Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

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arkon
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Beitrag: # 364430Beitrag arkon
2.7.2006 - 3:40

2. Juli 2006
Straßburg, Frankreich

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Wer sagt, der Geschlagene wäre zu beneiden, weil er die Niederlage bereits hinter sich gebracht hätte kannte Jerdona Zeres nicht. Das wahre Martyrum stand ihm bevor. Die Woche, welche sich dem Prolog anschloss. Nicht genug damit, dass er seine eigenen Ansprüche nicht erfüllt hatte. Verbunden mit seinem unauffälligen Auftreten bei der Tour de Suisse hatte ihn der gestrige Prolog jede Achtung gekostet, die Reporter noch vor ihm zu haben gehabt schienen. Er war Freiwild.
Nach der gestrigen Etappe hatte er sich, so schnell es irgend ging, in ein Teamauto geflüchtet und war zum Hotel abgebraust. Die Mauer gieriger Journalisten, Kameras und Fotoapparate, die sich um ihn geschlossen hatte, war schwer zu durchbrechen gewesen. Der anklagende Finger, der ihm das verschleuderte Vertrauen eines der französischen ProTour-Teams vorwarf, traf ihn tief. Letztlich hatte er ja die gleichen Bedenken. War er eine Eintagsfliege? Konnte er wirklich an seine Leistungen anknüpfen, ja sie sogar übertreffen? Denn das waren ja seine Ansprüche gewesen als er diesen Vertrag bei Credit Agricole angenommen hatte.
War die Belagerung der Presse, die offene Anklage nach dem Rennen schon schlimm gewesen, so traf ihn die Stille, die ihn nach der Ankunft im Quartier umgab, nur noch tiefer. Die Fahrer waren noch nicht angekommen oder schon auf den Zimmern und so hielten sich in den vom Team gemieteten Räumen nur die übrigen Angestellten auf. Während er sich an den Essenstisch setzte spürte er die stille Reaktion der Techniker und Helfer. Keine offene Anklage, keine Anteilsnahme. Aber aus ihren Gesichtern und seinen Gedanken in dieser für ihn alles andere als einfachen Stunde konnte er die stumme Verurteilung, die sich dort abspielte, erahnen. Emanuel kam einige Minuten später in den Essenssaal gestürmt. Er nahm sich auch etwas zu Essen und setzte sich schweigend neben seinen Schützling. Er hatte nicht versagt, aber er warf sich natürlich selbst das schlechte Abschneiden vor.
Erst die Ankunft von Christoph und Yuri konnte seine Laune etwas aufhellen. Beide waren mit ihrem Ergebnis durchaus zufrieden und erreichten mit einem einfachen, oberflächlichen Smalltalk über Gott und die Welt genau das richtige: Jerdona dachte nicht nur mehr an sein Ergebnis.
„Wo bist du denn gelandet, Yuri?“ fragte er seine Zimmerkollegen.
„Ach, so etwa eine Minute langsamer als Schmidt. Der war verflucht schnell, oder?“
„Echt ein eleganter Fahrer. Und grad, das er auch auf so einer kurzen Strecke schon so abgeht…. Manoman, das gibt ein brutales Zeitlimit beim Zeitfahren.“ Warf Moreau ein.
„Hehe, ich hoffe nicht, das ich mir darum Gedanken machen muss.“ Grinste Jerdona und wusste schon, dass es von nun an nur noch bergauf gehen konnte.

Der nächste Morgen begann dann auch schon bei weitem nicht mehr so schwer, wie der vorige geendet hatte. Die Erkältung war noch schlimmer geworden, aber der Druck, der gestern noch so tonnenschwer auf ihm gelastet hatte, war für ein paar Tage von seinen Schultern genommen worden. Sollten doch die Reporter schreiben, was sie wollten. Er würde auf die Berge warten, wo er dann Fakten gegen Argumente setzen konnte.
Bei der Teambesprechung wurde dann auch das gestrige Zeitfahren mit keiner Silbe erwähnt. Hushovd und Kirsipuu waren die Männer des Tages. Hushovd würde der erste Sprinter des Teams bleiben. Jaan stellte schon selber vor allem seine Konstanz über drei Wochen in Frage. Eine Doppelspitze im Sprint war nicht so wirkungsvoll wie in den Bergen. Aber in Anbetracht der überlegenen Konkurrenz um Boonen, McEwen, Freire, Zabel und Petacchi musste zu jedem Mittel gegriffen werden, um eventuell einen Etappensieg herausschlagen zu können.
Der Vorteil war natürlich, das ohne Topsprinter der Rest des Teams Freigang hatte, bis es dann wirklich ernst werden würde. Yuri Madarkady nutzte dann seine Möglichkeit auch gleich und setzte sich mit Ballan und Moreni ab. Gemeinsam machten sie sich bei Kilometer 10 auf den Weg, um erst etwa 30 km vor dem Ziel ihre Flucht aufgeben zu müssen. Für den jungen Russen im Team waren seine Anstrengung nicht ohne Früchte geblieben: Er blickte, als Sieger der Bergwertung, im Ziel dem gepunkteten Trikot entgegen. Für einen Tourneuling ein riesiger Erfolg.
Beim Sprint verlief die Sache auch nicht besonders enttäuschend. Während die Konkurrenz auf Petacchi schaute holte sich Zabel seinen ersten Etappensieg bei der Tour seit Jahren. Eine große Genugtuung für den Deutschen, der allerdings gegen eine etwas wirr organisierte Konkurrenz antrat. De Jongh holte sich den zweiten Platz, sein Kapitän Boonen fiel allerdings hinter Hushovd und Kirsipuu zurück, die auf 3 und 4 eintrudelten. Für Credit Agricole ein optimales Ergebnis. Nach dem zweiten Platz beim Prolog nun 3 und 4 auf der ersten Etappe: Auch wenn mit Jerdona Zeres der Leistungsträger enttäuschte, so präsentierte sich die Mannschaft doch immer noch recht eindrücklich.
Fabian Schmidt konnte ungefährdet das Gelbe Trikot verteidigen und avancierte im Ziel zum Medienliebling. Während sich Zabel eher still freute hatte Fabian den Schock, der ihm gestern noch anhaftete, überwunden und beantwortete, zur Überraschung der Reporter, fast alle Fragen, die ihm sich zwischen Ziel und Dusche stellten.

Etappenergebnis:
1 Erik Zabel 3h53'29
2 Steven De Jongh s.t.
3 Thor Hushovd s.t.
4 Jaan Kirsipuu s.t.
5 Tom Boonen s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt 3h59'21
2 Laszlo Bodrogi + 4
3 Jan Ullrich + 8
4 Erik Zabel + 14
5 Santiago Botero s.t.

Sprintwertung:
1 Erik Zabel 35
2 Steven De Jongh 30
3 Thor Hushovd 26
4 Jaan Kirsipuu 24
5 Tom Boonen 22

Bergwertung:
1 Yuri Madarkady 5
2 Alessandro Ballan 3
3 Cristian Moreni 1
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arkon
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2.7.2006 - 13:01

8 Oktober 2003
Bologna, Italien

Völlig kaputt torkelte Jerdona in den Zielbereich. Ein ziemliches Chaos machte sich hier breit, anscheinend üblich nach dem Ende eines Kriteriums. Es dauerte ein wenig, bis er einen Teamhelfer gefunden hatte. Das helle orange der Euskaltel-Trikots half ihm bei der orientierung im dichten Regen, der auf den Zielbereich niederprasselte.
Er konnte das Podium erhaschen, vor dem Gilberto Simoni jetzt interviewt wurde. Gerade eben noch war er auf dem Rad gewesen, neben ihm. Er fühlte noch die Überraschung, das leere Gefühl in seinen Beinen, als der entscheidende Antritt des Superstars kurz vor dem Ziel kam. Für ihn einfach einige Klassen zu hoch. Scheisse.
Ein wenig geknickt kippte er sich die Trinkflasche in den Mund. Der Regen kühlte ihn, würde ihn aber bald erkälten. Egal. Für ihn war die Saison sowieso zu ende. Sein zweites Jahr als Profi war kaum besser gelaufen als das erste. Eher noch schlechter. Nach dem er in seinem ersten Jahr noch ein paar gute Platzierungen hatte erzielen können war dieser zweite Platz jetzt sein absolut größter Triumph in diesem Jahr und vielleicht sogar in seiner gesamten Profilaufbahn. Naja, zweiter hinter Simoni war ja eigentlich ganz ok. Aber er hatte sich lange auf...
"Jerdona, komm schon, die Siegerehrung fängt gleich an!"

Er hatte es gehasst. Die Leute jubelten, aber sie jubelten eigentlich jemand anders zu. Er war nur hier oben, damit es nicht so leer aussah. Schrecklich, nach dieser Niederlage jetzt auch noch hier oben dem Sieger gratulieren zu müssen.
Er hockte sich auf eine Stahltreppe hinter die Bühne und nippte nachdenklich an seiner Trinkflasche. Was war schief gelaufen in diesem Jahr? Da war zuerst der Streit mit Gorospe. Er hatte sich fast schon ernstlich mit seinem Chef angelegt. Und warum? Nicht genug Rennen, mehr Trainieren. Der alte Streit zwischen Jugend und Alter. Was hatte er davon? Eigentlich ein verschenktes Jahr. Er hatte hart gearbeitet. Er hatte sich seit drei Monaten auf das heutige Rennen vorbereitet. Seine Form war so gut wie noch nie gewesen. Taktisch hatte er alles richtig gemacht: Gewartet, getrunken und gegessen, dann bei der entscheidenden Attacke drangeblieben. Bis zum letzten Hügel. Erst hier hatte ihn Simoni dann abgeschüttelt. Scheisse.

"Jerdona, herzlichen Glückwunsch, ein tolles Rennen heute" Julian Gorospe schien zufriedener mit seiner Leistung zu sein als er selbst. "Ich hab dir doch schon immer gesagt: Wenn du nur hart genug arbeitest, dann kommst du ganz nach vorne!"
"Aber ich hab doch verloren?"
Gorospe musste lachen. "Verloren, gegen Gilberto Simoni? Der Mann war dieses Jahr beim Giro ganz vorne mit dabei. Er ist einer der weltbesten Kletterer. Und du bist traurig, weil er dich am letzten Hügel abgeschüttelt hat? Klasse Leistung!"
Ein wenig verwundert schaute Jerdona seinen Chef an.
"Nein ehrlich, ich bin zufrieden mit dir. Und ich hab dir immer gesagt: Wenn du einmal die Disziplin findest, hart an dir zu arbeiten auch ohne gute Rennergebnisse, dann wirst du den Sprung nach vorne schaffen. Wo willst du nächstes Jahr starten?"
Jetzt war Jerdona völlig baff. "Wo ich starten will? Bei der Vuelta natürlich"
Julian musste schon wieder lachen. "Na klar, das dachte ich mir. Aber da musst du noch ein wenig mehr zeigen als heute. Die Plätze da sind heiss begehrt, ich kann leider nicht jeden mitnehmen, der es gern hätte. Wie wäre es denn mit Lüttich-Bastogne-Lüttich? Ein wenig hügelig, ein bissiger Schlussanstieg, das gefällt dir doch. Und da dich noch keiner kennt wird man dich schön unterschätzen."
"Naja, ich weiss nicht. Ich will eigentlich eher ins Gebirge."
"Aber der Weg dahin führt über die Klassiker. Und wenn du den Winter über hart trainierst, dann hast du vielleicht sogar eine Chance." Er lehnte sich vor und blickte seinen Jungstar eindrücklich an. "Jerdona, ich glaube an dich. Du hast ein Riesentalent. Wenn du weiter so trainierst wie in diesem Jahr, dann kannst du es in die erste Reihe schaffen. Vielleicht sogar schneller, als wie beide denken. Verschleuder es nicht und nutz deine Chancen. Keiner von uns bekam jemals etwas geschenkt, und das wird auch bei dir nicht anders sein."
Jerdona nickte. Ja, das hatte er verstanden.
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arkon
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Beitrag: # 364521Beitrag arkon
2.7.2006 - 14:06

3. Juli 2006
Esch-sur-Alzette, Luxemburg

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Der Mensch gewöhnt sich an alles. Selbst an das tragen des gelben Trikots. Es war für ihn mittlerweile das 4. Mal, das er im Trikot des Spitzenreiters bei der Tour zum Einschreiben gehen konnte. Es war immer noch schön wie am ersten Tag, aber der Effekt des Neuen, unbekannten war schon jetzt abgetragen. Wie sollte das erst werden, wenn er auch das erste, lange Zeitfahren gewann? Dann würde er das Trikot ja bis zu den Pyrenäen tragen dürfen. Wahnsinn.
Auch heute war er wieder einer der gefragtesten Interviewpartner vor dem Start. Dutzende Kameras stauten sich um ihn, sobald er das Podium, auf dem er sich in die Liste der Fahrer eintragen musste, wieder verlies. Und, im Gegensatz zu den meisten anderen gefragten Interviewpartnern, hatte er immer noch eine tierische Freude daran, alle Fragen zu beantworten. Gerade jetzt, wo das Wetter so richtig auf Sommer zusteuerte und ihn die ganze Welt anzulachen schien war es für ihn eine Willkommene Gelegenheit, sein Glück zu geniessen. Jede einzelne Minute im Training schien sich jetzt auszuzahlen.
Im Fahrerfeld war er mittlerweile auch bekannt und beliebt. Gerade seine offene, unverfälschte Art kam gut an. Der Erfolg, der ihn jetzt gerade überschwappte, schien ihm gut zu tun. Keine Spur von Arroganz. Als er am Beginn der ersten Etappe von vielen Fahrer gefragt worden war, wie sein Team denn das Rennen gestalten würde, war er ehrlich überrascht gewesen. Auf einmal war zu einer wichtigen Informationsquelle geworden, wie denn die Etappe anzugehen war. Er genoß einfach die Möglichkeit, viele Rennfahrer persönlich kennen zu lernen, die er vor einigen Jahren noch aus der Distanz bewundert hatte.
Das Rennen selbst war dann, wie erwartet, ziemlich hart. Einige Ausreisser unter der Führung von Erik Dekker setzten sich ab und machten mächtig Druck. Phonak zeigte sich nicht entschlossen, die Lücke wieder zuzufahren und so investierten nach und nach die Sprinterteams ihre Energie. In der Führungsgruppe war mit Yuri Madarkady auch der Träger des Bergtrikots, der sich mit Dekker einen spannenden Kampf um die Punkte lieferte. Am Schluss konnte Dekker 8 mehr erobern, was den Vorsprung von 5 Punkten des Russen vom Anfang der Etappe egalisierte.
Im Ziel dann endlich der erwartete Kampf der Sprinter. Boonen wurde heute nur überraschender Dritter, geschlagen von Freire und McEwen. Der Spanier konnte damit seinen zweite Touretappe gewinnen. Zabel verteidigte als 4. sein grünes Trikot und schöpft wohl erstmals ein wenig Hoffnung, seinen Traum vom siebten grünen in Paris wahr zu machen.

