Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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arkon
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Beitrag: # 349724Beitrag arkon
8.5.2006 - 17:42

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Zeres siegt in der Schweiz
Sieger als Quotenkiller

Der Zweite der Vuelta 2005, Jerdona Zeres, hat nun scheinbar doch einen versöhnlichen Einstieg in seine Saison gefunden. Nachdem er auf den ersten Etappen der Tour de Romandie nicht zu überzeugen wusste hat er auf der letzten Etappe, einem Einzelzeitfahren, einen überraschenden Sieg erringen können. Bis zur Zwischenzeit lag der Baske noch relativ unspektakulär im vorderen Drittel des Feldes, eine immerhin beachtliche Leistung in Anbetracht seiner als eher mäßig bekannten Zeitfahrkünste. Auf dem letzten Anstieg brannte der Kapitän des Teams Credit Agricole jedoch ein Feuerwerk ab und konnte sich am Schluss 17 Sekunden vor Bradley McGee positionieren, der als ausgewiesener Fachmann auf solchen Strecken gilt.
Beeindruckend waren vor allem die Quoten vor dem Rennen. Während zum Start der Rundfahrt die festgelegte Wahrscheinlichkeit auf einen Gesamtsieg in der Schweiz noch 3.2 zu 1 war, verschlechterte sich der Ruf des Fahrers im Laufe des Rennens rapide. Gestern war er nur noch mit 8:1 auf den Etappensieg notiert, heute wurden für ihn gar nur eine Quote von 30:1 gesetzt. Auch die Quoten für den Toursieg haben sich mit dem Zeitfahrsieg wieder rapide verbessert. Immerhin hat er eine Zeitfahrstärke demonstriert, die man so von ihm noch nicht gesehen hat. Mit ein bisschen Übung konnte Zeres so doch noch zu einem kompletten Fahrer werden, der dann alle Chancen hätte, bei der Tour zu triumphieren.
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arkon
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Beitrag: # 349937Beitrag arkon
9.5.2006 - 0:05

29. April 2006

Es war schon später Nachmittag. Das Team machte sich schon für die Rückfahrt bereit. Das Material würde direkt nach Paris zurück gehen, während das Personal sich wieder über ganz Europa verstreute. Speziell das Giro-Team hatte natürlich keine sehr lange Reise mehr vor sich. In der allgemeinen Betriebsamkeit des Aufbruchs fiel auch ein kurzes Telefongespräch nicht weiter auf. Er ging hinunter in die Lobby und zwängte sich in die enge Holzbox eines Münzfernsprechers. Nachdem er einige Münzen eingeworfen hatte wählte er die lange, ausländische Nummer. Das Tuten des Freizeichens klang ein wenig dumpf und verrauscht durch die Leitung. Nach wenigen Momenten nahm jemand ab.
"Si?" klang es barsch durch die Leitung.
"Äh, entschuldigen sie, ich glaube ich habe mich verwählt."
"Oh, sie rufen aus dem Ausland an?"
"Ja, ich wollte einen alten Freund in Rom erreichen"
"Gino hier. Du kannst reden, ich bin alleine."
"Hier ist Igor. Ich bin noch in der Schweiz und rufe aus einem Münztelefon an."
"Ok, das muss reichen. Was gibt es?"
"Jerdona hatte gestern Besuch. Ein großer Mann, mitte 30, sah so aus, als hätte er schon öfter Pulverrauch geschnuppert. Er nannte ihn Dave. Er erzählte, ein gewisser Tobias wäre auf der Spur von den Hintermännern von Paris und er müsse ihm einige Fragen stellen. Er klang sehr ernst und den guten Zeres hat es ziemlich mitgenommen. Sie sind auf ihr Zimmer verschwunden, ich konnte nicht dran bleiben." Gino schaltete sein Gehirn einen Gang höher.
"Hatte der Mann schwarze Haare, graue Augen, eine stechenden Blick, gut durchtrainiert, keinen Bart, eine gebrochene Nase?"
"Ja, kennen sie ihn?" Die überflüssige Frage verhallte in der Leitung. Er trat auch noch das Gaspedal bis zum Bodenblech durch.
"Hast du ihn heute nochmal gesehen?" Man konnte es wenigstens versuchen.
"Nein, er tauchte nicht mehr auf, auch nach dem Rennen nicht. Komisch, sie wirkten wie gute Freunde."
Das musste garnichts heißen, Dave war immerhin ein Profi. Gino konnte fühlen wie sein Mund trocken wurde. Konnte es sein, das er schon echt eine Spur hatte?

Die kurze Stille in der Leitung bedeutete nichts gutes. Dave konnte die Rädchen im Kopf seines Gegenspielers sich geradezu drehen hören. Er hatte natürlich etwas in die Waagschale geworfen, aber nachdem der Trick beim ersten Mal so gut funktioniert hatte, konnte er einfach nicht widerstehen. Offensichtlich beschäftigte Aleksei größtenteils Amateure im Bereich des wirklichen Lebens. Nocheinmal würde es nicht funktionieren, aber für den Moment war er glücklich.
Es war schon ein großes Stück Arbeit gewesen. Er hatte in zwei Hotels innerhalb von wenigen Stunden insgesamt fast 10 Leitungen anzapfen müssen und konnte sich damit immer noch nicht absolut sicher sein. Aber der Einsatz hatte sich gelohnt. Er hatte den nächsten Mittelsmann von Aleksei/Gino Forenzo aufgedeckt. Igor Grabov war also nicht nur zufällig eine penetrante Erscheinung.

Aleksei könnte schwören, das er ein leichtes Knistern in der Leitung gehört hatte. Angestrengt lauschte er, aber natürlich machte die Fernverbindung das Unterfangen zwecklos. Es war natürlich Einbildung, das er eine angezapfte Leitung hören konnte, aber der psychologische Effekt war wie immer stark.
"Halt dich bedeckt. Ruf mich nicht mehr an. Pass auf Dave auf, aber halt dich bedeckt. Berichte nur noch persönlich."
Ein wenig verwirrt legte Igor den Hörer auf die Gabel. Gino war offensichtlich nervös gewesen. Aber er hatte doch extra ein öffentliches Telefon benutzt? Nungut, vielleicht war dieser alte Hase mit seiner Geheimdiensterfahrung von weiss Gott wo nur ein bisschen übernervös. Er wusste nicht viel über seinen Boss, aber er hatte auf jedenfall eine Menge Ahnung und wirkte paranoid. Vielleicht bedingte sich beides gegenseitig?
Nachdenklich verlies er die Kabine und ging in sein Zimmer, um fertig zu packen. Glücklicherweise würde Yuri in den nächsten Wochen in Jerdonas Nähe bleiben, was den Job für ihn einfach machte. Jedenfalls was diesen Teil seines Auftrags betraf.

Auch Dave war nachdenklich, als er langsam den Hörer ablegte und sich daran machte, seine Ausrüstung einzusammeln. Gino war durchschaubarer, als er gedachte hatte. Zusammen mit Yuri einen Insider ins Team zu schleusen, war ziemlich vorhersehbar gewesen. Aber den wirklich wichtigen Tatsachen war er durch diese Erkenntniss nur unwesentlich näher gerückt. Und um Igor zu überwachen hatte er nicht die nötigen Ressourcen, womit er eine weitere Quelle verloren hatte. Er stand immer noch ziemlich am Anfang.

[Hoffe, das bringt in den Aspekt der Story ein bisschen klarheit ;)]
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slomi
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Beitrag: # 350082Beitrag slomi
9.5.2006 - 17:46

freut mich, dass du die freude (bzw. die zeit :wink: ) am schreiben wieder gefunden hast. wie immer top story und dein letzter post hat schon einiges aufgeklärt :wink:

mfg

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arkon
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Beitrag: # 352586Beitrag arkon
17.5.2006 - 17:17

30. April 2006
St Jean De Maurienne, Frankreich

Das Team hatte noch gestern Abend alle Sachen gepackt und war geschlossen aus der Schweiz ausgezogen. Jerdona war mit einigen anderen aus dem Tourkader in die französischen Alpen gefahren. Das war das angenehme daran, der gesetzte Teamkapitän zu sein: Man wurde mit seinen Helfern, dem Material und den Mechanikern Nachts quer durch Europa gefahren. Nach dem Rennen hatte er nur kurz seine persönlichen Sachen zusammengepackt und war dann im Teambus verschwunden, der, nachdem eine etwas ausgeglichenere Mahlzeit als die üblichen Nudeln von der Hotelküche eingeladen worden war, schon mit dem Einbruch der Dunkelheit Richtung Süden abgefuhr. Nach der Nachbesprechung des Rennens blieb noch Zeit für ein bisschen herumblödeln, bevor die müden Krieger nach etwa 3 Stunden Fahrzeit schon vor ihrem neuen Hotel standen. Der Name "Hotel" war ein bisschen schmeichelhaft. Eine schlechtere Jugendherberge würde ihnen für die nächsten Tage als Bleibe dienen. Das Teambudget war eben doch nicht unbegrenzt. So blieb Jerdona nach dem Zimmerbezug noch ausreichend Schlaf übrig.
Am nächsten Tag wurde er aber nicht von seinem Wecker geweckt, ebenso von einem Teambetreuer, der ins Zimmer stürmte. Die Sonne, die durch die hohen, vergitterten Fenster ihrer spartanischen Unterkunft fiel traf auf seine Augenlieder. Während er dieses deutliche Zeichen, das er Gefahr lief, den Tag zu verschlafen, zunächst noch ignorierte, war sein Zimmerpartner, Yuri Madarkady, weniger robust. Leise stand er auf und verzog sich ins Bad. So blieb dem Basken ausreichend Zeit, aufzuwachen, und seine Situation zu überdenken.
Sein Auftritt in der Schweiz mochte seine Kritiker nicht zufriedengestellt haben. Aber er selbst war wieder guter Dinge nach dem Sieg im Zeitfahren, und nur das alleine zählte. Er würde jetzt noch eine Woche hier in den Alpen intensiv an den Steigungen der Tour üben, bevor er sich dann im Baskenland für die Juni fitmachen würde. Ob Suisse oder Dauphinee war immer noch nicht entschieden. Aber zunächst einmal stand ihm hier wieder eine tolle Woche bevor. Mit Christoph und Yuri hatte er sich schon ganz gut angefreundet, und auch mit dem Rest vom Tourkader kam er gut klar. Daneben war endlich wieder die ewigen Interviews und Pressekonferenzen los. Das würde zwar nicht lange anhalten, aber grade während der letzten Tage war es eindeutig das belastendste an der gesamten Rundfahrt gewesen. Er war eben nicht mehr der freie Underdog, der, von niemanden beachtet, sich in Ruhe vorbereiten konnte.

