Beitrag: # 358048Beitrag
arkon
10.6.2006 - 17:00
„Zentrale, Falkner. Ich übernehme den Keller. Over“ „Falkner, Zentrale. Willst dich wohl vor den vielen Leuten drücken? Hehe, alles klar, Roger, Out“.
Er trottete eine steile betongefasste Feuertreppe hinunter. Der Keller gefiel ihm eigentlich gar nicht. Lange, anonyme Gänge, steriles Licht, unnatürlich helle Akustik… Um genau zu sein gefiel ihm der ganze Job nicht mehr so wirklich. Klar, am Anfang war es toll gewesen. Superbezahlung, ein Spitzenteam, tolles Equipment, alles, was man sich als Sicherheitsexperte wünschen konnte. Aber fast alle hier hatten eine Vergangenheit, und er war keine Ausnahme. Einige kamen gut mit ihrem neuen Job klar, andere weniger. Er zählte sich eher zu letzterer Kategorie. Es fehlten ihm noch oft die spektakulären Einsätze, die er früher oft hatte. Das Gefühl, über dem Gesetzt zu stehen, seine Direktiven von oben zu kriegen und niemand anderem als seinem Boss Rechenschaft zu schulden, ja, das vermisste er. Und… er stockte. Feiner Eisenstaub lag auf dem Boden, direkt vor einer Tür. Ein kurzer Blick bestätigte seinen Verdacht: Aufgebohrt. Er zog seine Dienstpistole, lauschte kurz, öffnete dann vorsichtig und langsam die Tür…
„Joachim, verdammt“ klang es von rechts her. Dave steckte seine Walther wieder ein sein Schulterholster, nachdem er sie, an die Wand neben der Tür gelehnt, direkt an den Kopf des Sicherheitsmanns gehalten hatte. „Ich muss auch vorsichtig sein.“ Setzte Joachim entgegen. Die formale Begrüßung musste warten. „Du hast vergessen, die Eisenspäne wegzukehren.“ „Wenn jemand das Schloss sieht, ist das sowieso egal.“ „Ja, aber trotzdem ein unnötiges Risiko“ Joachims Blick fiel über das Equipment, das Dave hier aufgebaut hatte. Zwischen Decke und Wand klebten eine Reihe von Sensoren, ein Messgerät stand auf dem Tisch. Die Kabel der Sensoren, die wie schwarze Spinnen in der Ritze klebten, liefen zu einem Laptop, der auf einem Tisch aufgebaut war. An diesem klemmten noch ein paar andere Peripheriegeräte, die alle komische Antennen hatten.
„Wie kommst du voran?“ fragte Joachim im Plauderton. „Es geht, die Signale der Kabel sind gut abgeschirmt. Du kannst dich kurz nützlich machen und draußen die Späne wegkehren. Sind die Kameras noch aus?“
„Ich hoffe schon. Ich hab die Kabel gelockert und einen Signalprozessor mit ein bisschen Wasser verziert. Dürfte für mindestens eine halbe Stunde gut sein.“
„Solange brauch ich nicht“
Joachim nickte ihm noch kurz zu und ging dann nach draußen, um die Späne kurz mit dem Fuß wegzukehren.
Dave machte sich wieder an seinem Laptop zu schaffen. Die Daten, die er brauchte, waren drüben, im Nebenraum, in einem der Server. Da er nicht in den Raum hinein konnte, die Wände waren einfach zu dick, die Tür zu gut gesichert. Dumm waren seine Gegner nicht. Damit blieb ihm nur noch der indirekte Weg. Einfacher wäre es gewesen, sich an ein Terminal zu setzen und einfach ein wenig herum zu hacken. Aber dafür hätte er die Passwörter benötigt oder wenigstens eine gute Hintertür in das System herein. Da er beides nicht hatte brauchte er einen dritten Weg. Und mit dem hatte ihm auch wieder Joachim geholfen. Und zwar gab es einen zweiten Server im Oberstock, der als Datenpuffer diente. Der Trick bestand nun darin, den Verkehr zwischen beiden zu stören, einen Zusammenbruch des obigen Servers zu simulieren und dann den Wiederaufbau der Verbindung anzuzapfen, so dass sich der Mainserver im Nebenraum in Wirklichkeit mit dem Laptop vor Dave synchronisierte. Und wenn der Schritt einmal geschafft war, dann war der Server oben aus dem Rennen und mit wenigen Tastendrücken alle Daten anfordern, die man wollte.