Etappenergebnis:
1 Oscar Freire 5h09'36
2 Robbie McEwen s.t.
3 Tom Boonen s.t.
4 Erik Zabel s.t.
5 Daniele Bennati s.t.
6 Thor Hushovd s.t.
7 Alessandro Petacchi s.t.
8 Allan Davis s.t.
9 Leon Van Bon s.t.
10 Alessandro Ballan s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt 9h08'57
2 Jan Ullrich + 8
3 Erik Zabel + 14
4 Santiago Botero s.t.
5 Denis Menchov + 15

Sprintwertung:
1 Erik Zabel 59
2 Oscar Freire 55
3 Tom Boonen 48
4 Thor Hushovd 46
5 Robbie McEwen 46

Bergwertung:
1 Erik Dekker 18
2 Yuri Madarkady 15
3 Leif Hoste 10
4 Iñigo Landaluze 8
5 Filippo Pozzato 7
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Beitrag: # 364811Beitrag arkon
3.7.2006 - 0:22

3. Juli 2006
Interview von Tobias Fischer mit Jerdona Zeres, abgedruckt in "Der Gegensatz" (Bitte macht doch weiter...)

Gegensatz: Ersteinmal Danke, dass sie sich Zeit genommen haben. Hatten sie heute eine stressige Etappe?
Zeres: Kein Problem. Heute war es für mich relativ entspannt. Ich geniesse bei den Flachetappen wirklich meine Rolle als Kapitän: Ich rolle einfach locker mit, versuche mich, schadfrei über das Finale zu retten, kann dann im Ziel direkt unter die Dusche verschwinden, in Ruhe essen und meine Massage geniessen. Die ersten Tage hier bei der Tour sind entspannter, als ich es erwartet hatte.
Gegensatz: Brauchen sie auch die Ruhe, um ihre Erkältung auszukurieren?
Zeres: Sicher, das ist schon ganz angenehm. Ich fühle mich heute schon besser, aber die 100% habe ich noch nicht erreicht, das wird noch dauern. Ich versuche, viel zu schlafen und mich dem Stress durch Medien, Teamtaktik und den Sprints zu entziehen. Das hilft alles beim Auskurieren. Auf der anderen Seite fahre ich natürlich Tag für Tag am Limit, da bleiben nicht viele Reserven im Körper übrig.
Gegensatz: War die Erkältung auch die Ursache für ihr schlechtes Abschneiden im Prolog?
Zeres: Ganz sicher. Obwohl ich nicht gerne Monokausal argumentiere: Ich bin nicht als schlechter Zeitfahrer nicht bekannt. Nicht nur bei der Romandie, auch im letzten Jahr habe ich im Kampf gegen die Uhr immer gut mithalten können. Klar, nicht in der ersten Reihe. Aber bedenken sie: Wieviele der Fahrer hier bei der Tour sind wirklich in Topform? Einige, aber nur wenig mehr als Hälfte. Für mich ist das hier das Jahreshighlight. Und rein körperlich sind meine Voraussetzungen als Radsportler überdurchschnittlich gut. Ein Platz im hinteren Drittel ist weit unter meinen Möglichkeiten.
Gegensatz: Wie sehen sie ihren Heilungsprozess im Hinblick auf das Zeitfahren am Samstag?
Zeres: Ehrlich gesagt bin ich da noch nicht allzu guter Dinge. Nach dem bisherigen Heilungsprozess würde ich sagen, ich kann 95 bis 98% erreichen. In den Bergen würde das reichen, keine Frage, aber im ITT ist das kritisch. Ich rechne aber nicht damit, mehr als 3 Minuten zu verlieren. Eher weniger. Das ist natürlich schwer aufzuholen, aber möglich. Und im abschliessenden Zeitfahren werde ich dann wohl relativ gut vorne mitfahren können. Meine Regenerationsfähigkeit ist mein Kapital, und in den Bergen werden meine Konkurrenten wirklich leiden müssen, um an mir dranzubleiben.
Gegensatz: Sie sehen sich als Favorit im Hochgebirge?
Zeres: Ja, was glauben sie denn? Warum wäre ich sonst hier als Favorit auf den Gesamtsieg angetreten? Ich muss alle anderen abhängen, wenn es steil wird. Und das wird auch passieren. Ich bin in Topform, und bis zu den Pyrenäen werde ich wieder vollständig gesund sein.
Gegensatz: Auf welche Bergetappe freuen sie sich besonders?
Zeres: Natürlich Pla-de-Beret. Obwohl es nicht ganz das Baskenland ist [lacht]. Nein, die Pyrenäen sind großartig und dann noch in Spanien fahren zu können, das wird schon ein ganz großes Erlebniss. Da habe ich gewissermaßen Heimvorteil. Es ist noch nicht die Etappe, auf der ich mein ganzes Können ausspielen kann. Der Anstieg ist einfach nicht dafür gemacht. Aber ich werde was versuchen.
Gegensatz: Und dann die Alpen?
Zeres: Genau, da wird die Tour entschieden, jedenfalls wenn ich sie gewinnen sollte. Alpe d' Huez wird schon verdammt hart, aber der nächste Tag wird dann wirklich die Entscheidung. Für mich ist La Toussuire die Königsetappe, gerade weil sie am Tag nach Huez kommt. Da werden sich dann wirklich nur noch die Besten durchsetzen.
Gegensatz: Wie sind sie denn bisher mit ihrem Team zufrieden?
Zeres: Sehr, sie überraschen mich. Obwohl der echte Härtetest natürlich noch bevorsteht, bin ich frohen Mutes, was die Berge angeht. Und ich glaube auch nicht, das ich der einzige Fahrer bin, den man von uns zu den Favoriten für die Top10 rechnen muss. Sowohl Moreau als auch Caucchioli sind sehr stark. Sie haben viel getan über den Winter und wenn ihre Entwicklung so weitergeht, muss ich wohl schon wieder das Team wechseln.
Gegensatz: Und ihr Teamleiter, Roger Legeay? Es gab mehr als genug Gerüchte über Streitigkeiten.
Zeres: Ja, das ist leider der Nachteil. Als Kapitän wird einem sofort so etwas angehängt. Wir waren nicht immer ein Herz und eine Seele, aber wir verstehen uns recht gut.
Gegensatz: Wer werden denn ihre Hauptkonkurrenten bis Paris sein?
Zeres: Ullrich und Basso sind natürlich an erster Stelle zu nennen. Aber dann habe ich auch noch Vine auf der Rechnung. Er, und vielleicht noch Valverde. Alejandro ist im Hochgebirge stark, aber nicht konstant genug. Den Beweis ist er noch schuldig.
Gegensatz: Dann Bedanke ich mich für das Interview und wünsche ihnen viel Glück.
Zeres: Ja, danke schön.
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slomi
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Beitrag: # 364994Beitrag slomi
3.7.2006 - 15:39

Weiter so. Freu mich schon auf die Berge.

Feedback: Freut mich dass es auch abseits der Rennstrecke "action" gibt und durch die zwei Charaktere kommt noch mehr Abwechslung in die ganze sache. Falls es bei der Regelmäßigkeit der Postings bleibt gibt es eigentlich niht wirklich was auszusetzen.

mfg

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Beitrag: # 365068Beitrag arkon
3.7.2006 - 19:19

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Bettini gewinnt Klassiker-Etappe bei der Tour

Paolo Bettini hat die 3. Etappe der Tour von Esch-sur-Alzette nach Valkenburg gewonnen. Der Italiener setzte sich im Sprint des Hauptfeldes durch. Das arg dezimierte Feld war in einem atemberaubenden Tempo über die abschliessenden Hügel gefegt, so das die Sprinter chancenlos weit hinten abgeschlagen waren. An der letzten, entscheidenden Steigung hatte Bettini dann entscheidend forciert und das Feld zerpflückt. Auf der kurzen Abfahrt hinunter ins Ziel konnten die nachfolgenden Fahrer zwar ihre Rückstände egalisieren, jedoch nicht mehr in die Entscheidung eingreifen. Die fiel in einer 9-köpfigen Gruppe der Favoriten, in denen sich Bettini gegen Alejandro Valverde und Ivan Basso durchsetzte. Di Luca, als hoher Favorit auf den Etappensieg gehandelt, kam nur als 4. ins Ziel.
Überraschend war auch das schnelle zurückfallen von Andreas Klöden. Der Deutsche kam mit fast 5 Minuten ins Ziel und kann damit seine Ambitionen im Gesamtklassement wohl schon begraben. Eine Lebensmittelvergiftung war wohl an seiner Schwächephase Schuld.
Aufgrund der fehlenden Sprint- und Bergwertungen [in der savoluca] kam es in beiden Wertungen zu keinerlei Veränderung.
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arkon
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Beitrag: # 365196Beitrag arkon
3.7.2006 - 23:45

5. Juli 2006
Saint-Quentin, Frankreich

Ein weiterer Tag, eine weitere Etappe. Etwas verkatert wachte Tobias auf. Es war Mittwoch, der 5. Juli, wie ihm sein Wecker stolz verkündete. Und leider schon 10 Uhr. Höchste Zeit, aufzustehen. Zu spät würde er so oder so kommen, es ging jetzt nur noch um Schadensbegrenzung. Zwischen ihm und dem Start lagen noch 60 km über die Belgische Grenze, bis in den Zielbereich war es noch eine weitere Grenze und viel zu viele Kilometer. Und das war auch der Grund, weswegen er sich gestern Abend richtig weggepinselt hatte: Holland. Es war lang und ziemlich freizügig gewesen. Eigentlich rauchte er sonst nie etwas. Er hatte auch nichts für die nächsten Tage eingesteckt. Er hielt nicht sonderlich viel davon, wirklich illegal Drogen zu konsumieren. Aber einen Abend in einem Coffeeshop.... hehe.
Ein Blick neben sich bestätigte seine wagen Erinnerungen, zu einem diffusen Bild zusammengefasst. Sie war blond, klein und süß. Naja, das letzte konnte er nur vermuten, augenblicklich vergrub sie ihr Gesicht in einem Kissen. Er konnte sich noch an Sommersprossen entsinnen... naja, sekundär.
Leise stand er auf, duschte, kritzelte ein kurzes Dankeschön auf einen Zettel, packte leise und ging dann nach unten zum Frühstück. Natürlich nicht, ohne vorher das "Do not disturb" Schild an die Tür gehängt zu haben. Gentleman blieb Gentleman.
Unten traf er einige ebenfalls halbtote Gestalten. Er war auch gestern Abend nicht alleine losgezogen. Nach dem sie festgestellt hatten, das sie zu spät für das Frühstück da waren zogen sie so los. In einem kleinen Autokorso plünderten sie unterwegs zwei Bäckereien und sahen zu, das sie nach Frankreich kamen. Den Startort liessen sie links liegen, stellten aber ihre Radios schoneinmal auf Radiotour ein. Gerade rechtzeitig um den Start des offiziellen Rennens mitzubekommen. Zum Glück fuhren die Autos schneller...
Yuri Madarkady war heute wieder zu neuen Kräften erstarkt. Er riss früh aus und sicherte sich die erste Bergwertung. Der mitgeschickte Rabobankmann konnte sich nicht mehr vor ihn setzen. Die Gruppe löste sich schnell wieder auf, ehe Axel Merckx das Ruder übernahm. Mit 3 weiteren Begleitern strebte er dem Ziel entgegen.
Kurz nach der Verpflegungszone erreichten sie das Ziel, wo sie dann auch schon mit einigen krummen Blicken im Reporterpool empfangen wurden. Viele kannten natürlich die zuspät gekommenen und konnten auch recht gut erahnen, was gestern Abend gelaufen war. Und nicht alle billigten dies. Schlimmstenfalls lief ein Konkurrent zur Redaktion, schwärzte den "Kollegen" an und hatte einige Bonuspunkte gewonnen und einem faulen Berufsvertreter eins ausgewischt. Es kam nicht oft vor, aber Tobias war natürlich schon vorbelastet. Kümmern tat es ihm trotzdem nicht. Er war gut, zu gut, um ihn einfach so ersetzen zu können.
Nach dem die Gruppe eingeholt worden war, kam es zum erwarteten Zielsprint. Aber nicht zum ersten Mal in dieser Tour geriet dieser zur völligen Überraschung: Leon van Bon hatte am Schluss die schnellsten Beine und konnte den dritten Tour-Etappenerfolg seiner Karriere feiern. Auf den Plätzen zwei und drei fanden sich Max Van Heeswijk und Steven De Jongh wieder. Offensichtlich hatte der gestrige Besuch im Vaterland den drei Niederländern Auftrieb gegeben. Erst auf Platz vier landete Jaan Kirsipuu. Für ihn reichte dieses Ergebniss jedoch, um das grüne Trikot des besten Sprinters zu übernehmen. Dazu kam die morgendliche zurückeroberung des Bergtrikots durch Yuri Madarkady: Ein toller Tag für Credit Agricole.

Etappenergebnis:
1 Leon Van Bon 4h51'42
2 Max Van Heeswijk s.t.
3 Steven De Jongh s.t.
4 Jaan Kirsipuu s.t.
5 Juan Antonio Flecha s.t.

Gesamtergebnis:
1 Fabian Schmidt 18h24'24
2 Ivan Basso + 7
3 Jan Ullrich + 8
4 Paolo Bettini + 12
5 Alejandro Valverde s.t.

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 66
2 Tom Boonen 66
3 Leon Van Bon 65
4 Oscar Freire 63
5 Steven De Jongh 62

Bergwertung:
1 Yuri Madarkady 20
2 Erik Dekker 18
3 Andreas Klier 10
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Beitrag: # 365701Beitrag arkon
5.7.2006 - 14:20

5. Juli 2006
Caen, Frankreich

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Heute war Payback-time. Zumindest für Erik Dekker. Schon vor dem Start der 5. Etappe in Beauvais kündigte sich die Rache des Niederländers an im Kampf um das Bergtrikot. Und ein Kampf sollte es tatsächlich werden. Schon früh machte er sich mit einer Gruppe auf den Weg, seine Gefährten dabei Axel Merckx, Enrique Gutierrez, Fabian Cancellara, Koos Moerenhout, Andy Flickinger, Nick Nuyens, Gianpaolo Caruso und Salvatore Commesso. Diese Kampfstarke Gruppe stellte schon alleine wegen ihrer Größe eine erhebliche Bedrohung dar. Entsprechend forcierte das Feld früh das Tempo um die Gruppe nicht zu weit wegzulassen. Besonders QuickStep, Milram und Lampre machten das Tempo. Credit Agricole gesellte sich erst dazu, nachdem der Vorsprung kurz vor der zweiten Bergwertung, rund 120 km vor dem Ziel, auf 8 Minuten angewachsen war. Der recht wellige Parcours unterstütze das Vorhaben des Feldes.
So purzelten auch recht flott die Minuten bis das Tempo wieder etwas herausgenommen wurde. 50 km vor dem Ziel rückte das Meer näher; eine Brise, die nach Meer schmeckte und roch, erfrischte das Fahrerfeld. Die Ausreisser, zu diesem Augenblick nicht einmal mehr 10 km vom Kanal entfernt, nahmen den zunehmenden Wind dagegen mit mehr Sorge zur Kentniss. Sofort gingen die ersten Attacken, um die Gruppe zu verkleinern und ein besseres "Arbeitsklima" zu schaffen. Aber irgendwie wollte die neue Gruppe nicht entstehen. Schon jetzt 50 km vor dem Ziel, belauerten sich die Fahrer gegenseitig. Merckx und Cancellara versuchten es dann nocheinmal gemeinsam, Erik Dekker war, ohne weitere Bergwertung, nicht mehr motiviert genug um hinterher zu fahren. Das Duo harmonierte dann auch recht gut. 20 km vor dem Ziel waren die übrigen Reste der Gruppe vom Feld eingesammelt und der Schauplatz des letzten Kampfes war damit gesetzt. 2:30 waren noch übrig geblieben, und die beiden waren beileibe keine ungeübten Fluchtfahrer. Doch der West-Wind, der ihnen scharf von der Seite ins Gesicht blies, erschwerte das Vorhaben ungemein. Hinten klemmte sich dann auch Davitamon in die Führungsriege mit ein, was dem Vorhaben endgültig den Stempel des Scheiterns aufdrückte. 5 km vor dem Ziel, also schon in der Stadt Caen, flog das Feld an den beiden letzten Fluchtvögeln des Tages vorbei, der Sprint konnte beginnen. Xavier Florencio von Bouygues Telecom wagte noch einen Vorstoss, musste sich aber dem erdrückenden Tempo der Sprinterteams geschlagen geben. Der QuickStep-Express formierte sich, Petacchi musste heute auf Team-Support verzichten. Einzig Lampre schaffte es noch, ein konkurrenzfähiges Projekt zu organisieren. Die Zielgerade, etwa einen Kilometer lang, wurde auf Hälfte des Weges von einem Kreisverkehr unterbrochen. Lebensgefährliche Artistik bewahrte die Fahrer vor Stürzen, aber das Feld war geteilt. Auf der einen Seite der QuickStep-Zug mit Boonen und Petacchi irgendwo dahinter, auf der anderen Seite die Lampre-Anfahrer mit Ballan und den beiden Credit-Agricole Sprintern. Mit ungeheurer Wucht schossen die beiden Reihen Radfahrer dem Ziel entgegen. Petacchi ging dann als erster in den Wind, auf der anderen Seite folgte Balan. Der Sprint war eröffnet. Schnell wurde klar, das Kirsipuu richtig gepokert hatte: Mit einer unglaublichen Geschwindigkeitsdifferenz setzte er sich nach vorne ab. Von Boonens Hinterrad startete dann in der Schlussphase des Sprints noch Bettini, der wohl mit einem Etappensieg noch nicht zufrieden war. Sein Mut wurde denn auch mit dem zweiten Platz belohnt, Kirsipuu konnte er aber nicht mehr gefährden. Hushovd rettete sich auf Platz drei, nachdem er etwas zu früh eröffnet hatte. Für Boonen reichte es wieder nur zum vierten Platz.
Im Ziel dann noch einen weitere Überraschung für die Agricole-Fahrer: Nach dem sie heute das Bergtrikot abgeben mussten, hatte Kirsipuu mit dem grünen Trikot gleich den entsprechenden Ersatz organisiert. Ein Wahnsinns Tag für das französische Team! Bettini schlüpfte derweil, dank der Bonussekunden, ins Gelbe. Fabian Schmidt muss es damit vorerst abgeben, nachdem er es nun wirklich lange getragen hatte. Beim Zeitfahren übermorgen wird es aber wieder zur Disposition stehen...