Oben angekommen hatte er endlich Augen für die wunderbare Aussicht. Das Flusstal, war es die L'Arc?, dehnte breitete sich vor ihnen im Süden aus. Die Mittagssonne spiegelte sich im dünnen Flußbett und blendete mit ihrer ungeheuren Kraft auch noch die einsamen Sportler, die, vom Wind und dem trocknenden Schweiss ausgekühlt, vom 1700 Meter hohen La Toussuire hinab ins Tal blickten. Einmal mehr wurde ihnen bewusst, wie mickrig sie gegen die Giganten waren, die sie Tag für Tag neu erklommen.
Weiter das Tal hinab nach Süden konnten sie den Telegraphe erkennen. Dort würden sie im Juli in dieses Tal hinabfahren. Dann würde es gelten. Die letzte Bergankunft, die vorletzte Bergetappe. Vielleicht die letzte Gelegenheit, nocheinmal richtig Zeit gut zu machen. Hinten, am Telegraphe würden es vielleicht noch ein paar Ausreisser vor einem durch zwei Wochen Rundfahrt dezimierten Hauptfeld sein. In ihrem Rücken befand sich die Anfahrt zum Col de la Croix Fer, an dem wohl weiter Tempo gefahren werden würde. Erst da unten, zu ihren Füßen, am Beginn des letzten Anstiegs, würde das richtige, das harte, das Favoritenrennen beginnen. Vom Kentniss der letzten 3, vielleicht 4 Kilometer würde einiges abhängen...
"Christoph, noch eine Runde?" grinste er seinen fast 10 Jahre älteren Edelhelfer an. Statt einer Antwort schwang sich der Franzose auf sein Rad und brauste den Berg hinab. Den Kampf konnte er haben!
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Beitrag: # 353983Beitrag arkon
21.5.2006 - 23:38

5. Mai 2006
Genf, Schweiz

Es war ein ganzes Stück Arbeit gewesen, aber sie schien sich zu lohnen. Begonnen hatte alles mit der Aktentasche, die Dave aus dem Büro von Ronsino Baldo geborgen hatte. Darin hatten sie, neben vielen anderen Dingen, auch eine Geheimzahl für ein Schweizer Nummernkonto gefunden. Nachdem sich die meisten anderen Spuren in Luft aufgelöst hatten, war dies wohl die einzige Verbindung zu den Hinterleuten der ganzen Nummer. Und obwohl Dave mit Aleksei schon einen der Hinterleute kannte, so blieben doch noch eine Reihe fragen unbeantwortet, genauso wie der große Unbekannte, der hinter alle dem steckte.
Aber eine Geheimzahl alleine brachte sie nicht allzu weit. Sie brauchten natürlich auch noch die Kontonummer. Nun konnten sie natürlich unmöglich alle Konten einfach durchprobieren. Ein wenig mussten sie den Kreis der potentiellen Treffer schon einschränken. Glücklicherweise fand sich auch ein Kontoauszug in dem Koffer, auf dem denn auch einige Transaktionen mit schweizer Konten verzeichnet waren. Leider nicht nur von einem oder zweien, sondern von über 100 Stück aus. Ronsino ließ sein Geld und das des Teams wohl gerne in eidgenössischen Händen pflegen. Neben der Chance eines Treffers verringerte sich natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Konto wirklich für die Transaktionen von Aleksei's Freunden in das Baskenland gebraucht wurden. Aber warum sonst sollte diese eine Nummer so alleine umherfliegen, während alle anderen Konten in Gruppen auftauchten?
Nunja, probieren geht bekanntlich über studieren und so setzte sich Tobias daran, alle Konten durchzugehen. Das Prozedere war alles andere als einfach: Damit die Banken nichts mitbekamen mussten der Deutsche verschiedene Telefone und Standorte benutzen und immer ein genügend großes Zeitfenster zwischen den Anrufen lassen, damit er nicht zweimal an den gleichen geriet. Es dauerte denn auch zwei Wochen, bis schließlich das Konto gefunden wurde.
Hier stellte sich direkt das nächste Problem: Was tun? Die Kontonummern der Hintermänner waren leicht herauszubekommen, aber so richtig voran brachte sie das ja noch nicht. Dave suchte trotzdem ein paar Tage lang herum, ob er nicht einmal durch Zufall über eines der Konten gestolpert waren, die offensichtlich Ronsino finanzierten, wie zu erwarten ohne Erfolg.
Also blieb ihnen nur noch die direkte Variante: Die Zentrale der UBS in Zürich. Schon seit einigen Jahren speicherten die auch die Schweizer Banken immer mehr Daten über ihre Konten, die natürlich entsprechend gut gehütet wurden. Entsprechend sah denn auch das Programm für den heutigen Abend etwas sehr aufwendig aus: Dave würde versuchen, in die Zentrale von UBS einzusteigen und sich die Daten aus den Archiven zu klauen. Aus einer nie schlafenden Firmenzentrale, die Millionen zu Verfügung hatte um Daten zu sichern, die ihren guten Ruf bedeuteten. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen?
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arkon
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Beitrag: # 357609Beitrag arkon
6.6.2006 - 22:33

21. Mai 2006
Genf, Schweiz

Samstage. Er hasste sie. Während sein Job als Wachmann bei der UBS unter der Woche recht angenehm war, wurden die Samstage regelmäßig zum Alptraum. Unter der Woche kamen meistens Geschäftsleute zu ihnen. Effizient, gut gekleidet, trocken, wenig Raum, um Waffen zu verstecken. Sie kamen meistens alleine, waren bedacht darauf, keine Zeit zu verschwenden und machten meistens keine Anstalten, wenn man sie bat, kurz mitzukommen.
Heute jedoch stand ihnen wieder einmal der Geldadel ins Haus. Unter der Woche mussten sie Wahnsinnig wichtige Termine in Monaco, Shanghai oder wo immer sich auch die Jet-Set Gesellschaft traf. Am Wochenende stürmten sie dann alle auf einmal in ihre Schweizer Hausbanken und wickelten ihre Geschäfte ab. Nur selten ohne Begleitung, meistens in theatralischer Stimmung und zu viel Zeit.
Missmutig starrte Joachim Falkner den Überwachungsmonitor. Es war noch früh, daher fing die eigentlich Rushhour gerade erst an. Er trank noch einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und machte sich dann bereit für einen ersten Rundgang. Er verstaute seine SigSauer SP 2022 im Schulterholster, arretierte sein Namensschild, kontrollierte noch einmal sein Headset und setzte seine obligatorische Sonnenbrille auf. Der Tag konnte beginnen.

Durch das Fenster des vorbeifahrenden Wagens begutachtete Dave noch ein letztes Mal das Zielobjekt. Das war der Name, den er jetzt für die UBS-Zentrale in seinem Kopf eingehämmert hatte. Objekt. Das eigentliche Zielobjekt befand sich im Keller und hatte noch einmal die Größe eines Schuhkartons. Kleine Ziele machten es für ihn leicht. Die Pläne, die er in den letzten Tagen studiert hatte, machten jedem potentiellen Einbrecher unmissverständlich klar, dass die Schweizer Banken das Geld wohl auch zum Teil in ihre Sicherheit steckten. Aber für genau solche Missionen war er ausgebildet worden, wenngleich er damals nicht erwartet hätte, so ein Kaliber einmal alleine durchziehen zu müssen. Fast alleine.
Er hielt zwei Straßen weiter. Noch einmal ein letzter Check. Keine Pistole, kein Funkgerät, noch nicht einmal eine kugelsichere Weste hatte er dabei. Ein kleiner Taschenplan vom Gebäude war das einzige Hilfsmittel, das er bei sich trug. Alles andere wäre zu leicht zu entdecken und würde die Wachleute nur unnötig misstrauisch machen. Ein wenig nervös war er schon, als er den Wagen verließ. Ein kurzer Druck auf die Funkfernbedienung verriegelte die schwarze Edelkarosse und schon war er nur ein weiterer Geschäftsmann auf dem Weg in die Bank.
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arkon
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Beitrag: # 358039Beitrag arkon
10.6.2006 - 15:45

Wie ein Staudamm teilten die beiden Metalldetektoren den anbrandenden Strom an Kunden. Die großen, schwarzen Garrett Detektoren standen zu dritt im vorderen drittel der Lobby und filterten zusammen mit den Hand-Detektoren dahinter und den Röntgenscannern an der Seite eine ganze Menge an unerwünschten Besuchern heraus. Die grundsätzliche Idee war, dass nicht jede Waffe sofort einen Alarm auslöste. Nur bei den Durchgangsgeräten gab es auch für den Kunden erkennbar Alarm. Die anderen Geräte fungierten alle nur still, so dass das Sicherheitspersonal gewarnt wurde, der eventuelle Kunde aber nicht vergrault wurde. Wenn jemand bei den Kontrollen auffiel gab man sich über Handzeichen und den Sprechfunk Bescheid. Im Idealfall heftete sich dann jemand an den Betreffenden dran, ansonsten konnte mit Videoüberwachung eine Menge erreicht werden. Und da relativ viel Sicherheitspersonal im Gebäude herumlief konnte man so eine Überwachung unauffällig und trotzdem sehr effizient durchführen.
Joachim Falkner musterte die eingehenden Menschen. Der nie abreißende Strom schien die Aufgabe von ihm und seinen Kollegen nicht gerade zu vereinfachen. Aber sie waren gut gerüstet.

