren 98/99 war Rache eine enormer Faktor", betont er einmal mehr - und ergänzt: "Ein wenig von diesem Rachegeist ist auch jetzt in mir."
Aus den Fehlern der Vergangenheit will er gelernt haben, sein Umgang mit Kritikern solle offener werden, kündigt Armstrong an: "Früher habe ich mit jemand, der einen negativen Artikel geschrieben hatte, nie wieder gesprochen. Diesmal wird jeder eingeladen sein, meine erbittertsten Gegner in der Presse sollen ihre Fragen loswerden dürfen und feststellen, dass ich es ernst meine."
Und für konkurrenzfähig hält sich der einstige Dominator weiterhin. Er habe die Tour in diesem Juli verfolgt und seine Erkenntnis sei simple: "Es ist kein Geheimnis: Das Tempo war langsam." Nun war der Durchschnitt von Sieger Carlos Sastre mit 40,5km/h zwar langsamer als Armstrongs Rekord bei seinem letzten Sieg (41,7km/h), doch viermal lag sein Schnitt in Paris unter dem Wert des Spaniers.
"Habe nie betrogen"
Aber Armstrong geht es nicht nur darum, die Sauberkeit seines geplanten achten Tour-Sieges sicherzustellen - auch an den Erfolgen zwischen 1999 und 2005 lässt er weiterhin keinen Zweifel zu. "Ich plane eine Pressekonferenz, auf der ich betonen werde, dass ich nie betrogen habe. Ich habe sieben Mal die Tour fair und anständig gewonnen - und jetzt komme ich zurück."
Geld zumindest spiele bei seinem Comeback keine Rolle - abgesehen von den erhofften Spenden für den Kampf gegen den Krebs. "Ich werde letztlich kostenlos fahren", kündigt Armstrong an, "kein Gehalt, kein Bonus: Ich brauche letztlich kein Geld." Die zentrale Motivation ist aber auch weiterhin identisch geblieben: "Ich verliere nicht gerne - ganz egal worum es auch immer geht."
Bruyneel im Boot
Auch wenn die Details der Pläne noch ausstehen, einiges ist bereits bekannt: Bei der US-Anti-Doping-Agentur hat sich Armstrong wieder in den Testpool aufnehmen lassen, Meldungen zufolge plant er zudem, seine Blutwerte im Internet zu präsentieren und werde auch ansonsten alles tun, um seine Sauberkeit zu beweisen. Geplant ist daneben auch, sein Comeback filmisch zu begleiten.
Ein Team zu finden dürfte kaum ein Problem sein: Sein langjähriger Mentor Johan Bruyneel gab sich zwar überrascht angesichts des Comebacks, doch Vanity Fair meldete schon, der Belgier, im Augenblick Teamchef von Astana würde Armstrong erneut betreuen.
Seit Wochen befindet sich der inzwischen 36-Jährige nach eigenen Angaben täglich ab 5:30 Uhr im Training, begleitet wie immer von Coach Chris Carmichael. Eine neue Bleibe in Aspen zum Höhentraining war schnell gefunden - und das Alter spiele keine Rolle: "Es gibt keinen Beweis, dass man mit 38 Jahren langsamer als mit 32 ist. Bei den Olympischen Spielen hat Schwimmerin Dara Torres mit 41 Jahren gezeigt, dass man selbst über 50m Freistil noch top sein kann. Gold im Marathon der Frauen ging an eine 38-Jährige", hat er Beispiele sofort an der Hand. Sollte sein Plan aufgehen, würde er den Belgier Firmin Lambot als ältesten Tour-Sieger ablösen, dieser triumphierte 1922.
Sarkozy als Türöffner?
Bleibt die Frage, ob die Organisatoren der Tour dem gerade in Frankreich weiterhin höchst kritisch gesehenen Armstrong einen Start bei ihrer Rundfahrt erlauben würden. Der saubere Kurs der Tour und die nachträglich als positiv befundenen Proben nach seinem ersten Sieg passen kaum zusammen. Doch auch darauf ist er vorbereitet: Er werde sich direkt an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy wenden, der sich in der Vergangenheit lobend über ihn geäußert hatte. Armstrong zumindest ist sich zu "100% sicher", dass er 2009 in Monaco am Start der "grande boucle" stehen wird.
Die Veranstalter der ASO kündigten zumindest an, sie "würden ihn akzeptieren - wenn er und sein noch nicht bekanntes Team sich allen Regeln und Kontrollen unterwerfen", so Tour-Chef Christian Prudhomme gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.