Etappenergebnis:
1 Jaan Kirsipuu
2 Paolo Bettini
3 Thor Hushovd
4 Tom Boonen
5 Alessandro Petacchi
6 Daniele Bennati

Gesamtergebnis:
1 Paolo Bettini 22h58'27
2 Fabian Schmidt s.t.
3 Ivan Basso + 7
4 Jan Ullrich + 8
5 Thor Hushovd + 9

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 101
2 Tom Boonen 90
3 Thor Hushovd 84
4 Oscar Freire 79
5 Steven De Jongh 76

Bergwertung:
1 Erik Dekker 28
2 Yuri Madarkady 20
3 Enrique Gutierrez 10
4 Andreas Klier 10
5 Leif Hoste 10
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6.7.2006 - 17:48

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Petacchi siegt in Vitré

Für Allesandro Petacchi scheint sich die Reise nach Frankreich nun doch gelohnt zu haben. Nach bisher, für seine Verhältnisse, eher bescheidenen Ergebnissen kam heute für ihn der große Knall. "In den letzten Tagen hat immer irgendwas gefehlt. Mal das falsche Hinterrad, mal ne schlechte Übersetzung, dann wieder waren die Beine nicht da. Aber heute hat dann einfach alles gestimmt". Überlegen fuhr der Italiener aus der dritten Reihe den Sprint selber an und riss mit einem Wahnsinnsantritt sofort die nötige Lücke. Boonen musste es dann selber richten, nachdem ihn diesmal Bettini sehr geschickt platziert hatte. Am Schluss reichte es für ihn nur zu Platz drei: Allan Davis konnte ihn auf den letzten Metern noch überholen. Dahinter kam Jaan Kirsipuu als vierter ins Ziel und verteidigt damit sein grünes Trikot.
Morgen geht es dann im Zeitfahren erstmals wirklich um entscheidende Zeit im Gesamtklassement. Topfavorit ist natürlich der Deutsche Jan Ullrich. Mit Lance Armstrong fehlt der Mann, der ihn in der Vergangenheit allzu oft besiegen konnte. Auch gefährlich sind natürlich die Zeitfahrspezialisten, allen voran Fabian Schmidt, der Weltmeister in dieser Disziplin. Aber auch Fabian Cancellara und Laszlo Bodrogi sollte man, neben all den anderen Leuten, die sich im Gesamtklassement gut plazieren wollen, im Auge behalten.

Etappenergebnis:
1 Alessandro Petacchi
2 Allan Davis
3 Tom Boonen
4 Jaan Kirsipuu
5 Robbie McEwen
6 Oscar Freire
7 Salvatore Commesso
8 Simone Cadamuro
9 Alessandro Ballan
10 Juan Antonio Flecha

Gesamtwertung:
1 Paolo Bettini Quick Step - Innergetic 27h02'49
2 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems s.t.
3 Ivan Basso Team CSC + 7
4 Jan Ullrich T-Mobile Team + 8
5 Thor Hushovd Credit Agricole + 9

Sprintwertung:
1 Jaan Kirsipuu 125
2 Tom Boonen 116
3 Oscar Freire 99
4 Allan Davis 97
5 Robbie McEwen 96

Bergwertung:
1 Erik Dekker 28
2 Yuri Madarkady 20
3 Filippo Pozzato 12
4 Enrique Gutierrez 10
5 Andreas Klier 10
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arkon
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7.7.2006 - 0:04

8. Juli 2006
Rennes, Frankreich

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Der Wind, der 2 Tage zuvor noch so unglücklich zwei Ausreißer ausgesogen hatte, die sich zu nah ans Meer wagten, hatte auch heute beschlossen, eine Rolle zu spielen: Kurz nachdem die Fahrer, Mechaniker, Trainer und Teamchefs sich am einem satten Abendrot erfreut hatte und in Erwartung einer Etappe, die ebenso heiß wie der Rest der ersten Woche werden sollte, schlafen gelegt hatten trieb der West-Wind vom Meer her tiefe, dunkle Regenwolken über die Bretagne. Noch bevor die Sonne den ihrigen Vorstoß wagte hatten sich die Wolken zusammengerottet und eine dichte, regenschwangere Decke über die Region um Rennes gelegt. Frustriert stellte sich das französische Fernsehen auf eine verrauschte Übertragung voller Standbilder aus dem Zielbereich ein und beorderte noch ein zusätzliches Flugzeug in die Region, um den Signalstrom zu stabilisieren.
Während der Tag also für die allermeisten alles andere als freudig begann hatte Jerdona Zeres an diesem Morgen gute Laune: Die Erkältung, welche in seit mehreren Tagen gepeinigt hatte, war verschwunden. Ein wenig konnte er noch die Müdigkeit fühlen, aber die Schlappheit, welche ihn noch gestern zuverlässig gestraft hatte, war verschwunden. Damit war also Zeit, im heutigen Zeitfahren den Gegenschlag zu führen gegen die Niederlage, die er im Prolog in Straßburg vor genau einer Woche erlitten hatte. Dank seines 78. Platzes im Gesamtklassement sollte er auch frühzeitig die Gelegenheit dazu bekommen.
Nach dem Frühstück brach er mit 5 anderen Teamkollegen zum Nachbarort Saint-Grégoire, in dem der Start erfolgen sollte. Er würde als letzter in dieser Gruppe an den Start gehen. Lediglich Hushovd, Christoph und Kirsipuu waren noch im Hotel. Noch bevor der erste Fahrer, Wilfried Cretskens vom Team Quickstep, von der Rampe rollen konnte war die grundsätzliche Szenerie für den Tag schon festgelegt: Auf dem leicht welligen Kurs durch die relativ weit einsichtige Landschaft führte eine ziemlich schnurgerade Strecke auf der neben ein paar 90° Kurven zwei Kreisverkehre am Anfang die größten Hindernisse darstellten. Der prasselnde Regen trieb graue Vorhänge durch die Bretagne, die teilweise richtige Seen auf der Straße bildeten. Für den weiteren Verlauf des Tages war das Wetter zwar besser angesagt, die nasse Straße und das peitschende Wasser von allen Seiten, vor dem einen kein Vordermann schützen konnte würden jedoch nicht weichen.
Jörg Jaksche konnte relativ früh die beste Zeit vorlegen, nur wenige Minuten später gebrochen von Bodrogi, der hier als erster Zeitfahrspezialist und als erster Fahrer des Teams an den Start ging. Wenig später kam er auch wieder in den Zielbereich gefahren. Ohne Dusche, aber von Regen und dem Schweiß der Anstrengung durchnässt gab er den Startern, die sich auf den Rollen Warmfuhren, den entnervten bericht: „Das ist kein Zeitfahren, das ist Zeitschwimmen. Ich konnte selbst bei den dünnen Reifen spüren, wie sich das Wasser drunterschiebt. Gerade in den Senken, wo die Seen stehen, müsst ihr vorsichtig reinlenken. Viel korrigieren kann man da nicht mehr. Und erst das Wasser, das vom Hinterrad auf euch runterregnet… Augen zu und durch. Warm einpacken!“
Kurz nach Beginn der Liveübertragung 4 1/2 Stunden vor dem letzten Zieleinlauf startete dann Jerdona Zeres. Und sofort war ihm klar dass er heute wesentlich weiter vorne landen würde. Seine Beine waren gut. Die Kälte und der von allen Seiten auf ihn einstürzende Regen machten ihm als Schönwetterfahrer schon zu schaffen, aber seine Form war zum ersten Mal in dieser Tour da. Er konnte förmlich spüren, wie viel leichter er das Rad vorwärts drücken konnte. Bei der ersten Zwischenzeit war er dann auch schon vor Laszlo Bodrogi. Von hinten ermahnte ihn Emanuel etwas, jetzt nicht übermütig zu werden, aber das Wetter verhinderte das ganz von alleine. Rechtzeitig nachdem er in Romillé vom Westkurs nach Süden gedreht war tat es ihm der Wind gleich und blies beständig von vorne. Dass mit dem Auffrischen auch der schlimmste Regen überstanden war konnte Jerdona nur wenig trösten. Für ihn würden die aufbrechenden Wolken zu spät kommen. Bei der zweiten Zwischenzeit waren seine 20 Sekunden Vorsprung zu 20 Sekunden Rückstand auf seinen immer noch führenden Teamkollegen geworden.
Er hatte jetzt den schlimmsten Windteil der Strecke hinter sich, aber nun kam der für ihn als Bergfloh schwerste, weil flachste Teil. Hier waren die echten Zeitfahrspezialisten wie Ullrich oder eben Schmidt gefragt, die große Gänge schön drücken konnten. Mit jedem Meter konnte er fühlen, wie die Strecke länger wurde, statt kürzer. Und dann auf einmal wurden seine Beine richtig schwer: Die Säure begann in seine Waden zu schießen. Krampfhaft versuchte er, dagegen zu halten. Aber er hatte schon die Stadtgrenzen erreicht. Eine Linkskurve, dann ging es leicht den Berg runter. Jerdona trat locker durch, versuchte, noch einmal die nötige Kraft zu sammeln. Nach rechts, an einem Fluss entlang, und schon huschte die Flame Rouge über seinen Kopf hinweg. Seine Beine brannten jetzt, er konnte kaum mehr einen Meter fahren. Die Zielgerade, jetzt hieß es wirklich drücken. Der Weg wurde länger und länger… Geschafft. Im Ziel drehte er sich noch um und erkannte, das er eine knappe Minute hinter Bodrogi gelandet war. Zufrieden atmete er durch. Nicht so gut, wie er sich erhofft hatte, aber bei weitem besser als nach dem Prolog.
Erschöpft stieg er vom Rad und stellte fest, dass er sich trotz allem immer noch besser fühlte als vor einer Woche nach dem 7 km langen Prolog. Wie viel so eine kleine Erkältung doch ausmachen konnte.

Während Jerdona Zeres in Rennes erschöpft in den Teambus torkelte begann für Fabian Schmidt die Show gerade erst. Noch etwa 1 1/2 Stunden hatte er bis zu seinem Start. Zeit für ihn also, um mit dem Einrollen zu beginnen. Noch mit einem Phonak-Trikot auf den Schultern war er zuvor aus dem Hotel in Rennes spaziert und hatte sich, wie in Straßburg, mit dem Fahrrad auf den Weg in den Startbereich begeben. Matthias Frey war wiederum nicht sonderlich begeistert gewesen, hatte es aber seinem Schützling wiederum nicht abschlagen können. Mittlerweile hatte es sich seine Angewohnheit wohl bei der Presse herumgesprochen, auf jeden fall wartete ein Kamerateam neben dem Teambus auf ihn. Lächelnd musste er anerkennen dass er, als Favorit in diesem Zeitfahren, um so etwas wohl nicht herumkommen würde. Ein Interview konnte nicht schaden, solange musste die Rolle wohl noch warten. Außerdem war es wichtig dass er das Rennen entspannt anging.
Seine Lockerheit verlor er mit einem Schlag als er die Reporterin erblickte, die sich da ihren Weg auf ihn zu bahnte. Sie war jung, vielleicht Mitte 20, nur wenig kleiner als er. Ihre langen, schwarzen Haare flatterten im Wind. Er blieb unter einem Vordach stehen, sein Rad neben sich und musste einen Augenblick mit sich kämpfen um wieder einen entspannten, lockeren Gesichtsausdruck zu bekommen.
„Hallo, Louise Douar vom französischen Fernsehen. Darf ich ihnen ein paar Fragen stellen?“
Oh mein Gott, sie war tatsächlich wegen ihm hier. Er schluckte heftig, brachte dann ein etwas verschüchtertes Lächeln zustande und fühlte sich wieder wie ein kleiner Schuljunge vor einer gelangweilten Meute auf der Tribüne der Schulaula mit einer Blockflöte…
„Äh, natürlich“
„Schön.“
Sie musste auch lächeln. Offenbar war sie so eine Reaktion gewohnt, erwartete sie aber nicht von Rennfahrern. Mit einem kurzen Schütteln ihres Kopfes warf sie ihre langen, schwarzen Haare nach hinten, die mit ihren leichten Locken in ihr Gesicht gefallen waren. Jetzt konnte er fühlen, wie sich der Gesang der „Himmlischen Heerscharen“ anfühlen musste.
„Sie kommen heute mit dem Rennrad vom Hotel zum Startort. Stimmt das Gerücht, dass sie das gleiche auch schon in Straßburg getan haben?“
Fabian musste sich kurz sammeln. Sein Kopf war leer.
„Äh, ja, das ist richtig. Na ja, ich dachte mir in Straßburg ’Was für ein schöner Tag! Genieße ich ihn doch einfach und fahr kurz mit dem Fahrrad rüber zum Start’. Offensichtlich hat es mir Glück gebracht und da hab ich das heute einfach wieder gemacht.“
„Gehen sie so mit der Drucksituation um, hier als Favorit auf den Tagessieg und das gelbe Trikot antreten zu müssen?“
Der Regen kam in Böen unter das Vordach geschossen, unter dem sie standen und rann langsam an ihren Haaren hinab. Die dünnen Tropfen glitzerten auf ihrer Haut unter dem hellen Licht des Scheinwerfers, der auf die Kamera montiert war.
„Na, was heißt Favorit. Ich würde mich selber so nie bezeichnen. Ok, ich hab den Prolog gewonnen, aber das Zeitfahren heute ist völlig anders. Und bei der Zeitfahrweltmeisterschaft ist bei weitem nicht das Publikum von heute anwesend.“
„Ist das falsche Bescheidenheit oder glauben Sie wirklich nicht an ihre Möglichkeit heute zu gewinnen?“
„Eher falsche Bescheidenheit. Auf der anderen Seite würde ich heute gegen Jan Ullrich gewinnen müssen. Und ich kann mich noch zu gut daran erinnern wie ich ihn selber `97 vor dem Fernseher angefeuert habe.“ Er musste kurz lächeln „Ja, es ist machbar. Aber ich glaube, das wäre wirklich der größte Sieg meiner Laufbahn. Und so Gedanken verdrängt man lieber aus seinem Kopf“
„Inwieweit benachteiligt denn der Regen Ullrich? Ist das ein Vorteil für Sie?“
„Ja, eher für mich als für ihn. Ich bin auch ein absoluter Sommermensch, aber ich kann auch bei Regen gut fahren. Mir ist das Wetter eher egal. Dagegen wird Ullrich immer als ’Sommerkind’ bezeichnet. Und das setzt sich dann auch im Kopf fest und hemmt einen, wirklich Vollgas zu geben“
„Wie haben sie sich denn gefühlt als Paolo Bettini vorgestern das gelbe Trikot von ihnen übernommen hat?“
„Sie mögen es vielleicht nicht glauben, aber ich war ganz froh. Der Trubel war unglaublich und unser Team hat bei der Verteidigung schon einiges an Energie auf der Straße lassen müssen. Es ist natürlich das Größte mit diesem Trikot starten zu können. Und dann darf man noch jeden Tag nach der Etappe auf die Tribüne klettern… Ja, es ist schon toll. Aber ich wollte mich wirklich relativ in Ruhe auf heute Vorbereiten. Und von daher ist es für mich perfekt gelaufen. Außerdem kann ich es mir ja heute zurückholen. Bettini wird es heute dagegen fast todsicher abgeben müssen. Aber ich glaube, ich muss jetzt auf die Rolle zum warm fahren….“
„Dann bedanke ich mich für das Interview und wünsche ihnen noch viel Glück heute“
Er bedankte sich artig und wartete die entscheidenden Sekunden ab. Der Kameramann senkte seine ’Dienstwaffe’ gen Boden und wendete sich desinteressiert ab während Louise noch den vielleicht entscheidenden Moment wartete.
„Äh, vielleicht kann ich ihnen ja heute Abend noch ein paar Fragen beantworten. Bisher sieht es bei mir nach der Etappe noch relativ leer aus.“ Er deutete demonstrativ einen Terminkalender an, den er aus der Tasche zog und darin erfolglos blätterte. Hoffentlich bemerkte sie nicht seine zitternden Finger. Ihr stummes Lachen belohnte seinen Versuch.
„Ja, das wäre Klasse.“ Sie lächelte kurz und dann ihrerseits einen Terminkalender vor. „Wann würde es ihnen denn passen?“
„Na ja, erstmal muss ich hier noch so `n Rennen fahren, dann stell ich mich noch kurz unter die Dusche, Siegerehrung nicht vergessen… Wenn Sie im Dorf ein Studio haben passt für mich 6 ganz gut.“
„Ich darf mich so glücklich schätzen ein Privileg ebendieser Sorte genießen zu dürfen“ Der Kameramann hatte sich mit einem schnellen Seitenblick von der Situation, in der sich ihre Chefin befand, vergewissert und entsprechend das Weite gesucht. Das Louise sich auf das Spielchen einließ veranlasste jetzt Fabian zu einem kurzen Grinsen.
„Alles klar, dann fahr ich mal schnell“ Noch ein kurzes Lächeln gönnte sie ihm, bevor er im Bus verschwand.

