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7. Etappe: Silvaplana – Silvaplana
Mein Name ist Claude Kühn und ich begrüße sie zur Live-Übertragung der siebten Etappe der Tour de Suisse 2004. Ich befinde mich hier in der Kommentatorenkabine auf der Zielgerade in Silvaplana, dem Start- und Zielort der heutigen Etappe. Wir befinden uns im Südosten der schönen Schweiz, ganz nah an der italienischen Grenze. Uns erwartet eine mit 150 Kilometern sehr kurze Etappe, die es allerdings in sich hat.
Wie sie sehen, sind die ersten 130 Kilometer eher flach und dienen den großen Favoriten zum „Aufwärmen“, während am Ende des Tages ein äußerst steiler und schwieriger Anstieg auf die Fahrer wartet. Wird Jan Ullrich heute seinen zweiten Erfolg feiern können? Oder siegt doch wieder ein Underdog, wie vorgestern Patrik Sinkewitz?
Wir erwarten gespannt, was geschehen wird und werden ausführlich davon berichten. Viel Spaß!
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Kurz nach 14 Uhr starteten alle 157 Fahrer zur siebten Etappe der Tour de Suisse. Die Sonne schien und es war keine einzige Wolke auszumachen. Perfektes Wetter also für den großen Favoriten und Gewinner der gestrigen Etappe – Jan Ullrich.
Den Mannen von T-Mobile stand allerdings wieder ein stressiger Arbeitstag bevor, denn nur einen Kilometer nach dem „fliegenden“ Start gab es unzählige Ausreißversuche. Immer mehr Fahrer versuchten sich vom Feld zu lösen.
Am Ende waren es immerhin zwölf Fahrer, die sich dem großen Feld gegenüber behaupten konnten und sich leicht absetzen konnten. Es handelte sich dabei um Patrick Calcagni und Mauro Gerosa (beide VINI-CALDIROLA), Martin Müller und Jens Heppner (beide TEAM WIESENHOF), Matthew Wilson und Carlos da Cruz (beide FDJEUX.COM), Claudio Bartoli (PANARIA), Dmitriy Muravyev (CREDIT-AGRICOLE), Marcus Ljungkvist (ALESSIO-BIANCHI), Koes Moerenhout (LOTTO-DOMO) sowie dem Dauerausreißer Robert Banach und seinem Teamkollegen Bogdan Bondariew (ACTION-ATI).
Am Anstieg der ersten Bergwertung ergab sich also folgendes Bild:
An der Reihenfolge änderte sich auch am Zielstrich der ersten Bergwertung nichts. Patrick Calcagni (VINI-CALDIROLA) überquerte die Linie als erster und konnte sich mit 6 „Bergpunkten“ im Gepäck auf die kleine Abfahrt machen. Zweiter wurde Muravyev, der auf der Abfahrt allerdings schnell den Kontakt zu Calcagni fand.
Wenig später stießen vier weitere Fahrer zu Calcagni und Muravyev hinzu. Es waren die beiden Wiesenhof-Profis Martin Müller und Jens Heppner und Carlos da Cruz und Matthew Wilson (beide FDJEUX).
Die restlichen Ausreißer machten sich in Zweiergruppen oder gar alleine auf die nächsten 50 Kilometer, die durchgehend flach verliefen.
In dieser Form blieb die Spitzengruppe weiter bestehen und konnte den Vorsprung bis zur ersten Sprintwertung auf rund fünf Minuten erhöhen. Den Zwischensprint konnte Carlos da Cruz gewinnen. Sein Teamkollege Matthew Wilson hatte den Sprint mustergültig angezogen und konnte Platz Drei hinter Patrick Calcagni belegen. Jens Heppner, mit dreizehn Minuten Rückstand auf Patrik Sinkewitz der bestplatzierteste Fahrer der Ausreißergruppe, kämpfte nicht um die Sprintpunkte und um die Zeitbonifikation mit.
Im Feld wurde das Tempo jetzt erhöht. Mehrere Helfer von Patrik Sinkewitz reihten sich an der Spitze des Feldes ein und sorgten dafür, dass der Rückstand auf die Verfolger unter eine Minute schrumpfte.
Auch der Vorsprung der Spitzengruppe schmolz langsam dahin. Es waren nur noch knapp vier Minuten, die die Ausreißer und das Feld trennen.
Doch der schwierige Teil der Etappe sollte noch kommen. Drei Bergwertungen hintereinander und dann der krönende Schlussanstieg zurück nach Silvaplana. Bevor wir wieder Live-Bilder zeigen, sehen sie hier noch eine Aufnahme von der zweiten Bergwertung, die Dmitriy Muravyev gewann und somit drei Pünktchen für die Bergwertung gewann.
