Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 329106Beitrag arkon
1.2.2006 - 11:46

Bild
Julian Gorospe in der Kritik
Euskaltel-Teamchef muss sich gegen schwere Vorwürfe verteidigen

Man ist es eigentlich eher vom Fußball gewöhnt: Nach einer schlechten Saison muss sich der Trainer zur Wehr setzen, verteidigen gegen den Vorwurf, alles läge an ihm. Das diese Sitte nun auch im Radsport Einzug hält, ist eher ein trauriges Zeichen. Aber genau das passiert gerade im Baskenland, Heimat des Euskaltel-Euskadi Teams. Dort ist Julian Gorospe in die Kritik geraten. Grund ist vor allem das schlechte Abschneiden des Teams in dieser Saison. Bis auf den zweiten Platz und den Gewinn des Bergtrikots bei der Vuelta gab es nicht viel zu feiern. Schlimmer noch, der vermeintlich stärkste Fahrer der Saison in dem kleinen, orangen Team wurde das ganze Jahr ein wenig gedeckelt, strampelte sich bei der Friedensfahrt statt bei der Tour ab. Und als ob das noch nicht genug wäre, hat dieser beste Euskaltel-Fahrer Jerdona Zeres auch noch das Team verlassen. Nicht, weil er nicht hätte bleiben wollen, sondern weil das Management aus 'persönlichen Gründen' eine Verhandlung ablehnte. Die Dropingaffäre des Stars fiel indes zu einem nicht unbedeutendem Teil auf das Team selbst zurück. Und selbst daraus konnte kein Kapital geschlagen werden: Mit Credit Agricole sicherte sich ein französisches Team die wohl vielversprechendste spanische Hoffnung, neben Alejandro Valverde. Auch hier waren keine finanziellen, sondern persönliche Motive am Werk.
Genug Zündstoff also, um den Mann an der Spitze, Julian Gorospe, ordentlich die Hölle heiß zu machen. Anders als im Fußball kann der Teamchef aber nicht so einfach gefeuert werden. Das Management kann ihn seines Amtes entheben, wenn er nicht schon vorher selber zurückgetreten ist, weil der Druck zu groß wurde. Beide Wege werden gerade beschritten, und nach dem aktuellen Stand der Dinge sieht es so aus, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Julian Gorospe einen Nachfolger braucht. Beängstigende Zeichen für die Teamchefs auch hierzulande.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 329244Beitrag arkon
2.2.2006 - 0:45

16. Dezember, Elgea

Sein Training wurde ruhiger. Er gönnte seinem Körper noch einmal eine Pause vor Beginn des eigentlichen Trainings, ohne ihn aber völlig absacken zu lassen. Das war auch nötig. Erst als er ein bisschen Pause machte, merkte er, wie sehr er sich danach sehnte. Danach, lange zu schlafen, abends mal wegzugehen, ein paar Leute kennen zu lernen, mal einen Schluck zu trinken, zu Essen, was ihm gefiel... Er hatte seine Winterpause in diesem Jahr kruzgehalten wie nie zuvor. Zum ersten mal seit langer Zeit war die Motivation wieder voll da. Am liebsten würde er den ganzen Tag Radfahren, den ganze Winter über. Aber er musste seine Reserven schonen, Energie aufladen, die er in der Saison sicher noch brauchen würde.
Zusammen mit Emanuel hatte er einen Plan der Rennen aufgestellt, die er bis zur Tour fahren wollte. Daraus hatten sie einen "Masterplan" aufgestellt über die Leistungsintervalle, die er seinen Körper würde unterwerfen müssen. Training, Leistung, Regeneration. Den Einstieg plante er in Spanien bei der Vuelta Ciclista al Pais Vasco, vom 3 bis 7 April. Danach ging es weiter mit der Vuelta Ciclista a Aragon, ebenfalls in seinem Heimatland, vom 12 bis 16 April. Direkt im Anschluss würde er den Giro del Trentino in Italien bestreiten. Dann blieb ihm noch eine Pause von 3 Tagen bis zum 25. April, dem Beginn der Tour de Romandie. Bis zum 30. würde er dort um seinen ersten Rundfahrtssieg kämpfen. Das Selbstvertrauen würde er für die Tour auf jedenfall brauchen.
Danach ging es ein wenig diffuser weiter. Je nach Verfassung hatten sie noch die Clasica Internacional a Alcobendas (06.05. - 07.05.) und die Volta Ciclista a Catalunya (15.05. - 21.05.) im Auge. Hinzu kommen würde natürlich noch die Dauphinee bzw. die Tour de Suisse. Welche er hier wählen würde, war noch nicht ganz klar. Abschliessend hatte er sich schon fest die spanische Meisterschaften eingetragen. Im Meistertrikot die Tour de France in Angriff nehmen zu können, wäre schon etwas ganz besonderes.
Und nach der Tour? Soweit dachten sie noch garnicht. Wenn er tatsächlich gewinnen würde, wäre der Rest des Jahres eine einzige Triumphfahrt. Vielleicht noch einige kleinere Rennen, die Weltmeisterschaft... Möglichkeiten gab es genug. Aber so oder so würde der Fokus natürlich schon in der Nachsaison wieder der Tour gelten. Es sei denn, er würde sie, warum auch immer, nicht wieder fahren wollen. Aber wenn er tatsächlich um den Sieg würde mitstreiten können, dann stand das ausser Frage.
Insgesamt war er Recht zufrieden. Der Weg in die Saison schien geebnet. Von sich aus war er für den Winter so stark auf Tour eingestellt, wie man zu dieser Jahreszeit nur sein konnte. Das andere große Fragezeichen war natürlich sein Team. Er würde sich noch etwas gedulden müssen, bis er seine Kollegen für die nächsten 2 Jahre würde kennenlernen können. Würde er mit ihnen klarkommen? Konnte er sich in einem ausländischen Team integrieren? Würden Moreau und Caucchioli sich seinem Herrschaftsanspruch beugen, oder standen im innerteamliche Spannungen bevor? Die Antworten auf diese Fragen drängte ihn sehr, würde von ihnen doch zu einem wesentlichen Teil sein Abschneiden bei der Tour abhängen. Aber wie's aussah musste er sich wohl noch ein wenig gedulden.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 329604Beitrag arkon
4.2.2006 - 0:56

