Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 325161Beitrag arkon
4.1.2006 - 1:12

Eine Bemerkung vorneweg: Die Schauplätze im letzten und diesen Post existieren real und können z.b. mit Google Earth nachgeschlagen werden! (Bilbao liegt im Nordosten, wikipedia hilft sonst gerne ;)) Noch eine kurze Frage: Wollt ihr vielleicht immer kurze Koordinaten der Schauplätze haben oder stört das eher?

22. September 2005, Bilbao

Jerdona ließ es sich nicht nehmen, persönlich bei Ronsino Baldo vorbeizufahren. Die Wohnung lag in Santurtzi, bezeichnenderweise nahe des Friedhofes, dafür aber mit sehr hübschem Blick auf das Meer und den Bilbao, den großen Fluß durch die Stadt, wie Tobias mit einem Blick aus dem Auto feststellte. Zeres hatte das fahren übernommen, in dieser spanischen, äh, baskischen Stadt lief er immer Gefahr, Unfälle zu bauen. Er war zwar einiges an schlechtem Fahren gewöhnt, aber so riskant wie es hier zuging...
Jerdona parkte unweit der Adresse, die er herausgesucht hatte. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, atmete er ersteinmal tief durch. Die Sonne, die hoch am Himmel stand und der Stadt einen goldenen Herbst bescherte, wirkte grotesk zu der Stimmung im Auto.
Nachdem Jerdona gestern Abend erfahren hatte, wer hinter alledem steckte, hatte er in der Nacht kaum ein Auge zugedrückt. All die Wut, all die Enttäuschung und Aggresion der vergangenen Tage schienen nun endlich ein Ziel gefunden zu haben. Er hatte endlich ein Feindbild. Tobias wusste, wie sich sein Freund fühlte, und es beunruhigte ihn. So sehr er ihn verstehen konnte, so deutlich war ihm auch die Gefahr bewusst, das er handgreiflich werden konnte, wenn er seinem Gegner, und das war Ronsino offensichtlich, gegenübertreten würde. Und einen weiteren Skandal konnten sie sich im Augenblick nicht leisten.
"Jerdona, alles ok?"
Ein langes Schweigen war die Antwort. Der Angesprochene starrte stur geradeaus auf das Lenkrad. Dave im Fond meldete sich zu Wort.
"Wir sind bei dir, du kannst dich auf uns verlassen. Um den Mistkerl kümmern wir uns später, erst müssen wir eine andere Sache gerade biegen."
Es dauerte einige Zeit, bis Jerdona antwortete"Ok, ich werd mich bemühen. Lasst uns endlich gehen" schob er mit einem Grinsen hinterher. Der Weg zur Wohnungstür verlief schweigend. Tobias und Dave stellten sich links und rechts der Tür auf, während Zeres direkt davor wartete.
Etwas überrascht öffnete Ronsino Baldo die Tür. "Jerdona, was willst du denn hier? Du bist doch garnicht mehr im Trainig?"
"Ich dachte, ich statte mal dem Teamarzt meines Vertrauens einfach so einen Besuch ab." Tobias lief es kalt den Rücken runter, so wie er das Wort 'Vertrauen' aussprach. Ohne weitere Fragen drängte Dave Ronsino in die Wohnung hinein, die beiden anderen folgten und Schuster schloss schließlich die Tür hinter ihnen.
Nachdem sie sich im Wohnzimmer auf den Sesseln und der Couch ausgebreitet hatten und Ronsino ebenfalls 'gesetzt worden war', zog Dave wieder seinen MP3-Player heraus. Diesmal hatte er ihn jedoch von dem Abhörequipement befreit und mit zwei kleinen Boxen verbunden. Sie waren zwar nicht laut, aber erfüllten ihren Zweck voll und ganz. Im Zimmer wurde es ohnehin sehr leise, als die Aufnahme geendet hatte. Das anfängliche Protestgestammel des Teamarztes von Euskaltel war einer eiskalten Mine gewichen.
"Und, was habt ihr jetzt damit vor? Euch selber ins Gefängniss bringen? Ihr glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass das akzeptiert wird, geschweige denn irgendeine Beweiskraft hat?"
"Nein, aber das ist garnicht nötig. Wissen sie, wer ich bin?" fragte Tobias.
"Tobias Schuster, freier Reporter für den Gegensatz vielleicht?"
"Genau, und was sagt ihnen das? Wenn wir das hier veröffentlichen werden sie zwar nicht unbedingt angeklagt, aber ihr Ruf ist vernichtet. Das Team trägt erheblichen Schaden davon und sie können mit Sicherheit nie wieder irgendwo als Arzt im Radsport, in irgendeiner Sportart, tätig werden. Jerdonas Ruf ist rehabilitiert und nach zwei Jahren Sperre wird er wieder fahren und siegen können, während ihr Leben zerstört ist."
Eine kurze rhetorische Pause.
"Oder wir ersparen uns eine ganze Menge Ärger und sie helfen zur Abwechslung mal uns."
Das Pokerface wackelte nur für einige Augenblicke.
"Und was soll ich tun?"
Jerdona beschrieb ihm seine Idee. Wieder kehrte Stille ein. Die einen warteten gespannt auf Baldos Reaktion, dieser überlegte ein wenig hin und her. Er hatte seinen Gegner unterschätzt, schlimmer noch, er hatte nicht angenommen, das man ihm so leicht auf die Schliche kommen könnte. Und während seine Tat so gut wie nicht nachweisbar war, gab es doch zwei Schwachpunkte. Der eine war dieser Trottel Jatano Beriola, er hätte ihm nie so stark vertrauen dürfen. Obwohl er ihm gegenüber loyal war, so war er doch zu beschränkt, um wirklich ungefährlich zu sein. Und den anderen Schwachpunkt nutzen sie gerade aus. Das eigentlich gefährliche war, das sie die Aufnahme natürlich behalten würden. Selbst wenn er dieses mal mitspielte, so konnten sie den Trick noch öfter anwenden, würde etwas schief laufen oder käme er 'auf dumme Gedanken'. Früher oder später würde er zurückschlagen müssen, aber für den Augenblick waren seine Alternativen nicht sehr vielversprechend.
"Sieht so aus, als würde ich mitspielen müssen." Wenigstens würde ein eventuell mitlaufendes Mikro keine wirklichen Beweise gegen ihn hervorbringen. Möge es so bleiben...
"Ich lasse euch die Information zukommen, möglichst noch heute."
Jerdona blickte kurz zu Dave und Tobias und bekam ein kurzes Nicken als Antwort.
"24 Stunden, sonst ist alles zu spät" schob Dave noch hinterher, bevor sich die drei Besucher ohne ein weiteres Wort erhoben und Ronsino mit seinen Rachegedanken alleine zurückliessen.
Noch auf dem Weg zum Auto musste Jerdona laut lachen, und auch Tobias konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Sie hatten auch die zweite Runde gewonnen. Das die schwerste Aufgabe noch bevorstand war für den Augenblick belanglos. Als sie schließlich wieder unter sich waren, fragte Tobias gleich nach dem Mikro, das Dave natürlich dabei gehabt hatte.
"Das hab ich nicht mehr."
"Was soll das denn heissen? Hast du es verloren?"
Dave schüttelte knapp den Knopf.
"Es ist noch in der Wohnung." Auf die erstaunten Blicke der beiden anderen erklärte er: "Ich habe irgendwann gemerkt, das er sich totsicher nicht mehr verplappert. Also hab ich die Wanze im Sessel verstaut, auf das wir sie eines Tages abholen mögen und sie uns mehr schlagkräftige Beweise bringen möge"
Für eine echte Feier war es noch ein wenig zu früh, aber Jerdona lud seine beiden Helden zumindestens schonmal zum Essen in einer Sportkneipe ein. Und während sie sich ein mittelmäßiges Bier beziehungsweise einen Orangensaft gönnten, verfolgten sie mit halbem Auge im Fernseher das WM-Einzelzeitfahren der Männer.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 325352Beitrag arkon
5.1.2006 - 2:01

22. September 2005, Madrid

Ein Bier hätte auch Fabian jetzt sicher ganz gut vertragen. Da er relativ weit vorne in der Startliste war, hatte er besonders unter der Hitze zu leiden. Und als Deutscher wirkte sich das alles noch ein wenig dramatischer auf ihn aus.
Er saß gerade auf der Rolle und trieb langsam seinen Puls in die Höhe. Ziel der Übung war es, schon mit warmen Muskeln und hohem Puls und Leistungsbereitschaft in das Rennen zu gehen und so von den ersten Meter weg volle Leistung geben zu können. Unter diesen Bedingungen ging er es aber ein wenig ruhiger an, um sich nicht schon im Start kaputt zu fahren. Die Kunst war es jetzt, sich auf das Wetter einzustellen, sich aber auf der anderen Seite davon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Viele Details mussten an die Umgebung angepasst werden. Das fing schon mit so scheinbar nichtigen Details wie der Temperatur des Wassers in der Trinkflasche an. Es sollte angenehm sein, aber nicht direkt durch den Körper durchlaufen, gleichzeitig noch den Mund ein wenig kühlen und vieles mehr. Auch die Zusammensetzung des Wassers (Kohlenhydratanteil, etc.), die Kettenschmiere, die Wahl der Mäntel für die Reifen... Es waren viele Fragen zu klären.
Andererseits musste er sich auf das Rennen konzentrieren. Wenn er nicht mit klarem Kopf ins Rennen ging, sich auf Details versteifte, sich womöglich über ebendiese ärgerte und somit aus dem Konzept kam und Fehler machte, konnte es anfangen, ihn richtig Zeit zu kosten. Die Details, an denen er jetzt hing bewirkten alle nur Sekundenunterschiede, wenn überhaupt. Die Summe machte ein bisschen was aus, aber eben dieses bisschen konnte über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Sein Team kümmerte sich jetzt für ihn um diese kleinen Entscheidungen, er musste sich einfahren. Er setzte sich kurz nochmal auf seine Rennmaschine und drehte ein paar letzte Runden hinter dem Startgelände, um sich an das Gefühl zu gewöhnen. Die Uhr nicht aus den Augen verlieren...

"Jetzt am Start steht der junge Fabian Schmidt. Der Deutsche fiel dieses Jahr bei der Tour auf, als er dritter im Prolog wurde. Er trug nach einem Angriff auf der Etappe nach Gérardmer kurz das gelbe Trikot, bevor er es in den Bergen Chancenlos an Lance Armstrong abtreten musste.
Aber er ist ein ganz exzellenter Zeitfahrer und wir können gespannt sein, wozu er heute fähig ist. Er gehört nicht ganz zur Weltspitze, aber er hat ja noch einige Jahre vor sich. Und durch einen Riesenevent wie heute reift er sich schnell heran. Vielleicht einer der zukünftigen großen Zeitfahrer."
"Ach was, der is heute schon heiß!" kommentiert Tobias über den Kommentator aus dem Fernsehen hinweg.
"Meinst du? Der hatte doch den Sturz vor der Vuelta... War doch der?"
entgegnete Jerdona. Dave, der vom Radsport keine übermäßige Ahnung hatte, hielt sich bedeckt.
"Ja, das war der. Aber der reisst heute was. Platz 10 aufwärts, ein Bier drauf"
"Steht, da halt ich gegen. Einmal dritter Platz bei nem etwas längerem Prolog macht einen noch nicht zur Weltspitze. Und in den Bergen war das einmal ne Flucht, sonst hat er auch nix gezeigt."
Ein Lächeln zeigte, das die Wette stand.
"Erstaunt mich, das du so gut Rad fährst, wenn du so wenig Ahnung von dem Sport hast"

Vom Start weg Gas geben, oder eher verhalten anfahren? Er hatte sich schon auf der Rolle für das letztere entschieden, also richtete er sich beim Blick auf Puls und Tacho entsprechend ein. Er durfte nur nicht versäumen, sich kontinuierlich zu steigern. Aber er kannte die Strecke, wusste, wo er seine Leistung schön harmonisch steigern konnte, wie sein Körper auf verschiedene Fahrweisen bei den unterschiedlichen Streckenabschnitte reagierte.