So, hoffe das war nicht zu lang. Der zweite Teil kommt, auch damit es lesefreundlicher wird, wohl morgen.... oder später ;)
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Beitrag: # 366390Beitrag arkon
7.7.2006 - 18:55

Das ist jetzt die Fortsetzung... Ich konnte mich nicht bremsen, deswegen gibts wohl noch einen Teil drei. Nicht jammern, ihr beschwert euch ja immer, wenns nicht vorwärts geht ;)

ps: danke für die stimmen bei der monatswahl!


„Auf der Rampe sehen wir nun einen, der das regnerische Wetter heute nicht so sehr schätz. Aber seine Erfolge sprechen für ihn: Zweimal wurde er Zeitfahrweltmeister, einmal Toursieger, fünfmal zweiter bei der großen Schleife. Er gewann die Tour de Suisse, die Vuelta Espana, holte Gold bei der Olympiade. Zweimal wurde er Landesmeister und einmal Amateurweltmeister. Das einzige, was heute gegen seinen Erfolg spricht, ist das Wetter. Akkurat hat er sich vorbereitet um mit einem Paukenschlag ins Gelbe Trikot fahren zu können. Einer der großen Favoriten dieser Tour startet… jetzt ins Rennen und nimmt die 52 km von Saint-Grégoire nach Rennes in Angriff. Meine Damen und Herren, einen Riesenapplaus für Jaaaaan Ullrich!“
Die Stimme des Sprechers an der Rampe donnerte über die Schirme und Regencapes der Zuschauer hinweg als Jan Ullrich in seiner ihm eigenen Art beschleunigte. Seine langen, kräftigen Beine übertrugen die riesige Kraft seiner Waden auf die Klickpedale seines Zeitfahrrads. Schnell war er in der Ferne verschwunden.

„Ja, er ist heute wirklich der Favorit. Der Etappensieg geht über ihn. Nicht, das er unbesiegbar wäre. Es gibt eine ganze Reihe von Fahrern, die ihn heute schlagen könnten. Aber die Papierform ist heute nicht alles, Jan ist sicher bis in die Zehenspitzen motiviert und wird alles für sein erstes Gelbes Trikot nach 1998 tun.“
„Würdest du heute auf ihn wetten?“
„Na ja, wenn ich Geld setzen würde, dann auf ihn. Die sichersten Quoten dürfte er allemal haben“
„Dann wünschen wir ihm viel Glück… Aber was ist das? Sturz bei Ullrich! Er fuhr da grade durch einen dieser Kreisverkehre… hier sehen wir noch mal die Wiederholung. Ja, da sehen wir es deutlich. Es ist der zweite Kreisel am Ortsausgang. Er hat schon einen Affenzahn drauf und… rutscht da seitlich weg als er wieder auf die Straße einlenken will.“
„Hatte aber Glück, nichts passiert. Sitzt schon wieder auf dem Rad und tritt voll durch. Der Mechaniker hinten wird jetzt das Rad begutachten. Sie fahren nebenher, Ullrich wird jetzt wahrscheinlich ein bisschen schalten, er begutachtet das aus dem Auto ob das alles in Ordnung ist und ob Ullrich weiter fahren kann.“
„Glücklicherweise scheint er unverletzt und auch der Rennmaschine geht es gut. Zeit hat der Sturz kaum gekostet, aber das könnten am Schluss die entscheidenden Sekunden sein. Das erinnert ja an das Szenario 2003 als….“

Fabian Schmidt hatte kurz in einem Fernseher die Bilder gesehen. Instinktiv merkte er sich die Stelle und hielt gleich schon die Bestätigung über seinen Knopf im Ohr. „Zweiter Kreisel langsam raus fahren. Ullrich ist da grade gestürzt!“
Basso rollte gerade von der Rampe. Noch zwei Minuten. Jetzt begann das übliche Ritual des Wartens. Wann wurde die Jagd endlich eröffnet? Er hatte auf kürzere Zeitabstände gehofft: Basso würde er ziemlich sicher eine Minute abnehmen können, hart, aber möglich. Zwei Minuten waren dagegen kaum drin. Und jede Überholung gab ihm noch einen zusätzlichen Kick. Aber bei den langen Tourzeitfahren waren zwei Minuten eben ein bisschen viel gegen einen geübten Zeitfahrer.
Endlich war der Start freigegeben und er durfte selber fahren. Das Vorspiel, die Zeit, sich nervös zu machen, war vorbei. Jetzt konnte er seine Leistungen sprechen lassen. Genau seine Kragenweite.

„Fabian Schmidt geht da etwas vorsichtiger durch die beiden Kreisel. Eine kluge Geste. Bettini steht auf der Rampe. Er wird sein Trikot heute wohl verlieren denn er ist…:“

Es ging jetzt zunächst relativ flach aber vor allem schnurgerade durch die Bretagne. Die Geraden waren immer wieder über einen Kilometer lang. Ein perfektes Terrain für ihn. Das dumpfe Prasseln des Regens gegen seinen Helm und das leicht getönte Plastikvisier gab ihm einen Geräuschpegel, der ihn von der aufgeregten Stimme aus dem Auto hinter ihm ablenkte. Er konnte jetzt nichts weniger gebrauchen als Aufregung. Er verfiel fast in eine Art Meditation während seine Beine mit brachialer Gewalt das Rad dem Ziel entgegen pressten.

„Und hier sehen wir Fabian Schmidt. Wunderbar, wie er auf dem Rad sitzt. Er sieht völlig entspannt aus, fast wie aus dem Leerbuch. Besonders seine Maße sind fantastisch. Ein Mediziner meinte vor der Tour sogar dass seine Hebel sogar noch besser beschaffen sind als die von Ullrich. Und mit dem maßgeschneiderten Rad, was er hier fährt, sind seine Maße noch besser auf die Maschine abgestimmt.“
„Ja, aber was ich wirklich erstaunlich finde ist seine Schaltweise. Er fährt, wie man hier schön erkennen kann, nur eine sehr begrenzte Auswahl an Gängen, wahrscheinlich genau auf ihn und auf die Strecke abgestimmt. Damit hat er mehr Gänge zur Verfügung, die er hier konkret nutzen kann. Und man sieht es auch immer wieder. Anstiege, die andere Fahrer mit einem Gang hochwuchten, da schaltet er hier zwei- dreimal und muss so seine Trittfrequenz kaum variieren. Und damit fährt automatisch auch sein Körper immer im gleichen Belastungsbereich, wodurch er ein sehr gleichmäßiges Tempo über die ganze Strecke wählen kann.“
„Aber machen das nicht alle Fahrer?“
„Klar, das versuchen alle. Aber er hat sich ziemlich intensiv auf heute vorbereitet und weiß wahrscheinlich genau, was er hier treten muss, um das letzte Körnchen aus sich rauszudrücken.“

„Ullrich hat die neue Bestzeit am ersten Messpunkt. 12 Sekunden vor Cancellara.“ Er hatte noch vielleicht 4 Minuten, bis er die Bestätigung bekam: Top oder Flop? Wenn er am ersten Messpunkt hinten war, dann würde es schwer bis unmöglich werden, noch etwas zuzulegen. Und dann war die Etappe so gut wie verloren…
Da hinten… war das ein Auto? Ja, ein Auto. Noch in einiger Entfernung konnte er es jetzt doch deutlich ausmachen. Das musste Basso sein. Er war im Rennen und Basso…
„Gibt’s die Zwischenzeit von Basso schon?“ keuchte er durch sein Mikro.
„Nein, noch nicht ganz. Er kommt gerade in den Messbereich….“

„Und Ivan Basso am ersten Messpunkt. Eine gute Zeit für ihn, der dritte Platz, 20 Sekunden hinter Ullrich. Wie viel wird er heute verlieren?“
„Auf Jan? Na ja, wenn er schon nach einem Drittel so zurückliegt… Ich glaube, Jan wird eher stärker. Damit grob 1 1/2 Minuten, grob überschlagen.“

Da war schon die Messstation. Die Straße schlängelte sich hier leicht durch den Ort, die Festkameras, die Banden…. Das Banner für den Messpunkt.
„Super, neue Bestzeit… 35 Sekunden auf Ullrich! Wahnsinn! Einfach weiter so“
Er musste ein paar Tritte aussetzen. Die Nachricht kam fast wie ein Schock. Er konnte hier und heute Ullrich, den großen Jan Ullrich schlagen! Und wie es aussah würde es keine knappe Angelegenheit werden. Hatte er sich das Rennen wirklich gut eingeteilt?

„Und Schmidt holt Basso ein. Ein Wahnsinnsrennen das der junge Deutsche heute fährt. Wie der Blitz schießt er hier durch den Regen. Seine Haltung ist absolut vorbildlich und sein Tritt offenbar auf. Jetzt ist es soweit, Fabian Schmidt rauscht vorbei, erst am Auto von CSC-Teamchef Bjarne Riss. Was wird er jetzt wohl denken? Vielleicht, das er sich den Deutschen selbst ins Team hätte holen sollen. Aber wer konnte das ahnen? Er fährt wirklich das Rennen seines Lebens. Und im weiten Abstand geht’s vorbei an Ivan Basso. Der versucht sich natürlich sofort an seinem neuen Vordermann zu orientieren. Kann er das Hinterrad halten ist das vielleicht der Weg, heute gegenüber Ullrich nicht allzu viel Zeit zu verlieren.“

’Nur nicht umschauen’ pochte es durch seinen Kopf. Es war natürlich ein unglaublicher Schub, der sofort durch seinen Körper schoss. Er hatte Ivan Basso überholt, 2 Minuten noch vor der zweiten Zwischenzeit gut gemacht!

„Das ist die zweite Zwischenzeit für Fabian Schmidt. Wir dürfen gespannt sein, wie viel er gegenüber Jan Ullrich gewonnen hat. Oder hat er vielleicht verloren? Da ist die Zeit… Und… es ist unglaublich“ Die Stimme des Moderators stockte, er musste kurz selber nach Worten suchen.
„Das sind knallharte 1:30 Minuten, die er seinem Landsmann, der immer noch in zweiter Position ist, abnimmt. Ullrich scheint heute einfach nicht gut drauf zu sein, das wird jetzt klar. Ivan Basso, der immer noch an Schmidts Hinterrad klebt, nimmt er gerade einmal 35 Sekunden ab. Das hat er sich sicherlich anders vorgestellt. Aber was soll er auch tun? Es ist nicht sein Wetter. Dazu kommt der Sturz und dann die noch sicherlich etwas deprimierende Tatsache, dass er schon bei der ersten Zwischenzeit quasi kaum noch eine Chance auf den Tagessieg hatte. Der geht heute, und das wird immer klarer, an Fabian Schmidt. Er deklassiert hier die Konkurrenz wie Armstrong in seinen besten Tagen. Ich hätte gerne Armstrong heute gesehen. Im letzten Jahr war Schmidt leider noch nicht in der Form, die er heute aufweist, sonst hätte selbst der Rekordsieger aus Texas beim Zeitfahren um jeden Sieg bangen müssen.“

Jetzt flog er wirklich. Der Gedanke an seine Zeit pushte ihn noch mal deutlich. Ullrich würde natürlich auch auf den letzten Meter noch einmal etwas zulegen, versuchen, ihn nicht allzu weit davon zu lassen. Aber letztlich ging es für ihn nur um den Tagessieg, während Jan mit dem Toursieg ein etwas höheres Ziel vor Augen hatte.
Da hinten lag schon die Stadt und… was war das? In der Ferne konnte er ausmachen, wie ein Auto, eng umschlungen von einem Helikopter, sich den Weg eine kleine Bodenwelle hinauf bahnten. Das musste Ullrich sein. Allein der Anblick ließ das Adrenalin in seinen Venen erneut auffackeln. Wie eine zusätzliche Spritze zog er noch einmal an.

„Diese Perspektive, die der Helikopter jetzt sucht, heißt wahrlich nichts Gutes für Jan Ullrich. Es sind nur noch 5 km bis ins Ziel, überholt werden dürfte er nicht mehr. Diese Schmach bleibt ihm wohl erspart. Aber alleine schon, das Fabian ihm heute fast 2 Minuten abnimmt ist ein Gedanke, der ihn nicht sehr erheitern dürfte. Er wird zweiter werden, aber die Botschaft ist klar: ’Wärst du vor mir gestartet, hätte ich dich überholt’. Und an einen überholten Jan Ullrich haben wir keine allzu guten Erinnerungen….“
„Also offenbar doppelt schlechtes Ohmen für den Deutschen, der sich hier gerne zum zweiten Mal den Toursieg holen würde. Aber es ist noch lang und auf Ivan Basso, als Konkurrent im Gesamtklassement, hat er deutlich Zeit gewonnen.“
„Und auf die anderen auch. Zum Teil nicht so viel wie erhofft, aber dennoch ein Anfang. Und es kommt ja noch ein weiteres Zeitfahren.“

Die Ziellinie vor Augen. Schade. Nach seinem Geschmack hätte das Rennen noch länger dauern dürfen. Erst als Fabian aus dem Sattel ging um zu sprinten merkte er, wie fertig er eigentlich war. Seine Reserven reichten kaum aus, um den Gang noch ein wenig schneller zu treten. Völlig ausgelaugt kam er im Ziel an. Auf den Punkt genau war er heute richtig gefahren. Mit einem breiten Lächeln drehte er sich um und bewunderte seine neue Bestzeit. „2:06 auf Ullrich, Wahnsinn.“ Schallte es durch seinen Kopf.

Erst, als er die Tribüne, auf der er soeben als Tagessieger und neuer und alter Träger des Gelben Trikots geehrt worden war wurde ihm bewusst, was nun auf ihn zukam. Und was er eigentlich heute Abend vorhatte…
Die ersten Mikros wurden ihm schon entgegengestreckt. Kürzer als für ihn üblich beantwortete er die Fragen und drängte sich durch die Menge zu einem Teamwagen. „Verdammt, bring mich schnell ins Hotel. Ich will Duschen und was beißen bevor ich mich hier zerfleischen lasse.“ Sagte er gehetzt zu Matthias, der schon wieder auf dem Fahrersitz saß. Die Rückfahrt ins Hotel über unterhielt er sich mit seinem persönlichen Betreuer über das Rennen. Wie er sich gefühlt hatte, die Technik, die Reserven, die nächsten Tage, die Teamtaktik, wie er die Berge sah, die Gänge, der Camelbag, die Nahrung… ihm schwirrte schon bald der Kopf. Nach so einem Tag gab es nichts, was er hätte ätzender finden können als so eine Besprechung. Er hatte doch gewonnen?!?! Noch eine Dusche und dann würde er endlich seine verdiente Belohnung bekommen: Ein Interview...
Zuletzt geändert von arkon am 8.7.2006 - 15:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag: # 366506Beitrag Gfoo2000
7.7.2006 - 23:40

Steinige mich wenn ich mich täusche, aber kann es sein dass du einmal Jerdona Zeres satt Fabian Schmidt geschrieben hast?!
Weil alles andere würde mich doch stark verwundern....