Auch bei der darauffolgenden Bergwertung, die genau zehn Kilometer später auf dem Programm stand, war Muravyev ganz vorne zu sehen. Am Ende musste er sich aber dem Australier Matthew Wilson geschlagen geben.
Die Ausreißer liegen zwei Minute vor dem Feld, dass die Ausreißergruppe um Koes Moerenhout vor kurzem einfing.
Am Anstieg zur vorletzten Bergwertung spannte sich T-Mobile mit Santiago Botero, Paolo Savoldelli sowie seinen Kapitänen Jan Ullrich und dem Kasachen Alexandre Vinokourov vor das Feld und sorgte für eine enorme Tempoverschärfung, welche das Feld sofort entzweiteilte.
Mitten in dieser hektischen Phase des Rennens setzte Jan Ullrich, einen Kilometer unter dem „Gipfel“ der Bergwertung, seine Attacke. Mit seinem kräftigen und unnachahmlichen Tritt setzte er sich vom Feld ab und machte sich auf die Verfolgung der Ausreißer.
Doch dieses Mal konnten alle Favoriten folgen. Direkt an Ullrichs Hinterrad war Tyler Hamilton, auf der anderen Straßenseite versuchte Sergej Gonchar (DE NARDI) den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Doch auch Casagrande, van de Wouver, Sinkewitz und Chavanel setzten sich vom Feld ab. Kein einziger Favorit wollte also das Risiko eingehen, im Feld zu warten, sodass sich eine fünfköpfige Verfolgergruppe bildete, die versuchte den kleinen Rückstand zu Ullrich und Hamilton zunichte zu machen.
In der Spitzengruppe gab es derweil auch die ersten Unstimmigkeiten. Jens Heppner und Dmitriy Muravyev lieferten sich einen packenden Sprint um die Bergpunkte, nutzten die Abfahrt danach aber, um sich einen kleinen Vorsprung auf die anderen vier Ausreißer herauszufahren. In dieser Gruppe wollte sich niemand mehr um die Nachführarbeit kümmern, sodass Jan Ullrich und Tyler Hamilton nicht viel Kraft investieren mussten, um sieben Kilometer vor dem Schlussanstieg den Anschluss an die Verfolgergruppe herzustellen:
Mit diesen Informationen gebe ich noch einmal in die Werbung ab, ehe Claude Kühn ihnen gleich von dem großen Finale berichten wird.
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Meine Damen und Herren, wir befinden uns am Fuße des Schlussanstieges, der zurück in die kleine Ortschaft Silvaplana führt. An der Spitze liegen mittlerweile die beiden Deutschen Jens Heppner und Jan Ullrich sowie dem US-Amerikaner Tyler Hamilton.
In der Verfolgergruppe sorgt weiterhin Sylvain Chavanel für die Nachführarbeit, sein Teamkapitän Patrik Sinkewitz muss um sein gelbes Trikot bangen, denn der Rückstand auf Ullrich und Hamilton beträgt mittlerweile 46 Sekunden mit jedem Meter wird es mehr.
Sie sehen es, sehr verehrte Zuschauer, es sieht nicht gut aus für Patrik Sinkewitz und Seat-Argex. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der junge Deutsche heute sein gelbes Trikot verlieren wird, denn gegen Ullrich und Hamilton ist heute kein Kraut gewachsen, denn jetzt, drei Kilometer vor Ende dieser siebten Etappe ist der Vorsprung auf 1:47 gewachsen. Die einzige Frage ist, ob der „Oldie“ Jens Heppner den beiden Favoriten ein Schnippchen schlagen kann, oder nicht.
Und schon beantwortet sich unsere Frage, denn in diesem Moment attackiert Jan Ullrich!
Der Deutsche versucht es schon wieder mit einer Attacke, doch in diesem Fall könnte es zum Sieg führen, denn es sind für ihn nur noch 1500 Meter zu absolvieren.
Kann Hamilton jetzt an seinem Hinterrad bleiben, das ist die Frage. Heppner jedenfalls ist aus dem Rennen um den Sieg ausgeschieden, er musste – so hatten wir es auch prophezeit – wenige Hundert Meter abreißen lassen.
Doch jetzt wollen wir uns voll auf das dramatische Finale dieser Etappe konzentrieren. Die Attacke von Jan Ullrich brachte ihm nicht viel, denn er konnte Tyler Hamilton nicht entscheidend abschütteln. Dieser macht das jetzt ganz geschickt, fährt im Windschatten und wartet auf die passende Situation um den Sprint zu eröffnen.