Kein Piepen ertönte, als er durch den Detektor schritt. Nicht, das er es nicht erwartet hätte. Aber ein gewisser Moment der Anspannung war doch nicht zu verleugnen, als er in das Hoheitsgebiet eben jener Bank eintrat, die er zu berauben gedachte. Mit einem unverbindlichen Lächeln nickte er dem Herrn, der neben dem Detektor stand, zu und verschwand dann nach hinten in die Lobby. Es war voll, für eine Bank. Bei einem Geldinstitut dieser Größenordnung erwartet man gähnende Leere auf den Gängen, aber an diesem Tag erinnerte das Treiben hier eher an ein Krankenhaus. Die Leute waren nicht ganz so „Businesslike“ wie gewöhnlich, alles war etwas angespannter. Perfekt.
Ohne auf den Taschenplan zu blicken bahnte er sich zielsicher und selbstbewusst seinen Weg durch das Gebäude, bis er kurz vor der Poststation stand. Ein schneller Blick nach beiden Seiten stellte sicher, das keine zufälliger Beobachter da war und so zog er, im toten Winkel einer Kamera, schnell ein Namensschild hervor und heftete es sich ans Revers.
Solcherart gewappnet trat er in die Poststation ein. „Kann ich ihnen helfen?“ Wandte sich ein sichtlich genervter Angestellter an ihn. „Ja, ich suche eine Paket von….“ Fing er an zu reden, während er umständlich einen kleinen Wisch aus dem Jackett zog „ähm…. Jan Totschnig.“ Eine kleine Hommage an den Radsport war unausweichlich gewesen. Er überreichte hilfesuchend dem Postsortierer das kleine Stück Papier. Kurz darauf kam dieser mit dem Paket zurück. Dave musste noch quittieren und dann hatte er das gewünschte.
Dankend ließ er den Mann alleine und verzog sich auf die Toilette. Hier nahm er jetzt kurz den Gebäudeplan zur Hilfe, um auch ja kein Risiko einzugehen. So erreichte er ohne größeres Suchen die markierte Räumlichkeit. Erleichtert stellte er fest, dass er alleine in dem Raum war. Die grauen Fliesen reflektierten den Schall sehr gut und verliehen dem Raum die gewohnte, unnatürliche Akustik. Zielstrebig ging er auf die dritte Kabine von vorne zu. Auch hier hatte er Glück, niemand besetzte seine angestrebte Räumlichkeit.

Joachim war mittlerweile wieder im Überwachungsraum angekommen. Unten ging es ruhiger zu, als er es erwartet hatte. Kein genervter Kunde, der ein Spektakel veranstaltete, niemand, der durch Waffen, die er einfach so mit sich herumtrug, unangenehm auffiel. Er löste einen Kollegen an der Videowand ab. Ein wenig Abwechslung konnte jeder gut gebrauchen, besonders, wenn man sich Überwachungsbilder von leeren Toiletten anschauen musste.

Nur wenig später kam ein weiterer Bankangestellter aus der Toilette wieder heraus. Das Namensschild wies ihn immer noch als „Franz Mutlang“ aus. Aber er trug eine Tasche über der Schulter, in der sich ein, etwas kleineres, Paket befand. Und unter seinem Jackett trug Dave jetzt eine Walter P99, 9mm Halbautomatik. Nicht, das er sie unbedingt gebrauchen wollte. Aber die 15 Schuss in der Waffe sowie die 3 Reservemagazine gaben ihm einfach ein wenig Sicherheit. Er wollte niemanden töten, aber er wollte ganz sicher auch nicht ins Gefängnis einfahren…

Weißes Rauschen füllte die Monitore aus. Eher entnervt als beunruhigt warf Joachim seinem Kollegen neben ihm einen Blick zu. Der ganze Westflügel war ausgefallen. Dirk, sein Nebenmann rollte nur mit den Augen. Joachim tastete nach seinem Funkgerät. „Zentrale, hier Falkner. Kameras im Westflügel ausgefallen. Schickt mal n paar Techniker rüber. Ich geh runter, Patrouille laufen. Over“ „Falkner, Zentrale. Roger, wir schicken n paar Jungs rüber. Out“. Wieder rumlaufen. Dieser Samstag wurde immer besser.
„Bis gleich!“

Er war am Ziel angekommen. Er befand sich im Keller, nur Meter von seinem Ziel entfernt. Bis hier war es leicht gewesen. Und auch nicht wirklich illegal. Erst jetzt würde er die Trennlinie zwischen Grau und Tiefschwarz überschreiten. Ein kurzer Blick zu beiden Seiten bestätigten das, was seine Ohren ihm schon signalisiert hatten: Bahn frei!
Er holte einen kleinen Akkubohrer aus einer seiner, mittlerweile zahlreichen, Taschen. Das enervierend laute und hohe Geräusch, als er das Schloss aufbohrte, hallte unnatürlich laut durch die Gänge. Glücklicherweise dauerte das ganze nur ein paar Sekunden, dann war er drin. Noch ein letzter Blick nach beiden Seiten und er war vom Gang verschwunden.
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Beitrag: # 358048Beitrag arkon
10.6.2006 - 17:00