Ista ber ein wirklich entter Bericht übers Zeitfahren.....

EDIT: Hab mich anscheinend geirrt.... :roll:
Zuletzt geändert von Gfoo2000 am 9.7.2006 - 13:10, insgesamt 2-mal geändert.
Ich bin kein Bild....

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Beitrag: # 366779Beitrag arkon
9.7.2006 - 1:38

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Überragender Schmidt überrumpelt Konkurrenz

Fabian Schmidt hat im ersten langen Zeitfahren der Tour de France seine Gegner deklassiert. Auf dem 52 km langen Kurs von Saint-Grégoire nach Rennes, auf dem er als vorletzter startete, ließ er seinen Gegnern keine Chance. Einzig und alleine Jan Ullrich konnte dagegen halten und wurde, trotz eines Sturzes, noch 2. mit einem Rückstand von knapp über 2 Minuten. Ivan Basso, der mit Ullrich als Favorit auf den Sieg gilt, startete zwei Minuten vor Schmidt und musste den amtierenden Zeitfahrweltmeister nach der ersten Zwischenzeit passieren lassen. Er konnte sich noch einige Kilometer hinter ihm halten und somit seinen Rückstand in Grenzen halten. Am Schluss kam er mit einem Rückstand von 2:55 ins Ziel und war mit seiner Leistung zufrieden: „Ich hab den Rückstand auf Ullrich in engen Grenzen gehalten. In den Bergen wird es schwer, aber ich denke, ich habe gute Chancen, Ullrich genug Zeit abzunehmen.“. Der Deutsche war dagegen mit seiner Leistung alles andere als einverstanden: „Der Sturz hat mich nicht so viel Zeit gekostet, aber so was bringt einen immer erstmal aus dem Konzept. Jetzt darf ich mir im Gebirge keine Ausrutscher leisten.“
Der Sieger Fabian Schmidt war im Ziel überglücklich „Das ist der größte Sieg meines Lebens. Ich kann mir nicht vorstellen, das noch zu übertreffen.“ Es scheint, als ob an diesem 8. Juli eine weitere Deutsche Tourlegende geboren wurde. Der junge Profi vom Team Phonak sorgte schon vor einem Jahr für Furore, als er das gelbe Trikot erobern konnte und auch in den Zeitfahren recht ordentliche Ergebnisse erzielte. Seine bisherige Saison verlief eher unauffällig. Eine Verletzung im Frühjahr zwang ihn, einige Rennen auszusetzen und würfelte seine Planung ein wenig durcheinander. Seine Teilnahme bei der großen Schleife in Frankreich war jedoch nicht gefährdet: Die Teamleitung hatte ihn bereits im Winter zu den Kandidaten für einen Kaderplatz ernannt und ihn dann vor wenigen Wochen fest nominiert. „Wir wissen, dass er eine etwas ruhigere Vorbereitung auf die Tour schätzt und haben ihn nicht unter Druck gesetzt, mehr Rennen als nötig zu bestreiten.“ sagte der Teamleiter.

Etappenergebnis:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 1h05'02
2 Jan Ullrich T-Mobile Team + 2'06
3 Fabian Cancellara Team CSC + 2'52
4 Ivan Basso Team CSC + 2'55
5 Bradley Mc Gee Française des Jeux + 2'56
6 Santiago Botero Phonak Hearing Systems + 3'10
7 Andreas Klöden T-Mobile Team + 3'12
8 Floyd Landis Phonak Hearing Systems s.t.
9 Bobby Julich Team CSC + 3'14
10 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 3'15

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 31h59'15
2 Jan Ullrich T-Mobile Team + 2'14
3 Ivan Basso Team CSC + 3'02
4 Bradley Mc Gee Française des Jeux + 3'11
5 Santiago Botero Phonak Hearing Systems + 3'24
6 Floyd Landis Phonak Hearing Systems + 3'27
7 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 3'31
8 Christophe Moreau Credit Agricole + 3'50
9 Denis Menchov Rabobank + 3'52
10 Paolo Savoldelli Discovery Channel + 3'56
...
17 Jerdona Zeres Credit Agricole + 5'01
...
43 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance + 6'55
...
47 Danilo Di Luca Liquigas - Bianchi + 7'03
...
66 Michael Rasmussen Rabobank + 8'25
...
131 Iban Mayo Euskaltel - Euskadi + 11'59

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 125
2 Tom Boonen 116
3 Oscar Freire 99
4 Allan Davis 97
5 Robbie McEwen 96

Bergwertung:
1 Erik Dekker 28
2 Yuri Madarkady 20
3 Filippo Pozzato 12
4 Enrique Gutierrez 10
5 Andreas Klier 10

nicht du hast dich geirrt, ich habs korrigiert ;). isch fiese möpp isch...
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Beitrag: # 366934Beitrag arkon
9.7.2006 - 18:46

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Sprint mal anders

Das dachten sich offensichtlich die gesetzten Sprinter bei der Tour und ließen ihren Ruhetag schon etwas früher beginnen. Ganz zur Freude von Markus Zberg: Der konnte dadurch nämlich heute seinen ersten Tour-Etappenerfolg feiern. Auf den zweiten Platz kam Leon Van Bon, der sich, da alle anderen Topleute patzten, in der Punktewertung weit nach vorn schob. Die übliche Ausreissergruppe mit Leonardo Bertagnolli, Angel Vicioso und Marco Velo konnte sich nicht behaupten. Morgen steht dann, nach einem Flugzeugtransfer nach Südfrankreich, ein Ruhetag an bevor es dann langsam wirklich losgeht für die Klassementfahrer.

Etappenergebnis:
1 Markus Zberg Gerolsteiner 3h51'24
2 Leon Van Bon Davitamon - Lotto s.t.
3 Luca Paolini Liquigas - Bianchi s.t.
4 Juan Antonio Flecha Rabobank s.t.
5 Iñigo Landaluze Euskaltel - Euskadi s.t.
6 Stijn Devolder Discovery Channel s.t.
7 Riccardo Ricco Saunier Duval Prodir s.t.
8 Philippe Gilbert Française des Jeux s.t.
9 Leonardo Bertagnolli Cofidis s.t.
10 Angel Vicioso Liberty Seguros - Würth s.t.
11 Nick Nuyens Quick Step - Innergetic s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt 31h59'15
2 Jan Ullrich + 2'14
3 Ivan Basso + 3'02
4 Bradley Mc Gee + 3'11
5 Santiago Botero + 3'24
6 Floyd Landis + 3'27

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 137
2 Tom Boonen 116
3 Leon Van Bon 112
4 Juan Antonio Flecha 100
5 Thor Hushovd 100

Bergwertung:
1 Erik Dekker 28
2 Yuri Madarkady 20
3 Iñigo Landaluze 16
4 Leonardo Bertagnolli 15
5 Angel Vicioso 13
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10.7.2006 - 1:49

10. Juli 2006
Bordeaux, Frankreich

Jerdona Zeres verbrachte den Ruhetag zusammen mit seinem Team in La Teste, einem kleinen Ort unweit von Bordeaux, wo die nächste Etappe am morgigen Tage gestartet werden würde. Für Jerdona war der Ruhetag gleich doppelt schön: Nach der ersten Tourwoche, die doch etwas härter und schneller gewesen, war als er es erwartet hatte, war er schon froh, wieder etwas Pause zu haben. Gleichzeitig aber war es die verdiente Entspannung, nicht nur nach der überstandenen Krankheit sondern auch dem beherzten Auftreten im Zeitfahren. Er war noch nicht ganz bei 100% gewesen, aber es war schon gut gelaufen und jetzt überwog doch deutlich die Freude auf die Berge. Besonders das Fehlen des Druckes, der durch die Reporter während der ersten Tourwoche immer auf ihm gelastet hatte, schien seine Laune sichtlich aufzubessern. Zusammen begaben sich die Recken von Credit Agricole auf eine lockere Trainigsausfahrt an der Küste entlang. Längs der Strecke nahmen sie noch ein Eiscafe mit bevor sie wieder in Richtung Hotel fuhren. Besonders das nur geringe Medieninteresse freute Zeres. Bevor er wieder richtig Interviews geben wollte, brauchte er ein paar Berge in seinem Weg an denen er sich ernsthaft testen konnte…

Für Schmidt lief der Ruhetag nicht ganz so entspannt ab. Noch vor der Fahrt mit dem Team drängten sich die Reporter vor ihrem Hotel und überfielen sie gleich beim Frühstück. Nicht nur Schmidt stand im Mittelpunkt: Auch Botero und Landis, deren Doppelspitze durch die guten Zeitfahrergebnisse auf einmal nicht mehr nur Spinnerei schien, hatten arg mit den anstürmenden Reportern zu kämpfen. Wie lange würde man Gelb verteidigen? Bis es durch das eigene Team weiter gereicht werden konnte. Hatte Schmidt in den Bergen freie Fahrt? Klar, da er kein Helfer im steilen Gelände war konnte er voll und ganz auf eigene Kappe fahren. Wer war denn nun der wahre Chef, Landis oder Botero? Das hing voll und ganz von der Form am Berg und des jeweiligen Tages ab.
Für Schmidt gab es nach der Ausfahrt aber noch einen Grund zur Aufregung: Er hatte sich mit Louise Douar in einem Cafe in der Stadt verabredet. Und er hoffte, dass sie nicht nur aus beruflichen Gründen zugesagt hatte. Aber seine Befürchtungen stellten sich als unnötig heraus: Sie erschien ohne Mikro oder Kameramann und eher leger gekleidet. Schmidt, der ohnehin nur wenig eigene Wäsche dabei hatte, war in Teamkleidung erschienen, was ihm, auch aufgrund seines Zeitfahrsieges, einige Blicke von anderen Tischen einbrachte. Er war bei weitem nicht mehr so unbekannt wie noch im letzten Jahr.
Die Verabredung verlief gut. Louise sah nicht nur gut aus sondern schien auch recht nett. Sie war 25, hatte Journalistik in Paris studiert und hatte schon neben dem Studium viele Praktika beim Fernsehen gemacht. Aufgrund ihres guten Aussehens und ihrer großen Begeisterung für den Radsport hatte sie hier einen Job als einer der vielen mobilen Reporterinnen abgestaubt. Für sie also ein wichtiges Sprungbrett in die große, weite Welt des Sportjournalismus.
Für Fabian entwickelte sich diese kleine Geschichte also nun auch noch recht gut. Aber leider würde es während der Tour schwer werden sie wirklich gut kennen zu lernen. Und nach der Tour würde es noch schwerer werden, sie wieder zu sehen. Aber man konnte nichts erzwingen und wenn es nichts werden sollte so hatte sie ihn doch zumindest den Ruhetag versüßt und war sicher einer der Faktoren für sein klasse Abschneiden im Zeitfahren gewesen.

Jemand anders hätte ihm sicherlich einige Tipps geben können, wie eben dieser Erfolg leicht und locker herbei zu führen war: Tobias Schuster. Er tat am Ruhetag etwas für ihn ungewöhnliches. Er schrieb nämlich von früh bis spät an einem längeren Bericht für den „Gegensatz“. Morgen sollte ein Tour-spezial erscheinen, natürlich allen voran mit seinem Artikel. Also musste er sich etwas mehr Mühe geben als sonst für das tägliche Internetgeschreibsel. Später am Abend fand aber auch er dann noch seine Ruhe: Früh schlafen gehen, als Gegensatz zu den letzten Tagen. Und Kraft sammeln für die Berge.
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10.7.2006 - 20:58

Petacchi zum zweiten

Alessandro Petacchi hat seine zweite Etappe bei der diesjährigen Tour der France gewonnen. Einen Tag vor der ersten Bergprüfung kamen die Sprinter in Dax noch mal zum Zuge. Petacchi konnte hier Oscar Freire knapp schlagen. Kirsipuu, Inhaber des grünen Trikots, kam auf den sechsten Rang und verteidigte damit seine Position.

Etappenergebnis:
1 Alessandro Petacchi Team Milram 3h40'19
2 Oscar Freire Rabobank s.t.
3 Daniele Bennati Lampre s.t.
4 Robbie McEwen Davitamon - Lotto s.t.
5 Thor Hushovd Credit Agricole s.t.
6 Jaan Kirsipuu Credit Agricole s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 40h47'56
2 Christophe Moreau Credit Agricole + 1'06
3 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'25

Punktwertung:
1 Jaan Kirsipuu Credit Agricole 157
2 Thor Hushovd Credit Agricole 134
3 Oscar Freire Rabobank 129
4 Tom Boonen Quick Step - Innergetic 128
5 Robbie McEwen Davitamon - Lotto 120
6 Alessandro Petacchi Team Milram 116
7 Juan Antonio Flecha Rabobank 116
8 Allan Davis Liberty Seguros - Würth 114
9 Leon Van Bon Davitamon - Lotto 112
10 Daniele Bennati Lampre 104

Bergwertung:
1 Erik Dekker 28
2 Yuri Madarkady 20
3 Iñigo Landaluze 16
4 Leonardo Bertagnolli 15
5 Angel Vicioso 13
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10.7.2006 - 21:09

12. Juli 2006
Pau, Frankreich

Die Berge waren da. Endlich, wie die einen sagen würden, oder leider Gottes, was die Meinung der Mehrheit im Peloton repräsentierte. Es stand heute noch keine ganz schwere Bergankunft auf dem Programm, aber immerhin ein Berg der Höchsten und einer der Ersten Kategorie. Besonders der letzte Anstieg, der Col de Marie-Blanque, versprach interessant zu werden. Der Weg ins Ziel war zwar noch etwas weiter, aber die 42 km verliefen größtenteils leicht bergab. Und in den folgenden Tagen stand ’nur noch’ das Pla-de-Beret auf dem Programm, danach gab es wieder eine Gelegenheit zu regenerieren. Und besonders die reinen Bergspezialisten wurden heute verdächtigt, vielleicht etwas unternehmen zu wollen.
Auch Jerdona Zeres befand sich unter den Verdächtigen. Und während des Teambriefings wurde dann auch schon eine entsprechende Marschroute ausgegeben. Besonders gespannt war der Baske heute auf Moreau und Caucchioli, denn heute war der Tag, an dem er sie besonders würde brauchen können, je nachdem, auf welchem Leistungsniveau sie sich befanden.
Entsprechend begann die Etappe sehr nervös. Schon früh vor der ersten Bergwertung machten sich Jakob Piil, Roberto Laiseka, Fabio Sacchi und Luis Perez Rodriguez auf den Weg. Zwischenzeitlich war ihr Vorsprung mit 9 Minuten viel versprechend. Aber schon die ersten Kehren des Soudet’s brachten die Wende: Die Teams der Favoriten hatten es sich wohl heute in den Kopf gesorgt, die Selektion schon früh in Gang zu setzen. Vor allem AG2R, T-Mobile, Illes Balears und Credit Agricole bestimmten das Tempo. Bis zum Gipfel konnte sich die Gruppe aber noch retten, von ihrem Vorsprung waren aber nur noch 4 Minuten über. Das sollte zu wenig sein.

„Wir befinden uns am Fuße des Anstiegs hoch zum Col de Marie-Blanque, das sind 9.3 km Anstieg mit durchschnittlich 7.7 % Steigung. Und an der Spitze des Feldes dominiert ganz klar eine Farbe: Magenta. T-Mobile scheint wild entschlossen, schon heute das Klassement ordentlich durchzurütteln.“
„Ja, das ist auch verständlich. Sie stellen mit Jan Ullrich den Mann an Platz zwei des Gesamtklassements. Und Fabian Schmidt dürfte heute Probleme bekommen, das Gelbe Trikot zu behalten.“
„Vor dem Start zeigte er sich noch optimistisch, aber ich denke, die Chancen dürften bei dem hohen Tempo deutlich gesunken sein.“
„Noch ist er dabei, und noch sind die Favoriten hier nicht wirklich im Wind. Die nächsten Minuten werden die Entscheidung bringen. Bleiben sie also dran“

Er warf einen schnellen Blick zurück. Noch waren alle zusammen. Honchar und Klöden machen vorne das Tempo. Die echten Favoriten wackelten noch nicht, aber mehr und mehr Fahrer mussten der gestiegenen Geschwindigkeit Tribut zollen. Neben und vor sich sah er Caucchioli und Moreau, die beide auch noch sehr locker wirkten.
„Ihr bleibt einfach am Rest dran. Ich probier mal was.“ gab er ihnen zu verstehen. Dann tastete er sich an den Rand der Straße, schaltete kurz noch einmal hoch und kurbelte dann an.