18. Dezember, Elgea

Eigentlich hatte Dave nicht vorgehabt, in diesem Winter oder überhaupt jemals Jerdona beim Training zu besuchen. Aber genauso, wie er mit jedem neuen Tag tiefer in den Radsport verwickelt wurde, so änderten sich auch seine Vorsätze. Sein Leihwagen preschte die kleine Straße zum noch kleineren Ort hoch. Elgea war ein Nest mit vielleicht ein bis zwei Hundert Einwohnern, wunderschön gelegen zwischen den Bergen in der Nähe von Vittoria, direkt neben einem See, dessen Namen er sich nicht merken konnte. Jerdona war hier nicht geboren worden, aber im Laufe seines Radfahrerlebens hierher gezogen, um ungestörter trainieren zu können. Dave konnte zwar nicht verstehen, wie ein Mensch mit 23 Jahren freiwillig den gesamten Herbst und Winter eingesperrt in einer viel zu kleinen Wohnung in einem noch kleineren Dorf zu verbringen, aber an die Ruhe und die Aussicht hier oben könnte er sich gewöhnen. Vielleicht, in ein paar Jahren, wenn er selber genug beiseite gelegt hatte und den Job nicht mehr machen musste...
Den Job? Welchen Job? Er war nirgendwo angestellt, bekam lediglich hier und da etwas Geld zugesteckt. Er hatte keinen festen Auftraggeber, niemanden, der ihn mit Material versorgte... Er tat eigentlich gerade genau das, was er seit Jahren machen wollte: Eigentlich das gleiche, aber nur für seine Seite. Niemand schrieb ihm vor, auf wen der nächste Schlag abzielen sollte. Wenn ihm jemand ans Bein pinkelte, dann stand es ihm frei, sich zu rächen. Klar, damals, in Staatsdiensten, hatte er immer "hard intelligence", wie man es nannte, bekommen, neue Ausrüstung (soweit diese seinem damaligen Ausrüster zur Verfügung stand) und, wenn auch nicht viel, so doch einen sicheren Betrag Geld. Ihm war es immer frei gestellt gewesen, sich woanders hin versetzen zu lassen. Aber mit den Änderungen, die die Welt in den letzten Jahren durchgemacht hatte... Zuerst war er vom Staatsdienst quasi nahtlos privat übernommen worden, zusammen mit fast allen Kollegen. Mehr Geld, bessere Ausrüstung, weniger Hintergrundberichte, weniger Sicherheit. Aber immer noch ein großer Wille, dem er sich unterwerfen musste. Erst in den letzten Jahre hatte er sich "selbstständig" gemacht. Und dank Tobias lohnte es sich für ihn auch. So wie in Jerdonas Fall. Der gute wusste wahrscheinlich weder, an wen er geraten war, noch, wie viel Glück er eigentlich gehabt hatte. Naja, hauptsache er würde es irgendwann erkennen, wenn er selber genug Geld in der Tasche hatte. Auch Dave musste etwas essen.
Dank der guten Wegbeschreibung fand er Jerdonas Haus relativ schnell. Er stellte seinen Wagen ab und betrachtete es aus der Nähe. Haus war vielleicht etwas zu viel gesagt. Eine baufällige Hütte mit vielleicht 2 bis 3 Zimmern, eingequetscht zwischen einem größeren Haus und einer Steinwand, die wohl in den Fels getrieben worden war, um das Dorf vor Steinschlag zu schützen. Trotzdem gefiel es ihm hier auf anhieb. Diese spanische Atmosphäre, die ihn sofort erschlug, war einfach traumhaft. Viel zu klischeehaft, um wirklich zu sein. Er pochte kurz gegen die Tür und wartete, bis er sicher war, das niemand da war.
Langsam schlenderte er die Straße hinab ins Dorfzentrum. Jerdonas Haus stand am Nordende, dem höchsten Punkt der Siedlung. 100 m die Straße hinab befand sich schon der Brunnen, welcher wohl früher zentraler Punkt der Stadt gewesen war. Zweckmäßigerweise hatten sich die meisten Häuser unterhalb angesiedelt, damit die Einwohner die leeren Eimer bergauf und die vollen bergab schleppen konnten. Hier war auch heute noch das 'soziale Zentrum', wenn man bei einem Kaffee, einem Kramladen und einem sehr verlassen wirkenden Post/Bank Verschnitt von so etwas sprechen konnte. Dave verliebte sich fast augenblicklich in diese Szenerie, in der er mit Sonnenbrille, Handy und Jeans wie von einem anderen Planeten wirkte.
Er setzte sich an einen Tisch, bestellte sich einen Kaffee (trank man hier so etwas?) und fragte den Kellner, einen jungen, aufgeweckten Burschen, nach Jerdona. "Ach der, kein Ahnung, wo der heute wieder steckt. Emanuel und er fahren jeden Tag hoch in die Berge und trainieren da. Sie kommen meistens so in" ein kurzer Blick auf die Uhr "einer halben Stunde her. Wenn sie hierbleiben, treffen Sie sie sicher!" Dave bedankte sich und nahm die Auszeit gerne in Kauf. Eine halbe Stunde Zeit darüber nachzudenken, wie es weitergehen sollte. Ihm fehlte immer noch ein längerfristigerer Plan...
Die Bremsen quietschten nur leise, als Jerdona schlitternd vor dem Cafe zum stehen kam. Die Männer an den Tischen schauten auf und begrüßten ihn alle, als er herüber kam, seinen Helm unterm Arm und ein paar Worte mit ihnen wechselte. Sie flachsten ein wenig über das Training, den Radsport und Gott und die Welt. Jerdona bemerkte Dave und grüßte ihn, tauschte aber noch der Höflichkeit halber ein paar Worte mit den Dorfältesten.
In der Zwischenzeit kam schon ein anderer junger Mann die Straße heruntergelaufen, auch er wurde begrüßt. Es musste wohl Emanuel sein. Tobias hatte Dave ein wenig über ihn erzählt, aber selber kennengelernt hatten sie sich noch nicht. Als Jerdona ihn bemerkte, winkte er ihn zu sich herrüber und gemeinsam gingen sie zu Dave, wo sie einander vorgestellt wurden. Nach den üblichen einleitenden Floskeln verdünnisierte sich Jerdona auch schon, "Ich muss kurz noch Duschen".
Während Dave also weiter seinen Kaffee schlürfte, sich die richtigen Worte zurecht legte und auf Jerdona wartete unterhielt er sich ein wenig mit Emanuel. Die Fachkentniss, die der junge Mann an den Tag legte und die Begeisterung, mit der er seinen Gegenüber schon innerhalb dieses kurzen Gespräches in die diffizielen sportlichen Feinheiten des Radsports einführte, hätte auch einen Radsportkommentator beeindruckt. So aber hatte er für ihn nur große Augen übrig. Er hatte sich eigentlich schon immer recht viel um seine Gesundheit und seinen Körper gekümmert, musste aber anerkennen, das ihm zum Niveau eines modernen Leistungssportler noch so einiges fehlte.
"He Dave, schön das du vorbei kommst" begrüßte ihn Jerdona endlich. "Schön, das du in so einem schönen Dorf wohnst. Es hätte mich schlimmer treffen können" flachste er zurück, setzte aber dann dazu "Jerdona, ich muss mit dir unter vier Augen reden". Emanuel stand schneller auf, als er den Satz ausgesprochen hatte, verabschiedete sich kurz und setzte sich an den Nebentisch.
"Es gibt da ein Problem" Dave stellte kurz die Situation dar, ließ aber natürlich die wahren Hintergründe, wer Aleksei war und wie das alles zusammenhing, aus.
"Yuri Madarkady? Noch nie gehört" entgegnete Jerdona, nachdem er geendet hatte. "Aber ich bin mir sicher, das ich ihn im Team unterkriege, wenn ich Legeay persönlich frage. Ich habe bei ihm einen ziemlichen Bonus, ich bin ja irgendwie jetzt der neue Star der Mannschaft" er musste, trotz der Situation grinsen. "Was, glaubst du, kann Aleksei schlimmstenfalls tun?"
"Naja, er weiß von Paris. Wenn er das ausplaudert, wird man schon irgendwie rekonstruieren können, das in der Nacht Besuch da war, der ohne weiteres auch an die Proben hätte herankommen können. Beweisen kann er nichts, aber alleine schon wenn eine Untersuchungskomission eingesetzt wird, wäre deinem Ruf geschadet. Und so streng, wie du danach sicherlich überwacht werden würdest, wäre es ein leichtes, dir nochmal was unterzuschieben. Das wäre dann, Publicitytechnisch, dein Ende. Sportlich kann man vielleicht nochwas drehen, aber wenn dich kein Team mehr bei einer GT als Kapitän einsetzt..."
Das Thema war eigentlich viel zu schön für so einen Tag. Obwohl es natürlich auch hier etwas kühl war, schien die Sonne doch prächtig wie eh und je, und hätte man ohne Pulli herumlaufen können...
"Ich werde es versuchen. Ich kann nix versprechen" Eine Pause "Was ist eigentlich bei dem Rekorder in Ronsinos Wohnung herumgekommen? Du hattest ihn doch da platziert?" "Naja, sagen wir: Auswertung läuft noch. Ich habe ihn wieder, aber ich brauche ein bisschen Zeit zum akustischen Aufbereiten und dann natürlich zum logischen Auswerten"
Ein Nicken.
"Dave, vielen Dank für das, was du hier tust. Wenn ich meinen ersten Gehaltsscheck bekomme..." "Alles klar. Ich vertrau auf dein Fairness in finanzieller Hinsicht. Und solange du nicht umziehst..."

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 329704Beitrag arkon
5.2.2006 - 12:10

bevor ich weitermache, vor allem mit der story, muss ich mal fragen, wieviel ihr von dem, was bisher geschah, verstanden habt. und damit mein ich nicht den einbruch in paris, sondern eher sowas wie "was hat dave vorher gemacht?" "woher kennen sich er und aleksei?". auch erwünscht ist natürlich kritik an dieser storyline. besser jetzt als später, denn die wird noch ausgebaut ;).
am besten per pn, damit die ergebnisse die anderen nicht beeinflussen. aber dann gehts auch hoffentlich schon heute abend weiter. danke sehr!