"Erste Zwischenzeit von Fabian Schmidt. Und er liegt gut im Rennen, die beste Zeit am ersten Punkt. Aber das Rennen ist noch jung, bisher wurde der Kurs eigentlich mehr eingefahren, alle ernsthaften Zeitfahrer stehen noch aus."
"Trotzdem müssen auch die erstmal drüber kommen." entgegnete Tobias dem Fernseher. Jerdona erklärte derweil Dave gerade einige Dinge über das Radfahren im Allgemeinen und Zeitfahren im speziellen.

Die Strecke rollte nicht besonders gut. Ständig wechselnde Strassenbeläge, schlechter Zustand einiger Abschnitte. Zum Teil musste er sogar kleineren Schlaglöchern ausweichen. Aber gerade diese Abschnitte hatte er sich intensiv angeschaut und trainiert.

"Fabian Schmidt an der zweiten Zwischenzeit. Und das sieht gut aus."
"Wird auf jedenfall eine neue Bestzeit, aber wie gesagt, der wahre Test steht noch aus. Auf jedenfall schoneinmal eine beeindruckende Leistung für den jungen Deutschen."
"Jetzt geht er durch die Zeitnahme und..."
"Das hält der nicht bis ins Ziel durch" ließ sich Jerdona vernehmen. Ein zweifelnder Blick von Tobias. "Dave, warum lässt du dir von so jemanden was über Radsport erzählen? Frag mich, den wahren Experten. Manoman, hast ihn wahrscheinlich schon verdorben."
"Was war nochmal der Sattel, doch das, was hinten dran ist und sich dreht?" gab Dave etwas verwirrt von sich.
"Hast du dich etwa von einem Motorrad die Berge hochziehen lassen?"

Die letzten Kilometer. Noch einmal alles geben. Der Schweiß floss in Strömen an ihm herab, seine Lunge schrie nach Luft. Vielleicht ein bisschen zu schnell auf den letzten Metern. Aber jetzt konnte er nicht mehr taktieren. Voll durch, bis zum Schluss. Auch wenn es ihn bis an seine Grenze brachte. Ach was, Grenzen. Die hatte er längst hinter sich gebracht. Ein kurzer Blick auf das Tacho bestätigte ihm, das er weit vor allen Trainingskalkulationen lag. Aber das war auch zu erwarten. Schließlich hatte er nicht eine Nacht, sondern ein viertel Jahr um sich zu regenerieren.

"Fabian Schmidt auf der Zielgeraden. Das wird echt eine Wahnsinnszeit. Aber er sieht auch entsprechend abgekämpft aus. Unglaublich."

Jetzt nochmal in den Wiegetritt, kämpfen, die letzten Meter..... Im Ziel! Ein kurzer Blick auf die Zeitanzeige sagte ihm, das er auf jedenfall zeitlich das erreicht hatte, was er sich vorgenommen hatte.

"Eine großartige Leistung des Phonakprofis. Er zeigt damit, dass das Ergebniss im Prolog bei der Tour kein Zufallsergebniss war und er durchaus schon zu den großen in dieser Disziplin gehört. Aber wird es reichen?"
Nur mit halben Ohr hatte Tobias den Zieleinlauf verfolgt, auch Jerdona war schon wieder in andere Sachen vertieft. Vor ihnen auf dem Tisch lagen einige Pläne und Grundrisse und sie waren der eigentliche Grund, weswegen sie hier waren.
Dave hatte einige Beziehungen spielen lassen und die entsprechenden Sachen per Fax erhalten. Nun saßen die drei mit Stiften und Notizblöcken darüber gebeugt. Jerdona und Tobias mussten allerdings anerkennen, das Dave zwar nicht viel vom Radsport verstand, dafür in seinen Fachgebieten ein wirklicher Experte war.

Völlig tot fiel er vom Rad, wurde von den Betreuern gestützt und in den Begleitwage gebracht, wo er sich ersteinmal abduschte, abtrocknete und erfrischte. Sein Saisonsoll war erfüllt. Vielleicht musste er nochmal ran, aber das war auf keinen Fall dramatisch. Eigentlich hatte er schon jetzt Lust auf ein kühles Bier, nur war das spanische Bier nicht annähernd mit dem deutschen zu Vergleichen, und die kurze Zeit im Jahr, wo er die Braukünste seiner Heimat (Und die der Nachbarn im Osten) geniessen konnte, wollte er seine Geschmacksnerven nicht übermäßig strapazieren.
Als ein Fahrer nach dem anderen jedoch an seiner Bestzeit scheiterte und auch der zweite Durchgang nicht mehr Erfolg zu haben schien, hob sich seine Laune gewaltig. Die wahren Cracks kamen aber erst am Schluss. Als letzter startete schließlich der Zeitfahrweltmeister, Michael Rogers.
Und der legte direkt mal gewaltig vor. An der ersten Zwischenzeit setzte er sich direkt an die Spitze, Fabian war dort nur noch auf Platz 6. Aber er war das Rennen auch langsamer als die meisten anderen angegangen.
20 Kilometer später, für Rogers mochte es wohl wie eine Ewigkeit wirken, für Fabian war es eine Nichtigkeit, rauschte sein australischer Konkurrent durch die zweite Zwischenzeit, wo er ihn erneut bezwang. Verdammt. Er war hier bisher bester, wie auch im Ziel. Den zweiten Abschnitt war er aber am schnellsten von allen gefahren, es sah also nach Platz zwei aus.

"Michael Rogers kommt nun in den Zielbereich. Er ist der letzte Fahrer und noch immer ist es dort die Bestzeit von Fabian Schmidt, die es zu schlagen gilt. Wer hätte vorher mit ihm gerechnet? An der zweiten Zwischenzeit lag Rogers vorne, aber nur mit ein paar Sekunden, und es sieht nach einer ganz knappen Sache aus."

"He, Jerdona, das wird knapp. War wohl nix mit deinen Fachkentnissen"
"Glückstreffer"

"Da schiesst er förmlich um die letzte Kurve, er ist auf der Zielgeraden. Noch einmal alles geben, die letzten Körner verschiessen, alles in die Waagschale werfen"

Langsam stand er auf, den Blick fix auf den Monitor gerichtet. Der Stadionsprecher überschlug sich fast. Unten konnte er seine eigene Zeit erkennen und die von Rogers, die sich viel zu schnell annäherten...

"Das wird richtig knapp, Michael Rogers auf den letzten Meter, reicht es für Schmidt? WELTMEISTER!!! Fabian Schmidt ist Weltmeister!"

Weltmeister! Er war Weltmeister im Einzelzeitfahren. Der Bester der Welt, zumindest in diesem Jahr, aber das kümmerte ihn nicht. Er jubelte, fiel allen um den Hals, die um ihn herum standen. Er hatte gewonnen!

Weltmeister, Fabian Schmidt war Weltmeister.
"Verdammt, der Junge kostet mich ein Bier. Dafür räch ich mich" mit einem breiten Grinsen als guter Verlierer ging Jerdona nach vorne zum Barkeeper.

"Die Zeit interessiert eigentlich nicht, aber es sind nur 8 Zehntel, also ein bisschen weniger als eine Sekunde. Das ist nicht viel, aber wir haben es schon knapper gesehen. Trotzdem eine Riesenenttäuschung für Michael Rogers."

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 325846Beitrag arkon
8.1.2006 - 2:48

22. September 2005, Paris

Es war schon spät, als sie am endlich im Hotel ankamen. Jerdona hatte die Flüge bezahlt, was für ihn zwar nicht billig, aber durchaus verkraftbar war. Er verdiente zwar noch nicht die Welt als Profi, aber die Prämien bei der Vuelta waren alles andere als schlecht gewesen und nach seinem Erfolg standen Werbeengangements, lukrativere Verträge, Talkshows und vieles mehr auf dem Programm, wenn er nur das Dropingproblem in den Griff bekommen würde. Also war es für ihn schon alleine finanziell sinnvoll, das hier durchzuführen.
Den Rest des Abends würden sie damit zubringen, eine erste Erkundung des 'Zielobjekts', wie Dave es nannte, durchzuführen. Mit einem Mietwagen fuhren sie ausserhalb nach Châtenay-Malabry, einem Vorort von Paris. Hier stand das gleichnamige Labor, welches wohl einer der renomiertesten Weltweit war. Führend in der Technologie zum Nachweis von EPO wurden hier die Dopingproben nicht nur der Tour, sondern auch der Vuelta kontrolliert.
Der Kies knirschte unter den Reifen als Dave das Auto auf einen kleinen Parkplatz unweit des Labors abstellte. Wieder kramte er an seinem Rucksack herum.
"Ich weiß, das es ein gewisses Risiko birgt, das ihr beide, besonders du, Jerdona, hier herumschnüffelt. Aber morgen Abend brauche ich eure Hilfe ohnehin, daher ist es schonmal ganz gut, das ihr den Geschmack der Gefahr kennenlernt." meinte er lächelnd, während er ein teuer aussehendes Fernglas hervorzog, welches vorne in nur eine Linse mündete.
"Ein Bushnell Wolf-3s IR-Nachtsichgerät. 500 m Sichtweite, 2x Vergrößerung, aber dafür aktive Ausleuchtung im EHF-Band, das heisst ihr könnt durch dünne Wände oder Blätter, die im Weg sind, durchschauen."
Er drückte das Gerät Tobias in die Hand, der es ehrfurchtsvoll in Empfang nahm.
"Vorsichtig, war nicht billig. Kostenpunkt... zu teuer" grinste Dave, bevor er das 'Fernglas' losliess. Als nächstes kramte er einen Fotoapparat mit auffällig großem Objektiv hervor.
"Eine Spiegelreflex-Digitalkamera mit Nachtsichtobjektiv. Auch sehr teuer, aber das Objektiv ist nicht so gut wie euer Fernglas, also immer dran denken, wenn ihr was knipst. Tobias, du kennst dich mit Kameras ganz gut aus, nimm du das und Jerdona, du nimmst das Fernglas. Das Objektiv ist bei Nacht sehr lichtschwach, daher sind die Auslösezeiten sehr lang. Immer dran denken und nach Möglichkeit abstützen, denn sonst erkennst du, speziell bei gezoomten Aufnahmen, garnichts."
Er wendete sich wieder dem Rucksack zu und zog aus einer Seitentasche zwei Headsets mit kleinen Funkgeräten hervor. "Das ist eher Hobbyspielzeug, ein Freund von mir hat einfache Verschlüssler eingebaut. Jeder, der sich ernsthaft damit beschäftigt, kann sie knacken, aber es hält zufällige Lauscher fern. Die Empfänger hängt ihr euch an den Gürtel, oder die Hose, und führt die Kabel innen durch die Kleidung, damit ihr euch nirgendwo dran verheddert."
Während seine beiden 'Aushilfsagenten' taten, wie geheissen, erklärte er ihnen, wie der Plan aussah. "Ihr verkriecht euch im Norden vom Gelände, da gibt es einen Hügel. Ihr müsst vielleicht ein bisschen suchen, aber ich denke, ihr könnt eine gute Sicht von da aus bekommen. Ich gehe zuerst zum Haupteingang im Westen um zu schauen, wie da die Wachen drauf sind. Dann arbeite ich mich den Zaun entlang gegen den Uhrzeigersinn zu euch hoch, um Schwachstellen oder sonstiges eventuell nützliches zu entdecken. Ihr behaltet die Bewegungen der Wachen im Auge. Das wichtigste Überhaupt ist, das uns keiner bemerkt. Heute brechen wir noch nicht ein, aber seit trotzdem bitte vorsichtig. Wenn sie euch ausserhalb des Geländes aufgreifen können sie euch zwar nicht anzeigen, aber sie erhöhen ihre Wachbereitschaft und mit einem Schlag wird es unmöglich, da unbemerkt reinzukommen. Also aufpassen!"
Tobias und Jerdona nahmen sich die Anweisungen zu Herzen und machten sich auf den Weg. Jerdona wollte auf keinen Fall auffallen und schlich daher geduckt neben den Büschen her. Lachend zog ihn Tobias hoch "Was tust du da? Wenn dich so einer sieht, dann weiss er auf jedenfall, was abgeht. Geh ganz locker bis zur Stelle, wo wir wirklich in die Büsche müssen." Der Baske gab einen etwas ahnungslosen Blick zurück und überließ seinem Freund die Führung.
Auf dem Hügel im Norden des Labors hatten sie tatsächlich einen tollen Blick auf die gesamte Anlage. Langsam und vorsichtig schlichen sie durch das Gestrüpp nach vorne, bis Tobias innehielt. "Dave, hier Tobias. Wir sind in Position und haben wirklich einen relativ guten Blick über das Gelände." Die Stille, die folgte, war für Jerdona sehr ungewohnt, wie aus einem Film. Und die distanzierte Antwort wirkte noch viel befremdlicher. "Roger, bleibt in Deckung. Bin in Nähe des Haupttors. Wie ist Wachenpräsenz? Over". Die Spannung war mit Händen zu greifen. Zeres hob das Fernglas und spähte hinunter.
Die Szenerie vor ihm war in ein unnatürliches Grün getaucht. Die Lichtquellen auf dem Gelände strahlten hell hervor, blendeten aber nicht, während die dunklen Flecken relativ gut ausgeleuchtet wurden. Als er heranzoomte und die Lichtquellen aus seinem Sichtbereich verschwanden, wurde der Kontrast in den dunklen Bereichen noch besser. Fasziniert von den Fähigkeiten setzte er kurz das Fernglas ab und spähte hinaus in die stockdüstere Nacht, aber da seine Augen durch die Helligkeit des Nachtsichtgeräts geblendet waren, konnte er nur die Lampen auf dem Gelände erkennen. Endgültig begeistert von der Technik schaute er wieder durch das Fernglas und nahm das Haupttor unter die Lupe. Dort stand ein einzelnes kleines Wärterhäuschen und... es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er dort eigentlich sah. Durch die EHF-Ausleuchtung spähte er durch die dünne Pappwand des Kastens, der neben der Schranke aufgestellt war.
"Eine Wache im Häuschen am Haupteingang. Schaut fern und trinkt irgendwas." Nach kurzem Zögern schob er noch ein "Over" hinterher. "Sonst Wachen sichtbar, over?" kam die Antwort aus der Nacht. Er ließ den Blick über das Gelände schweifen, wobei er wieder erstaunt bemerkte, das er tatsächlich durch einzelne Blätter hindurch spähen konnte. "Draussen momentan keine Sichtbar, over"

