Heute: Die Zwiebelfischkolumne von www.spiegel-online.de zum Thema Idiotenapostroph
Ein weiterführender Hinweis wurde bereits vor einiger Zeit geliefert (von virtual, glaube ich): www.idiotenapostroph.de.Nur von Montag's bis Sonntag's
Von Bastian Sick
Darauf haben die Zwiebelfisch-Leser lange gewartet, nun ist es so weit: Die Galerie des Grauen's lädt zu einer neuen Vernissage! Was Sie dort erwartet? Häk'chen, wohin das entzündete Auge blickt! Beim Genitiv, beim Plural - und bei Mutter'n. Treten Sie ein und staunen Sie! Aber beachten Sie die Öffnung's Zeiten!
Die Zwiebelfisch-Geschichte aus dem letzten Jahr über die Apostrophiti's in deutschen Landen hat hohe Wellen geschlagen. Viele Leser haben zur Kamera gegriffen und ihre persönlichen Begegnungen mit dem wild gewordenen Häkchen dokumentiert. Einige der schönsten Beispiele haben wir für Sie zu einer Bilderserie zusammengestellt.
Doch seien Sie gewarnt! Es handelt sich nicht um ein harmloses Album mit Fotos von Gaby's Nailstudio und Rudi's Nightclub. An die haben wir uns ja fast schon gewöhnt. Obwohl man doch gelegentlich noch mal zusammenzuckt, so wie beim Anblick jenes Straßenkiosks irgendwo in Brandenburg, der sich "Adolf's Snack" nennt. Oder wie vor dem Schild jener Billardkneipe in Bielefeld-Ummeln, die den Beweis erbringt, dass ein Apostroph heute nicht mehr genügt: "Tina''s Bistro". Manchmal muss es eben ein Häkchen mehr sein. Machen Sie sich also auf knallharte Foto's gefasst! Denn noch immer passieren in deutschen Landen die größten Katastrophen mit Apostrophen!
Besonders schlimm erwischt hat es die Wochentage. Von "Montag's" bis "Sonntag's" tanzen die Häkchen Samba. Der normale Montag wurde abgeschafft, ebenso wie das schlichte "montags" - es heißt jetzt immer "Montag's geschlossen" oder "Durchgehend von Montag's bis Samstag's geöffnet".
In Brandenburg snackt man ja gelegentlich noch platt. Eingeschickt von Zwiebelfisch-Leserin Franziska Schwarz, Berlin
Großbildansicht
In Brandenburg snackt man ja gelegentlich noch platt. Eingeschickt von Zwiebelfisch-Leserin Franziska Schwarz, Berlin
Schuld daran kann nicht allein die Rechtschreibreform sein. Die erlaubt zwar Großschreibung von Morgen und Abend in Fügungen wie "heute Morgen" und "gestern Abend", aber an der Schreibweise von "morgens" und "abends" hat sie nichts geändert. Von Apostrophen war dabei nie die Rede! Da muss der flinke Fotohändler etwas gründlich missverstanden haben, der seinen Kunden mit einem liebevoll gereimten Vers verspricht: "Filme bis Abend's gebracht - die Bilder bis Morgen's gemacht!"
Einige Häkchen sind derart grotesk, dass sie fast schon wieder sympathisch wirken. Da preist ein wehmütiger Motorradveteran seine alte SR 500 mit folgenden Worten an: "Sie war steht'z ein guter Begleiter, aber irgendwann kam die Familie und sie wurde in den Keller verbannt." So steht's tatsächlich auf Ebay zu lesen.
Stets zu Tränen gerührt ist man auch beim Anblick all jener Häkchen, die durch irgendein bedauerliches Missgeschick verrutscht sind und dem Schriftzug den Charme eines zerlaufenen Make-ups geben, so wie bei jener Imbissbude namens "Waldi,s Wurst Wig Wam", bei der nicht nur der Apostroph heruntergekommen wirkt. Die Aussage "Hier schmeckt,s lecker", mit der ein Eisverkäufer auf sich aufmerksam zu machen versucht, scheint sich in einen Hauptsatz ("Hier schmeckt") und einen Nebensatz ("s lecker") zu teilen, denn wo eigentlich ein Apostroph stehen sollte, hat es nur zum Komma gereicht. Dabei sind das ja nun wirklich zwei ganz verschiedene Paar Schuh.
Apostrophe sind auch nicht dasselbe wie Akzente! Ein Café zum Beispiel hat einen Akzent auf dem "e", keinen Apostroph. Darüber war sich der Inhaber des Ladens "La Belle E'poche" offenbar nicht ganz im Klaren. Und der Betreiber der Berghütte, bei der man sich zum "Apre's Ski" trifft, wohl auch nicht.