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 330310Beitrag arkon
9.2.2006 - 0:35

Bild
Moreau-Wechsel geplatzt

Der Wechsel von Christoph Moreau von seinem langjährigen Rennstall Credit Agricole hin zu Ag2r ist geplatzt. Wie die Pressestelle berichtete konnten sich die beiden Teams nicht auf eine Ablösesumme einigen. Moreaus Wechsel stand im Raum nachdem Ag2r mit Mancebo zum Großangriff auf die Tour geblasen hatte. Um dieses Ziel zu verwirklichen sollte eben unter anderem auch Christoph Moreau als erfahrener und, vor allem in Frankreich, beliebter Tourfahrer angeheuert werden. Aber wie jetzt bekannt wurde war Moreau der Führung von Credit Agricole doch zu wichtig um ihn herzugeben. Sie benötigen seine Expertise ebenfalls für einen Toursieg, und zwar den es jungen Basken Jerdona Zeres. Der zweite der letzten Vuelta war vor einigen Monaten mit großen Ambitionen in das Team gekommen, damals noch mit dem festen Versprechen in Frankreich Caucchioli und eben Moreau an seiner Seite zu haben. Diese Dreierspitze bleibt nun erhalten.
Spannend bleibt es natürlich nach wie vor, ob Jerdona Zeres dem Druck von aussen standhalten kann und in Frankreich als Kapitän an den Start gehen wird. Die starken Helfer im eigenen Team sind, gerade für einen so jungen Fahrer, wahrscheinlich eher ein Fluch denn ein Segen. Immerhin hat er bisher nur einen wirklich hervorragenden Auftritt in der Weltöffentlichkeit gehabt und er wäre nicht der erste, der diesem keinen zweiten folgen lässt.
Zeres trainiert derweil noch verbissen in Spanien. Er plant seinen ersten Saisonauftritt erst am 3. April in seinem Heimatland bei der Vuelta Ciclista al Pais Vasco. Seine Formkurve dürfte sich aber stark auf den Sommer ausrichten, so dass sein Frühjahr keinen wirklichen Aussagewert über seine wahre Leistungsbereitschaft in diesem Jahr bereithalten dürfte. Das erste Training mit dem neuen Team ist im Januar angesetzt, die Präsentation folgt.

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 330313Beitrag arkon
9.2.2006 - 1:08

Bild
Schönes neues Jahr
1. Januar


Hallo Fans,
Wie die Überschrift schon sagt: Ein schönes neues Jahr! Oder besser: Happy new year! Denn ich bin immer noch in Australien am trainieren. Langsam aber nähern sich unsere 'Ferien' hier dem Ende, es geht wieder nach Europa zurück. Natürlich bis auf die, die hier in wenigen Tagen die Tour Down Under fahren werden. Ich gehöre nicht dazu. Vor ein paar Tagen habe ich mit Trainer und Teamchef zusammen meinen Saisonplan festgelegt. Die Tour steht jetzt endültig fest im Programm!! Endlich.
Davor werde ich mich ein bisschen warmrollen in kleineren Rundfahrten, die alle nicht allzu schwere Etappen, dafür aber Zeitfahren haben ;).
Den Einstieg wage ich am 25. März beim Criterium International. Danach gehts am 5. April zur Tour de la Sarthe, am 26. zur Semena a Castilla y León (hab ich auch noch wenig von gehört gehabt...). Danach gehts in die Heimat: Vom 24. bis 28.05.2006 könnt ihr mich alle bei der Bayernrundfahrt besuchen. Das lange Abschlusszeitfahren da dürfte mir liegen. Vielleicht reichts ja...
Danach folgen Tour de Suisse oder die Dauphiné. Was genau wird dann spontan von der Teamleitung entschieden, je nachdem, wie sich der Tourkader entwickelt und wer noch mehr miteinander fahren muss. Auch für die Kapitäne bei uns ist das noch nicht geklärt. Egal, hauptsache es gibt ein Zeitfahren zum Abstauben ;). Die deutschen Zeitfahrmeisterschaften lass ich mir natürlich auch nicht entgehen, beim Strassenwettbewerb werd ich aber eher nur mitrollen.
Und dann... dann gibt es die Tour! Ich freu mich schon besonders auf die langen Zeitfahren. Im Prolog dürfte es schwierig werden sich auf 7 Kilometern schon abzusetzen. Das wird wohl, besonders bei der Konkurrenz, eine Glücksangelegenheit. Ich schiele schon ein bisschen auf das erste lange Zeitfahren von Saint-Grégoire nach Rennes. 52 km lang. Hier rechne ich mir, trotz der sicherlich beinharten Konkurrenz, vor allem durch Jan Ullrich, durchaus Chancen aus. Mein Vorteil ist, das ich in den Bergen keine Kraft mehr brauche. Aber Jan wird alles versuchen um der Konkurrenz schon bei diesem ersten richtigen Test viel Zeit abzunehmen. Wir werden sehen...
Ein langes und hoffentlich erfolgreiches Jahr liegt also vor mir. Ich hoffe, ihr habt auch so viele tolle Pläne wie ich. Dankeschön auch für die vielen Fanbriefe, die mich auch noch hier unten erreichen. Ich freu mich über jeden einzelnen!

euer

Fabian Schmidt

slomi
Beiträge: 18
Registriert: 7.10.2005 - 19:21
Kontaktdaten:

Beitrag: # 330460Beitrag slomi
9.2.2006 - 21:42

zu der AAR kann ich einfachimmer wieder nur sagen: "genialst".

übernimmst du eigentlich die transfers von den "echten" oder wirds da starke Änderungen geben?

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 330469Beitrag arkon
9.2.2006 - 22:41

Bild
Julian Gorospe abgelöst!

Gestern wurde die baskische Radsportwelt von der Nachricht erschüttert, das Julian Gorospe als Teamchef von Euskaltel zurückgetreten sei. Der erfahrene Teamlenker war in den letzten Monaten zunehmend in die Kritik geraten, nachdem das Team die selbstgesteckten Saisonziele nicht annähernd erreichen konnte und auch noch den einzigen Star der Saison, Jerdona Zeres, ziehen lies.
Noch überraschender dürfte allerdings der Nachfolger sein, Ronsino Baldo, vormals Teamarzt bei den Basken. Er sammelte schon in diversen kleineren Rennställen Erfahrungen als Lenker und Walter und gilt als einer der größten Kenner der baskischen Radsportszene. Trotzdem ist der Sprung vom Arzt zum Manager natürlich ein wenig überraschend. Es wird gemunkelt, das Baldo den Geldgebern des Teams näher steht als Gorospe, was diesen noch zusätzlich unter Druck gesetzt haben soll.
Für die neue Saison baut das Team wohl wieder auf die altbekannte Bergfahrertruppe. Iban Mayo gilt als gesetzter Kapitän, muss sich aber noch von Sturzverletzungen im Vorfeld der Vuelta erholen. Und ob er selbst dann an altes Leistungsniveau anknüpfen kann, gilt als fraglich. In den letzten zwei Jahren konnte er nur 2004 bei der Dauphinee wirklich glänzen. Daneben gibt es noch eine lange Reihe weiterer Fragezeichen, echte Topfahrer kann man jedoch nicht aufbieten. Und gerade für diese Position bietet sich bei einem rein baskischen Rennstall vor allem einer an: Jerdona Zeres.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 330472Beitrag arkon
9.2.2006 - 23:01

12. Januar, irgendwo

'Scheisse' war der erste Gedanke, der Dave durch den Kopf schoss, nachdem er den kurzen Artikel in der Gazetta fertig gelesen hatte. Das war wirklich Scheisse. Erst vor wenigen Tagen hatte er die wiederaufbereitete Aufnahme des Rekordes aus Baldo's Wohnung von einem Freund abgeholt, der über professionelles Equipment für solche technischen Spielereien verfügte. Und auf diesem Tonband war das, was er befürchtet hatte: Nicht ein, sondern zwei Telefonanrufe von Ronsino, nachdem sie die Wohnung verlassen hatten. Das eine Gespräch galt vermutlich, wie erwartet, dem Wissenschaftler, der in diesem Pariser Labor arbeitete. Aber der andere... Dave hatte selber ein wenig gebraucht, bis er sich sicher war, aber selbst bei der dünnen und verknisterten Aufnahme war deutlich der Name des zweiten Gesprächspartners zu hören gewesen. Und als er sich sicher gewesen war, hatte er es wieder gespürt. Diese feine Schaudern, das in den Armen begann und sich die Wirbelsäule hinabzog. Das unmissverständliche Zeichen von Gefahr. Der letzte Satz hatte ihm dieses Gefühl vermittelt. Den Namen kannte er noch nicht lange, die Person jedoch schon. Viel zu lange, um genau zu sein. "Alles klar, bis dann Signore Forenzo"
Was ging vor? Zweifelsohne versuchten die neuen Arbeitgeber von Aleksei ihren Einfluss auf den Radsportzirkus zu steigern. Wetten, Sponsoren, Übertragungsrechte. Worum es ging war Dave eigentlich gleich. Die Auswirkungen dagegen nicht. Der Fall von Jerdona mochte vielleicht nur die Spitze des Eisberges sein, eine Gelegenheit, bei der der jeweilige Mittelsmann weder besonders gewissenhaft gearbeitete hatte noch vom Glück verfolgt schien. Aber konnte das schon alles sein? Wohl kaum!
Was würde er tun? Er wusste es selber nicht. Einfach so nichts tun? Auf keinen Fall. Er musste.... als erstes wohl rausfinden, mit wem er es zu tun hatte. Das schöne war auf jedenfall, das er dafür Zeit hatte. Ronsino Baldo konnte ihnen nichts anhaben, und damit stand er auch mit Aleksei zur Zeit noch in einer Patt-Situation. Aber wie er den Russen kannte würde er versuchen, das zu ändern. Sollte er. Dave würde auch nicht einfach so still halten.