Das hatte er erwartet. Wozu ein Labor bewachen? Die meisten Sicherheitsberater vertrauten lieber auf Technik als auf Personal, eigentlich keine schlechte Entscheidung. Aber für ihn machte es die Sache leichter. Geschickt schlich er durch das Gebüsch, achtete darauf, auf dem Boden nichts zu zertreten und nur auf weiche Flecken zu treten. Seine Füße bewegte er dadurch sehr unnatürlich vorwärts, was wahrscheinlich lustig ausgesehen hätte, wenn es ein anderer Kontext gewesen wäre.
Immer wieder hielt er inne und spähte mit seiner Nachtsichtbrille vorwärts. Der Weg war eigentlich eher kurz, er brauchte etwa eine Viertelstunde. Aber die Anspannung des Momentes dehnte die Zeit, wie sie wollte. Er konnte nicht sagen, ob er eben erst losgelaufen war, oder ob es schon eine Stunde her war. Gegen diese Orientierungslosigkeit, die sich nur allzu leicht einstellte, half nur Training. Langes und hartes, Training, welches Dave zur Genüge empfangen oder auch genossen hatte, wobei letzteres nur rückblickend zutraf.
Das Wärterhäuschen unterbrach seine abschweifenden Gedanken. Noch ein paar Meter traute er sich vorwärts. Jetzt überprüfte er vor jedem Schritt, ob er die Wache sehen konnte. Aus seiner Stellung, auf dem Boden kauernd, war sein Blickwinkel sehr eingeschränkt, was ihm nun zum Nachteil wurde. Aber er wagte nicht, sich aufzurichten und nachzusehen. Das Licht aus dem Häusschen war ohnehin schon viel zu nahe und hell.

"Eine zweite Wache kommt aus dem Gebäude und geht nach Westen. Over" Gespannt warteten sie auf eine Antwort. Tobias hatte für seine Kamera mittlerweile eine gute Stütze gefunden und knipste fleissig. Die Vergrößerung reichte aus, um ein einigermaßen gutes Bild vom Kopf der Wache zu bekommen. Man konnte ja nie wissen...
"Die Wache geht auf den Parkplatz. Over"
Warum antwortete Dave nicht? Wo war er? War er schon wieder vom Haupteingang weg, oder noch in der Nähe?
"Die Wache steigt in ein Auto. Over"
Nochmal Glück gehabt. "Dave, hörst du mich? Over" Das Motorengeräusch war durch die Stille der Nacht deutlich zu vernehmen. Langsam fuhr der Wärter auf das Tor zu. Die Schrank hob sich, er konnte den anderen Wächter im Häusschen erahnen, wie er seinem Kollegen auf dem Weg nach Hause grüßte. Die Scheinwerferkegel bohrten sich durch die Dunkelheit und...
"Dave, komm da raus, die Scheinwerfer. Over" Wenn er im falschen Busch kauerte, würde er unter der Lichtflut deutlich zu sehen sein.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 326316Beitrag arkon
11.1.2006 - 0:17

Plötzlich sah er ihn. Das musste Dave sein. Eine taumelnde Gestalt, die ungeschickt durch das Gebüsch rannte. Was machte er? War er verletzt? Oder eine Panikattacke?
"Dave, hier Jerdona, was ist los? Over" Die Antwort kam prompt
"Sind die Wachen hinterher? Over" Das Keuchen war deutlich zu hören gewesen. Angestrengt lugte Jerdona nochmal durch das Fernglas. War die Mission schon geplatzt? Würden sie morgen nochmal reinkommen? Die eine Wache hatte Dave nachgesetzt, war aber umgedreht und kniete jetzt in dem Gebüsch, aus dem Dave aufgesprungen war. Die andere Wache lief zu ihrem Kollegen heraus, ein Funkgerät in der einen und eine Pistole in der anderen Hand.
"Nein, sind sie nicht. Was war los? Over"
Diesmal musste er ein wenig länger warten, ehe sich wieder eine knackende Stimme über den Äther meldete.
"Lasst den Wagen stehen und lauft nach Osten die Strasse entlang. Wir nehmen uns ein Taxi. Over" Verständnislos blickten die beiden Späher sich an. Tobias machte noch ein paar Fotos, vor allem von den Wachen, bevor sie das Equipement zusammen packten und in die beschriebene Richtung gingen.
Eine Viertelstunde später, unter diesem Umständen wirkte das wie eine Ewigkeit, trafen sie endlich ihren Anführer. Jerdona und Tobias gingen wortlos nebeneinander her. Der eine sah sein Karriereende kommen, der andere wusste nicht, wie er ihn darüber hinweg trösten sollte.
Dave hatte sein Nachtsichtgerät schon versteckt und sammelte jetzt auch noch wortlos die Headsets ein.
"Was war los Dave? Warum bist du gerannt?"
Wieder mussten sie lange auf eine Antwort warten.
"Ersteimal müssen wir hier weg. Sie dürfen nicht sehen, das ich mit dem Auto flüchte. Kommt, wir nehmen uns ein Taxi. Aber ein Stück stadteinwärts müssen wir schon noch laufen"
Es dauerte scheinbar endlos, bis sie schließlich wieder in ihrem Hotelzimmer saßen. Erst jetzt war Dave bereit, mit den Antworten herauszurücken.
"Morgen wird es ein bisschen schwerer. Wir müssen uns ganz auf unser Glück verlassen. Das heute war nicht so geplant, wie es gelaufen ist, und das tut mir leid" meinte er an Jerdona gewandt "Ich hatte mich dumm platziert, und als das Auto gekommen ist, hat mich der Fahrer mit fast absoluter Sicherheit gesehen. Also musste ich ausreißen, so oder so. Und damit wenigstens nicht unsere komplette Stärke kennen, bin ich gerannt wie ein typischer Druggie. Die sind nämlich das größte Sicherheitsproblem des Labors. Und um die Tarnung zu komplettieren durften wir natürlich nicht mit dem Auto wegfahren"
Es war erstmal ruhig im Zimmer. Jerdona sah wieder Hoffnung aufkeimen, wenn auch nur als kleiner Silberstreif am Horizont. Trotzdem fühlte er sich nun schon bedeutend besser, nachdem er die gesamte Fahrt zurück darüber gegrübelt hatte, ob er jemals wieder würde Radfahren können.
"Und was ist mit dem Auto?" meldete sich Tobias zu Wort. "Wenn die das finden und reinschauen, wissen die doch, was läuft"
"Auch hier brauchen wir ein wenig Glück. Zum einen ist es nicht sehr wahrscheinlich, das sie die Umgebung sehr intensiv nach Autos inspizieren. Dann habe ich mir einen schönen Otto-Normal Parkplatz ausgesucht. Und schließlich ist das Equipment alles schön in einem Rucksack und einem Koffer verstaut. Nur müssen wir morgen dummerweise wieder an den Wagen ran."
Tobias blickte immer noch etwas skeptisch drein, aber Jerdona begann wieder Mut zu fassen. "Ich würde vorschlagen, das wir dann jetzt schlafen gehen. Es ist ja schon 4 Uhr nachts, und morgen müssen wir noch das eine oder andere planen." gähnte der Profisportler.
"So leid es mir tut, aber nein. Wir bleiben auf bis etwa 8 oder 9. Morgen müssen wir um 3 bis 4 Uhr hellwach sein, da können wir jetzt schonmal den Schlaf etwas verschieben. Und die Restnacht können wir wunderbar zum planen für morgen nutzen" grinste Dave und zog die anderen beiden über die Karte, wo sie für die nächsten 4 Stunden über jedes Details ihrer Mission nachdenken würden.
"Niemand hat je gesagt, das es leicht werden würde"

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 326451Beitrag arkon
11.1.2006 - 23:40