„Und da gibt es auch schon den ersten Angriff. Jerdona Zeres steigt da weg und reist gleich ein Riesenloch. Das sind die ersten Meter den Berg hinauf, die sind ganz steil. Im Schnitt 10,7%. Aber wie leicht und kraftvoll er da hochsteigt, Wahnsinn.“
„Blick zurück aufs Feld, wer reagiert, wer kann reagieren? Vinokourov, Mancebo, Evans. Sie gehen als erste hinterher. Aber das sieht jetzt aus wie eine kollektive Tempoverschärfung. Jeder, der noch Körner hat, versucht jetzt, dranzubleiben. Erdrutschartig. Das ist der Dominoeffekt bei so Situationen. Bevor sich da eine gefährliche Gruppe mit Zeres und einigen anderen Bergspezialisten bilden kann wird das Loch zugemacht.“
„Und das sehen wir immer noch das gelbe Trikot leuchten. Fabian Schmidt sieht nicht so aus, als ob er schon wirklich heute das Trikot wird abgeben wollen. Ein großartiger Kämpfer, aber ich fürchte, er wird am Schluss mit wehenden Fahnen untergehen.“

Ein kurzer Blick zurück zeigte ihm das erwartete: Die anderen kamen wieder näher. Er nahm weiter Tempo raus und lies die jagende Meute näher kommen. Sastre konnte er vorne erkennen, Vine pumpte irgendwo vorne da rum…
„Die Gruppe ist schon deutlich kleiner, gut so“ Er ließ Sastre passieren. Der Spanier sah schon angestrengt, aber noch nicht wirklich angeknockt aus. Das konnte ja noch kommen.

„Der erste Vorstoß vereitelt, Zeres ist wieder im Favoritenfeld. Und immer noch Schmidt dabei, große Leistung. Mal sehen, wie lange er noch mithalten kann und ob er dann, hinter dem Gipfel, eine gute Gruppe findet und vielleicht wieder Herahnfinden kann.“
„Zu gönnen wäre es ihm. Sie fahren jetzt durch eine etwas weniger steile Passage, aber das heißt noch lange nicht weniger schwer. Das Tempo ist immer noch am Anschlag, die Ausreißer jetzt nur noch 2:30 weg. Das wird nicht mehr lange gut gehen.“

Die erwartete, die befürchtete Schlacht der Bergfahrer hatte begonnen, aber Schmidt fühlte sich immer noch ganz gut. Na ja, nicht gut, aber er stand noch nicht in der Säure. Botero war schon zurückgefallen, er hatte heute keinen guten Tag erwischt. Bis zu der Tempoverschärfung eben war er noch dran gewesen, aber dann war es auf einmal passiert: Beine zu, er musste stark in den Anaerobenbereich gehen. Und ohne Hoffnung hier noch vorne mitfahren zu können hatte er das Tempo rausgenommen und schonte sich für den Rest der Tour. Fabian fühlte ein bisschen mit: Er hatte Santiago den grossteil des Jahres über begleitet und mit ihm mit gefühlt und gehofft. Und jetzt konnte er mit ansehen, wie innerhalb von Sekunden alle Hoffnungen zerstoben. Nur wegen einem Antritt von Zeres.

„Das Feld fährt jetzt in eine kurze Rampe rein, die richtig Steil ist. Danach kommen wieder 5%, bevor es dann oben am Berg richtig abgeht. Und sofort die nächste Attacke, und wieder ist es Jerdona Zeres. Der junge Baske springt scheinbar mühelos weg und reißt sofort ein Riesenloch!“
„Und das Feld fliegt schon wieder auseinander. Und erneut ist es Alexander Vinokourov der da die Verfolgung aufnimmt. Aber selbst er, der ja für seine bissigen Antritte bekannt ist, kommt da nicht wirklich hinterher.“

„Sie gehen auf die Verfolgung.“
Zufrieden grinste Jerdona in sich hinein. Die Bäume flogen an ihm vorbei, die Sonne bohrte ihre Strahlen hier und da durch das dicke Blätterdach. Aber dafür hatte er keinen Blick. Selbst die Motorräder, die sich um ihn scharrten, nahm er kaum wahr. Für einige Meter legte er hier wirklich alles auf die Waage, was er hatte.
Und nahm das Tempo wieder raus.

„Und schon wieder holen sie ihn ein. Vinokourov führt da eine kleine Gruppe hin. Aber der Rest lauert um die nächste Kurve. Jetzt kommt wieder eine Passage, die nicht so furchtbar steil ist. Aber offensichtlich zu steil für die Spitzengruppe. Die fallen jetzt nach und nach hier an der Spitze vorbei.“
„Sastre ist schon wieder in der Führung. Basso ist also noch dran. Derweil sieht Ullrich schon ziemlich isoliert aus. Ich erkenne kein zweites Magenta mehr in dieser Gruppe.“
„Ich sehe aber was anderes, und zwar gelb. Fabian Schmidt kann sich mit einem gleichmäßigen Tempo hier wieder rankämpfen. Er ist damit der letzte Phonakfahrer an der Seite von Floyd Landis. Und das ist schon eine ziemliche Überraschung.“

Sein Zeitfahrstil rettete ihn an diesem Hang. Die andauernden Tempoverschärfungen ließen ihn eher kalt. Ganz lässig fuhr Schmidt hier sein Tempo hoch, ignorierte die Fahrer um ihn herum, klammerte das ganze Renngeschehen aus. Er wollte heute Abend gelb tragen. Und mit dem Gedanken fest im Kopf hängte er sich wieder an die Spitzengruppe dran. Die Steigung hier war nicht ganz so mörderisch wie noch gerade eben und er nutzte die kleine Verschnaufpause gerne, in der er nicht ganz am Limit fahren musste.

Der Berg wurde wieder steiler. Ein kurzer Blick auf den Tacho zeigte ihm 7 bis 8% an. Zeit für den zweiten Teil des Plans. Er fuhr hinüber zu Moreau und Caucchioli, die beide noch, in Anbetracht der Umstände, relativ locker aussahen. Halgand hatte sich beim letzten Antritt aus der Gruppe verabschiedet.
„Christoph, wie fühlst du dich?“
„Na ja, es geht. Eigentlich noch ganz gut.“
„Dann schau mal, wie gut“ Sie grinsten sich kurz an und kämpften sich dann zur Spitze des Feldes. Pietro blieb hinter ihnen.

„Antritt, und schon wieder Zeres.“
„Nein, diesmal ist es Christoph Moreau, sein Teamgefährte. Aber auch er sieht gut aus.“
„Das ist ja ein ganz geschickter Schachzug. Moreau ist nicht ganz so gefährlich wie Zeres, aber immer noch gut positioniert. Jetzt können sie sich zurücklehnen und die Reaktion abwarten und brauchen nicht die Kräfte des Kapitäns weiter anzutasten. Er hat heute schon genug getan.“
„Und die Reaktion bleibt nicht aus. Mancebo geht mit. Er war schon öfters zu sehen heute, fühlt sich wahrscheinlich gut und will die Situation ausnutzen.“
„Aber was machen jetzt Basso und Ullrich, das ist die entscheidende Frage“

Jerdona hielt sich vorne im Feld und belauerte die anderen Spitzenfahrer. Die sahen sich auch noch etwas unschlüssig an, wohlwissend, das ihnen nicht Zeit zum reagieren blieb. Moreau und Mancebo waren zu gefährlich, und Sastre nicht mehr stark genug, um das Loch zu schließen.
Doch da ging Ullrich. Sofort setzte Zeres ihm nach und klemmte sich an sein Hinterrad. Das wäre natürlich ein idealer Partner für die Flucht.

„Die ersten Attacken gehen, und jetzt bricht auf einmal hier ein Sturm los. Valverde und Evans sehe ich da, aber ein Liquigas-Fahrer… ist das di Luca? Und Gelb leuchtet hier hinten auch noch, Schmidt also immer noch in Schlagweite“

Jetzt musste er wirklich beißen. Vorne gingen sie jetzt alle in die Pedale und setzten sich ab. Zu weit und zu stark für ihn. Verdammt. Auch Floyd war weg, er war jetzt fast alleine unterwegs. Ab und zu spritzten Fahrer vorbei, einige nach vorne, andere nach hinten. Wie stand es wirklich um ihn? Das hätte er auch gerne gewusst.

„Während die ersten Attacken von Zeres eher noch wie ein Sieb für die schwachen Fahrer waren wirkt das jetzt eher wie ein Sprengsatz. Die Gruppen werden sich gleich finden, aber zunächst kämpft hier jeder für sich alleine. Was vorher noch an Ordnung da war, ist jetzt weg gewischt“
„’Tete de la Course’, wir sind bei Francisco Mancebo, der sich von Moreau getrennt hat und alleine auf dem Weg nach Pau ist. Wird es reichen, kommt hinten überhaupt so etwas wie eine geordnete Verfolgung zu Stande? Das ist jetzt die Frage!“

Immer noch flog er mit Ullrich zusammen hoch. Längst hatte er sich mit dem Deutschen auf ein gutes Tempo verständigt. Sie mochten Konkurrenten bis Paris sein, heute wollten sie jedoch das gleiche: Zeit auf eine ganze Reihe Fahrer weiter hinten gut machen. Und er musste gestehen, dass er ihn unterschätzt hatte. Ullrich fuhr heute wirklich sehr stark. Morgen konnte es zwar anders aussehen, aber in dieser Form war der Deutsche schwer zu schlagen.

Etwas weiter vorne sah er ein Phonak-Trikot. Das musste Floyd Landis sein. „Kümmer dich nicht um ihn, du musst gelb verteidigen!“ kam die etwas überraschende Order durch den Teamfunk. Er hatte freie Fahrt, und zum ersten Mal heute fühlte er sich wirklich bärenstark. Fast wie ein D-Zug rauschte er an seinem Kapitän vorbei. Schon jetzt, da war er sich sicher, war es einer der schönsten Tage in seinem Leben. Er hatte gewusst, dass er besser am Berg war als die meisten von ihm dachten. Aber das er ernsthaft das Potential zum Gipfelstürmer hatte, das war ihm bisher immer etwas verrückt erschienen. Aber gerade das hohe, gleichmäßige Tempo, das er vom Zeitfahren gewöhnt war, das unablässige Schalten, das gute Einteilen der Etappe, all das kam ihm jetzt zu gute. Er war nie einer der puren Kraftfahrer gewesen, die im Zeitfahren nur die Gänge drückten. Die kleinen Übersetzungen lagen ihm eher, hohe, konstante Frequenzen. Und das zahlte sich jetzt urplötzlich aus. Natürlich spielte auch das gelbe Trikot eine große Rolle.

„Hat man so etwas schon gesehen? Der Helfer fährt im Gelben Trikot und mit einem breiten Grinsen an seinem Kapitän vorbei. Fabian Schmidt, die Entdeckung der Tour beim Zeitfahren, aber jetzt auch am Berg? Halten sie mich für verrückt, aber ich glaube, der Junge wird auch morgen in Gelb starten.“
„Sein Vorsprung beträgt nur 2:06, und auf Ullrich werden uns jetzt 58 Sekunden gemeldet. Das wird knapp. Aber wenn er in der Ebene einen guten Fahrer findet, dürfte das reichen.“
„Mancebo rollt über den Gipfel, als erster. Schon jetzt ein tolles Ergebnis für ihn. Aber bis zur Spitze ist der Weg noch weit. Er liegt im Gesamtklassement über 7 Minuten zurück.“

„Moreau liegt eine Minute hinter Mancebo, hau rein“
Zeres sah sich um und sah einen etwas angeschlagenen Ullrich. Der frische Tritt von eben war verschwunden. Aber noch immer sah der Deutsche stark aus, stark genug, um ihn in der Ebene zu helfen. Er rollte neben ihn.
„Ich helf dir jetzt, du mir gleich in der Abfahrt?“ fragte er ihn. Jan überlegte nicht lange. „Abgemacht.“
Und wieder klemmte sich Jerdona vor seinen vielleicht ärgsten Widersacher im Gesamtklassement. Was sie verband, war der Gedanke an Basso. Und Landis. Und Evans. Und, und, und…

„Ullrich auf dem Gipfel, vor ihm immer noch Jerdona Zeres. Sie haben einen Rückstand von über 2 Minuten. Die Etappe geht also an einen der beiden vorderen Fahrer. Und Mancebo sieht nicht so aus, als ob er sich das jetzt noch nehmen lassen wird.“
„Grimmig und entschlossen drückt er hier sein Rad durch die Pyrenäenausläufer. Ich leg mich einfach mal fest, er wird gewinnen.“
„Das ist nicht sehr gewagt. Aber auch Moreau… ich bin mir da nicht so sicher“

Vor sich erkannte Fabian jetzt di Luca. Der Italiener fuhr, genau wie er selbst, hier in den Bergen weit über seinen Möglichkeiten. Aber das konnte ihm gerade Recht sein. Als Klassikerspezialist sollte er eigentlich gut in der Ebene drücken können.

„Hinten formiert sich jetzt in der Abfahrt eine etwas größere Gruppe. Basso und Sastre sind ganz vorne, weiter hinten seh ich auch noch Landis, Vinokourov, der am Anfang ja so aktiv war, aber jetzt ganz offensichtlich zurückstecken muss. Leipheimer, Popovych… eine bunt gemischte Gruppe der Favoriten.“
„Lohnt es sich überhaupt, gegen eine so starke Gruppe Tempo zu machen?“
„Na ja, eher nicht. Aber man muss hier alles versuchen. Gerade für Schmidt geht es um die Sekunden. Ich kann mir nicht vorstellen, das er Reserven für die Alpen zurücklegt.“
„Und Sichtkontakt zwischen Moreau und Mancebo. Das sind maximal noch 20, 25 Sekunden Differenz. Aber sie sind auch schon fast im Ziel. Das wird noch mal ganz spannend.“

„Sieg für Mancebo, Moreau 20 Sekunden dahinter“ schallte es durch das Funkgerät. Er ging in den Wind und machte noch mal richtig Dampf. Jetzt mussten die Sekunden einfach purzeln.

„Als nächstes sehen wir das Deutsch-Baskische Duo auf der Zielgeraden. Das werden wohl so etwa 1:50 für die beiden.“
„1:49 ganz genau. Und damit können sie zufrieden sein. Die Gruppe der Favoriten, in der eigentlich alle großen Namen sind, steht noch ein bisschen aus.“

Endlich, das Ziel. Von hinten kamen schon Valverde und Evans. Es hatte sich doch noch gerächt, das er am Berg so dampf gemacht hatte. Auch Di Luca wirkte etwas müde. Völlig platt rollte er über den Zielstrich. Fabian aber konnte sich nicht zurückhalten. Er fühlte sich heute wie der wirkliche Sieger. Triumphierend riss er die Faust hoch, legte den Kopf in den Nacken und fühlte wie der Stress von ihm abfiel.