die wechsel werden größtenteils übernommen, bis auf die wenigen Fälle, wo ich das explizit sage. Das neue Jahr startet mit... irgendeiner DB, noch nich ganz raus. Die Rennen werden entweder die gleichen oder selbstgebaute sein. Auf jedenfall bemühe ich mich, die Profile mal beizulegen, damit der Leser wenigstens ein bisschen näher ran kommt :D
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 331762Beitrag arkon
17.2.2006 - 0:06

Bild
Schlechte Nachrichten
28. Januar

Hallo Fans,
Nachdem die neue Saison für mich schon vor meinem ersten Start mit dem Trainingslagern und einer mehr als zufriedenstellenden Leistungskurve für mich eigentlich recht verheißungsvoll begonnen hatte muss ich nun einen ersten Rückschlag einstecken:
Beim Jogging mit einigen Kollegen aus dem Team bin ich etwas sehr böse umgeknickt und habe mir einen Bänderriss zugezogen. Glück im Unglück das ich Radfahrer bin und deswegen meine Bänder sowieso nicht allzuviel gefordert werden (jedenfalls im Idealfall ;)). Trotzdem zwingt mich die Geschichte zu einer Trainigspause und wirft mich damit natürlich in meiner Saisonplanung zurück. Natürliche würde ich mich voller Elan in meine Reha stürzen, aber leider Gottes gilt für mich gerade das wohl zermürbendste Gebot was es für einen Sportler gibt: Ruhe. Ich mache viel mit den Armen, um meine Kondition nicht in den Keller fallen zu lassen, aber ich kann quasi fühlen, wie ich langsamer werde.
Ich habe auch nochmal mit der Teamleitung über die weitere Saisonplanung gesprochen. Und so wie es aussieht werde ich die Gelegenheit haben, mich beim Giro warmzufahren! Santiago Botero wird dort wohl starten und versuchen, dort sein Können in den Bergen unter Beweis zu stellen. Bei der Vuelta musste er dort ja einiges an Schlägen einstecken. Da das Team in Italien sonst eher schwach besetzt sein wird werde ich dort wohl ein Ticket bekommen, um meine Trainingsrückstände dort wieder vergessen zu machen, mich an die hohen Berge zu gewöhnen, die ich ja während der Tour auch meistern will und muss und vielleicht kann ich ja in den Zeitfahren etwas reissen...
Dadurch würde sich natürlich mein Trainingsplan komplett umstellen und auch die Rennen, an denen ich teilnehme.
Naja, ich lass mich überraschen. Die Entscheidung fällt letztlich die Teamleitung, meine Meinung dazu kennen sie ja mittlerweile zur Genüge :D.
Euch noch einen schönen Restwinter und einen tollen Start in die Saison, die ja schon ein bisschen angefangen hat.

euer

Fabian Schmidt
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 332657Beitrag arkon
21.2.2006 - 23:05

29. Januar, Südspanien

Es war nicht wirklich warm, aber doch durchaus ein Wetter, in dem man Radfahren konnte. Für Jerdona war es ein gewöhnlicher Winter, denn auch wenn er im Baskenland lebte, kam er doch in der kalten Jahreszeit oft Verwandte und Freunde im Süden besuchen. Seine mitteleuropäischen Kollegen jedoch waren ganz offensichtlich angenehm überrascht. Für die alten Radfahrer im Team war es nichts Neues im Winter in wärmere Gefilde zu fahren, um sich dort vorzubereiten. Doch auch für sie war es jedesmal wieder eine angenehme Reise. Weg vom Training in der kalten und nasse Heimat, die jetzt nur noch aus Grau bestand, hin in Gegenden, in welche man sonst nur in den Ferien fuhr.
Das gute Wetter gab der Stimmung im Team erheblichen auftrieb. Das war auch nötig, denn Serge Beucherie, der Trainer von Credit Agricole, nahm sie richtig hart ran. Für einen so frühen Zeitpunkt wurde vor allem der designierte Tourkader viel in der Gegend herumgescheucht. Immer wieder sprinteten sie Anstiege hoch, versuchten sich im Zeitfahren und rollten scheinbar endlose Kilometer über flaches Land. Trotzdem schien die Motivation im Team unbrechbar. Vor allem Christoph Moreau peitschte seine Kameraden immer wieder nach vorne.
So auch jetzt gerade wieder. Sie befanden sich im gerade im Anstieg hoch zu ihrem 'Lieblingstrainingsberg', oder anders ausgedrückt der Lieblingsberg ihres Trainers. Mittlerweile kam es Jerdona vor, als kenne er jeden Meter dieses verdammten Anstieges auswendig. Er freute sich schon auf die Besichtigung der Tourstrecke, die demnächst anstand. Nicht nur wegen der Strecke ansich, sondern vor allem um einmal etwas anderes hochkraxeln zu können. Heute war es der letzte Anstieg des Tages. Er freute sich insgeheim schon auf das Abendessen, eine Dusche und vor allem sein Bett. Aber hier vor den Jungs durfte er sich keine Blöße geben. Als so junger Fahrer, der zudem noch der Kapitän des Teams war, durfte er sich keine Blöße geben. Aber es tat schon verdammt weh heute. Seine Beine brannten ungewöhnlich stark. In den letzten Tagen war er besser drauf gewesen.
Und gerade in diesem Moment trat Christoph an. Nur kurz ging er aus dem Sattel, erhöhte die Schlagzahl einfach ein bisschen. Er wollte sie ja nicht abschütteln, aber doch fordern. Aber was sollte er tun? Er musste hinterher!
Ächzend warf er einen kleineren Gang ein, um mehr Spielraum zu haben. Dann stand er auf und sprintete kurz das Loch zu. Die Fahrer hinter ihnen hatten jetzt alle erhebliche Probleme. Pietro versuchte, Anschluss zu halten, konnte das Tempo jedoch einfach nicht mitgehen. Jerdona erkannte beim zurückschauen den brennenden Willen des Italieners, den Sprung nach vorne zu schaffen. Unbedingt hatte er in den letzten Tagen immer wieder versucht, mit ihnen beiden mitzuhalten. Auch er war wohl sehr motiviert für die Tour.
Aber auch hier war der Geist willig, alleine das Fleisch aber schwach. Christoph jagte eine Kurve nach der anderen empor. Jerdona musste jetzt selber kämpfen, um nicht zurückzufallen. Man mochte es vielleicht für ein bisschen kindisch halten, aber es ging, neben dem Spassfaktor, hier um die Vorherrschaft im Team. Christoph schien zunehmend unzufrieden damit, auf den zweiten Platz verwiesen worden zu sein. Jerdona konnte ihn verstehen, hatte er doch bei der letzten Tour gezeigt, durchaus auf eine gute Platzierung spekulieren zu können. Aber wenn er selber das Team anführen wollte und auf den Sieg in Frankreich spekulierte, musste er schon hier und jetzt klarstellen, wer der stärkere war.
Sein Atem ging schwer. Er stand nocheinmal kurz aus dem Sattel auf und warf einen Blick zurück. Nur noch ein Teamwagen war in Sicht. Die anderen Fahrer mussten schon weit zurückgefallen sein. Als er wieder nach vorne schaute war Christoph endgültig weggezogen. Es waren zwar nur noch wenige Meter zum Gipfel, aber selbst die bevorstehende Pause konnte ihn nicht mehr genug motivieren, um das Loch noch zu schliessen.
Als die Passhöhe endlich in Sicht kam lehnte das andere Rad schon an einer Mauer. Der Franzose trank aus seiner Flasche, dehnte sich und wanderte ein wenig umher, um den Kreislauf abzukühlen.
Jerdona stieg schon ein wenig vorher ab und schob das Rad zu dem anderen. "Nicht schlecht, mein kleiner Spanier" empfing ihn Moreau. Zeres war sich immer noch nicht sicher, wie er diese Spässe aufzufassen hatte. Auch er zog seine Flasche hervor und nahm ein paar Schlucke. Seine Beine brannten wie Hölle und jeder Schritt, den er tat, schmerzte. Er wartete noch ein wenig bis er wieder ruhig atmen konnte bevor er antwortete.
"Noch eine Runde?"
Christoph sah ihn kurz an, nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche und grinste dann. Für einen Moment sahen sie sich beide an. 13 Jahre unterschieden die beide. Der eine hatte schon viele Rennen bestritten, war ein alter Tourhase. Er war mit Miguel Indurain Anstiege hinauf geklettert, hatte mit Pantani gekämpft, war mit Virenque gefahren, kannte Ullrich, Armstrong und viele mehr. Der andere hatte gerade seine erste erfolgreiche Saison hinter sich gebracht und war froh, überhaupt noch Radfahren zu können. Doch sie beide verbannt ein Band, ein Band sportlichen Ehrgeizes, wie er selbst unter Profifahrern selten war. Einer von ihnen würde sich irgendwann dem anderen unterordnen müssen, aber was in diesem Moment zwischen ihnen entstand war etwas anderes. Die angespannte und missgünstige Atmosphäre, die sich aufzubauen gedroht hatte war mit einem Male wie weggeblasen.
Statt einer Antwort schwang sich Christoph auf sein Rad und brauste die Abfahrt hinunter, den anderen Fahrern, von denen noch nicht einer oben angekommen war, entgegen.
Egal, was sie während der Tour erwartete, Jerdona begann, sich darauf zu freuen.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333081Beitrag arkon
23.2.2006 - 19:47