23. September 2005, Paris

Es war der Tag der Entscheidung. Das war ihm vom ersten Moment des Wachwerdens klar. Noch bevor er die Augen aufschlug, sich bewusst wurde, wo er war, stand er bereits unter Strom. Von Radrennen her war er einiges an Anspannung gewöhnt, aber nichteinmal am Tag vor dem entscheidenden letzten Zeitfahren der Vuelta hatte er solche Ehrfurcht verspürt. Ehrfurcht vor dem Moment, der kommen würde, dem Kampf, der ausstand.
Diese gesamte verdammte Affäre um seine Person dauerte noch nicht sehr lange, aber es kam ihn schon vor wie eine Ewigkeit. Mehr als der plötzliche Erfolg als Radfahrer hatte ihn das positive Testergebniss geschockt. Er hatte einige Zeit gebraucht, um sich darüber klar zu werden, was ihm wiederfahren war. Und die letzten 3 Tage hatte er ausschließlich mit dem Kampf gegen eine positive B-Probe zugebracht. Die Unterstützung von Tobias und Dave hatte ihn überwältigt. Tobias kannte er schon länger, und sie waren auch befreundet, aber nicht wirklich eng und 2 Monate (??) waren auch keine Ewigkeit. Dave dagegen schien eine alte und tiefe Bindung zu Tobias zu haben. Was genau dahinter stand und wer dieser 'Dave' denn eigentlich war hatte er noch nicht herausgefunden, aber er wusste genug, als das er wohl keine andere Wahl hatte, als ihm zu vertrauen.
Sie Frühstückten gemeinsam in dem Zimmer von Tobias. Jerdona sollte sich nach Möglichkeit fern von der Öffentlichkeit halten. Das Risiko, hier, in der Nähe des Labors, gesehen zu werden, war zu groß und letztlich einfach unnötig. Während der ausführlichen Mahlzeit redeten sie über dies und das. Heute Nacht war zum Tabuthema erklärt worden. Sie konnten jede Ablenkung gebrauchen. Zumindest Tobias konnte Jerdona auch eine gewisse Anspannung anmerken. Dave dagegen... er wirkte cool und souverän wie immer. Würde er diesen Menschen irgendwann einmal ratlos erleben? Hoffentlich nicht heute Nacht.
Den Rest des Tages verbrachten sie mit den weiteren Vorbereitung, wobei man Tag relativ sehen musste. Aufgestanden waren sie gegen 4 Uhr Nachmittags, und so blieb nur wenig Helligkeit zu füllen. Dave verschwand nach dem Essen und hohlte das Auto ab, was er lieber in der Helligkeit erledigte. Mit dem Rest des Equipments in seinem Zimmer fühlte er sich einfach ein wenig wohler.
Erst gegen 10 Uhr abends gingen die Vorbereitungen dann in die heiße Phase. Neben den Funkgeräten und vielen Dingen, die sie gestern auch schon dabei gehabt hatten, verstauten sie auch das entscheidende Glasröhrchen in ihren Sachen, nebst einigen anderen Dingen, die für den Notfall gedacht waren.
Etwas unerwartet zog Dave dann noch eine Pistole heraus und legte sie ehrfurchtsvoll auf das Bett. "Colt M1911. Etwas angestaubt, aber einfach zu bedienen. Tobias" mit, selbst für ihn, ernster Miene sah er den Deutschen an "du weisst noch, wie man damit umgeht. Gebrauche sie auf keinen Fall, egal was kommt." Die Konnotation stand klar im Raum. Und als er noch zwei Magazine neben die Waffe legte, die augenscheinlich geladen waren, wurde Jerdona klar, was Dave meinte. Fachmännisch prüfte Tobias erst die Magazine, dann die Waffe, lud kurz durch, überprüfte die Zieloptik, wog das Instrument kurz in seiner Hand und lächelte dann zufrieden "Ich verstehe" Mehr brauchte nicht gesagt zu werden.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 326457Beitrag arkon
12.1.2006 - 1:27

Die Nacht war schon mehr als fortgeschritten als sie endlich annhielten. Die Anspannung war deutlich spürbar und Jerdona war froh über die Handschuhe, die er trug. Andernfalls würde vermutlich der Schweiß jeden sicheren Handgriff verhindern. Wortlos verließen sie das Auto, nicht nachdem nocheinmal jeder seine Ausrüstung kontrolliert und Dave mit ihnen die wichtigsten Punkte durchgegangen war. Die Gebäudepläne, deren relevante Teile sie mittlerweile auswendig kannte, hatten sie trotzdem noch dabei. Insgesamt war Dave zufrieden mit der Vorbereitung. Obwohl er sich insgesamt vielleicht 3 Monate mehr Zeit gewünscht hätte, um auch irgendetwas garantieren zu können, so sah er doch der Nacht einigermaßen optimistisch entgegen. Seine Fähigkeit, zu improvisieren, war ohnehin unübertroffen und obwohl es vielleicht dumm war, auf diese Art und Weise unnötige Risiken einzugehen, so war es doch etwas, was er gerne Tat. Vor allem, wenn er das Leben eines Freundes retten konnte.
Der Weg über die Strasse war kurz. Heute würden sie von Osten aus in das Gelände eindringen. Als sie die Büsche erreichten drehte sich Dave nocheinmal um und ging sicher, das sie keiner beobachtete. Aber um 3 Uhr Nachts war dieser Vorort ohnehin wie ausgestorben.
Im Gestrüpp bewegten sie sich nur unwesentlich schneller. Es machte einfach keinen Sinn, so unnötig Aufsehen zu erregen. Und ohnehin reagierte das menschliche Auge, bei Dunkelheit noch viel deutlicher, eher auf Bewegung. Gemeinsam erreichten sie den Zaun. Tobias holte ein Messgerät hervor, während Jerdona und Dave mit ihren Nachtsichtgeräten Ausschau hielten.
"Der Zaun ist sauber" flüsterte Tobias nach eingehender Prüfung bevor er einen Drahtschneider aus einer Seitentasche fischte und, wie Jerdona bemerkte, mit offensichtlicher großer Geschicklichkeit und viel Übung ein Loch in den Zaun schnitt. "Bitte einzutreten" grinste er mit einer einladenden Geste.
Noch ein letztes Umsehen und los ging es. Das Gelände des Labors war frei von Bäumen, so weit zumindest reichten die Sicherheitsvorkehrungen. Also zählte jede Sekunde. Tobias und Jerdona rannten, als hinge ihr Leben davon ab (was für Jerdona ja gar nicht mal so falsch war), zur nächsten Gebäudewand. Dave postierte sich einige Meter weiter. Grinsend stellte Zeres fest, das Tobias nach diesem Sprint schon ordentlich keuchte. Naja, wenigstens hatte er heute Nacht einen Vorteil gegenüber den beiden anderen.
Dave schnallte kurz den größten Teil der Ausrüstung ab, rieb sich noch ein wenig Dreck in das Gesicht und zerbrach dann mit einem Schlagring das Fenster, vor dem er stand. Jerdona und Tobias hechteten als erste nach innen und stürzten, noch bevor der Alarm losging, schon aus der Tür des Büros, in das sie eingebrochen waren heraus. Dave kletterte etwas gemütlicher hinterher.
Das er den Plan auswendig kannte half Jerdona nun ungemein. Obwohl es in der Realität natürlich immer bedeutend anders aussah, konnte er recht gut durch das Gebäude navigieren. Tobias stand ihm da in nichts nach, hatte jedoch nicht die Kondition des Sportlers und fiel daher leicht zurück. Die Treppe rauf, Korridor rechts runter, in die Feuertreppe links am Ende, 2 Etagen nach oben, rechts raus, 2 Seitengang nach rechts, 5 Türen den Gang runter. Sie waren da.
Ein flüchtiger Blick auf das Namensschild bestätigte seinen guten Orientierungssinn. Er warf Tobias einen auffordernden Blick zu. Dieser hohlte ein Werkzeug raus, welches Dave beim besten willen nicht mehr identifizieren konnte. Das war ihm momentan aber auch egal, hauptsache, die Tür war bald offen. Aber das dauerte. Mit ein wenig klickern und klackern, welches sich unnatürlich laut in dem Gang auszubreiten schien, machte sich Tobias ans Werk.

Dave machte sich derweil mit etwas weniger Feingefühl an einer Tür zu schaffen. Nur wenige Leuten ist es bewusst, wie schmerzhaft es eigentlich ist, mit vollem Gewicht gegen eine Tür zu rennen, selbst wenn man die Schulter benutzt. Ein stechender Schmerz war Erinnerung genug.
Im Büro selber wirbelte er einige Sachen durcheinander, stiftete Unordnung, bis er schließlich die Wachen hörte. Um sicherzustellen, das sie ihn auch fanden, schmiss er noch einen Stapel Akten auf den Gang. Das Getrappel hörte für einen Moment auf, seine Show konnte also beginnen.
Die Wachen mussten es wohl etwas befremdlich finden, auf jedenfall schauten sie mehr als nur verdattert, als er torkelnd auf den Gang hinausstürzte und mit einem Schlagring wirr in der Gegend herumfuchtelte. Sein abgerissenen Klamotten, die wirren Haare und auch die kleinen Pupillen, die er einigen Tabletten zu verdanken hatte, die er heute Abend genommen hatte, mochten auch dazu beitragen. Auf jedenfall warfen sich die beiden herbeigeeilten eine wissenden Blick zu, einer steckte seine Waffe weg und holte statt dessen einen Schlagstock heraus.
"Ganz ruhig, Bruder, die Party ist vorbei"
"Crack, ich brauch verdammt nochmal Crack" schrie er ihnen entgegen und hob drohend seine Faust. Da er offensichtlich unbewaffnet war traute sich die Waffe mit Schlagstock noch ein wenig näher heran.
"Hände über den Kopf und auf den Boden, sonst erschiessen wir dich"
Die Drohung war nicht zutreffend, das wussten alle Beteiligten. Aber sie wirkte meistens, was der Grund was, weswegen sie immer wieder angebracht wurde. Auch war der Ton sehr entscheidend, in dem man mit mental abwesenden Einbrechern redete und man konnte den Wachleuten hier nicht vorwerfen, das sie ihre Sache schlecht machten.

Das Geschrei drang sehr entfernt von unten herauf. Zu weit waren sie letztlich entfernt, als das genaueres zu Vernehmen wäre. Wieder war die Stille, die einkehrte, unwirklich. Kein Bäumerauschen oder sonstiges drang hinein. Nur der immer noch klackernde Dietrich war zu vernehmen. Die Sekunden zogen sich endlos und wenn Jerdona etwas zu tun gehabt hätte, wäre er sicherlich nur halb so nervös gewesen. So hieß es für ihn aber nur warten.
Das Klicken hörte irgendwann auf und verdutzt blickte Jerdona auf das Schloss. Mit einem selbstsicheren Lächeln drehte Tobias die Apparatur und winkte seinen Freund mit einer einladenden Handbewegung in das innere des Zimmers.
Sie verzichteten sowohl auf den Lichtschalter als auch auf Taschenlampen. Beides hätte man von aussen sehen können und sie wussten nicht genug über die Gewohnheiten der Wachen um hier Risiken eingehen zu können. Ausserdem reichten ihre Nachtsichtgeräte aus, um durch das kleine Labor zu navigieren, welches sie betreten hatten.

Nachdem er einige Zeit wirres Zeug vor sich hingebrabbelt hatte, bemerkte er, das die Wachen ihre Geduld verloren. Also legte er sich langsam auf den Boden, wobei er jede einzelne Handlung möglichst hinauszögerte. Die Wache ohne Pistole jedoch stand sofort parat und holte Handschellen hervor. Sein Einsatz.
Mit einer flüssigen Bewegung rollte er sich zur Seite und gegen die Beine der Wache, die stolperte. Gleichzeitig packte er sie am Arm und zog sie auf den Boden während er im gleichen Moment aufstand. Etwas linkisch begann er, wegzulaufen. Beide Wachen schrien, aber er war schnell genug wieder in dem Büro verschwunden. Er schloss schnell die Tür und kippte einen Schrank davor. Dann holte er ein kleines Ersatzfunkgerät raus.

"Beeilt euch, die Lage wird brenzelig. Over" Beeilen. Das hatten sie vor. Aber in den vielen Schränken in dem Labor war die Probe mit der Nummer, die ihnen der Teamarzt Ronsino Baldo gegeben hatte, schwer zu finden. Und wenn er sie beschissen hatte? Möglich wäre es. Aber würde er das Risiko eingehen? Das herauszufinden war ihre Aufgabe.
Tobias öffnete einen weiteren Stahlschrank und ging die zahlreichen Reagenzgläser durch, die dort aufgereiht standen. Wenigstens waren hier einige durchnummerierte gelagert. Jetzt musste er die Nummern durchgehen.
"HZU78... 65,66,67,68....83! Ich hab sie!"
Jerdona stürzte herüber, um das Röhrchen selber zu sehen. Das war es also. Wie einen kostbaren Schatz nahm er das dünne Röhrchen in Empfang. Der Impuls, etwas zu verweilen und die Bedeutung des Augenblicks zu geniessen, musste er niederkämpfen. Mechanisch kramte er die Austauschprobe hervor und verglich kurz die beiden Röhrchen.
Zufrieden überreichte er es Tobias. Sollte doch jemand sagen, das Normen zu nix taugen würden!