„Zentrale, Falkner. Ich übernehme den Keller. Over“ „Falkner, Zentrale. Willst dich wohl vor den vielen Leuten drücken? Hehe, alles klar, Roger, Out“.
Er trottete eine steile betongefasste Feuertreppe hinunter. Der Keller gefiel ihm eigentlich gar nicht. Lange, anonyme Gänge, steriles Licht, unnatürlich helle Akustik… Um genau zu sein gefiel ihm der ganze Job nicht mehr so wirklich. Klar, am Anfang war es toll gewesen. Superbezahlung, ein Spitzenteam, tolles Equipment, alles, was man sich als Sicherheitsexperte wünschen konnte. Aber fast alle hier hatten eine Vergangenheit, und er war keine Ausnahme. Einige kamen gut mit ihrem neuen Job klar, andere weniger. Er zählte sich eher zu letzterer Kategorie. Es fehlten ihm noch oft die spektakulären Einsätze, die er früher oft hatte. Das Gefühl, über dem Gesetzt zu stehen, seine Direktiven von oben zu kriegen und niemand anderem als seinem Boss Rechenschaft zu schulden, ja, das vermisste er. Und… er stockte. Feiner Eisenstaub lag auf dem Boden, direkt vor einer Tür. Ein kurzer Blick bestätigte seinen Verdacht: Aufgebohrt. Er zog seine Dienstpistole, lauschte kurz, öffnete dann vorsichtig und langsam die Tür…
„Joachim, verdammt“ klang es von rechts her. Dave steckte seine Walther wieder ein sein Schulterholster, nachdem er sie, an die Wand neben der Tür gelehnt, direkt an den Kopf des Sicherheitsmanns gehalten hatte. „Ich muss auch vorsichtig sein.“ Setzte Joachim entgegen. Die formale Begrüßung musste warten. „Du hast vergessen, die Eisenspäne wegzukehren.“ „Wenn jemand das Schloss sieht, ist das sowieso egal.“ „Ja, aber trotzdem ein unnötiges Risiko“ Joachims Blick fiel über das Equipment, das Dave hier aufgebaut hatte. Zwischen Decke und Wand klebten eine Reihe von Sensoren, ein Messgerät stand auf dem Tisch. Die Kabel der Sensoren, die wie schwarze Spinnen in der Ritze klebten, liefen zu einem Laptop, der auf einem Tisch aufgebaut war. An diesem klemmten noch ein paar andere Peripheriegeräte, die alle komische Antennen hatten.
„Wie kommst du voran?“ fragte Joachim im Plauderton. „Es geht, die Signale der Kabel sind gut abgeschirmt. Du kannst dich kurz nützlich machen und draußen die Späne wegkehren. Sind die Kameras noch aus?“
„Ich hoffe schon. Ich hab die Kabel gelockert und einen Signalprozessor mit ein bisschen Wasser verziert. Dürfte für mindestens eine halbe Stunde gut sein.“
„Solange brauch ich nicht“
Joachim nickte ihm noch kurz zu und ging dann nach draußen, um die Späne kurz mit dem Fuß wegzukehren.
Dave machte sich wieder an seinem Laptop zu schaffen. Die Daten, die er brauchte, waren drüben, im Nebenraum, in einem der Server. Da er nicht in den Raum hinein konnte, die Wände waren einfach zu dick, die Tür zu gut gesichert. Dumm waren seine Gegner nicht. Damit blieb ihm nur noch der indirekte Weg. Einfacher wäre es gewesen, sich an ein Terminal zu setzen und einfach ein wenig herum zu hacken. Aber dafür hätte er die Passwörter benötigt oder wenigstens eine gute Hintertür in das System herein. Da er beides nicht hatte brauchte er einen dritten Weg. Und mit dem hatte ihm auch wieder Joachim geholfen. Und zwar gab es einen zweiten Server im Oberstock, der als Datenpuffer diente. Der Trick bestand nun darin, den Verkehr zwischen beiden zu stören, einen Zusammenbruch des obigen Servers zu simulieren und dann den Wiederaufbau der Verbindung anzuzapfen, so dass sich der Mainserver im Nebenraum in Wirklichkeit mit dem Laptop vor Dave synchronisierte. Und wenn der Schritt einmal geschafft war, dann war der Server oben aus dem Rennen und mit wenigen Tastendrücken alle Daten anfordern, die man wollte.
Die Kunst bestand nur darin, die Kabel anzuzapfen. Und die waren gut abgesichert. Da Koaxialkabel verwendet wurden, war eine Einflussnahme mit aufgeklebten Kabeln und Induktivität möglich. Nicht einfach, aber möglich. Entsprechend musste Dave hier die Hintergrundstörungen genau aufzeichnen, ein Gefühl für den Datentransfer zwischen den beiden Servern kriegen und dann… es war ein ziemlich technisch, hoffentlich nicht langwierig.
Joachim hörte Schritte. Nicht, dass das hier etwas Ungewöhnliches wäre, sie waren ja immerhin nicht alleine in diesem Gebäude. Aber es machte ihn schon nervös, besonders als sie immer näher kamen. Er kehrte schnell noch die Späne unter der Tür hindurch, bevor er sie zu machte. Was machte er mit dem aufgebohrten Schloss? Etwas davor hängen? Da bog schon ein Kollege um die Ecke. Dieter Hufens. So ein Dreck. Er ging ihm entgegen.
„He, was machst du denn hier?“ begrüßte er ihn
„Ich bin auch noch für den Keller eingeteilt.“
„Ach, lass mal, ich mach das hier schon.“
„Dann bist du wenigstens nicht so allein“ lachte er und ging an Joachim vorbei den Gang runter.
„Wollen wir nicht erstmal hinten den Kameraraum checken?“ rief dieser ein paar Meter zurück hinterher.
„Nicht nötig, da hinten hängen schon ein paar Techniker, die…“ er stockte, offensichtlich hatte er gerade das aufgebohrte Schloss entdeckt. Dieter gab seinem Kollegen ein Handzeichen und zog seine Dienstwaffe, so wie es Joachim gerade auch gemacht hatte. Nur, das Dave ihm jetzt vertraute, unerwünschte Besucher fernzuhalten oder ihn zumindest vorzuwarnen. Langsam öffnete Dieter die Tür… die plötzlich mit Urgewalt nach außen aufschwang und ihn voll am Kopf traf. Der Sicherheitsmann wurde gegen die Wand geschleudert, wo er zu Boden sackte, als ihn die Tür noch mal voll erwischte.
Dave kam mit gezückter Waffe in den Gang geplatzt. „Was machst du Clown eigentlich? Sollst du mir nicht den Rücken freihalten?“ pampte er ihn an, nachdem er den Gang auf eventuelle Verstärkung kontrolliert hatte. Mit einem strafenden Blick, der Stahl zum Schmelzen gebracht hätte, wandte er sich ab und zog sein Opfer in den Raum rein.
„Noch ein paar Minuten, ich bin gleich drin.“
Erst jetzt atmete Joachim wieder aus. Er kannte Dave schon länger und wusste genau, dass mit ihm in solchen Situationen nicht zu spaßen war. Er ging wieder auf Position, was hieß er lehnte sich locker gegen die Wand und lauschte, ob sich jemand näherte.
Innen hatte sich Dave wieder am Laptop zu schaffen gemacht, nachdem er Dieter mit Klebeband gefesselt hatte. Er brauchte nur noch 10 Minuten, dann war er hier raus. Wenn jetzt nur keiner auf die Idee kam, nachzufragen, was die Patrouille unten im Keller machte…Und dann hatte er die Verbindung. Wunderbar. Jetzt waren es noch vielleicht zwei, drei Minuten, wenn nichts mehr schief lief. Die Verbindung stören, auf den Reset warten und sich dann im richtigen Moment einklinken. Alles ging glatt. Er war drin. Er brauchte nur noch zusehen, wie sich der Laptop mit dem Server im Nebenraum synchronisierte. Dann zog er einen Zettel aus der Jacke und gab einige Nummern ein, die sie interessieren könnten. Neben dem einen Hauptkonto, was sie ausgemacht hatten, gab es noch einige andere.
Die Zeit lief, Johannes konnte es spüren. „Falkner, Zentrale. Die Kameras laufen gleich wieder. Kannst hochkommen. Over“ „Zentrale, Falkner, auf dem Weg. Out“. Er atmete tief ein, um das flaue Gefühl im Magen wegzukriegen. Jetzt ging es wirklich los. Er klopfte kurz an die Tür. „Die Kameras gehen gleich wieder. Soll ich weitermachen?“ „Keine Änderung, ich bin im Plan.“ Kam die knappe Antwort von innen. Johannes schaute sich noch mal um, ging dann zum Feuermelder rüber. Zack.
Das Sirenengeheul war ohrenbetäubend. Im ersten Moment spürte er noch nicht einmal das Wasser, das von oben aus den Sprinkler sprühte. Der Schock war schnell vorbei. Er griff sich wieder das Funkgerät. „Feuer, Feuer im Keller. Ich komm raus, aber bringt die Leute hier raus!“ schrie er. Er ging wieder in den Raum zurück, in dem Dave die Sprinkler schon lange ausgeschaltet hatte. „Noch einen Moment“ gab dieser von sich. Gebannt starrte er auf den Monitor, präziser auf den Fortschrittsanzeiger. Noch ein paar Sekunden…
„Schicht“ er konnte seine Aufregung auch nicht mehr länger verbergen. Er schlug den Laptop zu, während Johannes die restliche technische Ausrüstung zusammen suchte. Sie hatten Zeit gewonnen, aber sie war immer noch knapp… „Falkner, Zentrale, wo stecken sie?“ rauschte das Funkgerät. Aber er konnte nicht mehr antworten. Noch ein letzter Blick im Zimmer, sie hatten nichts vergessen.
„Nichts wie raus hier!“ Johannes stürmte vor. Dave warf noch einen letzten Blick auf den Wachmann, der in der Ecke kauerte. Er schien immer noch bewusstlos zu sein, aber letztlich kümmerte es ihn nicht. Sie würden früher oder später sowieso alles rekonstruieren können. Auch er verließ den Raum, seine Waffe noch im Jackett, aber griffbereit.
„Halt, ihr lauft in die falsche Richtung, hier geht’s raus!“ tönte eine Stimme hinter ihnen. Dave drehte seinen Kopf zurück, und noch in der Bewegung griff er zu seiner Pistole. Der Überraschungsmoment, der mit dem aufblitzen von nacktem Stahl, von einer Waffe immer ausging, garantierte ihm einen klaren Schuss. Er zielte kurz, drückte ohne zu zögern ab. Der brutale Klang der Waffe, die Druckwelle der Explosion füllte den engen Gang aus, paralysierte für einen Moment alle Anwesenden. Kurz nach der Klangwelle erwischte die Bleikugel den Wachmann. Ein glatter Schuss. Er fiel vornüber, sank auf seine Knie, aber der Schmerz durchzuckte ihn und er knickte nach der Seite weg. Sein rechtes Schienenbein war zertrümmert.
Dave sprintete den Weg zum nächsten Seitengang. Die Diskussion mit Johannes musste warten. Er würde vielleicht etwas sauer sein, das er direkt zwei seiner Kollegen ausgeknockt hatte, aber sein Leitspruch war nun einmal, dass er kein unnötiges Risiko einging. Paris war ihm immer noch in bester Erinnerung. Wäre er nicht mit zwei “Zivilisten“ unterwegs gewesen…
Sie erreichten schnell den Hintereingang, der Alarm, der zusätzlich noch losging, konnte ihnen ziemlich egal sein. Durchnässt stürmten sie ins Freie. Glücklicherweise hatte Dave einen guten Parkplatz erwischt, als er seinen Wagen hier geparkt hatte. Nur 30 Meter mussten sie durch die Genfer Sommerluft rennen.
Die Anspannung fiel augenblicklich von beiden ab, als sie im Wagen saßen. Er widerstand der Versuchung, mit Vollgas einen kleinen Sprint durch die Innenstadt hinzulegen, um möglichst viel Platz zwischen sie und die Bank zu bringen. Kreischend kam ihnen die Feuerwehr entgegen.
„Freut mich, dich zu sehen“ grinste Johannes.
„Mich auch, mich auch“ kam die Antwort vom Fahrersitz
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arkon
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Beitrag: # 358049Beitrag arkon
10.6.2006 - 17:31