22. Februar 2006, Pla de Beret

Einen grandiosen Ausblick hatte man hier oben allemal. Und in seltenen Momenten wie diesem hatte man sogar Gelegenheit, sie zu geniessen. Hinter dem Tal, was sich vor ihnen öffnete, türmten sich allerhand Gipfel der spanischen Pyrenäen auf. Spasseshalber fingen sie schon an zu spekulieren, wo das französische Fernsehen in einigen Monaten ihre Landschaftsaufnahmen schiessen würden. Jetzt hatten sie ja noch Zeit für solche Fragen. Wenn es denn so weit war würde es kaum etwas geben, was ihnen egaler wäre.
Langsam beruhigte sich Jerdonas Atem wieder. Er nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche bevor er herrüber zum Teamwagen schlenderter. Hier saßen schon die Begleiter über die Technik gebeugt, die sie den Berg hinauf geschleppt hatten. Ein Computer loggte für jeden Lauf den Berg hoch die genauen Zeiten, Positionen, Trittfrequenzen, Übersetzungen, Kraftübertragungen, Steigungsprozente und noch einige andere Daten. Jerdona verstand berufsmäßig zwar einiges vom Radfahren, doch der genaue Sinn hinter allen Kurven war ihm vorher noch nicht bekannt gewesen. Umso interessierter hatte er den Erläuterungen der Techniker gelauscht, die ihm die Zusammenhänge zwischen Leistung, Kraft, Energie, Puls, Übersetzung, aufgewendeter Muskelkraft und Steigung erklärt hatten. Da er sich in der Schule für Physik und Mathe nie besonders hatte erwärmen können hatte es zwar seine Zeit gedauert aber mittlerweile war er hinter die Formeln und Zahlen gestiegen. Und tatsächlich konnten sie einem das Training erheblich erleichtern. Wenn er einmal diesen Berg in einem Rennen würde erklimmen müssen, so hätte er, anders als die meisten anderen Fahrer, neben der subjektiven Selbsteinschätzung, handfeste Zahlen, die ihm sagen würden, wie schnell er würde hinauf fahren können ohne einen Einbruch zu erleiden. Sicher sein konnte man sich natürlich nie, aber in den vergangenen Tagen hatte er selbst erlebt wie er seine eigenen Bestzeiten in ähnlicher körperlicher Konstitution ein ums andere Mal unterboten hatte.
Christoph war mehr an die Technik gewöhnt und betrachtete mit einem kurzen Blick das ausgedruckte Diagramm. Ein weiterer Techniker stand daneben, hielt sich aber mit den Belehrung zurück. Der Franzose war berüchtigt dafür, sich nur ungern mit besserwisserischen Wissenschaftlern abzugeben. Jerdonas Meinung nach kostete ihn diese Arroganz eine bessere Beurteilung der vergangenen Fahrten und damit im Endeffekt wichtige Sekunden, aber auch er hielt sich mit seiner Meinung zurück. Christoph und er verstanden sich zwar mittlerweile recht gut, aber trotzdem hatte er schon mehrmals am eigenen Leib erfahren müssen, welch aufbrausendes Gemüt sein Teamkollege besaß.
Neben den festen Tourfahrern waren auch einige Sportler mit auf die Tourbesichtigung gefahren, die noch keinen festen Platz im Team gefunden hatten. Darunter auch Yuri Madarkady, der Fahrer, dem Jerdona zu einem Vertrag im Team verholfen hatte. Ein junger russischer Neo-Profi, der sehr diszipliniert und ruhig seine Bahnen im Team zog. Er gehörte zwar klar zu den schlechteren im Team, doch sein Arbeitseifer war beachtlich und fast alle Verantwortlichen hatten ihre anfängliche Skepsis ihm gegenüber abgelegt. Dieses Jahr würde er wohl kaum zu den Siegfahrern zählen, aber mit 21 Jahren hatte er seine beste Zeit ja auch noch vor sich.
Von der Bescheidenheit und dem Fleiß seines Schützlings könnte sich Igor Grabov, der sportliche Berater von Yuri, nach allgemeiner Übereinkunft etwas Abschneiden. Er war er eigentliche Pferdefuß bei dem Vertrag gewesen, den der junge Russe mit dem Teammanagement ausgearbeitet hatte. Igor hatte, jedenfalls für das erste Jahr, viele Freiheiten bekommen, die er auch allesamt ausnutzte. Bei jeder Teambesprechung war er anwesend, und mit seinem penetranten Wesen sorgte er auch dafür, das dies alle mitbekamen. Während er den Technikern gegenüber wirklich herablassend wirkte, versuchte er alles, um sich mit den wirklichen Machthabern im Team anzufreunden. Und während Serge Beucherie, der Trainer, Igor sofort eine gewissen Antipathie entgegenbrachte, schien Roger Legeay, der Manager, von dem Russen durchaus angetan zu sein. Jedenfalls verbrachte er viel Zeit mit ihm und schien sich recht gut mit ihm zu verstehen.
Jerdona konnte es eigentlich egal sein. Igor versuchte sich bei ihm als wichtigsten Fahrer natürlich auch einzuschleimen, aber der Baske wies ihn ein ums andere mal brüsk zurück. Durch seine Rolle als Kapitän des Teams schien er bei Igor auch noch unbegrenzt Kredit zu haben, was Unverschämtheiten ihm gegenüber anging. Ausnutzen wollte er das auf der anderen Seite aber ebenso wenig.
Noch zwei Tage würden sie hier verbringen bevor der nächste Umzug auf dem Programm stand. Das letzte Einzelzeitfahren stand dann auf dem Programm. Nicht gerade Jerdonas Lieblingsdisziplin, aber da musste er wohl durch, wenn er die Tour gewinnen wollte. In Le Creusot war ihr Hotel schon gebucht worden, und nachdem er sich die letzten Tage das Zimmer mit Christoph und Pietro geteilt hatte, hatte er diesmal vor, sich mit Yuri näher anzufreunden. Er wirkte doch noch ein bisschen isoliert und unbeholfen. Eigentlich kein Wunder. Er war der jüngste und unerfahrenste von allen, und obwohl er nicht der schlechteste war, so konnte er doch nicht gerade mit seinen Leistungen begeistern. Dazu kam noch der Kulturschock, der ihn sicherlich begleiten musste.
Insgesamt fühlte sich Jerdona im Team sehr wohl. Anders als bei Euskaltel stand er hier bislang nur unter dem Druck, den er sich selber machte. Und obwohl er viel und hart trainierte, fühlte er sich dennoch recht entspannt. In seinem alten Team hatte er sich das ganze Jahr hindurch beweisen müssen. Jede Rennteilnahme war schon ein Sieg gewesen. Mit dieser Methode hatte Julian Gorospe zwar all seine Jung-Profis aus der Reserve gelockt, aber in den drei Jahren, die Jerdona das selber hatte durchmachen müssen, hatte er viele gute Fahrer an dem Druck zerbrechen sehen. Er hatte immer gedacht, das es als echter Spitzenfahrer noch wesentlich härter werden würde. Das er nun quasi selber das Tempo vorgab, in dem er in die Saison einstieg, überraschte ihn dann doch stark. Auch die Teamkollegen wirkten alle sehr nett und offen, zumindestens ihm gegenüber. Kapitän zu sein hatte seine guten Seiten. Aber im Hintergrund stand natürlich die ganze Zeit der Erfolgsdruck während der Tour. Er würde nicht gewinnen müssen, aber einen engen Kampf um die vorderen Positionen erwartete das Teammanagement schon. Dafür war die Mannschaft dieses Jahr aufgestellt worden.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333085Beitrag arkon
23.2.2006 - 19:56