Das heftige Klopfen dauerte nur kurz an. Die beiden hatten ihre Geduld verloren und rannten, wie Dave es vorhin auch getan hatte, gegen die Tür. Die Zeit lief ihm davon.
Er kramte seine Pistole hervor und schoss einmal kurz über den Türrahmen. Das würde ihm genug Vorsprung verschaffen. Um ihre eigene Sicherheit nicht zu gefähren würden sie sich Zeit lassen, während sie eben diese gut geschrieben bekamen.
Er warf einen weiteren Aktenordner durch das Fenster und kletterte hinterher. "Bin draussen durch ein anderes Büro. Ich komme zurück zu dem, durch das wir rein sind. Over"

Die Zeit drängte nicht, die Zeit rannte. Hastig schlossen sie den Schrank, warfen noch einen kurzen durch den Raum, ob sie auch nichts vergessen hatten, und machten sich dann flugs aus dem Staub. Ein weiter Weg durch das Gebäude stand ihnen bevor. Gang runter, links ab... Sie hasteten die Feuertreppe hinunter, als sich Dave wieder zu Wort meldete.
"Nicht den Gang, durch den wir rein sind, betreten. Dort unten sind Wachleute. Over"
Verdammt, das war nicht gut. Ein nervöser Blick.
"Wir sind in der Feuertreppe. Treffen uns unten an der Tür. Over"
Gespanntes warten, während wiederrum wertvolle Sekunden verstrichen.
"Roger."
Sie stürzten sich die Stufen hinunter, nahmen 3, 4 auf einmal. Unten empfing sie ein lauter Knall, dann schwang die Tür auf. Dave grinste sie an, deutlich sahen sie eine Beule in der Tür, die er dort hineingetreten haben musste.
"Raus hier" war alles, was er hervorbrachte. Zusammen hetzten sie los, doch vor jeder Ecke stoppten sie kurz und Dave schaute kurz, ob die Luft rein war. Schließlich rannten sie die letzten Meter zum Zaun, wo sie dann wieder auf das Klettern der anderen ennervierend lange warten mussten.
Der Weg zum Auto schien auch viel länger als noch auf dem Hinweg, aber schließlich saßen sie wieder und Dave sah zu, das er wegkam.
Aufatmen konnten sie erst nach und nach. Jerdona schloss ersteinmal seine Augen und dachte ersteinmal an garnichts. War es das gewesen? Hatten sie wirklich das getan, was sie geplant hatten? Hatten sie wirklich die richtigen Röhrchen vertauscht? War die B-Probe wirklich noch nicht angefangen worden? Hatte das Labor tatsächlich noch auf den externen Wissenschaftler gewartet, wie Ronsino Baldo behauptet hatte? Würde er überhaupt dicht halten?
Gewissheit würde er wahrscheinlich nie haben. Aber wenn die Ergebnisse der B-Probe bekannt werden würden, wäre zumindest sicher, ob er in näherer Zukunft wieder auf ein Rad würde steigen dürfen oder ob, nach 2 bis 4 Jahren Sperre, über ihm für immer ein Schatten des Dopings hängen würde. Solange würde er sich noch gedulden müssen.
Und ob die Polizei ihnen auch nicht auf die Schliche kommen würde... wirklich sicher würde er sich wahrscheinlich nie mehr fühlen können. Aber es war das Risiko wert gewesen. Im besten Fall waren die letzten Tage nur ein böser Traum gewesen.
Jetzt musste er erstmal warten.

Puuh, geschafft... Hatts gefallen? Oder lieber doch beim Radsport bleiben? Hab noch keine großartigen Pläne für die Offseason (ausser dem üblichen Scheiss), daher wirds wohl bald wieder mit Rennen losgehen. ;) Gute Nacht.

Benutzeravatar
hertha_andre
Beiträge: 7918
Registriert: 10.7.2005 - 11:32
Wohnort: Ottawa

Beitrag: # 326462Beitrag hertha_andre
12.1.2006 - 10:30

Hat sehr gefallen, dieser kleine Exkurs ;)
Auch wenn ich mich darüber freuen würde, wenn du dann wieder zu Jerdonas Rennen kommst, denn die fand ich stets einfach nur genial... am besten immer eine Mischung aus beidem...
#87
Dreßen - Slokar - Iversen - Pärmäkoski - Wellinger - Kvandal - Baud - J. Boe - Hauser

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 326491Beitrag arkon
12.1.2006 - 15:40

Bild
Weltmeister Boonen und Schmidt
Boonen setzt sich als Favorit im WM-Straßenrennen durch

Nachdem mit Schmidt ein junger No-Body Zeitfahrweltmeister geworden ist, kam mit Tom Boonen ebenfalls ein junger Fahrer, jedoch beileibe kein unbekannter, zum Sieg im Straßenwettbewerb. Der Belgier setzte sich im Sprint einer Spitzengruppe gegen Alejandro Valverde und Anthony Geslin durch. Damit ist Ivan Gutierrez als 3. im Einzelzeitfahren mit 27 Jahren der älteste Fahrer auf den beiden WM-Podien und mit Michael Rogers auch der einzige über 25. Ein deutliches Zeichen für eine Leistungsexplosion bei den Nachwuchsfahrern. Ob sich das im nächsten Jahr fortsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Von Boonen zumindest können wir Großes erwarten. Mit seinen Siegen bei der Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, den zwei Etappenerfolgen bei der Tour und schließlich dem Weltmeistertitel ist er unbestreitbar einer der erfolgreichsten Fahrer der Saison, was auch sein zweiter Platz in der Pro-Tour Wertung verdeutlicht.
Fabian Schmidt konnte dieses Jahr zwar nicht annähernd so dominant auftreten wie Boonen, machte aber dennoch auf sich aufmerksam. Das sein Vertrag ausläuft dürfte dem Deutschen nicht ungelegen kommen. Zwar wird es als wahrscheinlich erachtet, das er bei seinem derzeitigen Rennstall Phonak verlängert, doch sollten sich hier die Erfolge der aktuellen Saison finanziell niederschlagen. Neben dem Erfolg im Einzelzeitfahren hat er vor allem bei der Tour durch eine Etappenerfolg und, kombiniert mit seinen guten Leistungen im Prolog, 2 Tagen im gelben Trikot Aufsehen erregt.
Ein weiteres großes Fragezeichen in den kommenden Wochen der Vertragsverhandlung wird Jerdona Zeres sein. Der Baske, der bei der Vuelta erst im letzten Zeitfahren gestoppt werden konnte und so knapp den zweiten Platz hinter Santiago Botero erreichte, wird ebenfalls freigegeben. Allerdings schwebt gegen ihn noch ein umstrittenes Dropingverfahren wegen Einnahme von Fruktose. Die zerstrittene Fachwelt wird hierbei wohl nicht einmal durch das Ergebniss der B-Probe zusammen finden. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren ergab ebenfalls noch keinen näheren Befund. Da Zeres selbst die Vorwürfe vehement abstreitet darf wohl nach wie vor über den Nachfolgerennstall des Basken spekuliert werden, selbst wenn er dort die nächsten 2-4 Jahre keine Rennen wird bestreiten können.

Barnetta
Beiträge: 539
Registriert: 15.5.2005 - 17:13
Kontaktdaten:

Beitrag: # 326505Beitrag Barnetta
12.1.2006 - 17:33

Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass da im Labor wirklich alles geklappt hat.
Das fesselt einfach.
Ganz großes kino.
Tu dich mit LAF zusammen und schreibt nen Radsport-Roman :D

Benutzeravatar
Kim Kirchen
Beiträge: 431
Registriert: 29.7.2003 - 22:10
Kontaktdaten:

Beitrag: # 327069Beitrag Kim Kirchen
16.1.2006 - 20:54

ach, die zeilen hab ich wirklich verschlungen! das war ganz grosses aar-kino...war toll und spannend geschrieben, aber ganz am ende sind wir ja noch nicht ;)
wie andré wünsche ich mir deine genialen rennbeschreibungen wieder, aber so ein abstecher hinter die kulisse schadet nie. besonders nicht bei deinem schreibstil!

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328135Beitrag arkon
25.1.2006 - 23:59

nachdem der rsm-profiler wieder etwas aufgepeppelt ist, gehts hier auch schon weiter. aber nich meckern, muss selber erstmal wieder den faden finden...

24. September 2005, Bilbao

Es war schon spät, als sein Flieger endlich landete. Selten hatte sich Jerdona so gefreut, heimischen Boden unter den Füßen zu haben, wie in dem Moment, in dem er aus dem Flugzeug stieg. Obwohl die Distanz nur eine Illusion der Sicherheit war, fühlte es sich doch gut an, einige tausend Kilometer von Paris entfernt zu sein. Er hatte sowieso nicht vor, sich in den nächsten Wochen irgendwo in der Öffentlichkeit aufzuhalten.
Nach der letzten Nacht hatten sie sich nur kurz schlafen gelegt. Getrennt hatten sie im Laufe des Vormittags ausgecheckt und sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Er war als einziger direkt von Paris aus geflogen, hatte allerdings auch einige Umwege hinter sich. Erst war er nach Rom geflogen, von dort aus nach Barcelona, dann nach Madrid und erst dann nach Bilbao. Entsprechend war es auch schon wieder sehr spät und nach einem solchen Tag, der eine noch wesentlich anstrengendere Nacht vorausgegangen war, blieb eigentlich kaum noch Energie übrig.
Er hatte heute viel Zeit gehabt, um nachzudenken, die Geschichte ein wenig sacken zu lassen und Pläne zu schmieden. Für die nächsten Tage, Wochen und auch die folgende Saison. Es war alles noch sehr im dunklen, aber wenn die B-Probe wirklich negativ war, würde er wieder Radfahren können, und das war alles, was ihm wichtig war. Egal, bei wem er unterschrieb: Er würde wohl fast automatisch als Kapitän bei einem GT aufgestellt werden. Am liebsten würde er direkt morgen die nächste Vuelta fahren, aber auch der Giro oder die Tour waren in Ordnung. Er brauchte einfach eine Gelegenheit, sich auf sportliche Weise zu rächen. Discovery Channel war eigentlich gar keine so schlechte Idee...
Die warme Luft hier im Baskenland fühlte sich angenehm an und als er die Flugzeugtreppe hinab ging, war er zum ersten Mal seit langem wieder stolz und froh zugleich, hier geboren worden zu sein. Die schwüle Abendluft, der schwarze Nachthimmel, der durch die nahe Stadt in das gelbe Licht der vielen Natriumdampflampen getaucht wurde, die Berge, welche die Stadt umgaben... all das gehörte dazu. Er war wieder zu Hause.
Wenig später stand er wieder in seinem Hotelzimmer. Heute würde er nocheinmal hier schlafen. Morgen konnte er dann die Heimreise antreten, aber im Augenblick war er einfach zu müde. Erschöpft sank er auf das Bett. Bevor er sich allerdings in Klamotten schlafen legen konnte bemerkte er sein Handy. Er hatte es, auf Rat von Dave, hier gelassen. Es wäre eine Möglichkeit mehr, ihn in Frankreich aufzuspüren. Naja, er brauchte es ohnehin nicht dringend und so hatte er es halt hier gelassen. Blinkend lag es auf dem Nachttisch, wo es an das Ladegerät angeschlossen war. Sollte er heute abend oder konnte es warten?
Nein, er war zu neugierig. Über sich selbst fluchend griff er nach dem kleine Gerät und war wenige Klicks später einigermaßen erstaunt über die Masse von Leuten, die sich für ihn zu interessieren schienen. Die SMS ließ er beiseite und hörte ersteinmal die Mailbox ab.
"Hier ist Johan Bruyneel von Discovery Channel. Ich würde mich nicht persönlich bei ihnen melden, wenn es mir nicht wichtig wäre. Aber aufgrund der Dopingvorwürfe, die um ihre Person aufgetaucht sind, sehen wir uns gezwungen, das Angebot für eine Vertragsverhandlung zurück zu ziehen. Unabhängig davon, ob sie tatsächlich gedopt haben, können wir uns eine Verwicklung in solche Dinge einfach nicht erlauben. Ich hoffe, sie verstehen das.
Einen schönen Tag noch"
Scheisse.
"Guten Abend, John Lelangue von Phonak Hearing Systems. Ich muss leider das Treffen, welches wir vereinbart haben, kündigen. Unser Team war schon viel zu oft von Dopinggerüchten umweht und, egal ob sie schuldig sind oder nicht, dieser Ruf haftet ihnen jetzt nunmal an. Eine Aufnahme von ihnen in unser Team könnte unsere Pro-Tour Lizenz gefährden, und das wollen wir nicht riskieren. Ich hoffe, sie verstehen das.
Trotzdem noch einen guten Abend aus der Schweiz"
Verflucht.
"Ja Hallo, hier spricht Mauro Gianetti. Ich rufe nochmal an, ich habe dich nicht erreichen können. Es tut mir leid, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als dir jetzt so über das Telefon abzusagen. Mit der positiven A-Probe wird es für uns etwas zu heiss, dich zu verpflichten. Wir sind noch nicht etabliert genug, um so etwas riskieren zu können. Daher wird es dieses Jahr wohl nichts werden. Das ist nichts persönlich, wenn es nur meine Entscheidung wäre, würde es auch definitiv anders laufen, aber..."
Klick. Nachricht gelöscht. Hätte er doch mit dem Handy bis morgen gewartet...