Die Kunst bestand nur darin, die Kabel anzuzapfen. Und die waren gut abgesichert. Da Koaxialkabel verwendet wurden, war eine Einflussnahme mit aufgeklebten Kabeln und Induktivität möglich. Nicht einfach, aber möglich. Entsprechend musste Dave hier die Hintergrundstörungen genau aufzeichnen, ein Gefühl für den Datentransfer zwischen den beiden Servern kriegen und dann… es war ein ziemlich technisch, hoffentlich nicht langwierig.
Joachim hörte Schritte. Nicht, dass das hier etwas Ungewöhnliches wäre, sie waren ja immerhin nicht alleine in diesem Gebäude. Aber es machte ihn schon nervös, besonders als sie immer näher kamen. Er kehrte schnell noch die Späne unter der Tür hindurch, bevor er sie zu machte. Was machte er mit dem aufgebohrten Schloss? Etwas davor hängen? Da bog schon ein Kollege um die Ecke. Dieter Hufens. So ein Dreck. Er ging ihm entgegen.
„He, was machst du denn hier?“ begrüßte er ihn
„Ich bin auch noch für den Keller eingeteilt.“
„Ach, lass mal, ich mach das hier schon.“
„Dann bist du wenigstens nicht so allein“ lachte er und ging an Joachim vorbei den Gang runter.
„Wollen wir nicht erstmal hinten den Kameraraum checken?“ rief dieser ein paar Meter zurück hinterher.
„Nicht nötig, da hinten hängen schon ein paar Techniker, die…“ er stockte, offensichtlich hatte er gerade das aufgebohrte Schloss entdeckt. Dieter gab seinem Kollegen ein Handzeichen und zog seine Dienstwaffe, so wie es Joachim gerade auch gemacht hatte. Nur, das Dave ihm jetzt vertraute, unerwünschte Besucher fernzuhalten oder ihn zumindest vorzuwarnen. Langsam öffnete Dieter die Tür… die plötzlich mit Urgewalt nach außen aufschwang und ihn voll am Kopf traf. Der Sicherheitsmann wurde gegen die Wand geschleudert, wo er zu Boden sackte, als ihn die Tür noch mal voll erwischte.
Dave kam mit gezückter Waffe in den Gang geplatzt. „Was machst du Clown eigentlich? Sollst du mir nicht den Rücken freihalten?“ pampte er ihn an, nachdem er den Gang auf eventuelle Verstärkung kontrolliert hatte. Mit einem strafenden Blick, der Stahl zum Schmelzen gebracht hätte, wandte er sich ab und zog sein Opfer in den Raum rein.
„Noch ein paar Minuten, ich bin gleich drin.“
Erst jetzt atmete Joachim wieder aus. Er kannte Dave schon länger und wusste genau, dass mit ihm in solchen Situationen nicht zu spaßen war. Er ging wieder auf Position, was hieß er lehnte sich locker gegen die Wand und lauschte, ob sich jemand näherte.
Innen hatte sich Dave wieder am Laptop zu schaffen gemacht, nachdem er Dieter mit Klebeband gefesselt hatte. Er brauchte nur noch 10 Minuten, dann war er hier raus. Wenn jetzt nur keiner auf die Idee kam, nachzufragen, was die Patrouille unten im Keller machte…Und dann hatte er die Verbindung. Wunderbar. Jetzt waren es noch vielleicht zwei, drei Minuten, wenn nichts mehr schief lief. Die Verbindung stören, auf den Reset warten und sich dann im richtigen Moment einklinken. Alles ging glatt. Er war drin. Er brauchte nur noch zusehen, wie sich der Laptop mit dem Server im Nebenraum synchronisierte. Dann zog er einen Zettel aus der Jacke und gab einige Nummern ein, die sie interessieren könnten. Neben dem einen Hauptkonto, was sie ausgemacht hatten, gab es noch einige andere.