Bild
Schlechte Nachrichten
24. Februar 2006

Hallo Fans,
Das Training läuft wieder! Ich bin so froh, wieder im Sattel zu sitzen. Die Motivation, den Trainingsrückstand aufzuholen, ist auf jedenfall da. Aber wenn ich bei der Tour in Topform sein will muss ich ein bisschen aufpassen nicht jetzt schon mit einer Hau-Ruck-Aktion meine Energien frühzeitig zu verbraten. Alles in allem ist die Verletzung gut Verheilt. Ich kann schon wieder super stabil laufen und Sport treiben, obwohl springen natürlich immer noch Tabu ist. Fahrrad fahren kann ich aber schon länger wieder und so bin ich doch noch recht zuversichtlich den ursprünglichen Saisonplan einzuhalten.
Morgen zieht der Tourkader vom Team los, um die Tour de France-Strecke zu besichtigen. Wie ich höre, werden wir da nicht die einzigen sein. Wär doch lustig, schon jetzt ein paar andere Teams zu sehen. Ich bin für meinen Teil auf jedenfall guter Dinge, was die Saison angeht. Wir haben echt einen starken Kader beisammen, und auch wenn uns der Superfahrer fehlt, so sind doch Floyd Landis und Santiago Botero einer der gefährlichsten Doppelspitzen im Fahrerfeld.
Aber jetzt muss ich schon wieder los. Das Training ruft. Heute ist, wie immer, ein sehr voller Tag.

euer

Fabian Schmidt
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333355Beitrag arkon
25.2.2006 - 0:07

5. März 2006, Morzine

Noch einen Monat bis zum Saisoneinstieg. Die Zeit began mittlerweile doch schneller zu vergehen, als Jerdona es aus dem vorigen Monaten gewöhnt war. Seit dem Ende der Vuelta war er kein Rennen mehr gefahren. Und bis dahin würde es gut ein halbes Jahr her sein seit den denkwürdigen Wochen in letztem September. Die Erinnerung selbst an dieses für ihn alles veränderndes Ereigniss verblasste mittlerweile. Das war natürlich auf der einen Seite sehr schade, denn wer badet nicht gerne in Gedanken gerne in den vergangenen Momenten seines Triupmhes? Auf der anderen Seite half es ihm natürlich sehr, sich mehr und mehr auf das vor ihm liegende zu konzentrieren. Vergangene Erfolge bedeuteten ihm nicht viel, das konnte er nun deutlich spüren. Sein Hunger nach Siegen war geweckt worden und würde sich so schnell nicht mehr stillen lassen. Und das trieb ihn mehr an als alles, was man ihm sonst als Köder hinhielt. Geld, Macht über das Team, Berühmtheit. Alles nicht schlecht, aber wenn er sich zurückerinnerte an die siegreichen Momente während der Vuelta zurückdachte wurde ihm bewusst das dieses Gefühl des Sieges, der Erfolg ansich mehr motivierte als alles sonst.
So auch an diesem Morgen. Seinen Tageszyklus hatte er schon seit langer Zeit nicht mehr geändert. Nach seinem Trainingseinstieg im Oktober war er nicht mehr wirklich lange aufgeblieben. Rückblickend war er schon ein wenig stolz auf das asketisches Leben, das er seitdem geführt hatte. Nur selten kamen die Momente in denen er sich nach dem Spass im Leben sehnte. Spass hatte er auch mit dem Team. Naja, eigentlich eher weniger. Wenn er sich an die Jahre vor seiner Profilaufbahn zurückerinnerte wurde ihm doch bewusst wie sehr er das Weggehen vermisste. Und nicht nur das. Die Menge Freizeit, die er sich selber gönnte, hatte im Laufe der Zeit kontinuierlich abgenommen. Eine gewisse Traurigkeit hinterlies der Gedanke schon, besonders, weil er Freunde vermisste. Seine Freunde in Bilbao, in seiner Heimat, im Euskaltel-Team, seine Familie. Gelegentlich sah er sie noch, aber ihm fehlte einfach die Zeit. Und hier im Team war das Klima einfach ein wenig kälter. Klar, er hatte viele nette Leute kennengelernt, aber so richtig dicke Freunde hatte er hier nicht gefunden.
Umso mehr freute er sich, Tobias Schuster wiederzusehen. Sie hatten seit Paris nur noch einige Male telefoniert. Emanuel Feriola hatte den Deutschen auf dem laufenden gehalten was seine Trainingsfortschritte anging. Und nun kam er ihn besuchen. Auch Emanuel war gekommen. Ihn hatte Jerdona auch länger nicht mehr gesehen. Das Training hier wurde recht gut vom Team organisiert und sie beide vertrauten den Trainern hier genug, als das Emanuel sich anderen Aufgaben widmen konnte.
Tobias wartete in der Lobby des Hotels auf ihn, bis er sich fertig gemacht hatte. Gemeinsam gingen sie, nachdem die üblichen Begrüßungsrituale ausgetauscht worden waren, hinüber in den Essenssaal, wo Jerdona seinen Freund gleich mit einigen Fahrern im Team bekannt machte. Tobias arbeitete, wie er beim Essen erzählte, auch weiterhin als freier Reporter und schrieb direkt für mehrere Zeitungen Beiträge. Sein Fachgebiet war dabei zweifellos der Fahrer, der ihm direkt gegenüber saß.
"Es ist eigentlich schon echt lustig. Früher habe ich bei Zeitungen angerufen, heute kommen sie alle zu mir und fragen mich über dich aus. Als ob ich dein verdammter Manager wär"
"Wenn du nicht so faul und schreibwütig wärst, hättest du auch Chancen, es mal zu werden"
"Vorausgesetzt ich würde jemals für dich arbeiten wollen." Er nippte an seinem Orangensaft. "Drecksau" schob er noch lächelnd hinterher.
"Ach, weisst du, du hättest eigentlich wirklich zu einem deutschen Team wechseln sollen. Dort bist du wirklich beliebt. Telekom, Gerolsteiner, Milram... Sie könnten dir alle ein Heidengeld zahlen und würden immer noch an den Fanartikeln und Werbespots verdienen. Du bist wahrscheinlich in Deutschland der beliebteste ausländische Radfahrer."
"Und das hab ich natürlich alles nur dir zur Verdanken"
"Selbstverständlich. Ohne mich würdest du mittlerweile wahrscheinlich Würstchen verkaufen."
Erst zu spät wurde Tobias bewusst, das er auf etwas anspielte, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.
"Als Würstchenverkäufer wäre er aber wahrscheinlich die größte Niete aller Zeiten" mischte sich Yuri, der bei ihnen saß, ein. Die Spannung, die sich breitzumachen gedroht hatte, war augenblicklich gelöst.
"Ja, wahrscheinlich."
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333518Beitrag arkon
25.2.2006 - 22:40