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Es wird ernst
1. Juni 2006

Hallo Fans!
Ihr merkt es schon am Datum. Noch etwas über einen Monat, und dann geht sie los, die Tour de France, meine zweite Tour. Natürlich war meine bisherige Saison wirklich schön. Nach meinem ersten Sieg durfte ich noch eine Menge fahren, um dann rechtzeitig aus dem Rennbetrieb wieder ins Training zu wechseln. Denn mein großes Ziel ist und bleibt natürlich Frankreich. Wenn man einmal in der Kernmannschaft ist, muss man entsprechend fokusiert auf seinen Saisonziel trainieren, um nicht wieder rauszufliegen. Letztes Jahr bin ich ja als Nachrücker nur mit viel Glück ins Team gekommen, aber durch meine guten Leistungen, immerhin zwei Etappensiege, darf ich dieses Jahr wieder antreten.
Die Ausrichtung der Mannschaft ist klar, und damit auch meine Rolle. Mit Botero und Landis haben wir eine der besten Doppelspitzen der letzten Jahre in unserem Team. Und am Berg zeigt unser Team keine Schwächen. Meine Rolle ist damit klar: Das gelbe Trikot, so wir es erobern, in der Ebene verteidigen. Ansonsten die Zeitfahren und vielleicht mal in einer Ausreissergruppe etwas versuchen. Am Berg werde ich alles geben, aber wahrscheinlich trotzdem nicht viel gewinnen.
Aber zunächst geht es nach Frankreich, zur Dauphinee, wo ich Landis unterstützen werde. Morgen steht die Anfahrt auf dem Programm, die letzten Tage sind ja immer noch einmal kritisch. Mann muss sich belasten, ium nicht den Rythmus zu verlieren, aber darf kein Risiko gehen und sich nicht verschleissen. Ich freu mich auf alle Fälle schon, das jetzt die Saison auch für mich richtig losgeht. Vielleicht sieht man ja einige von euch am Strassenrand ;). Alles gute

euer

Fabian Schmidt
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Beitrag: # 358184Beitrag arkon
11.6.2006 - 19:07

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David Zabriskie schlägt wieder zu

Im Prolog der Dauphinee in Frankreich konnte David Zabriskie erneut einen Prologsieg landen und präsentiert sich in bestechender Verfassung im Hinblick auf die Tour. Vom Team Phonak konnte Santiago Botero sich auf Platz 5 positionieren und beweist damit eine gute Form in Hinblick auf die Tour. Fabian Schmidt landete als Zweitbester des Teams auf Rang 14. Nach dem Rennen musste sich Botero den Fragen der Presse stellen:

Santiago Botero, Glückwunsch zu ihrem 5. Platz. Sind sie mit ihren Leistungen zufrieden?
Botero: Ja, schon. Es war kein brilliantes Rennen, aber ich konnte relativ locker vorne mithalten. Ich hab alles gegeben aber nicht zu viele Körner im Hinblick auf die nächsten Tage gelassen. Insofern blicke ich wirklich zuversichtlich auf den Rest der Rennens.

Wie wird denn die Abstimmung bei der Tour zwischen ihnen und Floyd Landis laufen? Für wen wird gefahren, wer ist der Kapitän?
Botero: Diese Frage nervt zusehends. Wir sind gleichberechtigt und werden wohl die beste Doppelspitze im Feld formieren. Das Team fährt für uns beide, und solange nicht einer weit zurückfällt im Kampf um Gelb sind wir beide zu beachten. Die Angriffe werden wohl wechselseitig kommen. Genaueres wird man dann abhängig von der Tagesform entscheiden.
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Beitrag: # 358229Beitrag arkon
12.6.2006 - 0:22

7. Juni 2006
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Zeitfahrsieg von Botero

Im Zeitfahren in Bourg-de-Péage bei der Dauphiné Libéré konnte heute Santiago Botero einen knappen Sieg einfahren. Der Kolumbianer vom schweizer Team Phonak setzte sich auf dem 43 km langen, schwierigem Kurs mit 23 Sekunden vor Levy Leipheimer durch. Er eroberte damit auch das gelbe Trikot und setzte sich mit 38 Sekunden an die Spitze der Gesamtwertung. Leipheimer, der ebenfalls ein starkes Zeitfahren hinlegte, war im Ziel geschafft, aber kampflustig im Hinblick auf die bevorstehenden Etappen. "Ich habe heute eine sehr gute Leistung gezeigt und kann in den Bergen angreifen. Jetzt ist es wichtig, den Kopf frei zu haben".
Auch ein ordentliches Ergebniss lieferte der Sieger des Prologs, David Zabriskie, auf dem 3. Platz mit Auf einen etwas enttäuschenden 9 Platz kam dagegen "nur" Fabian Schmidt, der teaminterne Zeitfahrspezialist.
Morgen steht mit der mythischen Bergankunft auf dem Mont Ventoux die erste schwere Bergprüfung der Rundfahrt auf dem Programm. Man darf gespannt sein, ob der Vueltasieger Santiago Botero seine Form aus dem Vorjahr wiedergefunden hat.
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Beitrag: # 358338Beitrag arkon
12.6.2006 - 22:45

9. Juni 2006
Baden, Schweiz

Wieder einmal die Spannung vor einer Rundfahrt. Wieder ein Hotelzimmer, die Nacht vor dem Start, vor der ersten Etappe. Aber es war nur ein weitere Prüfung auf dem Weg zu seiner ganz, ganz großen Aufgabe, seiner ersten Tour. Aber während er bisher immer alle Probleme mit Hinweis auf die noch lange Vorbereitungszeit auf das größte Spektakel des Radsports abwälzen konnte wurde es morgen ernst. Naja, ab morgen, so ganz unmittelbar würden die Prüfungen noch nicht beginnen. Aber er fühlte sich gut, wesentlich besser als noch vor wenigen Monaten in Genf, vor der Romandie-Rundfahrt. Er hatte die Zwischenzeit gut genutzt, sich gewissenhaft vorbereitet und vor allem am Berg viel gearbeitet. Er fühlte sich mehr als fit und wäre gerne noch zu Hause geblieben um noch in Ruhe ein wenig an sich selbst zu feilen. Das war aber natürlich Unsinn, er brauchte die Renntage. Wenn überhaupt würde ihm das bei der Tour zum Verhängniss werden: Seine fehlende Praxis in diesem Jahr. Das konnte zu Unsicherheiten im Feld führen, zu fehlender Härte über die drei Wochen oder einfach zu einer schlechteren Form. Er hatte jedoch durch seinen Zeitfahrsieg hier seine Ansteigende Form unter Beweis gestellt und sich seitdem noch gesteigert. Kein Grund also, wegen der fehlenden Rennpraxis nervös zu werden.
Trotzdem hatte er sich nicht viel vorgenommen für die nächsten Tage. Die Berge würde er ruhig hinten mitrollen, in den Zeitfahren sich auf keinen Fall vorne zeigen. Seine Form war ohnehin schon mit genügend Fragezeichen versehen nach seiner ersten Vorstellung in der Schweiz, warum also nicht die Gunst der Stunde nutzen und einen ohnehin nur schwer und mit viel Kraftaufwand zu erringenden Sieg gleich aufgeben? Es fiel ihm schon ein wenig schwer. Ein Rennen war immer noch ein Rennen, und ohne Kampf aufgeben? Er war stark genug am Berg, er würde vielleicht... würde vielleicht. Nein. Dafür konnte er nicht jetzt, wenige Wochen vor dem wichtigsten Rennen seines Lebens wertvolle Körner verschiessen. Nein. Die Entscheidung war gefallen.
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Beitrag: # 361386Beitrag arkon
25.6.2006 - 3:47

