Radsport-Politik
Die großen drei wollen den König stürzen
Die drei größten Rennveranstalter im Radsport, ASO, RCS und Unipublic lehnen die ProTour ab – aber wie sind die Organisatoren strukturiert? Welche Rennen gehören ihnen? Ein Blick hinter die Kulissen.
Issy les Moulineaux, ein kleiner Vorort im Südwesten von Paris. Alljährlich kommt die große, bunte Radsportwelt hierher, dann herrscht Leben im kleinen Städtchen. Jedes Jahr findet der Prolog von dem ersten großen Etappenrennen des Jahres, Paris-Nizza, in Issy les Moulineaux statt. Kein Wunder, werden die einen sagen, das Rennen heißt ja auch Paris-Nizza und daher ist es nur logisch, das Rennen dort zu starten. Der Grund ist aber ein ganz anderer: In diesem kleinen Städtchen resistiert der weltweit größte Rennveranstalter, die Amaury Sports Organisation, kurz ASO. Welche Macht sie besitzt, wird gleich deutlich, wenn man vom Hauptsitz der ASO 20 Meter die Straße runterschländert: Dann steht man vor dem Gebäude der größten europäischen Sportzeitung „L'Equipe“. Rein zufällig ist auch das nicht, denn die L'Equipe gehört, wie sollte es auch anders sein, der ASO. Mit der L'Equipe kaufte Emilien Amaury 1965 auch die Rechte an der Tour de France ein, sie gehörte ihm fortan. Der Beginn einer damals nicht absehbaren Erfolgsgeschichte, wie sich später herausstellen sollte. Das Geld, um die L'Equipe zu kaufen, verdiente Amaury mit seiner eigenen Zeitung, „Le Parisien Libéré“, Gründungsjahr 1944. Bis heute sind diese beiden Zeitungen wichtiger Bestandteil des Medienimperiums, dass aus der ASO und eben jenen beiden Sportzeitungen besteht. Heute gehhört die ASO zur französischen Pressegruppe EPA (Editions Philippe Amaury), der neben der L'Equipe und Le Parisien, wie die Zeitung heute heißt, France Football, das Velo Magazine und Ajourd'hui en France gehören.
Mit dem Erwerb der Dakar-Rally 1992 gründete Philippe Amaury, Sohn von Emilien und seit 1977 Besitzer des Medienimperiums seines Vaters, die Amaury Sports Organisation. Seither expandiert das Unternehmen unaufhörlich, so dass 2005 18 Veranstaltungen unter Obhut der ASO stattfinden. Schön und gut, werden Sie jetzt denken, aber was hat das mit Radsport zu tun? Ganz einfach: 12 (!) der 18 Veranstaltungen sind Radrennen. Angefangen im Februar mit der Tour of Quatar, über Paris-Nizza, Lüttich-Bastogne-Lüttich, die Tour de France bis hin zum Herbstklassiker Paris-Tours: Alles Veranstaltungen, die von der ASO ausgerichtet werden.
2002 fand die erste Austragung der Quatar-Rundfahrt statt. Im Scheichtum, das ansonsten nur als El Dorado für ausgediente Fußballstars galt, hatte man reichlich wenig Erfahrung mit der Veranstaltung eines Radrennens. Bescheiden, wie man in Quatar nun einmal ist, konnte man keinen geringeren als Eddy Merckx als Berater verpflichten. Merckx, der nach wie vor hervorragende Kontakte in der Szene hat, „vermittelte den Kontakt zur ASO“, wie der Verbandspräsident Scheich Khaled al Thane erklärt. Die ASO sei „eine große Hilfe für uns“, wie Al Thane berichtet. „Sie kümmert sich um die Zeitpläne, misst Etappen ab und legt Start- sowie Zielort fest“. Um die Teams kümmert sich die ASO zusammen mit Eddy Merckx. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass prominente Namen wie Tom Boonen, Robert Hunter, Fabian Cancellara oder Ivan Quaranta zu Etappensiegen im Scheichtum fuhren.
ASO-Präsident Patrice Clerc
Ähnliche Aufgaben wie die bei der Tour of Quatar nimmt die ASO bei der Tour du Faso, ein Etappenrennen in Burkina Faso, wahr, nachdem die Rennveranstalter auf die ASO zugingen. „Wir haben nicht die Tour du Faso übernommen, um Profit zu machen. Wir haben sie übernommen, um sie am Leben zu halten. Das ist uns gelungen, denn heute ist die Tour du Faso das zweit wichtigste Ereignis in Burkina Faso nach dem Fußball“, sagt der jetzige ASO-Präsident Patrice Clerc.
Paris-Nizza wurde 2002 von der ASO übernommen, seitdem hat es seinen Start eben in Issy les Moulineaux. Inzwischen hat sich das Rennen wieder mehr als rehabilitiert im Radsport, es gehört zu den großen Ereignissen. Laurent Fignon, der die „Fahrt zur Sonne“ erst 2000 gekauft hatte, geriet in arge finanzielle Nöte und einigte sich daher schnell mit der ASO. Clerc dazu: „Es war relativ simpel. Entweder es würde eine Einigung mit Fignon geben, das Rennen zu kaufen – oder es hätte kein Rennen mehr gegeben.“
Neben den zahlreichen Expansionen, die die ASO betreibt, werden aber auch still und heimlich andere Organisationen geschlossen oder Rennen aufgegeben. So existiert zum Beispiel die „Société du Tour de France“ nicht mehr, unter deren Obhut lange Zeit die Tour de France ausgerichtet wurde. Auch wenn ihr Traditionalisten nachtrauerten, ASO-Präsident Patrice Clerc liefert eine nachvollziehbare Begründung: „In den 90er Jahren blieb die Société als Tochterunternehmen der ASO zunächst noch bestehen, ähnlich wie der Veranstalter von Paris-Dakar und ein Unternehmen namens Athlétisme Organisation, das den Marathon ausrichtete. Immer, wenn die ASO einen neuen Sport beziehungsweise einen neues Sportereignis erwarb, wurde eine Tochtergesellschaft gegründet. Das wurde alles ziemlich kompliziert, schwierig zu managen und ein bisschen zusammenhangslos.“ Also löste man diese Tochtergesellschaften auf und versammelte sie unter dem Dach der ASO, die daraufhin neu strukturiert werden musste. Jetzt hat jede Sportart ihren eigenen Direktor in der ASO, für den Radsport ist dies Christian Prudhomme, der 2006 das Erbe als Tour-Chef von Jean-Marie Leblanc übernehmen wird.
Schwerwiegend hingegen war das Ausscheiden des traditionellen Zeitfahrens GP des Nations oder des Classique des Alpes, der demnächst aus dem Radsportkalender verschwinden wird. Der GP des Nations galt früher gemeinhin als inoffizielle Zeitfahrweltmeisterschaft, wurde aber ab „1994 als überflüssig empfunden“, so Prudhomme. „Zwar kamen noch immer einige starke Fahrer, aber das Rennen hatte etwas von seiner Anziehungskraft verloren.“ Im angesprochenen Jahr 1994 wurde von der UCI erstmals eine offizielle Weltmeisterschaft im Zeitfahren ausgetragen.