6. März 2006, Morzine

"Wirklich beeindruckend" musste Tobias zugeben. Er hatte zwar schon einiges über die Saisonvorbereitungen in verschiedenen Teams erfahren, aber die konzentrierte Tourvorbereitung, die hier an den Tag gelegt wurde, überraschte ihn wirklich. Seit den Siegen Armstrongs bei der Frankreichrundfahrt war zwar so etwas nichts übermäßig neues mehr, aber es zu sehen, war doch immer wieder beeindruckend. Vor allem bei einem Team, den man noch vor einem halben Jahr bei der Tour bestenfalls Glückstrefferchancen eingeräumt hätte.
Sie saßen gerade im Hotel in einem Konferenzzimmer über verschiedene Diagramme von Fahrten den Col de Joux-Plane hinauf gebeugt. 11,7 km mit 8,7% durchschnittlicher Steigung waren Argument genug um sich diesen Berg näher anzusehen. Und das taten sie gerade.
Ein Beamer warf die Leistungskurven von Jerdona und Christoph an die Wand. Von den vielen geplotteten Kurven wurden nach und nach einige in den Vordergrund geholt und von den Technikern genau erläutert. Auch für Emanuel war so eine genaue Erfassung der Fahrten Neuland. Computer hatten zwar schon länger Einzug in das Training gehalten, aber das, was er hier sah, schien einem seiner verrückten Träume entsprungen zu sein.
Nachdem sie alle Kurven erklärt bekommen hatten wurde die Diskussion eröffnet. Zusammen mit ähnlichen Diagrammen von den anderen Anstiegen, die sie bislang ausführlich erkundet hatten, versuchten das anwesende Fachpersonal Jerdonas Trainingszustand einzuschätzen. Emanuel saß neben Jerdona und zusammen waren sie über die Pläne gebeugt, die sie selber einige Monate zuvor entworfen hatten. Die Teamleitung hier kannte den individuellen Trainingsplan noch nicht und so langsam war der Punkt gekommen, um ihnen zu zeigen, das Jerdona gemeinsam mit Emanuel Feriola ganz gut alleine über die Trainingsfortschritte wachen konnte. Und das sie das konnten belegten die Kurven um noch um einiges eindrucksvoller, als sie sich das hätten träumen lassen. Jerdona befand sich exakt in dem vorgezeichneten Plan, und das obwohl Serge Beucherie einen eigenen Weg ausgearbeitet hatte, der Jerdona zum Ziel Toursieg führen sollte. Er ergriff gerade das Wort, um die Differenzen der Trainingsentwicklung mit seinen eigenen Vorgaben auszuführen. Jetzt war wohl der Moment gekommen um sich ganz offiziell mit dem Teammanagement anzulegen. Das letzte Mal, als Jerdona einen solchen Streit angezettelt hatte, war er aus dem Team geflogen.
"Serge" meldete sich Jerdona zu Wort. Er hatte, im Gegensatz zu Emanuel, den Vorteil, alle hier beim Vornamen nennen zu dürfen, was ihm einen rhetorischen Vorteil verschaffte. "Ich glaube, es gibt etwas, was Emanuel und ich euch zu sagen haben."
Etwas irritiert schaute der Franzose erst Zeres an und dann in die Runde. "Sehr gerne, aber ich erläutere gerade die Trainingskurven..."
"Nunja, genau darum geht es. Deine Anstrengungen in allen Ehren, aber ich glaube, sie sind in meinem Falle nicht ganz vonnöten."
Nun war Serge nicht der einzige im Raum, der ein wenig verwirrt war.
"Emanuel hat mit mir schon im Herbst, noch vor der Vertragsunterzeichnung, einen Traingsplan ausgearbeitet, an den ich mich seitdem strickt gehalten habe." Das der Plan erst nach der Unterzeichnung das Licht der Welt erblickt hatte würde sowieso niemandem auffallen, warum also mehr Ärger als nötig stiften? "Nach der Unterzeichnung haben wir ihn mit Fokus auf die Tour umgearbeitet. Er hat mich gut durch den Herbst und den Winter geführt und auch nach dem Traingseinstieg hier mit dem Team habe ich ihn daher nicht einfach beiseite gelassen.
Schon alleine aufgrund seiner längerfristigen Anlegung ist er überlegen, und das mag auch schon der Grund sein, weswegen er meine momentane Leistungskurve besser erklärt als deine, Serge."
Ein entschuldigender Blick zu dem Franzosen, der nicht wusste, ob er wütend, verletzt oder froh sein sollte. Emanuel übernahm das Wort und legte einige vorbereitete Folien auf einen Projektor, der bisher ungenutzt in einer Zimmerecke stand. Die anfängliche Skepsis des versammelten Fachpublikums legte sich schnell, als die bessere Abstimmung des Plans mit der tatsächlichen Leistungsentwicklung offensichtlich wurde. Aber wie würde Serge reagieren, und vor allem wie Roger Legeay?
Serge überwand den Schock schnell und stellte einige Zwischenfragen. Erleichtert ging Emanuel darauf ein. Ihm lag ein Gespräch deutlich mehr als ein Vortrag. Roger dagegen saß schweigend auf seinem Stuhl. Seine Miene gab nichts von dem Preis, was in seinem Kopf auch immer vorgehen mochte.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333762Beitrag arkon
26.2.2006 - 22:56

15. März 2006, Corbeil-Essonnes

Ein persönliches Gespräch mit dem Teammanager. Diese Ankündigung hätte noch vor einem Jahr Schweissausbrüche bei ihm ausgelöst. Mittlerweile hatte sich das schon etwas geändert. Der Manager konnte viele Gründe haben, um mit ihm alleine Reden zu wollen.
Aber der Zeitpunkt alleine machte schon klar, das es sich hier nicht um irgendetwas handeln würde. Jerdona stand wieder Ärger ins Haus. Es war der erste Tag nach der Rückkehr von der Tourbesichtigung. Über einen Monat lang waren sie die Strecke abgefahren, nachdem sie vorher schon einige Wochen zusammen in Südspanien zusammen geschwitzt hatten. Das Team war erst gestern Abend in Paris angekommen und Jerdona wollte heute abend weiterfliegen nach Spanien, wo er dann die letzten Traingstage vor seinem Saisoneinstieg am 5. April in seiner Heimat geniessen würde.
Seit der Vorstellung in Morzine im Hotel, als Emanuel und er ihren eigenen Trainingsplan präsentiert hatten, wirkte Roger Legeay, Manager von Credit Agricole, Jerdona gegenüber seltsam verschlossen und neutral. Der erwartete Ausbruch war zwar ausgeblieben, ebensowenig war es jedoch zu einem klärenden Gespräch zu zweit gekommen. Das stand ihm wohl nun bevor.
"Herein" tönte es nach dem Klopfen. Jerdona betrat das Büro seines Chefs. Das Zimmer war groß und wesentlich luxuriöser eingerichtet als das Gegenstück von Julian Gorospe. Wobei, mit einem neuen Manager kamen sicher auch neue Einrichtungen...
Nach der Begrüßung bat Roger seinen Gast Platz zu nehmen. Wie bei echten Geschäftsleuten üblich bat er ihm auch ein Getränk an, eine Geste, die Jerdona schlagartig klarmachte, wie wütend Roger sein musste.
"Ich glaube sie wissen, warum ich sie hierher bestellt habe"
Das 'Sie' erhöhte die ohnehin schon vorhandene Distanz der beiden noch mehr.
"Ich kann es mir denken, ja."
"Es geht natürlich um den Trainingsplan, den Emanuel und sie durchgedrückt haben."
Eine kurze, rhetorische Pause.
"Serge war nicht begeistert, aber er war großmütig genug, um über ihren fehlenden Respekt hinwegzusehen. Nicht so ich.
Ich respektiere natürlich ihr Recht, sich ihr Training selbst einzuteilen und zu gestalten. Wir haben ja selbst auch nur indirekt Einfluss darauf. Aber was ich nicht toleriere ist die Art und Weise, wie sie die Autorität von Serge Beucherie und auch die Meinige vor dem ganzen Betreuerstab, allen Technikern und Mechanikern zerrissen haben."
Wieder eine Pause, die Roger mit einem kleinen Schluck aus dem vor ihm stehenden Glas unterstrich. Seine Stimme war immer noch ruhig, aber der belehrende Unterton wich nun einem bedrohlichen. Jerdona war klug genug, um zu erkennen, das er ihn wohl besser nicht unterbrechen sollte.
"Ich kann so etwas nicht dulden. Sie denken vielleicht, nur weil sie hier als Star verpflichtet wurden, können sie sich alles erlauben. Das ist falsch. Sie werden die Tour fahren, und die Mannschaft wird für sie fahren. Aber sie sind zwei Jahre in diesem Team. Und wenn sie so weitermachen können sie sicher sein das egal, wie viel sie gewinnen werden, die zwei Jahre zu den schlimmsten in ihrem Leben werden. Und auch wenn sie denken, ich müsste sie im nächsten Jahr wieder zur Tour aufstellen, selbst wenn sie gewinnen sollten:"
Das schwere Leder der Sitze knarrte während er sich nach vorne lehnte und seine Stimme noch etwas mehr senkte.
"Ich kann sie zu jedem beschissenen Rennen dieser Welt schicken, ich kann sie vor den Augen der Welt blamieren wie ich will. In ihrem Vertrag steht etwas von GT, nicht von Tour, und schon garnicht davon, wer für sie fährt. Ich rate ihnen: Tanzen sie nach meiner Pfeife. Denn ich bin nicht der, den sie verarschen können.
Das wäre alles"
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333880Beitrag arkon
27.2.2006 - 19:33