25. Juni 2006
Artikel im "Gegensatz" von Tobias Schuster

Ein baskisches Sternchen auf dem Weg nach Oben

Eigentlich ist Elgea ein verschlafener, kleiner Ort, irgendwo im Baskenland. Kaum einer Erwähnung wert, vielleicht 20-30 Häuser, um die 200 Einwohner, eine kleine Poststation, ein Cafe und ein kleiner Kramladen. Etwas in Länge gezogen, aber zentral bezogen auf den kleinen Platz, auf dem das Cafe seine 3 Tische aufgebaut hat. Nur selten verirrt sich ein Fremder in die Gegend. Eigentlich.
Der wohl berühmteste Sohn der Stadt wohnt am nördlichen Ende, am Ausgang der Stadt – mit Blick auf die Berge der Gegend. 10 km von Vitoria entfernt hat sich hier der wohl zurzeit beste baskische Radfahrer niedergelassen. Er ist hier nur Untermieter bei einer netten, alten Dame. Sie begleitet die Besucher auch gerne zu dem kleinen Wellblechverschlag, der als Eingang in das Reich von Jerdona Zeres dient. „Jerdona?“ kräht sie heiser in das dunkel, das einem hier umfängt. Die Hitze der Sommersonne bleibt hinter einem, wenn man dann durch eine alte Holztüre in die alten, verlassenen Kellerräume hinabsteigt. Noch bevor man sich mit den Augen ganz an das Dämmerlicht, welches vereinzelt durch Kellerfenster hereinflutet, gewöhnt hat, kommt einem ein strahlender, junger Mann entgegen. Das muss er sein, die Hoffnung des baskischen Radsports, einer der vielversprechendsten Bergfahrer der letzten Jahre.
Seit seinem Überraschungsauftritt bei der Vuelta letzten Jahres wird Jerdona Zeres im gleichen Atemzug genannt mit Alejandro Valverde, Iban Mayo oder Francisco Mancebo. Bei dieser Rundfahrt trat er mit seiner beherzten Fahrweise in den Bergen ins Rampenlicht und fuhr sich mit seinem Kampfeswillen in die Herzen seiner Landsleute. Das am Ende „nur“ der zweite Platz für ihn heraussprang traf seine Fans wahrscheinlich härter als ihn selbst. Nach einer positiven A-Probe drohte er jedoch den Weg von so vielen Überraschungsfahrern im Radsport zu nehmen, den Weg hinab in den Dopingsumpf. Prompt verlor er auch den Vertrag mit seinem Euskaltel-Rennstall und sah sich einer ungewissen Zukunft gegenüber. Erst die B-Probe, die negativ ausfiel, rettete ihn und schließlich landete er bei Credit Agricole, einem eher kleinen, französischen Pro-Tour Rennstall. Hier fand er in Serge Beucherie und Roger Legeay zwei, die an ihn glaubten. Und zwar so stark, das sie ihn kurzerhand zum Kapitän für das eigene Tourteam ernannten und ankündigten, den Sieg bei der größten Rundfahrt der Welt erringen zu wollen. Eine schwere Bürde für einen so jungen Fahrer wie Jerdona Zeres.
Nach einer bisher gemischten Saison befindet er sich nun in den abschließenden Vorbereitungen für den größten Auftritt seines Lebens. Nach einer unauffälligen Tour de Suisse, die natürlich erneut seine Kritiker auf den Plan rief, muss er nun ganz alleine beweisen, was in ihm steckt. Ab dem 1. Juli muss er in Frankreich seinen Mann stehen und beweisen, das er nicht nur eine weitere Eintagsfliege ist.
Aber der pure Stress, den man erwarten könnte, macht sich noch nicht breit. „Setzt euch doch, ich koch mir grade was. Wollt ihr ein paar Nudeln mitessen?“ hallt es uns entgegen. Gerne willigen wir ein. Die Kellerwohnung ist spartanisch eingerichtet. Von dem Geld, was für die Vertragsunterzeichnung in Paris wohl über den Tisch gegangen ist, sieht man nichts. Ein altes Sperrmüllsofa mit einem niedrigen, selbstgezimmerten Couchtisch dienen uns als Essgelegenheit. Neben Jerdona wohnt zurzeit auch Emanuel Feriola hier, der persönliche Trainer. Er nächtigt in einem Schlafsack, der irgendwo weiter hinten im Chaos der Wohnung herum liegt. „Wenn ich die Tour gewinne leiste ich mir eine Putzfrau. Das habe ich Anna versprochen“ Damit meint er seine Vermieterin.
Hier im Ort ist Jerdona ein alter Bekannter. Schon seit vier Jahren wohnt er hier. „Der Auszug wurde einfach irgendwann nötig. Und hier habe ich ein tolles Trainingsgebiet direkt vor der Tür“. Ein Jahr später wurde er dann bei Euskaltel unter Vertrag genommen. Die orangene Radlertruppe war auf den aufgehenden Stern am Amateurhimmel im Baskenland aufmerksam geworden. Mit den Bewohnern des kleinen Städtchens versteht er sich gut. Auch schon vor seinem Durchbruch war er hier allgemein bekannt als „der Radler“. Seit letztem Herbst sind auch die Bewohner der Nachbarstädte aufmerksam geworden auf den Verrückten, der bei Wind und Wetter hier die Berge in Angriff nimmt. „Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man durch die Strassen fährt und die kleinen Kinder jubeln einem zu, weil sie dich aus dem Fernsehen kennen“ grinst er. „Allgemein hab ich echt Glück gehabt. Ich fühl mich hier sehr wohl und habe mittlerweile echt eine zweite Heimat gefunden.“
Nach dem Essen geht es dann ans Trainieren. Emanuel fährt mit einem kleinen Roller hinter seinem Schützling her und gibt ihm Tipps zu seiner Haltung und nimmt Zeiten für einen Berg. „Ich werde das ruhige Leben hier vermissen, wenn ich die Tour gewonnen habe“ grinst er zwischendurch. Einige Stunden und 100 Kilometer später geht’s nach Hause. Jerdona duscht während Emanuel kocht. „So wie bei uns läuft es für hunderte Radprofis auf der Welt auch ab. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ullrich oder Basso großartig anders trainieren sollen“ bemerkt der junge Trainer, während er in der Kochzeile nach sauberem Geschirr sucht.
„Das einzige, wovor ich bei der Tour wirklich Angst habe, ist die Presse. Ein Reporter ist kein Problem, aber zehn Reporter sind zehn Probleme“ Zeres werden allgemein eher Außenseiterchancen eingeräumt. Die Top-Ten seien für ihn wohl das Maximalziel. „Es kommt alles darauf an, wie die Zeitfahren laufen. Ich habe mir die Strecken ziemlich intensiv angeschaut und glaube, ich bin gut genug vorbereitet. Aber letztlich brauch ich eine große Portion Glück, um gut über die Strecken zu kommen. Und wenn ich das schaffe…“ Der Toursieg bleibt unausgesprochen über die Nudeln mit Sauce aus der Dose. Aber das Ziel für die beiden ist klar.
Nächsten Mittwoch, 3 Tage vor dem Tourstart, fährt der Kapitän von Credit Agricole nach Frankreich. In Straßburg wird dann hoffentlich der Grundstein gelegt für den vielleicht größten Triumph im noch jungen Leben des Jerdona Zeres, das danach nur noch schwerlich das gleiche sein dürfte. Inwieweit die kleine Kellerwohnung in Elgea dann etwas aufgeräumter wird, bleibt abzuwarten.
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arkon
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Beitrag: # 361387Beitrag arkon
25.6.2006 - 3:50

leute, es ist immer noch nicht verboten, hier was reinzuposten. auch beiträge á la "jo, supa, weitamachen" sind willkommen. ich will hier nicht nur alleine seite um seite füllen...
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Damiano Cunego
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Beitrag: # 361392Beitrag Damiano Cunego
25.6.2006 - 9:22

jo, supa, weitamachen
also ich finde deinen AAR sehr gut geschrieben (Habe ihn mir heute nacht komplett durchgelesen) und hoffe, dass du schnell weiterschreibst.
MfG

Dominator
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Beitrag: # 361393Beitrag Dominator
25.6.2006 - 9:27

Also ich find den AAR richtig geil, warte schon immer auf nen neuen Post den ich verschlingen kann ;)
SOAD 4-Ever

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Beitrag: # 361528Beitrag arkon
25.6.2006 - 16:50

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Frankreich, Frankreich...
28. Juni 2006

Hallo Fans!
Endlich bin ich in Frankreich. Für mich ja keine weite Reise, aber trotzdem ein wichtiger Schritt in Richtung Tourstart. Wir sind in Eckbolsheim untergekommen, einem kleinem Ort im Westen von Straßburg. Dort wird in ein paar Tagen der Prolog stattfinden. So haben wir Gelegenheit, noch ein paar mal die Strecke auf- und abzufahren und gleichzeitig ein paar Berge relativ dicht bei uns. Wir werden wohl keine großen Intervalle mehr setzen. Die nächsten Tage werden eher aus einfachem Windschattenfahren, noch ein paar Impulsen am Berg und vor allem der aklimatisierung an das Team dienen. Wir haben uns zum Teil länger nicht mehr gesehen. Die kommenden 3 Wochen können wir nur zusammen durchstehen, und dementsprechend gibt es da noch Nachholbedarf. Aber die meisten meiner Kollegen kenn ich ja schon von anderen Trainingscamps, Rennen und anderen Gelegenheiten gut.
Insgesamt bin ich zuversichtlich was die Tour angeht. Auf mir lastet kein besonderer Druck, ich kann befreit auffahren und habe immerhin 3 Etappen, bei denen ich mir Siegchancen ausrechne. Die Zeitfahren werden brutal hart, aber was wäre das Leben ohne Herausforderung? Floyd und Santiago haben es da nicht so leicht. Sie müssen jeden Tag etwas leisten und in den Bergen einiges zeigen. Sie können auf ein tolles Team bauen, aber letztlich müssen sie alleine die Berge hochfahren.
Die Techniker, Ärzte, Betreuer und Helfer, die hier bei uns schon herumwuseln, tuen alles, um einem das Leben zu erleichtern. Es ist schon ganz angenehm, wenn man nicht selber waschen und kochen muss. Das ist wohl der Lohn für die harte Arbeit, die auf uns zukommt.
Naja, ich mach dann mal Schluss, ich muss noch raus zu einer Trainingsfahrt. Hoffentlich seh ich einige von euch in Straßburg. Die wenigen Fans, die mich kennen, pushen schon enorm. Also, alles gute

euer

Fabian Schmidt
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Beitrag: # 362081Beitrag arkon
26.6.2006 - 21:46