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328347Beitrag arkon
26.1.2006 - 23:47

Bild
Zeres unschuldig?

Laut Gerüchten, die im Umfeld von des Pariser Dopinglabors Châtenay-Malabry auftauchten, ist die B-Probe des zweiten der diesjährigen Vuelta nicht positiv. Damit wäre ein Verfahren gegen den baskischen Jungprofi hinfällig. Seine Schuld müsste für weitere Schritte gegen ihn bewiesen werden, was ohne die B-Probe nicht möglich ist.
Aber selbst wenn sich dieses Gerücht bestätigen sollte sieht die Zukunft für ihn alles andere als rosig aus. Sein Rennstall Euskaltel-Euskadi hatte sich schon vor Ende der Vuelta von ihm getrennt und bisher hat er noch keine Vertrag für die nächste Saison unterschrieben. Es dürfte für ihn zwar nicht schwer werden, einen neuen Arbeitgeber zu finden, aber ob ein ProTour-Team das Risiko, einen eventuellen Dropingsünder unter Vertrag zu nehmen, auf sich nehmen wird, bleibt offen. Die zahlreichen Teams, die Interesse an ihm bekundet hatten, sind jedenfalls nach bekanntwerden des Ergebnisses der A-Probe verstummt.
Zur Zeit hält sich der Rennfahrer im Baskenland in Elgea auf. Dort bereitet er sich wohl schon gewissenhaft auf die neue Saison vor. Offensichtlich hat er weder Angst davor, mit einer positiven B-Probe konfrontiert zu werden, noch eventuell im nächsten Jahr die Möglichkeit zur Revanche bei der Vuelta nicht zu erhalten.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328353Beitrag arkon
27.1.2006 - 0:16

29. September 2005, Elgea

Es war so schön, endlich wieder daheim zu sein. Die letzten Monate hatten ganz schön an seinen Nerven gezerrt. Ihm war viel schönes widerfahren, aber auch einiges, auf das er getrost hätte verzichten können. Die ganze Dropinggeschichte gehörte eindeutig zur zweiten Kategorie. Erst in den letzten Tage hatte er zum ersten Mal seit der Vuelta wirklich die Gelegenheit gehabt, durchzuatmen. Und das hatte er wirklich gebraucht. Viele Fragen waren noch offen, aber am wichtigsten war es, wieder klar zu sehen.
Was war ihm wirklich wichtig? Welche Rennen wollte er im nächsten Jahr fahren? War er bereit für einen Umzug, den ein neues Team ja vielleicht mit sich bringen würde?
Und um diesen Fragen auszuweichen, hatte er sich schon wieder auf sein Rad gesetzt und war die Berge in seiner Umgebung abgefahren. Das Wetter spielte noch mit, das wollte er ausnutzen. Hier wurde es zwar nie wirklich Winter, aber doch schon sehr kalt und ungemütlich. Und an seinen Kletterfähigkeiten wollte er noch einiges verbessern.
Die Teamverhandlungen wollte er über das Handy führen, gesetzt den Fall, jemand meldete sich. Sein Telefon war mittlerweile abgemeldet worden, die Telefongesellschaft hatte noch die alte Kontonummer. Und während der Vuelta war es dort etwas klamm geworden. Finanziell sah es bei ihm nicht mehr ganz so locker aus, nachdem Euskaltel ihm gekündigt hatte, aber mit den Siegprämien, die er noch bekommen hatte, würde er über den Winter kommen. Und dann würde er eh schon wieder ein neues Team haben. Lediglich eine positive B-Probe konnte ihm noch einen Strich durch die Rechnung machen. Aber es liefen schon erste Gerüchte, das in Paris wohl alles glatt gegangen war. Damit waren auch schon fast alle seine Probleme gelöst.
Er beendete seine heutige Ausfahrt mit einer Fahrt durch das Nachbardorf Ozaeta. Wie schon in den letzten Tagen grüßten ihn hier die alten Männer vor den Cafes und Kneipen freundlich. Für sie war er der Held, egal ob gedropt oder nicht.
Zuhause sprang er zuerst unter die Dusche. Aber noch bevor er ganz ausgezogen war, klingelte sein Handy.
"Ja, Zeres?"
"Roger Legeay hier. Ich bin der sportliche Leiter von Credit Agricole"
Keine Dusche konnte so erfrischen!

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328436Beitrag arkon
27.1.2006 - 17:18

Bild
5. Oktober 2005


Willkommen auf meiner neuen Homepage!
Endlich eine eigene Homepage, mein Platz, wo ihr euch alle neuen Infos holen könnt. Und die erste Nachricht könnt ihr schon am Design ablesen: Ich habe meinen Vertrag mit Phonak verlängert, um zwei Jahre! War eigentlich keine große Sache mehr, nachdem ich ja dieses Jahr zum ersten Mal richtig vorne mitmischen konnte. Aber trotzdem bin ich froh, für die nächste Zeit wieder eine feste Bleibe zu haben. Ich bin hier in der Schweiz hochzufrieden. Die Stimmung in der Mannschaft stimmt, meine Kollegen sind nett und ich versteh mich auch recht gut mit ihnen. Und auch meine neuen Wohnung hier gefällt mir gut. Meine Freunde waren auch schon vorher weit weg, und jetzt bin ich viel näher am Team dran.
Zum Training fahre ich aber ersteinmal wieder nach Deutschland. Die nächsten Monate habe ich ja "frei" (soweit ein Fahrradfahrer jemals frei haben kann) und werde das, natürlich neben dem Training, auch nutzen, um Bekannte und Verwandte zu besuchen. Wenn das Wetter dann hier endgültig schlecht wird, werde ich mich wohl mit einigen vom Team in südlichere Gefilde absetzen, um mich dort konzentriert auf die neue Saison vorzubereiten.
Und dann? Tja, das weiss ich auch noch nicht so genau. Meine Zeitfahrqualitäten machen mich natürlich zu einem heißen Kanidaten für die Tour, wo ich Floyd im Mannschaftszeitfahren unterstützen und eventuell auch einen Etappensieg abstauben könnte. Auch im Frühjahr werde ich versuchen mitzumischen, und im Herbst steht dann natürlich das Traumziel Titelverteidigung an. Aber bis dahin ist ja noch ne Menge Zeit.
Ich wünsch euch auf alle Fälle schonmal nen schönen Herbst, und vielleicht seh ich ja mal ein paar von euch am Streckenrand ;).

Jojo
Beiträge: 56
Registriert: 7.8.2005 - 15:50
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328441Beitrag Jojo
27.1.2006 - 17:50

Mehr!!! Einfach super, kann es kaum erwarten von den neuen Rennen zu lesen. Ich hoffe für Jerdona dass das mit CA klappt, oder zumindest mit einem Protour Team.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328468Beitrag arkon
27.1.2006 - 19:33

6. Oktober 2005, Corbeil-Essonnes

Wieder in Frankreich zu sein bereitete ihm schon ein wenig unbehagen. Und dann noch so nah an Paris! Er war wieder auf dem Flughafen Charles-de-Gaulle gelandet, aber damit endeten schon die Gemeinsamkeiten mit seinem letzten Besuch. Diesmal wurde er von einem Teamwagen abgeholt, der ihn zur Teamzentrale brachte. Der Fahrer benutzte jeden Schleichweg, strapazierte das Tempolimit und fuhr wie ein verrückter über alle Kreuzungen. Nicht, das er in besonderer Eile gewesen wäre, dies schien für ihn etwas völlig normales zu sein. Er bestätigte damit nur nocheinmal Zeres's Vorurteile gegenüber Autofahrern, den natürlichen Feinden der Radler.
In der Teamzentrale wurde er schon erwartet. Einige Reporter schossen Bilder, Interviews mussten aber bis auf das nach dem Geschäft warten. Eine kleine Menschentraube begleitete ihn nach innen und machte ihm damit nocheinmal klar, das sich nach der Vuelta alles geändert hatte. Die gesamte Teamführung erwartete ihn dringend und er wurde gebeten, an einem dieser wichtigsaussehenden Tischen platzzunehmen, die in den Nachrichten von einigen Anzugträgern besetzt und von zahlreichen Reportern umlungert waren. Das Szenario hier gestaltete sich ähnlich, nur mit dem Unterschied, das die Hauptperson, also er, im Rollkragenpulli und Cordhose vor den Kameras stand.
Zeres wurde aber nicht wegen seiner Kleidung nervös, die gehörte einfach zu ihm und schluss. Vielmehr machte ihm das gesamte Szenario hier ein wenig kribbelig. Er war noch nicht so ganz daran gewöhnt, auf einmal zu den besten seiner Zunft gezählt zu werden. Naja, die erste Reihe hatte er noch nicht erreicht, aber in den Startlöchern dafür befand er sich allemal. Roger Legeay, der Teammanager, hielt eine kleine Ansprache, in der er kunstvoll das Thema Doping umschiffte. Der Vertrag, der daraufhin die Runde machte, war schon vorher ausgehandelt worden. Er würde sich für zwei Jahre verpflichten. Im Vertrag selbst ging es mehr um seine sportlichen Freiheiten, für die er seine Lohnforderungen stark gesenkt hatte. Unterm Strich verpflichtete Credit Agricole für ein mehr als faires Gehalt einen Spitzenfahrer und musste ihn nur bei mindestens einem GT pro Jahr mit dem gesamten Team beistehen. Sein Anwalt hatte sich größtenteils darum gekümmert, aber er hatte ihn schon selber mehrmals gelesen und auch einige andere Fahrer und Betreuer um ihre Meinung gefragt. Flugs wurden ein paar Unterschriften druntergekritzelt und schon lage die Ledermappe vor ihm. Als er sie aufschlug, konnte er darunter einige dicke Papierseiten sehen, ein dicker, goldener Kugelschreiber lag daneben. Er überflog die erste Seite, blätterte ein bisschen in dem Werk herum. Zwei Jahre seines Lebens, wollte er sich wirklich für diese Zeit an ein Radsportteam binden? Komisch, diese grundsätzlichen Fragen tauchten immer erst auf, wenn es fast zu spät war. Mit dem Inhalt als solchen war er einverstanden, aber nun fiel ihm wieder ein, wieviele grundsätzliche Fragen er in den letzten Tagen immer wieder verdrängt hatte. Egal, darüber konnte man am besten mit einem 2-Jahres-Vertrag nachdenken, der ihn finanziell weit voranbringen würde. Soviel Geld, wie er nun in einem Monat bekam, hatte er im letzten Jahr nicht ausgegeben. Radfahren war seine Berufung, da war er sich mittlerweile sicher. Und warum nicht Credit Agricole? Es waren ja nur zwei Jahre, und immerhin würde man ihm bei einem GT freie Hand lassen. Chance genug für ihn, bei der Vuelta in diesem Jahr auf Sieg zu fahren. Er blätterte auf die erste Seite, musste unter all den Unterschriften kurz nach dem Platz suchen, wo er die seinige hinzusetzen hatte, und führte dann mit entschlossener Hand den Stift über das Papier zu führen.
"Meine Damen und Herren" unterbrach Legeay den Lärm, der sich breitmachte "Ich freue mich, damit Jerdona Zeres offiziell in der Mannschaft begrüßten zu dürfen" Klatschen, Roger kam auf ihn zu, schüttelte ihm die Hand und hielt die Mappe mit dem Vertrag vor sie beide. Das Blitzlichtgewitter erschlug sie beide fast.
"Damit haben wir wieder einen Fahrer in unseren Reihen, der auf den Sieg bei einer 3-wöchigen Rundfahrt fahren kann. Christoph Moreau ist dafür ja schon ein bisschen alt." höfliches Gelächter "Aber wie es sich für ein französisches Team gehört, geben wir uns nicht mit dem zweitbesten zufrieden. Wir wollen nicht nur den Sieg, sondern auch noch den größten. Und was könnte für ein französisches Team größer sein als der Sieg bei der eigenen Landesrundfahrt?" Erstaunen, Blitzlicht, dann erst klatschen. Jerdona musste stark an sich halten, um sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Die Tour? Er sollte die Tour gewinnen??
"Wir haben ein starkes Team, mit einem starken Spitzenfahrer. Es wird ein schwieriges Unterfangen werden, aber es ist möglich. Credit Agricole hat in seiner Teamgeschichte schon viel gewonnen. Aber die Tour, das ist nocheinmal ein anderes Kaliber. Wir werden in diesem Jahr alle bisherigen Leistungen des Teams in den Schatten stellen. Die Tour de France geht in diesem Jahr nach Frankreich!"
Und nach Spanien, fügte Zeres in Gedanken hinzu.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328623Beitrag arkon
28.1.2006 - 17:04