„Fabian Schmidt rollt wie ein Sieger über den Zielstrich, aber wer kann es ihm verdenken? Er ist heute der eigentliche Triumphator. Völlig überraschend kann er Gelb retten und verliert nur 33 Sekunden auf Ullrich. Damit fährt er nicht nur morgen noch im Trikot des Spitzenreiters. Jetzt fangen nämlich die Rechnereien an: Wenn morgen nicht hart gefahren wird… aber soweit denkt er heute nicht. Das gibt sicher eine kleine Feier im Teamhotel“
„Und ziemlich dicht dahinter Evans und Valverde, wenn ich dich kurz unterbrechen darf. Dahinter wiederum die schon herangerückte Favoritengruppe.“
„Ein toller Tag für Schmidt, und auch für Ullrich. Kein Sieg für Deutschland, aber die kleinen Triumphe gönnt man uns. Und morgen ist auch noch ein Tag…“

Nach den Interviews, der Siegerehrung mit Gelb, dem Kleiderwechsel und weiteren Interviews fand er sie endlich: Louise war heute mit ein paar Teamchefs beschäftigt und besorgte sich ihre Interviews im Dorf.
„He, du, herzlichen Glückwunsch, klasse Rennen heute.“ Er musste sie einfach an sich drücken. Sein Grinsen wurde noch ein bisschen größer. „Danke, ich bin selbst noch überrascht“ Nach dem üblichen Smalltalk lud er auf einen Drink an die Hotelbar des Teams ein. Sie lehnte ab und schlug stattdessen eine noch zu suchende Kneipe in der Innenstadt vor. Erleichtert nahm er an und rauschte ins Hotel ab. Heute brauchte er wirklich ein riesiges Abendessen.

Auch für Jerdona gab es allen Grund zur Freude. Die Taktik war voll und ganz aufgegangen: Er hatte Zeit auf die meisten Favoriten gut gemacht ohne wirklich viele Körner zu verschießen. Moreau war zwar knapp an Gelb vorbeigeschrabbt hatte heute aber schon eine vorbildliche Form demonstriert und würde sich in den nächsten Tagen als Joker gut machen. Kein Manager konnte es sich erlauben, ihn weit wegzulassen. Auch Caucchioli hatte sich gut gehalten, er war mit der Favoritengruppe ins Ziel gekommen, und brannte schon darauf, morgen richtig Tempo zu bolzen. An einem Tag wie heute ließen sich Interviews schon viel leichter geben.

Etappenergebnis:
1 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance 5h04'41
2 Christophe Moreau Credit Agricole + 14
3 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'49
4 Jerdona Zeres Credit Agricole s.t.
5 Danilo Di Luca Liquigas - Bianchi + 2'22
6 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems s.t.
7 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears + 2'30
8 Cadel Evans Davitamon - Lotto s.t.
9 Floyd Landis Phonak Hearing Systems + 2'38
10 Carlos Sastre Team CSC s.t.
11 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth s.t.
12 Levi Leipheimer Gerolsteiner s.t.
13 Yaroslav Popovych Discovery Channel s.t.
14 Ivan Basso Team CSC s.t.
15 Andrey Kashechkin Liberty Seguros - Würth s.t.
16 Denis Menchov Rabobank s.t
...
21 Paolo Savoldelli Discovery Channel s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 40h47'56
2 Christophe Moreau Credit Agricole + 1'06
3 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'25
4 Ivan Basso Team CSC + 3'10
5 Ivan Gutierrez Caisse d'Epargne - Illes Balears + 3'27
6 Floyd Landis Phonak Hearing Systems + 3'59
7 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 4'03
8 Jerdona Zeres Credit Agricole + 4'04
9 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears + 4'18
10 Denis Menchov Rabobank + 4'24
11 Paolo Savoldelli Discovery Channel + 4'28
12 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance + 4'29
13 Cadel Evans Davitamon - Lotto + 4'35
...
17 Yaroslav Popovych Discovery Channel + 5'24
18 Levi Leipheimer Gerolsteiner + 5'42
...
24 Danilo Di Luca Liquigas - Bianchi + 7'11
...
43 Santiago Botero Phonak Hearing Systems + 12'06

Bergwertung
1 Pierrick Fédrigo Bouygues Telecom 41
2 Mikel Astarloza AG2R Prévoyance 41
3 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth 30
4 Christophe Moreau Credit Agricole 30
5 Erik Dekker Rabobank 28
6 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance 26

Sprintwertung
1 Jaan Kirsipuu Credit Agricole 157
2 Oscar Freire Rabobank 129
3 Tom Boonen Quick Step - Innergetic 128
4 Thor Hushovd Credit Agricole 122
5 Robbie McEwen Davitamon - Lotto 120

Tut mir leid, wenn für einige jetzt die Konzentration auf die Bergetappen zu heftig ist. Aber wer den AAR liest ist ja entweder schon dran gewöhnt oder muss schon länger damit leben.... ;)
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Dominator
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Beitrag: # 367188Beitrag Dominator
10.7.2006 - 21:17

Es ist absolut O.K. wenn du die Bergettapen ausführlicher beschreibst, vor allem wenn du es so geil machst wie hier ;)
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arkon
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Beitrag: # 368083Beitrag arkon
13.7.2006 - 20:43

13. Juli 2006
Pla de Beret, Spanien

Er kannte diesen Berg. Er war ihn selber schon einige Male gefahren. Es war quasi ein Heimspiel für ihn. Die Tatsache, dass er nicht der einzige hier sein könnte, der den Berg bereits kannte, verdrängte er aus seinen Kopf. Dort war nur noch Platz für ihn, für seine Stärke, seinen Willen, seine Beine, seine Schaltung. Und nur ganz diffus tauchten wie die Umrisse von entfernten Gestalten im Nebel, seine Gegner auf. Ha, sein Gegner. Seine Opfer!

„Und so langsam geht es jetzt in den Berg rein. Da hinten kann man schon die ersten steileren Rampen erkennen, mit etwas über 5% geht es da rauf. Dann kommt noch ein kürzeres Stück mit nur 2%, bevor die Steigungsprozente dann endgültig nach oben schnellen. Ganz steil wird es nicht, aber es pendelt die ganze Zeit zwischen 5 und 6% hin und her. Das wird heute ein spannendes Rennen werden, die ganz großen Abstände erwarte ich aber noch nicht.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Das Feld ist noch groß, die Ausreißer gestellt. Yuri Madarkady hat sich heute wieder einmal vor dem Feld gezeigt und ein paar Bergpunkte auf seinem Konto verbucht. Aber das wird wohl am Schluss zu wenig sein wenn die Favoriten vorne ankommen.“
„Auch noch dabei ist Fabian Schmidt, der heute einmal mehr ein tolles Rennen fährt. Gestern bärenstark, aber da war es auch noch nicht ganz so schwer. Heute steht noch kein echter Gigant auf dem Programm, aber es könnte ohne weiteres zu steil für ihn werden. Er ist ja eher als Zeitfahrer bekannt, seine Bergqualitäten konnten wir gestern eigentlich zum ersten Mal bewundern.“
„Aber so schlecht geschlagen hat er sich ja nicht.“
„Nein, aber vielleicht hat er etwas zu viele Körner gelassen bei diesem tollen Ritt nach Pau. Gelb verteidigt, und damit die Ziele, die er sich gesteckt hat, weit übertroffen. Aber die Mannschaft hat gestern ihre Doppelspitze mit dem Einbruch von Botero verloren, da könnte es gerade Recht kommen, das Landis mit ihm ein wenig Beistand bekommt.“
„Miguel Perdiguero ist auch noch dabei, also so einsam ist das nicht“

Endlich begann die Schlacht. Madarkady hatte ihm eben noch Flaschen gebracht und damit sein heutiges Arbeitspensum weit übertroffen. Caucchioli war heute auch noch dabei, fitt aber nicht ganz auf seinem Maximallevel angelangt. Moreau dagegen schielte schon länger etwas gierig zu ihm herüber. Jetzt aber war der Fuß des Berges erreicht, sie konnten frei taktieren. Er rollte neben seinen Edelhelfer.
„Christoph, glaubst du, du kannst mal was versuchen?“
„Schon, ich fühl mich fitt. Darf ich wegsteigen?“ grinste er seinen fast 10 Jahre jüngeren Kapitän an. Der nickte nur.

„Attacke, es geht… Moreau. Ich hätte ihn fast mit Zeres verwechselt, aber heute geht der Franzose als erster. Als zweiter in der Gesamtwertung ist er eine ernstzunehmende Gefahr, die anderen müssen jetzt reagieren“
„Und das tun sie auch. Valverde geht, Vinokourov hinten an ihm dran, Ullrich verschärft auch… Das sieht wieder nach so einem Hinterher springen aus, was gestern Zeres einige Male provozierte.“
“Und der klebt jetzt etwas weiter hinten an der Konkurrenz dran. Wie fit fühlt er sich, kann er selber noch was drauflegen?“

Sie hatten Christoph wieder eingeholt. Das war zu erwarten. Moreau war zwar einer der Besten am Berg, aber hier war die Weltelite versammelt. Und seine Tempoverschärfungen waren nicht bissig genug um wirkliche Löcher zu reißen.
Voraus konnte man jetzt schon den Schlussanstieg sehen. Drohend erhob er sich zur linken Hand aus dem Tal heraus, wie ein wuchtiger Stein, der hier in die Gipfel der Pyrenäen gefallen war und dessen Front im Laufe der Jahre ein wenig nach hinten weg verwittert war. Die steinernen Spitzkehren, die geteerte Straße, er kannte alles aus dem Training. Er wusste genau wo er welchen Rhythmus anschlagen konnte und sollte. Wo die besten Stellen für Attacken waren...

„Und direkt der nächste Angriff. Jetzt ist er der Maestro höchstpersönlich. Jerdona Zeres steigt weg und reißt direkt ein Loch. Nach den gestrigen Erfahrungen steigt keiner sofort hinterher, das Loch wird größer.“
„Vinokourov juckt es da doch etwas, er nimmt die Verfolgung auf. Ihm hinterher Basso und Valverde. Ob sich Zeres dagegen behaupten kann?“

Jetzt hieß es beißen. Der Berg war lang und er würde diesmal wohl ein relativ gleichmäßiges Tempo gehen müssen. Die Namen, die ihm hinterher fuhren waren ziemlich klangvoll, aber er konnte es schaffen. Er war nicht hierher gekommen in der Annahme, er wäre nicht der beste Bergfahrer. Schon bei der Vuelta hatte er am Berg dominiert, und hier wollte er das Kunststück wiederholen. Kein Spitzenreiter ohne seine Kontrolle.
Aber ein Loch ließ sich leichter reißen als den gesamte Berg alleine in die Knie zu zwingen. Jetzt hatte er die Abzweigung aus dem Tal hinaus erreicht, es ging jetzt nur noch stur den Berg hinauf. Serpentinen auf Serpentinen. Sein Tritt war flüssig. Er liebte es, einen hohen Rhythmus mit Druck auf dem Pedal zu fahren und immer wieder aus dem Sattel zu gehen, einige Meter nach vorn zu schießen und den Beinen die Erholung zu gewähren, die Abwechslung aus der Monotonie.

„Die drei Verfolger können sofort ein Loch zum Feld reißen. Und da attackiert jetzt zum wiederholten Male Christoph Moreau. Der will heute wohl auf Teufel komm raus Schmidt loswerden. Der klammert sich da immer noch fest, am Ende der Gruppe. Er sieht nicht mehr so gut aus, aber los sind sie ihn noch nicht. Auch gestern hatte er schwache Phasen.“
„Vorne kommt Moreau schon wieder nicht weg, der Wille ist da, aber das Glück scheint ihm nicht ganz hold zu sein.“
„Tja, das ist Pech. Aber es hat für ihn auch sein Gutes, Zeres kann dadurch noch etwas unbeschwerter auffahren.“
„Und das tut er auch, schon eine Minute zwischen ihm und seinen Verfolgern.“
„Hier sehen wir sie, und das ist Alexander Vinokourov, der sich da aus dem Staub macht.“
„Das ist richtig. Er war auch schon gestern sehr aktiv, am Schluss glücklos, und will das wohl heute wettmachen. Eine schöne Attacke, so wie wir das von ihm gewohnt sind. Basso und Valverde schauen jetzt in die Röhre, können nicht so recht hinterher steigen.“
„Das sollten sie aber. Vine liegt nicht allzu schlecht im Klassement, er könnte heute Gelb gewinnen, WENN Schmidt abreißen lassen muss.“
„Aber das sieht im Moment nicht danach aus.“

Seine Zunge hing fast auf dem Asphalt. Er trank und trank, aber er blieb irgendwie trocken. Der Schweiß floss in Strömen von seinem Kopf hinab, er konnte jeden einzelnen der tausend Tropfen fühlen, der sich seinen Weg unter dem Helm hinab auf die Straße bahnte. Und es machte ihn verrückt. Kurz ging er aus dem Sattel um den Anschluss wieder zu schaffen. Das Feld war immer noch recht groß, links und rechts tröpfelten immer wieder Fahrer weg, aber so richtig klein wurde die Gruppe irgendwie nicht. Gut für ihn, so waren immer genügend Fahrer da, an denen er sich Hochhangeln konnte.

„Hier kriegen wir noch mal die Abstände, und es sieht so aus, als ob Vinokourov Zeres aufrollen kann. Der sieht nicht mehr allzu frisch aus und muss von den 20 Sekunden, die er mal hatte, einiges abgeben. Das ist schon fast Sichtweite für Vine“

Ein Blick zurück verriet ihm, was da von hinten kam. Er beschwichtigte sich mit den Gedanken an die Alpen. Gestern hatte er die Nase vorne gehabt, und da sie im Klassement nahezu gleich auf waren hatte er noch Zeit, bis er dem Kasachen den Todesstoß verpassen würde. Dieser wuchtete sein Rad mit seinem kleinen, runden Tritt an ihm vorbei. Etwas musste er beißen, um an ihm dran zu bleiben, aber schließlich schaffte er es doch.

„Das ist die Flame Rouge, das ist der letzte Kilometer für Jerdona Zeres und seinen Begleiter, Alexander Vinokourov. Zeres arbeitet jetzt hier vorne, ganz sicher für den Toursieg. Das Flachstück gilt es schnell zu überwinden um den Vorsprung aus dem Anstieg möglichst komplett ins Ziel zu retten. Vinokourov kann sich schön im Windschatten ausruhen während Zeres alles für das Klassement tut. Eine ideale Position für den Kasachen, der jetzt aus dem Wind geht um sich den Etappensieg zu holen. Zeres hält dagegen, will sich nicht kampflos geschlagen geben, aber muss am Schluss den Vortritt lassen, den Vortritt für den Sieger, für Alexander Vinokourov. Das ist ein großer Triumph für den Kasachen in Diensten…“

Das Flachstück war seine Rettung. Während er auf dem Weg den Berg hinauf schon den Anschluss verloren hatte kam jetzt die Wende: Zusammen mit einigen anderen Begleitern schob er sich wieder an die Gruppe der Favoriten heran und konnte so am Schluss den Rückstand in Grenzen halten.

