Der Kontrast

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

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Hoffi
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Beitrag: # 332808Beitrag Hoffi
22.2.2006 - 17:51

[color=white][b][size=100]AUSGABE 9, MONTAG, 7. MÄRZ 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 10: HINTERGRUND

PROTOUR
Die durchgedrückte Reform

Monatelang wurde um die ProTour gefeilscht und kontrovers debattiert, zunächst UCI-intern, später mit den Grand-Tour-Organisatoren – eine Chronik des zähen Zustandekommens der tiefgreifendsten Veränderungen im Profi-Radsport seit Jahren.

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Das offizielle Logo der UCI-ProTour.

Ob es Zufall gewesen sein mag, was sich am 11. März 2003, dem Tag der zweiten Etappe der französischen Fernfahrt Paris-Nizza, seit jeher das erste Saisonhighlight, rund um den internationalen Radsport-Weltverband UCI zugetragen hat, darf gewiss angezweifelt werden. Denn zum einen kritisierten Vertreter des Verbandes die Einladungspolitik der Vuelta a’Espana, deren Organisatoren zweitklassige einheimische Teams französischen Teams vorgezogen hatten. Zum anderen formulierte UCI-Präsident Hein Verbruggen am Rande von Paris-Nizza auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz erstmals Pläne, deren Konsequenzen damals nur schwerlich zu kalkulieren waren – letztendlich wurde aus den Plänen die UCI-ProTour geboren.

Verbruggen kündigte seinerzeit umfangreiche Änderungen an, insbesondere das Qualifikations-Reglement für die drei Grand Tours – die UCI kritisierte zu gleicher Zeit an anderer Stelle die Vuelta-Organisation deswegen – sei reformbedürftig, empfand der Weltverband. Ein weiteres, schon damals artikuliertes Ziel: Planungssicherheit. „Die Sponsoren investieren erhebliche Summen, haben aber keine Garantie, dass ihre Farben bei den großen Rennen vertreten werden“, begründete Verbruggen, der eine Realisierung der Reformen „nicht vor 2010“ ankündigte.

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Initiator und Vater der Reform: Hein Verbruggen.

Gleichwohl war die Angst eines zentral und eigenmächtig operierenden Weltverbandes, der sämtliche Marionetten zu dirigieren imstande ist, rasch geschürt. Erste, wenn auch leise Kritik keimte auf, während sich die UCI die komplette Radsportsaison über in Schweigen hüllte und die im März getätigten, vagen Andeutungen einstweilen kommentarlos im Raume stehen ließ – zumindest öffentlich. Intern brodelten Diskussionen, Verhandlungen mit Sponsoren und Organisatoren begannen, und erst im Oktober gleichen Jahres, am Rande der Weltmeisterschaften im kanadischen Hamilton, stellte die UCI eine konkrete Konzeption vor, die „UCI ProTour“. Der Weltverband plante eine 30 Rennen umfassende Serie, an der 20 Teams teilnehmen sollten, was die Auflösung des Weltcups, einem gescheitertem Projekt, wie gemeinhin gesagt wird, zur Folge haben würde.

Doch es schien, als ob kritische Stimmen lediglich auf konkrete Anhaltspunkte gelauert hätten – denn die Kritik, welche in den folgenden Tagen auf die UCI-Pläne prallte, war gewaltig. Selbst pragmatische Fachmänner sorgten sich, sollten die Pläne tatsächlich realisiert werden, um die kleineren Rennen. „Veranstaltungen, welche keine Beachtung in der ProTour finden, werden langfristig existentielle Probleme bekämpfen müssen“, prophezeiten damals Experten, welche nicht nur um die kleineren Rennen, sondern auch um finanzschwache Teams fürchteten. Denn vorderhand für spanische, italienische und französische GS-II-Teams bestand bis dahin die Möglichkeit, per Wildcard ins Starterfeld der zumeist heimischen Grand Tour zu rutschen und den Sponsor zu präsentieren – doch wie das Wildcard-System exakt geregelt wird, war noch unklar.

(Fortsetzung folgt.)
"There are only 10 types of people in the world: Those who understand binary, and those who don't."

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Hoffi
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Beitrag: # 334359Beitrag Hoffi
1.3.2006 - 21:31

(Fortsetzung, wenn auch spät.) :oops:

Die UCI versuchte, jene betroffenen Rennen und Teams zu beruhigen, stellte aber dennoch am 1. Dezember 2003 ein abermals präzisiertes Konzept vor – das, was unerwartet in die Planungen einschlug, nun bereits 2005 gelten sollte. Mit der auf vier Jahre befristeten Lizenz, welche die teilnehmenden Teams erhalten sollen, machte die UCI überdies einen weiteren fundamentalen Aspekt der Reform publik – negative Stimmen wurden lauter, positive leiser. Zwar bezeichnete der anerkannte Experte Ed Buchette das Konzept als „Rückkehr zu den Wurzeln des Radsports“, insbesondere in den Reigen der Renn-Organisatoren wuchs jedoch die Existenzangst, Konturen organisierten Widerstandes unter den kleineren Rennveranstaltern wurden deutlicher, da noch immer nicht feststand, welche Rennen in die ProTour aufgenommen werden sollten.

Eine Liste der teilnehmenden Rennen gab die UCI erst im April 2004 bekannt, nachdem den Reformplänen im Januar endgültig grünes Licht erteilt wurde. Neben den erwartungsgemäß aufgenommenen Grand Tours, ehemaligen Weltcup- und Hors-Categorie-Rennen, hatte der Weltverband selbstredend jedoch erneut einige Überraschungen parat. Während der traditionsreiche Klassiker Omloop Het Volk ignoriert wurde, fand die Polen-Rundfahrt Berücksichtigung, zudem ein neugegründetes Teamzeitfahren im niederländischen Eindhoven sowie die ebenfalls neu ins Leben gerufene BeNeLux-Rundfahrt – ein Projekt, an dessen Entstehung UCI-Präsident Hein Verbruggen besonders gewerkelt haben soll. Abseits der ProTour planten Verbruggen und Co. zudem die Einführung einer „UCI Europe Tour“, welche eine Wertung liefern soll, in der Nicht-ProTour-Rennen und -Teams berücksichtigt werden sollen – von vielen als Versuch erachtet, um den Widerstand halbwegs einzudämmen, ein misslungener.

Und schon im Juni 2004 taten sich neue Problemfelder auf: Von 24 Teams waren Bewerbungen für die ProTour-Plätze eingegangen – es fehlten allerdings die Unterlagen von Saeco und Fassa Bortolo, zwei seit Jahren in der Weltspitze etablierten Teams. Die beiden italienischen Equipen waren mit dem Reglement der ProTour nicht einverstanden und verweigerten einstweilen ihre Bewerbung. Eine neue Baustellen, deren Entstehung die UCI tunlichst zu vermeiden hoffte.

(Fortsetzung folgt.)
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