29. Juni 2006
Kehl, Deutschland

Etwas später als üblich stand Jerdona Zeres an diesem Donnerstagmorgen auf. Noch 2 Tage bis zum Tourstart. Schon Morgen Abend würde die Teampräsentation stattfinden. Und dann wurde es endgültig ernst. Zurzeit gab es ncoh kleine Möglichkeiten zur Einflussnahme, wenngleich eher negativ als positiv. Aber die Spannung war spürbar.
In den späten Abendstunden waren sie gestern Abend hier angekommen. Jerdona hatte sich den Flug geleistet, um einer langen Auto- oder Zugreise zu entgehen. So kurz vor dem Start konnte er sich den Ausfall von einem ganzen Tag nicht mehr leisten. So war er noch in der Lage gewesen, sein Training in Ruhe abzuschliessen, bevor er dann zusammen mit Emanuel nach Vitoria fuhr, von wo er mit 3 Fliegern nach Straßburg geflogen war. Material hatte er keines mitgenommen, dafür sorgten die Teamtechniker. So hatte ihn dann auch um halb eins in einer schwülen Sommernacht am Flughafen ein Teambetreuer abgeholt, stilecht mit einem Teamwagen. Grinsend hatte Jerdona zur Kenntniss genommen, das einige umstehende Leute ihn in genau dem Moment erkannten, als er in das Auto stieg. Offensichtlich war er gestern Abend nicht der einzige gewesen, der für die Tour angereist war. Autogrammwünschen war er aber noch entkommen.
Im Hotel waren schon alle anderen Teammitglieder angekommen. Die Fahrer waren zum Teil schon seit einer Woche hier und rissen die letzten Kilometer vor dem großen Start ab. Er hatte gestern keine Fahrer mehr getroffen, einige Techniker saßen noch in der Hotelbar und tauschten über ein paar Bier Geschichten aus. Auch sie kamen nicht jeden Tag in dieser Besetzung zusammen. Yuri Madarkady, mit dem er sich sein Zimmer während der Tour teilen würde, war schon am schlafen, wachte aber nocheinmal kurz auf und begrüßte seinen Kapitän und Freund.
Durch dieses späte zu Bett gehen durfte er heute ein wenig länger schlafen, aber sobald er die Augen aufgemacht hatte, hielt ihn nichts mehr im Bett. Eilig duschte er und zog sich an, um unten seine übrigen Teamkollegen begrüßen zu können. Nach einem eiligen Frühstück zogen sie dann auch schon zu einer kurzen Ausfahrt los. Jerdona hatte zwar eine große Aufgabe vor sich, aber ein gutes Team und darunter ein paar gute Freunde an seiner Seite.
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Beitrag: # 362599Beitrag arkon
28.6.2006 - 0:06

Nochmal danke für die Kommentare. Sowas motiviert erheblich, hier weiterzumachen und Zeit reinzustecken! Gesagt, getan... ;)
have fun!


1. Juli 2006

Kaum hatte Jerdona Zeres hatte ein Auge geöffnet, hätte er es am liebsten wieder geschlossen. Der Druck, der in den letzten Tagen nur diffus irgendwo zwischen Flughafen und Hotel bei den Reportern hängen geblieben war, lastete nun mit voller Wucht auf ihm. Ächzend versuchte er sich aufzurichten, aber er spürte erst mit Erstaunen seinen trockenen Mund. Seine Zunge hing trocken am Gaumen, sein Speichel war über die Nacht ausgetrocknet. Er hatte die ganze Zeit durch den Mund geatmet. Er war erkältet.
Nicht mehr nur erstaunt, sondern nahezu entsetzt griff er nach einer Flasche Wasser, die auf dem Nachttisch stand und trank einen großen Schluck. Die Linderung setzte sofort ein. Yuri war inzwischen auch aufgewacht und schien guter Dinge in Anbetracht seiner ersten großen Rundfahrt. Zeres machte das Recht des früher aufgestandenen geltend und schummelte sich zuerst in die Dusche. Nach dem Frühstück fühlte er sich schon besser. Trotzdem ging er natürlich zum Teamarzt und berichtete ihn von seinen Sorgen. Die üblichen Medikamente und Tipps konnten ihn aber nicht über eine gewisse Müdigkeit hinwegtäuschen, die ihn zu umfangen begann. Erstmals seit Wochen machte er sich Sorgen wegen des Prologs.
Ihm blieb noch genug Zeit bis zum Start. Als letzter des Teams würde er auf die Strecke gehen. Direkt vor ihm war mit Laszlo Bodrogi der einzige echte Zeitfahrspezialist des Teams an der Reihe. Yuri Madarkady war als zweiter dran, direkt nach Saul Raisin. Ein wenig Mitleidig verabschiedeten ihn die anderen vom Frühstück: Während die letzten gerade kamen, stand er schon kurz vor dem Einrollen. Dementsprechend hatte er es aber wenigstens früher hinter sich.

Fabian Schmidt fühlte sich fantastisch. Die Sonne lachte ihn an, als er aus dem Mannschaftshotel trat. Eine Weile stand er einfach nur da, in der Sonne, mit geschlossenen Augen und fühlte, wie ihn die Wärme der Sonne durchdrang. Ein tolles Gefühl. Plötzlich wurde er durch einen Klaps auf die Schulter aus seinen Gedanken gerissen. Matthias Frey, der heute im Auto hinter ihm sitzen würde, lachte ihn von der Seite an.
„Na, mal wieder am träumen? Ich dachte, du willst heute gewinnen!“
„Ich werde gewinnen. Und ich glaube, ich fahr mit dem Fahrrad rüber.“ Grinste er zurück. Ein wenig zweifelnd blickte ihn Matthias an. Die Betreuung von Fabian fiel in sein Aufgabenfeld für diese Tour, und wenn er sich auf dem Weg nach Straßburg etwas tat.
„He, ich fahr in den nächsten Wochen 3000 km.“ Ohne die Antwort abzuwarten schwang er sich auf sein Fahrrad. „Du musst mir nur den Weg zeigen.“
Kopfschüttelnd, aber nun auch grinsend, stieg Matthias in das Auto. Fabian konnte sich mit seiner fröhlichen Art schon eine Menge rausnehmen. Aber es waren ja nur 6 km.

Etwas früher und frischer, als es für ihn üblich war, erschien Tobias Schuster an diesem Morgen auf der Kommentatorentribüne. Einige seiner Kollegen kannte er schon, aber hier bei der Tour waren immer viele neue dabei. Seine Morgenmuffeligkeit hatte sich aber offensichtlich schon rumgesprochen: Ein dampfender Pott Kaffee stand auf seinem Platz. Dankbar schaute er sich um, wem er dieses Geschenk zu verdanken hatte.
„He Tobias, heute morgen mal früh auf den Beinen?“ witzelte sein Nebenmann. Er war Kommentator für irgendeinen Radiosender. Tobias kannte ihn schon länger. Mit ihm hatte er auch während der letzten Vuelta viel zu tun gehabt.
„Man muss sein Pulver ja nicht gleich am ersten Abend verschießen. Und außerdem sind wir hier noch zu nah an der Grenze. Da macht das ja noch nicht so viel Spaß!“
„Auf wen tippst du?“
„Hmm…. Schwere Frage. Ullrich wird’s nicht reißen. Vorne ja, aber nicht der Sieg. Cancellara macht es auch nicht. Eher Julich, der ist gut in Form. Oder Bodrogi, von dem kann man auch was erwarten.“
„Bodrogi? Im Leben nicht. Ich rechne mit Schmidt. Und Basso wird knapp an Ullrich dran sein.“
„Hehe, in deinen Träumen vielleicht! Um ein Bier, es sind 10 Sekunden oder mehr für Ulle“
„Da halte ich dagegen. Wird knapp, aber sonst wär’s ja auch keine Wette“
Ein Handschlag besiegelte das Geschäft.

Schon am Stadtrand erkannten ihn die ersten und jubelten ihm im vorbeifahren zu. Ein tolles Gefühl. Die ganze Stadt war voll mit Leuten, die im oder mit dem Radsport ihr Geld verdienten, und da das Rennen noch nicht angefangen hatte gab es genügend, die in den Cafes der Stadt den schönen Morgen genossen. Ein komisches Gleichgewicht zwischen Spießrutenlauf und einem Triumphmarsch hin zum Start.
Sobald Fabian das Gelände der Tour erreicht hatte mischte sich zu seiner morgendlichen Energiepackung noch ein guter Schuss Anspannung. Aber da musste er wohl durch. So gut es ging versuchte er, sich von dem Druck abzulenken und die tausendfach geübt und ausgeführten Rituale einzuhalten. Alles, was jetzt kam, war für ihn ziemlich mechanisch. Der Kopf war die einzige Variable, die es noch zu bändigen und zu seinen Gunsten zu verändern galt.
Noch im Teamtrikot setzte er sich hinter dem Teambus von Phonak auf sein Rad zum Einrollen. Sein Weltmeistertrikot lag noch im Auto. Schon alleine der Gedanke daran zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. In diesem Trikot fühlte er sich besonders wohl. Es war nicht nur das Gefühl, die Weltmeisterschaft gewonnen zu haben, sondern vor allem, Weltmeister zu sein, das ihn schon jetzt eisern werden lies, wenn er an die Titelverteidigung dachte. Das war nach der Tour sein absolut größtes Ziel in diesem Jahr.
Aber jetzt musste er erst einmal den Prolog bestreiten. Während er sich langsam einstrampelte schaute er sich zum tausendsten Mal eine Skizze der Strecke an, die er gleich würde zurücklegen müssen. 7,1 km, tellerflach und mit einer Zwischenzeit. Interessanter war die Karte, auf der jede Kurve mit Anmerkungen von den Erkundungsfahrten vermerkt war. Es konnte losgehen, er war bereit.
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Beitrag: # 362836Beitrag arkon
28.6.2006 - 18:07

So, für alle interessierten: ich hab die tour fast durchgespielt, das letzte zeitfahren steht noch aus. ich wollte nicht riskieren, das der aar in der mitte gestoppt werden muss, weil meine db scheisse getunt war. aber das problem ist erledigt, und in den nächsten tagen gehts dann los. ich brenne schon förmlich darauf, die tour zu papier, besser gesagt auf dem bildschirm zu bringen.
ich danke für ihre aufmerksamkeit ;)
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Beitrag: # 363237Beitrag arkon
29.6.2006 - 18:52

Zusammen mit fast der gesamten Mannschaft machte sich Jerdona etwas später auch auf den Weg. Die zwei ersten Starter der Mannschaft waren schon am Startkomplex, um sich warm zufahren. Mit den restlichen Teamfahrzeugen fuhren sie vom Hotel aus gemeinsam los. Der Tag war noch lang und im Bus würde nicht nur das Warten leichter fallen, sie hätten auch immer die neusten Infos über die Strecke von den eben Angekommenen.
Jerdona fühlte sich eher noch schlechter, wenn überhaupt eine Änderung festzustellen war. Was ihn beunruhigte war weniger die körperliche Veränderung, die er an sich feststellte, sondern vielmehr das, was während des Rennens kommen würde. Er war schon öfters krank gewesen, aber das gesamte letzte Jahr war er davon verschont geblieben. Dass sein Glück nicht ewig anhalten konnte war ihm auch klar gewesen, aber er hatte gehofft, wenigstens während diese Tour, die vielleicht die wichtigste Rundfahrt in seiner bisherigen wie auch kommenden Karriere darstellen könnte, verschont zu bleiben. Heute war nicht der schlimmste Zeitpunkt für eine Erkrankung: Wenn er nicht völlig aus der Rolle fiel, würde er nicht mehr als eine Minute verlieren. Das war nicht gut, aber auch noch nicht das Ende all seiner Ziele. Was aber würde passieren, wenn das erste Zeitfahren vor der Tür stand? Hatte er bis dahin genug Luft um auszukurieren? Oder würde es durch die regelmäßige Belastung bis ans Limit eher noch schlimmer werden? Er konnte es beim besten Willen nicht einschätzen, was seine Ruhe kaum vergrößerte.