Bild
Das Warten hat ein Ende
23. März 2006

Endlich! Nach einer viel zu langen Winterpause steht nun der Termin fest, zu dem ich wieder ins Renngeschehen zurückkehren werden. Am 5. April zur Tour de la Sarthe werde ich zum ersten Mal wieder ein Trikot mit Nummer drauf anziehen dürfen. Chancen auf den Sieg werde ich wohl eher nicht haben, dafür ist die Konkurrenz zu diesem Zeitpunkt in der Saison einfach schon zu gut eingerollt. Aber bei dem 11 km langen Einzelzeitfahren werde ich wohl zum ersten Mal etwas von mir zeigen können. Zur Bayernrundfahrt hoffe ich dann zum ersten Mal um den Sieg mitfahren zu können, was gerade bei einem Heimatrennen Klasse wäre. Aber das ist im Moment noch Zukunftsmusik.
Wir fahren am 30. nach Frankreich, dann haben wir noch genug Zeit, um uns das Zeitfahren etwas anzuschauen. Die restlichen Flachetappen interessieren kaum. In unserem Team wird keiner Ambitionen haben. Noch nicht.
Aber alleine schon der Blick zum Zeitfahrrad genügt, um meinen Puls nach oben zu treiben. Es ist ja schon ein bisschen her, seit ich die Maschine zum letzten Mal getreten habe, damals recht erfolgreich, sowohl bei der Tour als auch bei der WM. Wenn ich dieses Jahr an meine Zeitfahrleistung anknüpfen kann, bin ich schon vollauf zufrieden. Ein Prologsieg bei der Tour vielleicht??? hehe
Ich hoffe natürlich, einige von euch am Strassenrand zu sehen. Gerade beim Zeitfahren könnt ihr dann zum ersten Mal mein Weltmeistertrikot bewundern ;). Und wenn ihr keine Zeit habt... auch nicht schlimm, erst im Sommer nehm ich das persönlich :D.

euer

Fabian Schmidt
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 333887Beitrag arkon
27.2.2006 - 20:02

2. April 2006, Hendaye, Baskenland, Spanien

Jerdona war fast schon wieder froh, als die Routine wieder begann. Koffer packen, Räder verstauen, ab in den Bus, kurz die Zeit zum schlafen nutzen, ab ins Hotel, Abendessen... Er kannte es mittlerweile zur Genüge. Und bei Credit Agricole lief der Drill auch nicht wirklich wesentlich anders ab. Das Hotel war ein bisschen teurer, die Nudelsauce vielleicht einen Tick edler, aber das Prinzip war das selbe. Und das Gefühl auch. Wieder im Fahrerlager zu sein wirkte unglaublich beruhigend. Die Spannung vor dem ersten Saisonrennen löste sich nocheinmal, als er viele alte Bekannte wieder traf. Gerade nach dem, was er im Herbst erlebt hatte, freute er sich, sie zu treffen, wieder hier sein zu können.
Da das Rennen ein baskisches war, war auch Euskaltel in der Stadt. Sie wohnten zwar in einem Hotel ein paar Blöcke weiter, doch so viele Strassen, die sich zum trainieren eignen, gab es hier doch wieder nicht. Und gerade auf der Rennstrecke trafen sich viele Teams. Das erste richtige wiedersehen mit den Ex-Teamkollegen fand allerdings erst beim Einschreiben statt. Am Vortag trafen alle Rennfahrer bei den Rennorganisatoren ein, um sich messen, wiegen und kurz durchchecken zu lassen. Eigentlich Routine, aber gerade, das er hier einigen alten Bekannten über den Weg lief, sorgte für den Pfeffer. Bei den meisten freute er sich natürlich, und während sie über dies und das klatschten, wurde er doch ein wenig wehmütig, das Team verlassen zu haben.
Das legte sich aber ganz wieder, als er die ersten Geschichten vom neuen Teamchef zu hören bekam. Das er und Ronsino Baldo nicht die besten Freunde waren hatte sich mittlerweile herumgesprochen. Der Thronfolger musste wohl schon einige böse Kommentare über Zeres gerissen haben. Das auch die meisten Fahrer nicht so recht mit ihm klarkamen, beruhigte ihn. Gerade die Jungstars quetschten ihn über seine Wechselerfahrungen aus. Iban Mayo und Haimar Zubeldia, die hier beide am Start waren, wirkten weniger unzufrieden. Gerade Iban war wieder hungrig nach Siegen. Zu lange hatte er pausieren müssen. Im letzten Jahr war er fast komplett glanzlos geblieben, davor hatte er gerade einmal bei der Dauphinee seine wahres Potenzial zeigen können. Das wieder vergessen zu machen war sein Ziel für die Saison, und Ronsino schien ihn dabei nach Kräften zu unterstützen.
Als Jerdona wieder zurück ins Hotel fuhr, gemeinsam mit Yuri, mit dem er sich das Zimmer teilte, konnte er also ganz entspannt zurückblicken auf die Erfahrungen mit Euskaltel. Das er nicht sein gesamtes Leben in seinem ersten Team bleiben würde, war auch ihm klar gewesen. Und rückblickend war es eine ganz gute Entscheidung gewesen. Das Team heir war besser, der Druck nicht so hoch und der Manager... Roger Legeay war ihm zwar ziemlich unheimlich geworden, aber so schlimm wie Ronsino konnte er garnicht sein. Und gerade die klargestellte Hackordnung gefiel ihm. Nicht, das er Christoph klar übergeordnet gewesen wäre, aber ersteinmal würde das Team bei der Tour für ihn fahren.
Die nächsten Tage würden zwar hart werden, aber nicht wirklich spannend. Jerdona hatte nicht vor, auf Sieg zu fahren. Die Etappen waren allesamt recht gebiergig, so das er schon gefordert sein würde. Und gerade das Einzelzeitfahren über 24 km wartete mit einigen brutalen Anstiegen auf. Ein Kilometer mit 9,5% und 4 km mit fast 6% wollten schon einigermaßen gut befahren werden. Aber bis dahin konnte er sich verstecken und einrollen. Man würde sehen...
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 334268Beitrag arkon
1.3.2006 - 16:49

3. April 2006, Irun, Baskenland, Spanien
1. Etappe der Vuelta Ciclista al Pais Vasco

Bild

Das es hart werden würde, hatte er erwartet. Aber das es so schwer sein würde, das hatte er nicht gedacht. Völlig kaputt und bis auf die letzte Faser seines Körpers ausgezehrt hing Jerdona Zeres auf seinem Bett. Der Masseur würde gleich kommen und ihm ein bisschen über die Schmerzen hinweghelfen, aber die Nacht würde für ihn so oder so zur Hölle werden. Trotz seines harten Trainings bisher hatte er nur mit Mühe den Anschluss bis zum Ziel halten können. Damit war er zwar in Gesamtklassement noch auf Tuchfühlung in der Gruppe der ersten 45, aber er machte sich keine Hoffnungen auch nur diesen Platz halten zu können. Die nächsten Tage würden nicht leichter, sondern eher schwerer werden.
Aber das lag alles mehr oder weniger im Bereich der Planung. Hier in der Heimat war kein lockeres Einrollen, aber doch eine Gewöhnung an den Rennalltag ohne Ambitionen geplant. Selbst wenn er bis zum Ende der Rundfahrt wieder etwas Stärke zurückgewinnen würde, so war doch das Einzelzeitfahren die einzige Etappe bei der geplant war, das er voll würde fahren dürfen.
Der Superheldenstatus, der ihm nach der Vuelta verliehen worden war, hatte ihn vergessen lassen, wie krass doch die Anstrengungen selbst im Peloton sein konnten. Für diesen Fehler hatte er heute bezahlen müssen. Morgen würde die Welt wieder anders aussehen.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
arkon
Beiträge: 1462
Registriert: 28.6.2005 - 21:07
Kontaktdaten:

Beitrag: # 334404Beitrag arkon
2.3.2006 - 2:36

Aus verschiedenen Gründen muss ich hier leider die Ankündigung machen, den AAR vorerst nicht weiterzuführen. Ich habe keine Ahnung, wie lange, im Moment hab ich aber einfach überhaupt keinen Bock mehr. Das hat vielfältige Gründe und liegt ganz sicher nicht an der Geschichte heute nachmittag. Das sie dennoch Stein des Anstosses war ist natürlich kaum zu verkennen. Ich möchte mich bei den wenigen treuen Usern bedanken die ab und zu vereinzelte Kommentare hier hinein gepostet haben. Unterm Strich aber ist das Feedback viel zu schwach um die Unannehmlichkeiten hier aufzuwiegen. Anderswo kann man einfach besser schreiben.
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

Benutzeravatar
cypp
Beiträge: 16
Registriert: 4.7.2005 - 13:01
Kontaktdaten:

Beitrag: # 334424Beitrag cypp
2.3.2006 - 10:29

Schade aber ich finde deinen AAR richtig klasse. Habe ihn gelesen wie ein spannendes Buch und ich frage mich ob es sich nicht rentieren würde mal eine Story über einen kleinen aufgehenden Stern im Radsport zu veröffentlichen. Siehe z.B. Brägel in der Tour. Deine Umschreibungen und der Bezug zum restlichen Leben eines Radsportlers sind genial und haben eindeutig Bestseller Charakter. Ich hoffe du findest die Lust wieder...

Antworten