Die Zeit lief, Johannes konnte es spüren. „Falkner, Zentrale. Die Kameras laufen gleich wieder. Kannst hochkommen. Over“ „Zentrale, Falkner, auf dem Weg. Out“. Er atmete tief ein, um das flaue Gefühl im Magen wegzukriegen. Jetzt ging es wirklich los. Er klopfte kurz an die Tür. „Die Kameras gehen gleich wieder. Soll ich weitermachen?“ „Keine Änderung, ich bin im Plan.“ Kam die knappe Antwort von innen. Johannes schaute sich noch mal um, ging dann zum Feuermelder rüber. Zack.
Das Sirenengeheul war ohrenbetäubend. Im ersten Moment spürte er noch nicht einmal das Wasser, das von oben aus den Sprinkler sprühte. Der Schock war schnell vorbei. Er griff sich wieder das Funkgerät. „Feuer, Feuer im Keller. Ich komm raus, aber bringt die Leute hier raus!“ schrie er. Er ging wieder in den Raum zurück, in dem Dave die Sprinkler schon lange ausgeschaltet hatte. „Noch einen Moment“ gab dieser von sich. Gebannt starrte er auf den Monitor, präziser auf den Fortschrittsanzeiger. Noch ein paar Sekunden…
„Schicht“ er konnte seine Aufregung auch nicht mehr länger verbergen. Er schlug den Laptop zu, während Johannes die restliche technische Ausrüstung zusammen suchte. Sie hatten Zeit gewonnen, aber sie war immer noch knapp… „Falkner, Zentrale, wo stecken sie?“ rauschte das Funkgerät. Aber er konnte nicht mehr antworten. Noch ein letzter Blick im Zimmer, sie hatten nichts vergessen.
„Nichts wie raus hier!“ Johannes stürmte vor. Dave warf noch einen letzten Blick auf den Wachmann, der in der Ecke kauerte. Er schien immer noch bewusstlos zu sein, aber letztlich kümmerte es ihn nicht. Sie würden früher oder später sowieso alles rekonstruieren können. Auch er verließ den Raum, seine Waffe noch im Jackett, aber griffbereit.
„Halt, ihr lauft in die falsche Richtung, hier geht’s raus!“ tönte eine Stimme hinter ihnen. Dave drehte seinen Kopf zurück, und noch in der Bewegung griff er zu seiner Pistole. Der Überraschungsmoment, der mit dem aufblitzen von nacktem Stahl, von einer Waffe immer ausging, garantierte ihm einen klaren Schuss. Er zielte kurz, drückte ohne zu zögern ab. Der brutale Klang der Waffe, die Druckwelle der Explosion füllte den engen Gang aus, paralysierte für einen Moment alle Anwesenden. Kurz nach der Klangwelle erwischte die Bleikugel den Wachmann. Ein glatter Schuss. Er fiel vornüber, sank auf seine Knie, aber der Schmerz durchzuckte ihn und er knickte nach der Seite weg. Sein rechtes Schienenbein war zertrümmert.
Dave sprintete den Weg zum nächsten Seitengang. Die Diskussion mit Johannes musste warten. Er würde vielleicht etwas sauer sein, das er direkt zwei seiner Kollegen ausgeknockt hatte, aber sein Leitspruch war nun einmal, dass er kein unnötiges Risiko einging. Paris war ihm immer noch in bester Erinnerung. Wäre er nicht mit zwei “Zivilisten“ unterwegs gewesen…
Sie erreichten schnell den Hintereingang, der Alarm, der zusätzlich noch losging, konnte ihnen ziemlich egal sein. Durchnässt stürmten sie ins Freie. Glücklicherweise hatte Dave einen guten Parkplatz erwischt, als er seinen Wagen hier geparkt hatte. Nur 30 Meter mussten sie durch die Genfer Sommerluft rennen.
Die Anspannung fiel augenblicklich von beiden ab, als sie im Wagen saßen. Er widerstand der Versuchung, mit Vollgas einen kleinen Sprint durch die Innenstadt hinzulegen, um möglichst viel Platz zwischen sie und die Bank zu bringen. Kreischend kam ihnen die Feuerwehr entgegen.
„Freut mich, dich zu sehen“ grinste Johannes.
„Mich auch, mich auch“ kam die Antwort vom Fahrersitz
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten