Verfasst: 2.8.2004 - 11:20
Ich hab die letzte Woche im italienischen Fernsehen verfolgen können (oder besser: dürfen) und konnte mir daher abseits der deutschen Presse mal mein ganz eigenes Bild machen, hier meine Gedanken, die ich am Strand aufgeschrieben habe
Le Tour de France 2004: Armstrongs größter Sieg - eine Blamage für den Radsport
Armstrong überflügelt Anquetil, Hinault, Merckx und Indurain. Wahrlich, sechs Toursiege wird in den nächsten 20, 30 Jahren niemand mehr erreichen. Ein Rekord für die Ewigkeit? Womöglich, eher wahrscheinlich, so gut wie sicher. Armstrong, der Dominator, der neue Kannibale, der Größte des Radsports? Nein, niemals, denn zu seinem sechsten Erfolg trug er selbst das Allerwenigste bei. Während Indurain an einem exzellent aufgelegten Riis scheiterte, Merckx sich Thevenet geschlagen geben musste und Hinault an Le Mond und Fignon scheiterte, fand sich 2004 doch keiner, der Armstrong hätte schlagen können. Wo waren denn die Ullrichs, die Hamiltons, die Mayos, die Heras' dieser Welt, um Armstrong zu stürzen?
Ullrich, allen voran mit der peinlichsten Tourvorstellung, die er uns jemals ablieferte, zeigte wie man einem Lance Armstrong seinen sechsten Toursieg schenkt. Vor einem Monat gewann Ullrich noch die Tour de Suisse; die körperliche Verfassung stimmte also. Ullrichs Probleme liegen nicht in den Beinen, sondern im Kopf. Er hätte die Tour gewinnen können, aber er wollte nicht.
Auch Iban Mayo kam mit einem erfolgsversprechenden Sieg bei der Dauphine zur Tour. Mag man ihm den Sturz und den Zeitverlust auf den Kopfsteinpflasterpassagen der 3. Etappe noch entschuldigen, so muss man doch seine Leistung in den Bergen bemängeln. Der Angriff auf Armstrong wurde trotz des bereits großen Zeitrückstandes immer und immer wieder angekündigt, doch er kam zu keiner Zeit. Unerklärbar, wie man so untergehen kann - oder besser: sich untergehen lassen kann.
Hamilton, im letzten Jahr mit Haarriss in der Schulter in Paris angekommen, gibt vorzeitig wegen Rückenproblemen auf. Man mag seine Schmerzen aus der Ferne schwer beurteilen können, aber 2003 gewann er mit Verletzung noch eine Etappe und wurde Tourvierter. Mit ein paar Wehwehchen am Rücken hätte er 2003 unter Riis die Tour gewonnen. Aber wo war das Kämpferherz Hamilton in diesem Jahr?
Roberto Heras, einst Armstrongs Edelhelfer, wurde als bester Bergfahrer der Welt gehandelt und fing sich fast eine Stunde Rückstand, bevor er ausstieg. Mangelhaft ist wohl noch die mildeste Bezeichnung für eine solche Tourvorbereitung. So kann, nein so darf man sich einfach nicht bei der Tour präsentieren.
Nicht vergessen sollte man an dieser Stelle Joseba Beloki. Das einstige spanische Supertalent fehlte bereits am Tourstart, da er sich im ganzen Jahr vollkommen außer Form zeigte. Jeder Amateurfahrer hätte eine professionellere Vorbereitung gezeigt.
Aber auch manch andere konnte bei weitem nicht das halten, was er versprochen hatte. Die alternde italienische Klettererfraktion um Gilberto Simoni, Andrea Noe' und Andrea Peron fuhr nur hinteher - immerhin sind sie da ja in allerbester Begleitung. Denn auch weitere zeigten sich bei dieser Tour von ihrer schlechtesten Seite. Darunter Namen wie Igor Gonzalez de Galdeano, Oscar Sevilla, Haimar Zubeldia, Christophe Moreau oder Levi Leipheimer. Jeder von diesen hätte in den Bergen attackieren können - Chancen auf den Toursieg hatten sie wahrlich nicht, aber sie hätten uns doch die Öde der Armstrong-Feststpiele ersparen können.
