PROTOUR
Die durchgedrückte Reform
Monatelang wurde um die ProTour gefeilscht und kontrovers debattiert, zunächst UCI-intern, später mit den Grand-Tour-Organisatoren – eine Chronik des zähen Zustandekommens der tiefgreifendsten Veränderungen im Profi-Radsport seit Jahren.
Das offizielle Logo der UCI-ProTour.
Ob es Zufall gewesen sein mag, was sich am 11. März 2003, dem Tag der zweiten Etappe der französischen Fernfahrt Paris-Nizza, seit jeher das erste Saisonhighlight, rund um den internationalen Radsport-Weltverband UCI zugetragen hat, darf gewiss angezweifelt werden. Denn zum einen kritisierten Vertreter des Verbandes die Einladungspolitik der Vuelta a’Espana, deren Organisatoren zweitklassige einheimische Teams französischen Teams vorgezogen hatten. Zum anderen formulierte UCI-Präsident Hein Verbruggen am Rande von Paris-Nizza auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz erstmals Pläne, deren Konsequenzen damals nur schwerlich zu kalkulieren waren – letztendlich wurde aus den Plänen die UCI-ProTour geboren.
Verbruggen kündigte seinerzeit umfangreiche Änderungen an, insbesondere das Qualifikations-Reglement für die drei Grand Tours – die UCI kritisierte zu gleicher Zeit an anderer Stelle die Vuelta-Organisation deswegen – sei reformbedürftig, empfand der Weltverband. Ein weiteres, schon damals artikuliertes Ziel: Planungssicherheit. „Die Sponsoren investieren erhebliche Summen, haben aber keine Garantie, dass ihre Farben bei den großen Rennen vertreten werden“, begründete Verbruggen, der eine Realisierung der Reformen „nicht vor 2010“ ankündigte.
Initiator und Vater der Reform: Hein Verbruggen.
Gleichwohl war die Angst eines zentral und eigenmächtig operierenden Weltverbandes, der sämtliche Marionetten zu dirigieren imstande ist, rasch geschürt. Erste, wenn auch leise Kritik keimte auf, während sich die UCI die komplette Radsportsaison über in Schweigen hüllte und die im März getätigten, vagen Andeutungen einstweilen kommentarlos im Raume stehen ließ – zumindest öffentlich. Intern brodelten Diskussionen, Verhandlungen mit Sponsoren und Organisatoren begannen, und erst im Oktober gleichen Jahres, am Rande der Weltmeisterschaften im kanadischen Hamilton, stellte die UCI eine konkrete Konzeption vor, die „UCI ProTour“. Der Weltverband plante eine 30 Rennen umfassende Serie, an der 20 Teams teilnehmen sollten, was die Auflösung des Weltcups, einem gescheitertem Projekt, wie gemeinhin gesagt wird, zur Folge haben würde.
Doch es schien, als ob kritische Stimmen lediglich auf konkrete Anhaltspunkte gelauert hätten – denn die Kritik, welche in den folgenden Tagen auf die UCI-Pläne prallte, war gewaltig. Selbst pragmatische Fachmänner sorgten sich, sollten die Pläne tatsächlich realisiert werden, um die kleineren Rennen. „Veranstaltungen, welche keine Beachtung in der ProTour finden, werden langfristig existentielle Probleme bekämpfen müssen“, prophezeiten damals Experten, welche nicht nur um die kleineren Rennen, sondern auch um finanzschwache Teams fürchteten. Denn vorderhand für spanische, italienische und französische GS-II-Teams bestand bis dahin die Möglichkeit, per Wildcard ins Starterfeld der zumeist heimischen Grand Tour zu rutschen und den Sponsor zu präsentieren – doch wie das Wildcard-System exakt geregelt wird, war noch unklar.
(Fortsetzung folgt.)