Bild
Wieder zu Hause!
28. Oktober 2005


Hallo Fans,
die kalte Jahreszeit steht vor der Tür und ich habe mein Training vorerst abgeschlossen. Nächste Woche steht der Flieger bereit. Es geht nach Australien, Sonne geniessen und, wie nicht anders zu erwarten, auch ein bisschen trainieren ;). Ich freue mich drauf, mich dieses Jahr mit der echten Elite des Teams vorbereiten zu können. Weihnachten so weit weg von zu Hause wird zwar ein bisschen traurig werden, aber die Chance, mit Floyd Landys, Santiago Botero und vielen anderen Kilometer zu reissen und sich viele wertvolle Tips zu holen, ist doch relativ einmalig für mich. Nach vielen Jahren harten Trainings bin ich jetzt genau da angekommen, wo ich hinwollte. Ich werde wohl bis Mitte 30 Radfahren können und dabei auch finanziell abgesichert sein. So macht man seine Leidenschaft zum Beruf!
Die letzten Wochen waren sehr schön. Ich bin durch Deutschland gefahren, meistens sogar nur mit dem Rad. Meine Sachen mit der Post vorausgeschickt und mich mit Freunden aufgemacht, die letzten schönen Tage hier zu geniessen. Es war zwar nicht so anstrengend wie richtiges Training, aber zu dieser Jahreszeit will ich meinem Körper eh eine Auszeit gönnen, bevor ich dann meine Form aufbauen kann. Ein wenig traurig war es natürlich auch, weil ich die meisten meiner deutschen Bekannten zurücklassen werde. Erst zum Saisonbeginn, also Februar, bin ich wieder in Deutschland, und bis ich wieder wirklich Zeit für mich habe dauert es wohl noch ein Jahr.
Aber nichtsdestotrotz freue ich mich wirklich auf die harten Monate, die mir bevorstehen. Der Kampf um einen Platz im Tourkader hat schon begonnen, und ich hoffe doch sehr, das ich mich da reinmogeln kann. Ich werde zwar nur schwerlich an die Leistungen in diesem Jahr anknüpfen können, aber schon gute Platzierungen in den Zeitfahren wären für mich ein echter Triumph.
So, und jetzt mach ich schon wieder Schluss, es steht ein Besuch im Elternhaus an ;).

Euch einen schönen, kalten Winter

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328626Beitrag arkon
28.1.2006 - 17:37

1. November 2005, Elgea

Auch heute war wieder ein harter, langer Tag gewesen. Schon seit einem Monat trainierte er hier in den Bergen seiner Heimat. Und so langsam spürte er wirklich eine Verbesserung an seiner Technik, der Ausdauer, an seinem Kletterstil. Vor allem auf plötzliche Tempoveränderungen hatte er sich eingeschossen. Diese waren für ihn während der Vuelta immer wieder zu echten Zerreisproben geworden. Tagelang hatte er also kurze Sprints bergauf geübt. Auf dauer natürlich echt zermürbend. Aber er hatte ja jetzt ein Ziel.
Während er sich anfangs über die Art und Weise, wie er zur Tour geschickt worden war, geärgert hatte, freute er sich jetzt darauf. Es war zwar nicht Spanien, aber er würde als unangefochtener Kapitän eines starken Teams starten. So eine Gelegenheit war sehr rar, gerade für so einen jungen Fahrer. Er fühlte sich zwar stark genug, gegen Moreau und Caucchioli anzukommen, aber würde er auch die Erwartungen der Teamleitung erfüllen und beim Kampf um den Toursieg vorne mitfahren können? Das würde sich erst noch zeigen müssen.
Sein erstes großes Ziel in diesem Jahr war die Tour de Romandie. Dort würde er die Gelegenheit haben, sich mit der Weltspitze zu messen, um seinen Trainingsplan besser abstimmen zu können. Gleichzeitig war es für ihn eine Möglichkeit, eine Rundfahrt zu gewinnen. Und das würde ihm helfen, bei der Tour dem Druck standzuhalten. Und wenn er den Giro ausließ, hätte er noch genug Zeit bis zur Tour und würde nicht übermäßig Körner verschiessen. Vielleicht nächstes Jahr, musste er sich lächelnd eingestehen. Ja, der Toursieg schien garnicht so unmöglich, wie noch vor einem Monat, oder gar einem Jahr. Einmal in der Rolle des Kapitäns, hatte er sich mittlerweile daran gewöhnt.
Von Dave hatte er seit Paris nichts mehr gehört, aber Tobias war ihn schon einige Male besuchen gekommen. Er schrieb weiter eine Serie über ihn, und als freier Reporter war er nicht an ein Magazin gebunden. Nach dem großen Erfolg seiner Artikel während der Vuelta hatten ihn einige andere Radsportmagazine versucht, abzuwerben, aber die Redaktion vom "Gegensatz" hatte kurzerhand das Gehalt von Schuster verdoppelt, was natürlich in seine Entscheidung mit einfloss. Insgesamt aber konnten sie durchaus zufrieden sein. Durch die Berichterstattung so nahe am Sportler, mit vielen, vermeintlichen, Einblicken war Zeres zu einem der beliebtesten Radfahrern in Deutschland geworden.
Das Problem des fehlenden sportlichen Beraters von Jerdona war somit für Tobias nicht nur als Freund sondern auch im Hinblick auf seine Karriere zu einer wichtigen Frage geworden. Nach intensiven Umsehen waren sie beide auf Emanuel gestossen, der bei Euskaltel Assistent des sportlichen Leiters gewesen war. Er und Jerdona hatten sich schon während seiner Zeit im Baskenteam gut verstanden, und nachdem Emanuel auch am Ende der Saison das Team verlassen hatte waren sie sich schnell einig geworden. Emanuel Feriola war, trotz seiner Jugend, äußerst fähig, was seinen schnellen Aufstieg bei Euskaltel erklärte. Er war in seiner Jugend ebenfalls Radsportler gewesen, hatte nach einigen Verletzungen jedoch auf die Betreuerseite gewechselt. Da Radsport seine Berufung war, kam ein aufhören für ihn nie in Betracht.
Morgen wollte Emanuel ihn besuchen kommen, um sein Training zu begutachten und gemeinsam mit ihm die nächste Saison zu planen. Das Emanuel selber noch jung und relativ unerfahren war, kam Zeres gerade recht. Ein alter, neunmalkluger Patron, der ihn unter seine Fittiche nahm... Nein, er wollte selber die Entscheidungen treffen, nur brauchte er dazu eine zweite Instanz. Jemanden der ihn immer überwachte, ihm die Wahrheit ins Gesicht sagte, die Zeit hatte, sich mit seinen Gegnern vertraut zu machen, die neusten Entwicklungen im Auge zu behalten. Emanuel war weniger Berater sondern eher sportlicher Assistent. Er sprach nicht für Zeres, war aber trotzdem schon innerhalb der letzten Woche zum wichtigen Bestandteil für seinen Sport geworden.
Mit so jemandem im Rücken fühlte er sich stark genug für die nächste Saison. Mit den Jungs von Credit Agricole würde er erst nach Sylvester Anfangen zu trainieren. Bis dahin mussten aber schon wichtige Grundsteine gelegt werden. Also nichts wie ran an die Arbeit!

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328748Beitrag arkon
29.1.2006 - 17:06

Bild
Grüße von unten
12. Dezember


Hallo Fans,
Ich hoffe ihr friert nicht zu sehr, da oben in Deutschland. Ich habs auf jedenfall hübsch warm hier unten. Ich bin immer noch mit dem Team in Australien am Trainieren, und ich muss wirklich sagen, das ich zufrieden bin. Es ist toll, mit den echten, großen Radfahrern zu fahren. Floyd Llandis liegt ein Zimmer neben mir, ich teile mein Schlafgemach mit Victor Hugo Pena. Unglaublich! Aber daran kann ich mich gut und gerne gewöhnen ;).
Wir sind zur Zeit in den Vororten von Sydney. Von hier aus können wir schöne, flache Auslaustrecken die Küste entlang fahren oder, wie in den letzten Tagen, die Blue Mountains durchpflügen. So früh in der Saison kann ich noch relativ gut mithalten, wenn es mal steiler wird. Aber mein Hauptaugenmerk liegt nach wie vor auf meinen Zeitfahrfertigkeiten.
Ein weiterer Vorteil von Sydney: Die olympische Zeitfahrstrecke von 2000 ist quasi vor der Tür! Wir sind schon ein paar mal da trainieren gefahren, aber das intensive Training dort wird erst nächste Woche angegangen. Aber dann bin ich mal in meinem Terrain und kann ein bisschen austeilen ;). Mal sehen, wie Santiago Botero drauf ist. Bei der Vuelta hatte er ja gut Dampf unter der Haube!
So, jetzt gibts es gleich schon wieder Mittag. Als Radsportler muss man ja ohnehin den ganzen Tag essen. Bei euch müsste es früher Morgen sein... oder so... ;)

euer Fabian

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 328835Beitrag arkon
30.1.2006 - 15:15