Gesehen in Schlettau, Erzgebirge. Eingeschickt von Zwiebelfisch-Leser Thorsten Bühn
Großbildansicht
Gesehen in Schlettau, Erzgebirge. Eingeschickt von Zwiebelfisch-Leser Thorsten Bühn
In manchen Gegenden Deutschland's sieht es wahrhaft trostlos aus. Da kann ein buntes Schild schon viel Freude bereiten. So wie der Hinweis auf Heike's Zoo'eck. Allerdings wäre hier anstelle des Apostroph's (und ich rede nicht von Heike's) ein Bindestrich angebracht. Wenn überhaupt. Noch besser als Zoo-Eck ist nämlich Zooeck. Zoo'eck jedenfalls ist grammatisch äußerst fragwürdig, um nicht zu sagen biz'arr.
Manch einer, der das Wort "Türe" gebraucht, ahnt insgeheim, dass es sich dabei um eine mundartliche Variante des Wortes "Tür" handelt. Vielleicht war das der Grund, der einen Lokalbesitzer dazu brachte, die handgeschriebene Bitte an die Gäste um einen Apostroph zu ergänzen: "Bitte Tür'e leise schliessen!"
Falls es irgendjemanden tröstet: Nicht nur die Deutschen stehen dem Apostroph hilflos gegenüber. Auch in Österreich herrscht längst nicht überall vollständige Klarheit über den korrekten Umgang mit dem tückischen Häkchen. Ausgerechnet auf dem Campus der Wiener Universität wurde ein Schild gesichtet, das dem durstigen Studiosus den Weg ins "Kellerstüber'l" weisen soll. Der Apostroph ist hier geradezu ein Sakrileg, denn die österreichische Endsilbe "-erl" bildet eine feste Einheit und ist so untrennbar wie Schlag und Obers oder wie Kaiser und Schmarrn. Das wäre so, als lüde jemand auf Hochdeutsch ins "Kellerstübche'n". Diejenigen Köche, die zum "Futter'n wie bei Mutter'n" rufen, sind allerdings nicht weit davon entfernt.
Dass viele Deutsche angesichts einer schier unüberschaubaren Zahl unterschiedlicher italienischer Pastasorten ratlos vor dem Regal stehen, kann den Einzelhandel nicht kalt lassen. In meinem Supermarkt gibt's deshalb seit neuestem einfach "Nudel'n", und das zu einem sagenhaft günstigen "Preiss" (Das ist Bayerisch und bedeutet "Fischkopf"). Jetzt überlege ich mir, wenn einer in das Wort Türe einen Apostroph einschlägt und bei Nudeln auch, wie mag er dann das Wort Türen schreiben? Mit zwei Apostrophen?
Unsichtbarer Apostroph, gesichtet in Berlin. Eingeschickt von Oliver Bohle
Großbildansicht
Unsichtbarer Apostroph, gesichtet in Berlin. Eingeschickt von Oliver Bohle
Es wurden auch schon Fälle von unsichtbarer Apostrophitis gesichtet. Das ist ein Widersprich in sich, denken Sie jetzt vielleicht, denn wie kann man etwas sichten, das unsichtbar ist? Ich zeige es Ihnen: "Die schönsten Büro s am Kurfürstendamm". So steht es auf einem großen Transparent, das quer über die Fassade eines Berliner Neubaus gespannt ist. Haben Sie's bemerkt? Da ist kein Apostroph zu sehen, und doch spürt man seine Gegenwart ganz deutlich. Geradezu gespenstisch, finden Sie nicht? Oder bin ich der Einzige, der hier etwas sieht? Dann wäre das Sick s sechs ter Sinn.
Ganz und gar unschlagbar ist jene Regalbeschriftung, die man in einem Media-Markt bestaunen kann. Nachschlagewerke auf CD-Rom werden dort unter der Rubrik "Lexica's" geführt. Da ist nicht nur der Apostroph zu viel, sondern auch der letzte Buchstabe. Ob man es bei einer Berichtigung, so es je zu einer kommen sollte, tatsächlich schafft, beide Fehler auf einmal zu beseitigen? Vermutlich wird man sich zu "Lexicon's" entschließen. Denn irgendetwas muss doch apostrophiert werden. Sonst sieht es doch gar nicht mehr nach Deutsch aus - und schon gar nicht nach Werbung.
Die kommt nämlich immer seltener ohne Häkchen aus: Ein Prospekt der Modekette H&M stellt die These auf: "Es geht um's Gewinnen". Es geht offenbar nicht ums richtige Deutsch. Wann wacht Saturn endlich auf und apostrophiert seinen berühmten Schrei-Slogan? "Gei'z ist gei'l" - damit würden die Media's Markt doch glatt in den Schatten stellen!
Die Galerie des Grauen's öffnet erneut ihre Tür'e'n für Sie und erwartet Sie mit vielen schauerlichen Bilder'n. Viel Spaß beim Grusel'n!