Jetzt haben sie gleich die Flamme Rouge passiert, Ullrich kann sich wieder leicht absetzen, er blickt sich um und eröffnet den Sprint.
Jan Ullrich geht in diesem Moment aus dem Sattel und spurtet los.
Doch Hamilton kann leicht aufholen, jetzt ist er gleich neben Ullrich – noch 400 Meter -, Hamilton zieht und zieht, unglaublich was für eine Kraft der Nordamerikaner besitzt. Doch auch Ullrich kann beißen, er kämpft und holt alles aus sich heraus.
Es scheint jedoch, als könne Hamilton noch an dem Deutschen vorbeiziehen. Noch 250 Meter und ich sehe weiterhin einen leichten Vorteil für Hamilton. Das könnte ganz, ganz eng werden, ein Foto-Finish auf der siebten Etappe der Tour de Suisse.
Jetzt sind es noch 100 Meter, jetzt gibt es noch eine kleine Linkskurve zu fahren und in dieser Kurve hat Hamilton das Glück innen zu fahren, er ist jetzt eine halbe Radlänge vor Ullrich. Das müsste doch reichen!
Der Phonak-Profi bleibt vorne, wird er den ersten Tagessieg für das hier so unter Erfolgsdruck stehende Profiteam Phonak Hearing Systems. Es sieht ganz danach aus, noch 25 Meter und Hamilton wird gewinnen, da bin ich jetzt ganz sicher. Oder kommt Ullrich jetzt nochmal zurück?
Tatsächlich, Ullrich arbeitet sich wieder an Hamilton ran, kann er das noch aufholen. Unglaublich, wie der Deutsche fightet, doch es wird nicht reichen…
HAMILTON! Tyler Hamilton siegt! Der Amerikaner gewinnt diese Etappe nach einem wahnsinnig spannenden Finale mit zwei fast gleichwertigen Fahrern: Jan Ullrich und Tyler Hamilton, die sich einen packenden Zweikampf lieferten. Am Ende bleibt Ullrich jedoch „nur“ der zweite Platz und damit der zweite Tageserfolg bei der diesjährigen Tour verwehrt.
Tyler Hamilton hingegen fährt für Phonak den ersten Tagessieg dieser Tour aus und macht durch die Zeitgutschrift einige Sekündchen auf Jan Ullrich gut.
Da kommt auch schon das Verfolgungstrio mit Francesco Casagrande, Georg Totschnig und auch Kurt van de Wouver, der auch heute wieder ein unglaubliches Rennen abliefert. Jetzt wird der Sprint eröffnet, Totschnig ist vorne, an seinem Hinterrad van de Wouver, jetzt geht van de Wouver aus dem Windschatten, übersprintet den Österreicher Totschnig und…
… Er holt den dritten Platz! Vierter wird Casagrande, der sich van de Wouver ganz knapp geschlagen geben muss. Totschnig wird für seinen Mut, den Sprint von vorne zu fahren, nicht belohnt und muss sich mit dem vierten Platz zufrieden geben.
Für die Drei war die Uhr bei 1:55 stehen geblieben, das zeigt, wie stark Ullrich und Hamilton am heutigen Tage waren.
Da kommt auch schon das große Verfolgerfeld um die Kurve; eine – ich würde schätzen – 30-köpfige Gruppe, an deren Spitze Sergei Gonchar ohne Probleme den Sprint gewinnt.
Auf Platz 7 erreicht Sylvain Chavanel das Ziel, eine sehr starke Leistung des jungen Franzosen. Er musste auf den letzten Kilometer sehr viel für seinen Kapitän Sinkewitz arbeiten und zeigt hier trotzdem noch ein Klasse-Finish.
Patrik Sinkewitz überquert die Ziellinie als Zehnter und wird mit 2:10 Minuten Rückstand gezählt. Damit wird er das gelbe Trikot an Tyler Hamilton abgeben müssen.
Nach diesem tollen Ende einer spannenden Etappe gebe ich zuerst einmal in die Werbung ab, melde mich aber in wenigen Augenblicken mit den Ergebnissen und Stimmen des Tages zurück.