13. Dezember, Rom

Manches änderte sich wirklich nie. Selbst wenn die Welt zusammenbrach, umstürzte, die Weltordnung sich innerhalb weniger Wochen umzukehren schien, das Spiel blieb doch immer das gleiche. Auch wenn die Spieler andere waren, die Hinterleute sich verändert hatten, das Spiel selbst war das gleiche. Und ebenso konnte er sich noch, wie früher, auf seine Instinkte verlassen. Oder wenigstens hoffte er das.
Ein wenig vorsichtiger als sonst war er schon, als er die Via del Corso hinabging. Öfters blieb er stehen, betrachtete Schaufenster, schoss Fotos von Seitengassen, feilschte ein bisschen mit Strassenhändlern. Die kalte Jahreszeit kam ihm zugute. Obwohl immer noch eine Menge Leute unterwegs waren konnte man es nur schwerlich mit dem Gedränge im Sommer vergleichen. Während er so sicherlich auf längere Distanz zu sehen war, konnte er seine Verfolger im Gegenzug auch leichter ausmachen. Und mit seiner Erfahrung besaß er einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Als er im Strassencafe eintraf, hatte er immer noch nichts entdeckt, was ihn ein bisschen beruhigte. Er setzte sich zu einem offensichtlich italienischen Mann an den Tisch. Seine schwarze Lederjacke, die dunkle Hautfarbe, seine Haare...
"Du machst dich Aleksei. Hätt dich fast nich erkannt"
Der Russe musste lächeln. "Und dir würde ich das noch fast glauben, Dave" Er winkte nach dem Kellner. "Ausserdem heiß ich jetzt Gino Forenzo. Die Marktwirtschaft ruft"
Nur kurz blickte Dave seinem Gegenüber in die Augen. Die offensichtliche Kälte am Tisch verstärkte der Russe noch mit einer Sonnenbrille, die er aufsetzte.
"Bitte einen Cappucino für meinen Freund hier" bestellte Aleksei oder Gino auf Italienisch.
"Ich sehe du bildest dich. Wieviele Sprachen kannst du jetzt muttersprachlich, 3?"
"An deine 4 komme ich leider immer noch nicht heran" entgegnete der Russe. "Aber lass uns zum Geschäft kommen. Wie ich höre, läuft es bei dir ganz prächtig. Hat dir Paris gefallen?"
Für einen Moment setzte fast sein Herzschlag aus. Wie konnte Aleksei davon wissen? Was hatte er überhaupt damit zu tun? Oder hatte er einfach gut geraten? Unwahrscheinlich. Und wenn er durch Zufall... Sein Pokerface konnte er wahren.
"Du weisst ja wie das ist. Zu viel Arbeit, man verlässt kaum das Hotel."
Ein vielsagendes Lächeln war seine Antwort.
"Dafür warst du aber verdammt Nachtaktiv. Und um ein Haar..."
"Ich bin zufrieden"
"Ich eigentlich auch. Aber genauso wie du versuche ich immer, in neue Bereiche einzusteigen. Und da ist mir doch jemand untergekommen..."
Ein verkniffenes Lachen.
"Ein netter Junge, Russe, und zufällig noch ohne Vertrag."
"Und was hab ich zu tun?"
Dave's Plauderton war harter Sachlichkeit gewichen.
"Ich hörte, du kennst da jemanden. Und der Junge ist wirklich gut. 22, Russe, noch völlig unbekannt, aber ein großes Talent."
"Du willst einen Radsportvertrag?"
"Du hast es erfasst. Und zwar für die kommende Saison."
"Was ist mit dem Jungen? War er dabei? Will er ein paar Sachen für gutes Geld direkt unter die Leute bringen? Oder fickst du seine Mutter?"
Ein kleiner Lacher.
"Nichts von alledem, obwohl das letzte der Wahrheit wohl am nächsten kommt."
Woher zum Teufel wusste Aleksei so gut bescheid?
"Dave, ich brauche zur Abwechslung mal deine Hilfe" schob Gino nach, als keine Antwort kam. "Eine Gelegenheit für dich, dich zu Revanchieren. Komm schon. Du kannst dir den Knaben auch mal anschauen. Kannst auch Tobias mitbringen."
Wieder ein eiskalter Schauer, der seinen Rücken hinunterlief. Er hatte ihm nie etwas von Tobias erzählt. Er hatte seinen Gegner fatal unterschätzt. Und nun war er in seiner Hand. Die Möglichkeiten für ihn waren äußerst beschränkt. Er beugte sich nach vorne, packte Gino um die Schulter und redete leise und eindringlich.
"Die Runde geht an dich. Aber ich komme wieder. Und Gnade dir Gott vor meiner Rache. Auch deine neuen Freunde können dir nur begrenzt helfen. Du hast Geld? Toll. Deine Kontakte sind noch die alten, auch wenn du jetzt wahrscheinlich ein paar Jungs fürs grobe hast. Aber ich krieg dich, verlass dich drauf."
Er lehnte sich wieder zurück, nahm einen Schluck von seinem Capuccino und fixierte Aleksei über die Tasse hinweg. Dieser lächelte seinen Gegenüber wieder an. "Eine goldene Kuh schlachtet man nicht. Und das ist auch schon der einzige Grund, warum du lebst. Mach dich besser unentbehrlich, sonst atmets sich irgendwann erheblich schwerer."
Er kramte aus seiner Manteltasche einen Zettel hervor.
"Hier. Ich hoffe, du weisst, was du zu tun hast"
Ohne ein weiteres Wort stand er auf, legte ein paar Geldscheine hin und ging. Dave warf ihm keinen Blick hinterher.
"Yuri Madarkady" las er leise vom Zettel vor. Er hatte ein volles Programm in den nächsten Tagen.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 329072Beitrag arkon
31.1.2006 - 22:07

16. Dezember, Bilbao

Er hatte sich diesmal wirklich beeilt. Viel Zeit blieb ihm auch nicht, wenn er noch irgendetwas reissen wollte. Die Saison stand vor der Tür und er würde schon noch ein bisschen Zeit brauchen, Yuri Madarkady in ein Pro-Tour Team reinzumogeln. Denn obwohl Aleksei das nicht ausdrücklich gesagt hatte, war es schon relativ klar, das er nur mit einem Pro-Tour-Vetrag zufrieden sein würde. Das ließ ihm eigentlich nur zwei Möglichkeiten...
Entgegen der üblichen Vorurteile war die beste Einbruchszeit nicht mitten in der Nacht, wenn alle zu Hause waren und Licht und Geräusche stark auffielen, sondern am hellichten Tag. Man musste nur den richtigen Moment abpassen. Und weil er kein Amateur war, investierte er ein wenig Arbeit in sein Vorhaben. Seit zwei Tagen schon "observierte" er das Haus von Ronsino Baldo, und schon nach dieser kurzen Zeit konnte er einen relativ deutlichen Zyklus erkennen: Jeweils um 9 Uhr morgens verließ er sein Haus und machte sich auf den Weg in das Büro. Er kam erst abends wieder, noch nichteinmal eine Mittagspause, die das ganze noch ein wenig verkompliziert hätte. Fast schon langweilig.
Aber Dave war nicht alt in diesem Geschäft geworden, indem er sich auf Zufälle verließ. Die üblichen Sicherheitsvorkehrungen wurden natürlich getroffen: Die Handwerkerkleidung, ein kleiner, unauffälliger Sensor an der Haustür, die Karte vom Schlüsseldienst und natürlich ein unterschriebener Auftrag. Nicht gut genug, um die Polizei zu täuschen, aber Nachbarn, die eventuell auf ihn aufmerksam wurden, konnte er damit auf bessere Gedanken bringen. Komplettiert natürlich durch eine Sonnenbrille und eine Capy. Hier kamen ihm die örtlichen klimatischen Bedingungen natürlich zugute.
Nachdem Ronsino das Haus, wie üblich, um 9 verlassen hatte und Dave eine Stunde zur Sicherheit abgewartet hatte, packte er sein Zeug zusammen und ging forschen Schrittes hinüber zum Haus. Nur kein Aufsehen erregen. Wie selbstverständlich klingelte er an einer der oberen Wohnungen. Ungewöhnlich genug, das die Haustür überhaupt abgeschlossen war. Kurz das Brummen abwarten, eintreten und schnell den Sensor aus seiner Tasche holen. Kurz die Klebefolie an der Rückseite abziehen, denn Sensor hinter der Tür platzieren, einschalten, perfekt!
Gut hörbar stapfte er zwei Etagen nach oben. Danach bog er in den Flur ab und ging einige Schritte, bevor er innehielt und lauschte. War etwas zu hören? Vorsichtig schlich er zurück und ein weiteres Stockwerk nach oben. Wieder eine kleine Vorsichtsmaßnahme, aber eine, die leicht zu realisieren war. Fast blind fand er die Haustür von Ronsino. Ein kurzer Blick nach beiden Seiten reichte ihm aus, bevor er wieder in seine Tasche griff und sich an dem Schloss zu schaffen machte. Das leise klicken des elektrischen Dietrichs hallte unnatürlich laut durch den Hausflur. Er verfluchte sich, das er ihn nicht noch ein bisschen besser geölt hatte, aber dafür war es jetzt zuspät. Er funktionierte aber auch so einwandfrei und innerhalb von etwas mehr als einer Minute war die Tür offen.
Wohnungen hatte er schon etwas länger nicht mehr durchsucht. Es hatte für ihn immer etwas sehr pietätsloses, andere Leute Sachen zu durchwühlen. Das war insbesondere komisch, als das er überhaupt kein Problem mit... anderen Dingen hatte. Aber was solls, es hatte ihn bisher auch noch nie davon abgehalten, es letztendlich doch zu tun. Aber zuerst musste er sich den Recorder schnappen. Er ging zu dem Sessel, ein kleiner Handgriff... und er fühlte nichts. Verdammt. Wie konnte er auch ernsthaft annehmen, das drei Monate lang niemand ordentlich in seinem Wohnzimmer aufräumen würde? Doch, da war er! Glück gehabt. Nicht, das es schlimm gewesen wäre, ihn zu verlieren. Auch Ronsino hätte nicht viel damit anfangen können. Aber es würde ihm vielleicht doch einige wichtige Dinge verraten. Schnell verstaute er den kleinen Rekorder in seiner Jacke. Gerade wollte er sich an dem Rest der Wohnung zu schaffen machen, als er einen Schlüssel im Schloss hörte. Verdammt. Hatte Ronsino etwa den Hintereingang benutzt? Egal, es blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Er stand ja immer noch mitten in der Wohnung....

Ronsino Baldo kam fröhlich pfeifend in durch die Tür herein. Heute hatte er sich endlich mal früher von der Arbeit losreissen können, hatte noch ein paar Sachen eingekauft und freute sich auf einen Nachmittag zu Hause. Er stellte die Einkaufstüte in der Garderobe ab, hängte seine Jacke in der Garderobe auf, nahm die Tüte wieder in die Hand...

Der Knall war fast ein bisschen laut. Er fing Ronsino schnell auf, bevor er auf den Boden krachte. Aber der Knall des Kolbens, der auf den Schädel krachte, war schon laut genug gewesen. Jetzt hieß es schnell handeln. Er widerstand dem Instinkt, aus der Wohnung zu rennen, nach Hause zu fahren und alles hinter sich zu lassen. Die Routine half ihm.
Er hastete durch die Wohnung und versuchte, wahllos ein bisschen herumzuwühlen. Es sollte nach einem Einbrecher aussehen, der überrascht worden war. Ein paar Schubladen herausgezogen und ausgekippt, ein paar Wertgegenstände eingesteckt, aber nur kleine, handliche Sachen. Dann griff er sich noch die Aktentasche, die Ronsino netterweise mitgebracht hatte. Ein Stöhnen aus der Richtung des Teamarztes erinnerte ihn schließlich wieder an die Zeit, die gegen ihn arbeitete.
2 Minuten später saß er wieder in seinem Wagen und fuhr möglichst normal an. Die Sachen, welche er aus der Wohnung hatte mitgehen lassen, schmiss er unterwegs in irgendein Gebüsch. Er hatte, was er wollte, und noch einiges mehr.
Zuletzt geändert von arkon am 9.5.2006 - 0:12, insgesamt 1-mal geändert.

Antworten