Nur Ivan Basso, Andreas Klöden, Francisco Mancebo, Georg Totschnig, Oscar Pereiro und Michael Rasmussen sollen an dieser Stelle explizit von dieser Kritik ausgenommen werden. Sie bestätigten ihr Leistungspotential und sorgten mit einer couragierten Fahrweise dafür, dass diese Tour nicht eine totale Blamage des Radsports wurde. Vor allem der wiedererstarkte Klöden und Basso, der wahre Zweite dieser Tour, zeigten wie man fahren muss, wenn man Armstrong schlagen will; das allein lässt für die Zukunft hoffen. Aber von diesen beiden kann man einfach (noch) nicht erwarten, dass sie Armstrong schlagen sollen - denn dessen Zahnpasta ist halt nunmal 6 Minuten schneller.
Ein Wort an Jean Marie Le Blanc, seines Zeichen Tourdirektor: Lieber Herr Le Blanc, wenn Sie Leute wie Armstrong und Virenque oben sehen wollen, dann bringen sie die Tour nach Amerika, lassen sie Herrn Dr. Ferrari, 1998 in die Festina-Affäre verwickelt und Armstrongs persönlicher Betreuer - oder sollte ich Dopingberater sagen? - weiter seine dreckigen Geschäfte machen, laden Sie aber gleichzeitig andere Fahrer wegen Dopingverdachts aus, servieren Sie Virenque die Berge, die er will, auf dem Silbertablett und geben Sie ihm bei seinen Fluchten den Windschatten der Organisationsfahrzeuge. Wenn Sie aber ein Radrennen veranstalten wollen, dann machen Sie bitte genau das Gegenteil von dem, was Sie im Jahr 2004 gemacht haben.
Was war das nun also für eine Tour?! Man sollte diese Frage eher mit Schrecken und Ersetzen ausrufen, als dabei vor Begeisterung und Sensation zu sprudeln. Denn das, was uns von Organisation und Fahrern geboten wurde, ist Schande, Blamage und Schmach zugleich; einer Tour de France - wir reden schließlich vom größten und wichtigsten Radrennen der Welt - ganz und gar nicht würdig. Einfacher hätte man Armstrong seinen sechsten Sieg auch nicht mehr machen können. Die "Schuldigen" sind bekannt.
Aber was nun? Wie soll es weitergehen? Es muss weitergehen, keine Frage: der Weltcup geht in San Sebastian und Zürich weiter, Olympia steht vor der Tür, die Vuelta ist ein weiteres Highlight und die Weltmeisterschaften werden die Saison ausklingen lassen - und man erwartet Entschädigung und Wiedergutmachung von genannten Namen...
Le Tour de France 2004: Armstrongs größter Sieg - eine Blamage für den Radsport
Armstrong überflügelt Anquetil, Hinault, Merckx und Indurain. Wahrlich, sechs Toursiege wird in den nächsten 20, 30 Jahren niemand mehr erreichen. Ein Rekord für die Ewigkeit? Womöglich, eher wahrscheinlich, so gut wie sicher. Armstrong, der Dominator, der neue Kannibale, der Größte des Radsports? Nein, niemals, denn zu seinem sechsten Erfolg trug er selbst das Allerwenigste bei. Während Indurain an einem exzellent aufgelegten Riis scheiterte, Merckx sich Thevenet geschlagen geben musste und Hinault an Le Mond und Fignon scheiterte, fand sich 2004 doch keiner, der Armstrong hätte schlagen können. Wo waren denn die Ullrichs, die Hamiltons, die Mayos, die Heras' dieser Welt, um Armstrong zu stürzen?
Ullrich, allen voran mit der peinlichsten Tourvorstellung, die er uns jemals ablieferte, zeigte wie man einem Lance Armstrong seinen sechsten Toursieg schenkt. Vor einem Monat gewann Ullrich noch die Tour de Suisse; die körperliche Verfassung stimmte also. Ullrichs Probleme liegen nicht in den Beinen, sondern im Kopf. Er hätte die Tour gewinnen können, aber er wollte nicht.
Auch Iban Mayo kam mit einem erfolgsversprechenden Sieg bei der Dauphine zur Tour. Mag man ihm den Sturz und den Zeitverlust auf den Kopfsteinpflasterpassagen der 3. Etappe noch entschuldigen, so muss man doch seine Leistung in den Bergen bemängeln. Der Angriff auf Armstrong wurde trotz des bereits großen Zeitrückstandes immer und immer wieder angekündigt, doch er kam zu keiner Zeit. Unerklärbar, wie man so untergehen kann - oder besser: sich untergehen lassen kann.