Klickend sprang die Uhr auf Null und mit einer flüssigen, erst langsamen, aber stetig beschleunigten Bewegung rauschte der letzte Starter vor Fabian von der Rampe. Nun war also die Reihe an ihm. In einer Minute würde alles mechanisch verlaufen, fast wie von selbst. Er musste sich nur überreden, das alles, was er schon tausendfach ausgeführt hatte, ein kleines bisschen schneller zu machen. Er rollte vor, den Blick auf die Strecke gerichtet. Der Mittelstreifen grinste ihn einladend an, um ein Wettrennen bettelnd. Mit einem schnellen Blick zur Seite, bei dem er die Fernsehkamera kaum bemerkte, versicherte er sich, dass das Teamfahrzeug bereitstand. Für ihn gab es ein Motorrad. Er würde der einzige hervorragende Zeitfahrer auf der Strecke sein, und mit seinem Trikot gab es noch ein Grund mehr, ihm im Auge zu behalten.
Der Moment Null, als der Starter ihn freigab, war das Ende seiner Gedanken. Sein Kopf war mit einem Mal leer. Wie ein Tiger sprang er von der Rampe runter, sein Rad wild unter sich hin und her reißend. Nur unterbewusst registrierte er das klickende einrasten der Schaltung, den erhöhten Widerstand, der sich über die Pedale voll auf seine Füße und Beine entfaltete. Sein Blut schoss in seinen Kopf, sein Puls pochte dumpf durch seinen Schädel.
Er war auf dem Weg.

„Und eben geht Fabian Schmidt von der Rampe. Für den Phonakprofi ist das schon seine zweite Tour. Bei der ersten fuhr er überraschend ins gelbe Trikot, erzielte beeindruckende Ergebnisse bei den Zeitfahren und kam schließlich in Paris an 34 Stelle im Klassement an. Es wird schwer für ihn werden, das in diesem Jahr zu übertreffen. Aber wir drücken ihm die Daumen“
„Den ersten Schritt kann er ja schon heute tun: Er ist einer der Kandidaten auf den Prologsieg. Wie sie erkennen, ist er im Trikot des Zeitfahrweltmeisters unterwegs. Das ist nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Auszeichnung seiner exzellenten Qualitäten im Kampf gegen die Uhr.“
„Bisher sind noch keine ernsthaften Sieganwärter unterwegs gewesen, er wird also ohne Referenz die zu unterbietende Bestmarke vorlegen. Alles andere als eine neue Bestzeit im Ziel wäre eine Enttäuschung.“
„Das ist vielleicht schon ein bisschen zu hart. Aber die 6:15 von Dario Cioni sollten für ihn gut möglich sein.“
„He, jetzt komm aber. Schon zu unterbieten. Das werden weniger als 6 Minuten. So schnell muss der Sieger heute schon sein.“
„Naja, ich tippe eher auf knapp darüber. Aber das werden wir, wie immer, heute Abend mit Sicherheit wissen.“

Fabian registrierte einen Schmerz in seinem rechten Ohr. Ein wenig irritiert stellte er fest, dass es die Stimme von Matthias Frey war, die aus dem Kopfhörer in seinen Schädel dröhnte. Sein Betreuer schrie sich die Seele aus dem Leib. Ohne auch nur ein Wort verstanden zu haben friemelte er den Stöpsel aus seinem Ohr heraus. Er hatte vom Start bis jetzt noch nicht einmal auf das gehört, was da aus dem Hörer zu ihm drang. Seine Beine wirbelten weiter.

„He, das ist Fabian Schmidt.“ Emanuel deutete auf den Fernseher. „Bärenstark. Der ist heute der erste gejagte.“ Sein Mentor konnte seine Bewunderung nicht verhehlen. „Wahnsinn. Flüssiger Tritt, wunderbarer Sitz auf dem Rad. Keine Frage, was der den Winter über getan hat. Ich kann mich noch an die Weltmeisterschaft erinnern. Da war er schon gut. Erfolgreich und elegant. Aber jetzt… er hat noch mal deutlich zugelegt.“
„Meinst du?? Na ja, sieht nicht schlecht aus, aber so dramatisch würde ich das jetzt nicht beschreiben.“
“Der macht heute das Rennen“

„Und Fabian Schmidt im Ziel… Neue Bestzeit, 5:52. Und, was sagst du jetzt?“
„Ich sag gar nichts. Ich bin baff. Das dürfte fast schon der Sieg sein.“
„Jetzt schon? He, er ist gut, aber sicher nicht der einzige unter 6 Minuten.“
„Das ist der Sieg. Jeder, der unter 6 Minuten kommt hat meinen Respekt!“
„Die andern nicht?“
„Hehe, natürlich auch.“
„Ist das hier auch schon der erste Fingerzeig auf das lange Zeitfahren?“
„Fingerzeig ja. Aber nicht der einzige. Das Zeitfahren ist völlig anders gebaut, nicht nur länger. Und nach einer Woche Tour geht schon den ersten der Akku aus. Das dürfte knallhart werden. Wer heute vorne ist wird auch da ein gutes Ergebnis abliefern, aber die Reihenfolge einfach so zu übernehmen und einfach die Zeiten hochzurechnen ist einfach ein Fehler“

Im Ziel fiel er fast vom Rad. Jeder Schritt tat weh. Ein Betreuer stütze ihn ab, gab ihm ein Handtuch und eine Trinkflasche. Die Menschen um ihn herum hätten ihm nicht gleichgültiger sein können. Matthias kam angerannt und berichtete ihm von seiner tollen Zeit. Die Freude kehrte ein, musste sich aber hinter der Erschöpfung anstellen.
Selten hatte er es so gut geschafft, sich genau richtig leer zupumpen. Noch 100 Meter vor dem Ziel war es ihm so vorgekommen, als hätte er noch ein bisschen schneller angehen können. Aber die letzten Meter des Zielsprints hatten ihn völlig erledigt. Er war es genau richtig angegangen.

Für Jerdona lief das Zeitfahren nicht ganz so gut. Noch kurz vor dem Start hatte er die frohe Nachricht bekommen: Bodrogi hatte sich auf den zweiten Platz vorgeschoben, nur 4 Sekunden hinter Schmidt. Dessen Bestzeit stand immer noch wie aus Granit gehauen vorne.
Als er aber auf die Strecke ging konnte er buchstäblich fühlen, wie seine Batterien blockierten. Jedes Luftholen war eine Bestrafung seiner Luftröhre. Trotzdem saugte er die Luft immer gieriger in sich hinein. Er vermisste einfach 10-20% seiner Lunge. Viel zu früh schnellte sein Puls in astronomische Höhen. Seine Beine fingen an zu kribbeln. Er pumpte sich förmlich leer. Er gab zwar alles, doch schon als er den Zielstrich sah konnte er seine schlechte Zeit erahnen. Der Schlussspurt trieb ihm Sternchen vor die Augen, die Säure brannten in seinen Beinen.
Im Ziel fiel er fast vom Rad. Ohne die nötige Kraft, auch nur einen Arm zu heben, fing ihn ein Betreuer auf und setzte ihn auf die Straße. Eine Flasche wurde gereicht. Ohne Kraft, richtig zu trinken, lief das Wasser an seinem Mund vorbei auf sein Trikot. Den Rest kippte er sich kurzerhand über den Kopf. Er hatte alles gegeben und war doch geschlagen.

„46 Sekunden Rückstand für Jerdona Zeres. Das ist bitter“
„Er hatte noch vor der Tour den Großangriff auf das Gesamtklassement angekündigt. Der Traum wurde heute zwar noch nicht beendet. Aber wenn er im nächsten Zeitfahren nicht ganz erheblich zulegt dürfte sogar ein Platz unter den Besten 10 utopisch sein.“


Etappenergebnis:
1 Fabian Schmidt 5'52
2 Laszlo Bodrogi + 4
3 Jan Ullrich + 8
4 Bobby Julich + 11
5 Fabian Cancellara + 12
6 Santiago Botero + 14
7 Floyd Landis + 15
8 Denis Menchov s.t.
9 Ivan Basso s.t.
10 Bradley Mc Gee s.t.
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39 Francisco Mancebo + 24
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49 Christophe Moreau + 27
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63 Georg Totschnig + 32
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15 Alexandre Vinokourov + 16
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111 Jerdona Zeres + 46
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

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