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Tagesergebnis | 7. Etappe Silvaplana – Silvaplana
1 Tyler Hamilton PHONAK HEARING SYSTEMS 3h26'50
2 Jan Ullrich T-MOBILE s.t.
3 Kurt Van de Wouwer MR BOOKMAKER.COM + 1'55
4 Francesco Casagrande LAMPRE s.t.
5 Georg Totschnig GEROLSTEINER s.t.
6 Sergei Gonchar DE NARDI - COLPACK + 2'10
7 Sylvain Chavanel TEAM SEAT-ARGEX s.t.
8 Andrea Tonti SAECO s.t.
9 Alexandre Botcharov CREDIT AGRICOLE s.t.
10 Patrik Sinkewitz TEAM SEAT-ARGEX s.t.
11 Pietro Caucchioli ALESSIO - BIANCHI s.t.
12 Steve Zampieri VINI CALDIROLA s.t.
13 Santiago Botero T-MOBILE + 2'42
14 Massimiliano Lelli DE NARDI - COLPACK + 2'52
15 Bert De Waele LANDBOUWKREDIET - COLNAGO s.t.
…
20 Bradley McGee FDJEUX.COM + 2'52
21 Jaroslav Popovych LANDBOUWKREDIET - COLNAGO s.t.
23 Andrea Noè ALESSIO - BIANCHI + 3'20
24 Paolo Savoldelli T-MOBILE s.t.
26 Dario Frigo FASSA BORTOLO + 3'32
Gesamtwertung:
1 Tyler Hamilton PHONAK HEARING SYSTEMS 25h45'17
2 Jan Ullrich T-MOBILE + 4
3 Patrik Sinkewitz TEAM SEAT-ARGEX + 2'06
4 Francesco Casagrande LAMPRE + 2'42
5 Kurt Van de Wouwer MR BOOKMAKER.COM + 2'44
6 Georg Totschnig GEROLSTEINER + 2'48
7 Sylvain Chavanel TEAM SEAT-ARGEX + 3'02
8 Sergei Gonchar DE NARDI - COLPACK s.t.
9 Steve Zampieri VINI CALDIROLA s.t.
10 Pietro Caucchioli ALESSIO - BIANCHI s.t.
11 Alexandre Botcharov CREDIT AGRICOLE s.t.
12 Andrea Tonti SAECO + 3'33
13 Santiago Botero T-MOBILE + 4'55
14 Dario Frigo FASSA BORTOLO s.t.
15 Paolo Savoldelli T-MOBILE + 6'04
Tyler Hamilton wird also morgen das gelbe Trikot tragen und darf sich nun berechtigte Hoffnungen machen, dieses auch nach dem Zeitfahren übermorgen zu tragen. Die vier Sekunden, die Hamilton Ullrich durch die Zeitgutschrift abnehmen konnte, sind sicherlich kein dickes Polster, aber das gelbe Trikot – auch wenn es nur das, der Tour de Suisse ist – verleiht ja Flügel, wie man so schön sagt.
Bergwertung:
1 Tyler Hamilton PHONAK HEARING SYSTEMS 52
2 Jan Ullrich T-MOBILE 52
3 Patrik Sinkewitz TEAM SEAT-ARGEX 49
4 Dmitri Muravjev CREDIT AGRICOLE 26
5 Patrick Calcagni VINI CALDIROLA 22
Sprintwertung:
1 Robbie McEwen LOTTO - DOMO 71
2 Thor Hushovd CREDIT AGRICOLE 70
3 Tyler Hamilton PHONAK HEARING SYSTEMS 55
4 Jan Ullrich T-MOBILE 54
5 Daniele Bennati PHONAK HEARING SYSTEMS 47
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Tyler Hamilton PHONAK HEARING SYSTEMS: Ich bin sehr froh, dass es endlich zu einem Tagessieg gereicht hat. Dass ich jetzt auch noch das gelbe Trikot tragen darf, ist doppelt schön. Endlich konnte ich das Team ein wenig entlasten, denn hier in der Schweiz erwartet jeder, dass ein Phonak-Profi diese Rundfahrt gewinnt.
Jan Ullrich TEAM T-MOBILE: Das war heute eine sehr spannende Etappe, der Schlussanstieg war sehr schwierig, doch ich denke, dass Tyler und ich den Zuschauern doch ein spannendes Finish bieten konnten. Ich denke auch weiterhin, dass die Rundfahrt übermorgen beim Einzelzeitfahren entschieden wird.
Jens Heppner TEAM WIESENHOF: Ich bin natürlich sehr enttäuscht darüber, dass aus dem Ausreißversuch nichts wurde, doch damit muss man rechnen, wenn man sich überlegt, dass man 150 Kilometer lang im Wind fahren will. Ich bin mit meiner Gesamtplatzierung recht zufrieden und versuche vielleicht morgen nochmal mich zu zeigen.
Patrik Sinkewitz TEAM SEAT-ARGEX: Leider ist meine Zeit als Träger des gelben Trikots schon wieder vorbei, doch ich denke, dass ich auf dem dritten Platz immer noch sehr gut platziert bin. Jetzt werde ich nochmal alles geben, um morgen und vor allem beim Zeitfahren nicht viel Zeit zu verlieren.