Hamilton, im letzten Jahr mit Haarriss in der Schulter in Paris angekommen, gibt vorzeitig wegen Rückenproblemen auf. Man mag seine Schmerzen aus der Ferne schwer beurteilen können, aber 2003 gewann er mit Verletzung noch eine Etappe und wurde Tourvierter. Mit ein paar Wehwehchen am Rücken hätte er 2003 unter Riis die Tour gewonnen. Aber wo war das Kämpferherz Hamilton in diesem Jahr?
Roberto Heras, einst Armstrongs Edelhelfer, wurde als bester Bergfahrer der Welt gehandelt und fing sich fast eine Stunde Rückstand, bevor er ausstieg. Mangelhaft ist wohl noch die mildeste Bezeichnung für eine solche Tourvorbereitung. So kann, nein so darf man sich einfach nicht bei der Tour präsentieren.
Nicht vergessen sollte man an dieser Stelle Joseba Beloki. Das einstige spanische Supertalent fehlte bereits am Tourstart, da er sich im ganzen Jahr vollkommen außer Form zeigte. Jeder Amateurfahrer hätte eine professionellere Vorbereitung gezeigt.
Aber auch manch andere konnte bei weitem nicht das halten, was er versprochen hatte. Die alternde italienische Klettererfraktion um Gilberto Simoni, Andrea Noe' und Andrea Peron fuhr nur hinteher - immerhin sind sie da ja in allerbester Begleitung. Denn auch weitere zeigten sich bei dieser Tour von ihrer schlechtesten Seite. Darunter Namen wie Igor Gonzalez de Galdeano, Oscar Sevilla, Haimar Zubeldia, Christophe Moreau oder Levi Leipheimer. Jeder von diesen hätte in den Bergen attackieren können - Chancen auf den Toursieg hatten sie wahrlich nicht, aber sie hätten uns doch die Öde der Armstrong-Feststpiele ersparen können.
Nur Ivan Basso, Andreas Klöden, Francisco Mancebo, Georg Totschnig, Oscar Pereiro und Michael Rasmussen sollen an dieser Stelle explizit von dieser Kritik ausgenommen werden. Sie bestätigten ihr Leistungspotential und sorgten mit einer couragierten Fahrweise dafür, dass diese Tour nicht eine totale Blamage des Radsports wurde. Vor allem der wiedererstarkte Klöden und Basso, der wahre Zweite dieser Tour, zeigten wie man fahren muss, wenn man Armstrong schlagen will; das allein lässt für die Zukunft hoffen. Aber von diesen beiden kann man einfach (noch) nicht erwarten, dass sie Armstrong schlagen sollen - denn dessen Zahnpasta ist halt nunmal 6 Minuten schneller.
Ein Wort an Jean Marie Le Blanc, seines Zeichen Tourdirektor: Lieber Herr Le Blanc, wenn Sie Leute wie Armstrong und Virenque oben sehen wollen, dann bringen sie die Tour nach Amerika, lassen sie Herrn Dr. Ferrari, 1998 in die Festina-Affäre verwickelt und Armstrongs persönlicher Betreuer - oder sollte ich Dopingberater sagen? - weiter seine dreckigen Geschäfte machen, laden Sie aber gleichzeitig andere Fahrer wegen Dopingverdachts aus, servieren Sie Virenque die Berge, die er will, auf dem Silbertablett und geben Sie ihm bei seinen Fluchten den Windschatten der Organisationsfahrzeuge. Wenn Sie aber ein Radrennen veranstalten wollen, dann machen Sie bitte genau das Gegenteil von dem, was Sie im Jahr 2004 gemacht haben.
Was war das nun also für eine Tour?! Man sollte diese Frage eher mit Schrecken und Ersetzen ausrufen, als dabei vor Begeisterung und Sensation zu sprudeln. Denn das, was uns von Organisation und Fahrern geboten wurde, ist Schande, Blamage und Schmach zugleich; einer Tour de France - wir reden schließlich vom größten und wichtigsten Radrennen der Welt - ganz und gar nicht würdig. Einfacher hätte man Armstrong seinen sechsten Sieg auch nicht mehr machen können. Die "Schuldigen" sind bekannt.
Aber was nun? Wie soll es weitergehen? Es muss weitergehen, keine Frage: der Weltcup geht in San Sebastian und Zürich weiter, Olympia steht vor der Tür, die Vuelta ist ein weiteres Highlight und die Weltmeisterschaften werden die Saison ausklingen lassen - und man erwartet Entschädigung und Wiedergutmachung von genannten Namen...