„Der Sprint geht an Christoph Moreau, der damit vor allem seine Stärke unterstreicht. Wirklich wichtig ist so ein 5. Platz in den Palmares nicht, und auch die Bonussekunden sind weg. Trotzdem wird natürlich ein bisschen gekämpft um die Sprintpunkte. Und außerdem macht er uns natürlich Appetit auf mehr. Besonders in den Alpen dürfen wir auf ihn gespannt sein, auf ihn und auf Jerdona Zeres. Sie bilden ein tolles Duo an der Spitze. Pietro Caucchioli, heute auch wieder mit der Gruppe der Favoriten im Ziel, ist eine weitere wichtige Ergänzung. Alles in allem ein Riesenschritt nach vorne für die Mannschaft, die jetzt auf einmal mit drei Mann auf einer Bergetappe vorne mitmischen kann.“

Für ihn war es die 10. Siegerehrung bei der er das Gelbe überreicht bekam. Er kannte die Mädchen mittlerweile recht gut, zumindest ihre Art, ihm das verdiente Küsschen zu überreichen. Hinter der Bühne hatte er schon das ein oder andere Mal ein Wort mit ihnen gewechselt. Ebenso vertraut waren ihm die Herren, die ihm nachher gratulierten. Das Podium, das Kuscheltier, er kannte mittlerweile alles recht gut. Aber gewöhnt, nein, gewöhnt hatte er sich noch nicht daran. Besonders der Jubel der Menschenmenge, das Blitzen der Fotoapparate, all das, daran würde er sich nie gewöhnen. Geschweige denn, sich daran satt zu freuen. Und die beste Nachricht: Er würde mit dem heutigen Ergebnis das Trikot wohl noch bis zu den Alpen behalten! Das hieß mindestens zwei weitere, vielleicht sogar drei Trikots!
Auf dem Weg hinab von dem Olymp des sportlichen Triumphes der Tour wurden ihm wieder viele Mikrofone entgegengereckt. Die Frage, welche ihn seit gestern am häufigsten gestellt wurde, war sicherlich die nach seinem plötzlichen Bergfähigkeiten: Hatte er es geahnt? Warum hatte er es noch nie vorher probiert? Wie lange würde er noch vorne mitfahren können? All das und noch viel mehr musste er mit der immer gleichen Antwort belegen: Keine Ahnung!
Während die ganze Welt überrascht, ja fast geschockt schien von der Fertigkeit, mit der er seinen dünnen Vorsprung gegen die hetzende Meute an Bergfahrern verteidigte. Aber am allermeisten wurde ganz sicher er selbst überrascht: Er war einfach gefahren und hatte auf einmal Botero und dann, gestern zumindest, sogar Floyd Landis hinter sich gelassen. Nach seinem überragenden Auftritt beim Zeitfahren kündigte sich hier eine nicht ganz so dominante, dafür aber viel wichtigere Stärke in den Bergen an. Die vordringlichste Frage, die er sich selber mindestens hundert Mal seit der Zielankunft gestern gestellt hatte, war: Wie würde es weitergehen? Wie lange würde er noch gegenhalten können? Wann würde er die Rechnung bekommen für die Arbeit, die er heute und gestern über seinem Pensum erledigt hatte? Er konnte es nicht sagen, beim besten Willen nicht.
Was er allerdings sagen konnte, war, wer seine Lieblingsreporterin war. Schon beim Start heute Morgen hatte er sich gefragt, wann er sie endlich wieder sehen würde. Und wie würde es weitergehen? Na ja, er hatte zwar ebenso wenig Ahnung, aber auch hier bekümmerte ihn das reichlich wenig. Er ließ solchen Dingen gerne selbst ihren Lauf.
Heute Abend war er wieder mit ihr verabredet. Es wurde ein kurzer Plausch: Ihre Hotels befanden sich in anderen Städten und Louise musste noch einige berufliche Dinge erledigen, bevor sie sich Schlafen legen wollte. Das hieß für Fabian vor allem: Mehr Zeit für die Massage! Denn der Terminkalender, der für den Mann in Gelb üblicherweise chronisch voll war, gab in den letzten Tagen merklich wenig Zeit für seine Privatsphäre und Regeneration her. Seine ’Dates’ mit Louise waren seine Art sich mehr Freiheiten in den hektischen Aktivitäten nach dem Rennen zu erobern. Es ließ sich nämlich hervorragend als ’Treffen mit Presseleuten’ verkaufen…

Etappenergebnis:
1 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth 5h56'56
2 Jerdona Zeres Credit Agricole s.t.
3 Ivan Basso Team CSC + 1'09
4 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears s.t.
5 Christophe Moreau Credit Agricole + 2'32
6 Danilo Di Luca Liquigas - Bianchi s.t.
7 Jan Ullrich T-Mobile Team s.t.
8 Denis Menchov Rabobank s.t.
9 Cadel Evans Davitamon - Lotto s.t.
10 Miguel Perdiguero Phonak Hearing Systems s.t.
...
12 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems s.t.
...
14 Floyd Landis Phonak Hearing Systems s.t.
...
18 Levi Leipheimer Gerolsteiner s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 46h47'24
2 Christophe Moreau Credit Agricole + 1'06
3 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 1'11
4 Jerdona Zeres Credit Agricole + 1'20
5 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'25
6 Ivan Basso Team CSC + 1'39
7 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears + 2'55
8 Floyd Landis Phonak Hearing Systems + 3'59
9 Denis Menchov Rabobank + 4'24
10 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance + 4'29

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 157
2 Thor Hushovd 134
3 Oscar Freire 129
4 Tom Boonen 128
5 Robbie McEwen 120

Bergwertung:
1 Alexandre Vinokourov 116
2 Iñigo Landaluze 104
3 Mauricio Ardila 82
4 Ivan Basso 78
5 Jerdona Zeres 60
6 Yuri Madarkady 57
7 Jérôme Pineau 57
8 Christophe Moreau 56
9 Andriy Grivko 48
10 Pierrick Fédrigo 41
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arkon
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Beitrag: # 368148Beitrag arkon
13.7.2006 - 22:57

14. Juli 2006
Carcassonne, Frankreich

Es war schon etwas später am Abend als Thorsten Schuster in das Mannschaftshotel kam, in dem Credit Agricole diese Nacht verbrachte. Über Handy hatte er sich mit Jerdona abgesprochen. Er ging hinauf in das Zimmer und überraschte seinen Freund bei der Massage. Emanuel war auch da und beredete gerade mit seinem Schützling die heutige Etappe. Thorsten setzte sich einfach in die Ecke und lauschte dem Gespräch. Selbst er konnte bei solchen Gelegenheiten noch eine Menge über den Sport lernen.
Das Interview, welches er anschließend führte, war kurz und redundant. Thorsten hatte nur selber schon länger nicht mehr mit dem Basken gesprochen und musste sich daher aus erster Hand wieder auf den neusten Stand bringen. Manchmal konnte man aus den direkten, persönlichen Aussagen eines Athleten mehr lesen als aus einem Interview. Besonders, wenn man den betreffenden kannte.
Eine Frage jedoch war quasi ein Ausreißer: „Was sagst du zur Doppelspitze im Sprint? Behindern sich Kirsipuu und Hushovd gegenseitig nicht mehr, als das sie sich helfen?“
Jerdona musste selber kurz nachdenken, bevor er antwortete: „Na ja, stimmt schon, Platz 1 und 2 in der Punktewertung sieht n bisschen nach Konkurrenz aus. Aber das ist eher nicht der Fall. Jaan wird immer schwächer. Er ist kein Mann für 3 Wochen. Er hat einen Etappensieg, und das reicht dann auch erstmal. Das ist schon mehr als die meisten jemals erreicht haben. Zusätzlich gibt uns das tolle Varianten im Sprint. Und das hat man auch bisher schon gesehen: Mal fahren die beiden sich Gegenseitig nach vorn, dann zieht jeder von einem anderen Hinterrad weg, dann eröffnen wiederum beide von unterschiedlichen Straßenseiten… Es gibt viele Varianten, und das ist für die anderen immer ein bisschen schwer einzuschätzen. Heut, glaub ich, war wieder Hushovd besser… Keiner von beiden reicht an die Endgeschwindigkeit von Petacchi heran, aber das ist auch nicht schlimm. Die Male, wo Petacchi dann langsam ist, fällt er einen Platz weiter zurück. Und an Zwischensprints haben wir auch noch einige Alternativen mehr, die der Konkurrenz entfallen. Mich stört der zusätzliche Mann nicht, dem Team tut’s gut…Alles in Butter!“

Etappenergebnis:
1 Alessandro Petacchi Team Milram 4h51'48
2 Robbie McEwen Davitamon - Lotto s.t.
3 Oscar Freire Rabobank s.t.
4 Thor Hushovd Credit Agricole s.t.
5 Tom Boonen Quick Step - Innergetic s.t.
6 Jaan Kirsipuu Credit Agricole s.t.
7 Paolo Bettini Quick Step - Innergetic s.t.
8 Allan Davis Liberty Seguros - Würth s.t.
9 Juan Antonio Flecha Rabobank s.t.
10 Miguel Perdiguero Phonak Hearing Systems s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 51h39'12
2 Christophe Moreau Credit Agricole + 1'06
3 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 1'11
4 Jerdona Zeres Credit Agricole + 1'20
5 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'25

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu 177
2 Thor Hushovd 158
3 Oscar Freire 155
4 Alessandro Petacchi 151
5 Robbie McEwen 150
6 Tom Boonen 150
7 Juan Antonio Flecha 133
8 Allan Davis 132
9 Leon Van Bon 112
10 Daniele Bennati 104

Bergwertung:
1 Alexandre Vinokourov 116
2 Iñigo Landaluze 104
3 Mauricio Ardila 82
4 Ivan Basso 78
5 Jerdona Zeres 60
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Beitrag: # 369299Beitrag arkon
17.7.2006 - 11:18

17. Juli 2006
Artikel in "Der Gegensatz"

Nach drei Etappen, die für das Gesamtklassement unerheblich waren, steht nun der zweite Ruhetag der Tour auf dem Programm, rechtzeitig bevor es dann in die Alpen hineingeht. Dort wird dann in drei Aufeinanderfolgenden Etappen das Klassement wohl nahezu endgültig entschieden. Das letzte Zeitfahren wird dann die noch verbliebenen Fragen zur Genüge klären. Ein guter Zeitpunkt für uns, noch mal einen Blick auf die Favoriten der Tour zur werfen, alte und neue. Die Liste hat natürlich keine Garantie auf Vollständigkeit!

Jan Ullrich: Der Deutsche ist der einzige noch aktive Toursieger und steht damit an erster Stelle unserer Liste. Im Zeitfahren war er der Favorit und wurde, trotz eines Sturzes, nur von Fabian Schmidt geschlagen. Allen anderen Fahrern nahm er mehr oder weniger viel Zeit ab. Das wurde allgemein als notwendig erachtet, da er in den Bergen seit Jahren nicht mehr mit den allerbesten mithalten kann.
Dieses Jahr jedoch macht er eine bessere Figur. Er landete zwar noch nie ganz vorne, aber er büßte auch kaum Zeit ein. Wenn er in den Alpen weiterhin die anderen Fahrer so gut kontrollieren kann und im abschließenden Zeitfahren seine ganze Stärke ausspielt ist er sicherlich einer der ganz heißen Favoriten auf den Gesamtsieg. Aber gerade seine Bergfähigkeit wird darüber entscheiden, ob der Sieg über ihn geht oder ob wieder einmal knapp scheitert.

Ivan Basso: Er gilt als der Nummer eins Herausforderer von Ullrich: Ivan Basso war in den vergangenen Jahren am Berg immer kaum zu schlagen. Dieses Jahr hat er wohl zudem endgültig seinen Ruf als zweitklassiger Zeitfahrer abgeschüttelt und konnte Ullrich dicht auf die Pelle rücken. Am Pla de Beret konnte er Zeit auf den Deutschen gut machen, verlor aber überraschend auf Zeres und Vinokourov: Seine Bergdominanz kann er wohl in der Tour nicht so ausspielen wie im Giro.
Für ihn gilt dasselbe wie für Ullrich: Wenn er in den Alpen das zeigt, was in ihm steckt und was er schon oft genug gezeigt hat wird er kaum zu schlagen sein. Nur muss er sich dafür wohl noch eine Stufe steigern.

Alexander Vinokourov: Der Kasache wurde vor der Tour nicht unbedingt zu den Favoriten der ersten Garde gerechnet. Doch er belehrte uns eines besseren: Im Zeitfahren, für seine Verhältnisse, eher unauffällig, katapultierte ihn sein Sieg am Pla de Beret doch in die erste Reihe der Sieganwärter. Im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten hat er damit schon die Bergfähigkeiten demonstriert, die den anderen zum Sieg noch fehlen. Wenn er in den Alpen ähnlich gut aufgelegt ist wird es wohl der erste Toursieg für Kasachstan!

Alejandro Valverde: Der junge Spanier ist in diesem Jahr in guter Form zur Tour gereist. Seine bisherige Vorstellung überzeugt, aber begeistert noch nicht: Auf beiden Bergetappen machte er Zeit gut. Seine schlechte Vorstellung im Zeitfahren (5 Minuten auf Schmidt) raubt seiner Vorstellung aber den noch verbliebenen Glanz. Wenn er nicht im Sumpf der gescheiterten Favoriten versinken will muss er sich ganz erheblich steigern: Der finale Kampf gegen die Uhr ist sein wahrer Gegner.

Jerdona Zeres: Der junge Baske fährt seine erste Tour und schlägt sich bisher recht wacker. Nach überstandener Krankheit legte er ein passables Zeitfahren hin um dann auf beiden Bergetappen Zeit gut zu machen. Mit Moreau und Caucchioli hat er den Teambeistand, der nicht nur vielen fehlt, sondern der speziell ihm im Vorfeld immer wieder abgesprochen wurde. Wenn er sich im letzten Zeitfahren nochmals steigern würde wäre er ein ganz heißer Sieganwärter. In den Bergen dagegen zeigt er bislang genau das, was man von ihm erwartete: Einen heißen Kampf.

Fabian Schmidt/Floyd Landis/Santiago Botero: Die angekündigte Doppelspitze löste sich bei Phonak bereits in der ersten Bergetappe auf: Botero konnte nicht ansatzweise das wiederholen, was er bei der letzten Vuelta zeigte. Floyd Landis schlägt sich wacker, muss aber für einen ernsthaften Sieganspruch noch ganz erheblich aufdrehen. Die Überraschung ist derweil der dritte im Bunde: Fabian Schmidt. Seine Zeitfahrleistung überraschte trotz seiner hervorragenden Reputation auf diesem Gebiet. Seine Bergqualitäten jedoch fielen völlig aus heiterem Himmel. Was dahinter steckt und wie lange sein Glück noch anhält kann selbst der betroffene nicht sagen. Fest steht nur: Was er dieses Jahr vielleicht durch Unerfahrenheit und eine zahlreiche und nahezu übermächtige Konkurrenz nicht schaffen könnte wird er in den nächsten Jahren ganz sicher nachholen können. Mit 23 Jahren hat er seine Karriere noch vor sich. Seine Siegaussichten in diesem Jahr sind dagegen alles andere als klar. Keiner kann ernsthaft voraussagen wo der Deutsche in den Alpen landen wird.

Insgesamt ist diese Tour offen wie selten zuvor. Wer der offizielle Nachfolger von Lance Armstrong wird ist heute wohl fast noch unbestimmter als vor dem Start der Tour. Aus dem erwarteten Zweikampf ist ein Mehrkampf mit ungewissem Ausgang geworden. Die Alpenetappen werden wohl spannend wie schon seit Jahren nicht mehr.

Etappenergebnis Béziers - Montélimar:
1 Tom Boonen Quick Step - Innergetic 5h07'26
2 Alessandro Petacchi Team Milram s.t.
3 Miguel Perdiguero Phonak Hearing Systems s.t.
4 Thor Hushovd Credit Agricole s.t.
5 Oscar Freire Rabobank s.t.
6 Jaan Kirsipuu Credit Agricole s.t.
7 Allan Davis Liberty Seguros - Würth s.t.
8 Fabio Sacchi Team Milram s.t.
9 Paolo Bettini Quick Step - Innergetic s.t.
10 Robbie McEwen Davitamon - Lotto s.t.

Etappenergebnis Montélimar - Gap:
1 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth 4h34'18
2 Danilo Di Luca Liquigas - Bianchi s.t.
3 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems s.t.
4 Cadel Evans Davitamon - Lotto s.t.
5 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears s.t.
6 Jan Ullrich T-Mobile Team s.t.
7 Ivan Basso Team CSC s.t.
8 Yaroslav Popovych Discovery Channel s.t.
9 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance s.t.
10 Ivan Parra Cofidis s.t.

Gesamtwertung:
1 Fabian Schmidt Phonak Hearing Systems 61h20'48
2 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth + 59
3 Christophe Moreau Credit Agricole + 1'14
4 Jerdona Zeres Credit Agricole + 1'28
5 Jan Ullrich T-Mobile Team + 1'33
6 Ivan Basso Team CSC + 1'47
7 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne - Illes Balears + 3'03
8 Denis Menchov Rabobank + 4'32
9 Francisco Mancebo AG2R Prévoyance + 4'37
10 Cadel Evans Davitamon - Lotto + 4'43

Punktewertung:
1 Jaan Kirsipuu Credit Agricole 197
2 Tom Boonen Quick Step - Innergetic 185
3 Thor Hushovd Credit Agricole 182
4 Alessandro Petacchi Team Milram 181
5 Oscar Freire Rabobank 177
6 Robbie McEwen Davitamon - Lotto 166
7 Allan Davis Liberty Seguros - Würth 151
8 Juan Antonio Flecha Rabobank 142
9 Leon Van Bon Davitamon - Lotto 118
10 Paolo Bettini Quick Step - Innergetic 113

Bergwertung:
1 Alexandre Vinokourov Liberty Seguros - Würth 122
2 Iñigo Landaluze Euskaltel - Euskadi 104
3 Mauricio Ardila Rabobank 82
4 Ivan Basso Team CSC 80
5 Jérôme Pineau Bouygues Telecom 73
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