15. Juni 2008
8. und letzte Etappe Dauphine Libere
Das Beste zum Schluß
Heute Morgen konnte man die Anspannung beim Frühstück des Teams förmlich spüren, alle waren sich bewußt dass es nun um Alles gehen würde. Damit das unser Kapitän Thomas
(Voeckler) bis zuletzt um einen Podestplatz bei der Dauphine mitmischen könnte, davon hätte keiner zu Träumen gewagt. Es spielten dabei einige Dinge für unser Team die in der bisherigen Saison gegen uns gelaufen sind. Lag es aber eventuell auch an Laurent, er brachte doch viel frischen Wind ins Team. Auf jeden Fall gab er die Devise aus, heute alles für Thomas zu unternehmen das er sich am Podest halten könnte. Knapp hinter ihm lagen ja mit Carlos Sastre (Csc), Damiano Cunego (Lam) und Thomas Lövkvist (Clb) ausgezeichnete Leute. Entgegen kam Thomas sicher das die heutige Schlußetappe mit 130km nicht zu lange war, doch es standen auch drei Bergwertungen auf dem Programm. Start war in St. Jean de Maurienne, dann folgten zwei Sprintwertungen ehe es über den Col du Granier, den Col du Cucheron und den Col de Porte nach Grenoble ging. Ja genau in den Ort in den Laurent bisher so ausgezeichnete Arbeit mit dem Nachwuchsteam leistete, sollte sich genau dort der Kreis für Laurent schließen?
Bereits wenige Kilometer nach dem Start löste sich eine große Gruppe aus dem Hauptfeld, Jerome
(Coppel) versuchte mitzugehen aber hatte leider keine Chance, da er um den Augenblick zu spät konterte. Die Gruppe mit 12 Mann löste sich schnell und die Sprintwertungen wurden untereinander aufgeteilt. Im Gesamtklassement am Besten lag in dieser Gruppe der Ukrainer Andriy Grivko (Mrm) mit Platz 57 und 14:57min Rückstand, somit sollte für die Führenden hier keine Gefahr bestehen und dies war wiederum die Chance für diese Gruppe. Am Anstieg zum ersten Berg, dem Col du Granier, hatte die Gruppe einen Vorsprung von 5:30min auf das Hauptfeld, dort aber gab es nun die ersten Attacken. Zuerst setzte Thomas Lövkvist, der Gesamtfünfte, ein Zeichen und attackierte. Sofort war aber Jerome zur Stelle und setzte sich an sein Hinterrad, der Rest verhielt sich noch ruhig.
Links: Die erste Fluchtgruppe mit Blick auf die kommenden Berggipfel dieser letzten Etappe.
Rechts: Jerome setzt Lövkvist nach und stellt den Schweden kurze Zeit später. Ein wichtiger Dienst für unsere Mannschaft.
Aus der Führungsgruppe, setzte sich kurz unterhalb des Gipfels, der Amerikaner Chris Horner (Ast) ab und holte sich die Bergwertung, wenige Augenblicke später rollte auch der Rest der Gruppe darüber. Lövkvist und Jerome hatten sich etwa 25sec vom Hauptfeld abgesetzt, dort aber kontrollierte nun das Liquigasteam das Tempo und so konnte der Vorsprung nicht mehr anwachsen. Gleich im Anschluß an die Abfahrt folgte die zweite Bergwertung des Tages, der Col du Cucheron. An diesem Anstieg löste sich nun Horner immer weiter von seinen ehemaligen Weggefährten, dahinter konnte das Hauptfeld Lövkvist und Jerome wieder einholen. Jetzt rund 45km vorm Tagesziel wurde das Tempo nochmals kräftig erhöht, Remy
(Di Gregorio) und Remi
(Pauriol) waren nun die einzig verbleibenden Helfer für Thomas. Am Gipfel des Col du Cucheron hatte Horner dann einen Vorsprung von 1:45min herausgefahren, hinter ihm kam aber nun nicht mehr die ehemalige Fluchtgruppe sondern bereits das dezimierte Hauptfeld, noch aber waren alle Favoriten darin. Die Entscheidung fiel heute also am letzten Berg vor der Abfahrt hinunter nach Grenoble, oder erst auf dieser? Horner ging mit 1:12min Vorsprung in den Col de Porte, aber lange sollte er sich nicht mehr halten können, zu sehr ging es hinten nun um die Gesamtwertung. Die Favoriten griffen nun im Sekundentakt an, Sastre, Cunego, nochmals Lövkvist, Menchov (Rab) oder auch Klöden (Ast), alle suchten nun die Entscheidung. Keiner konnte sich aber entscheitend absetzten. Dann folgte eine Attacke von Sylvain Chavanel (Cof) und diese nütze Thomas um ebenfalls anzugreifen. Im Gegensatz zu den früheren Angriffen zogen die beiden Franzosen durch und unterstützen sich gegenseitig. Laurent war im Betreuerwagen nun total aus dem Häuschen, immer und immer wieder brüllte er Thomas an, er puschte ihn zu einer nie gedachten Höchstleistung an. Tatsächlich schafften es die Beiden sich zu lösen, zwar nie mehr als 20sec, aber immerhin.
Als die Beiden auch rund 1km unterhalb des Gipfels noch immer die paar Sekunden vorne waren, mußte der Gesamtführende nun selbst aktiv werden. Er setzte sich an die Spitze der Verfolger, die nun aus rund 35 Fahrern bestand, führte eigenständig nach. Vorne wurde Thomas natürlich augenblicklich darüber informiert, aber er fuhr nun bereits im dunkelroten Bereich und konnte beim besten Willen nichts mehr nachlegen. Thomas gewann zwar noch die Bergwertung, doch nun wenige Meter danach schoß Roman Kreuziger wild entschlossen an den beiden Franzosen vorbei. Sein oder nicht Sein war jetzt die Frage und Thomas setzte ihm hinterher obwohl sein Akku eigentlich leer war. Durch den entschlossenen Antritt von Kreuziger kamen die Beiden dennoch einige Meter von den Anderen weg und zusammen stürzen sie sich nun nach Grenoble hinunter.
Links: Als Chavanel angriff, setzte Thomas sich mit letzter Kraft an sein Hinterrad.
Rechts: Am letzten Gipfel flog Kreuziger förmlich an seinen Wiedersachern vorbei, nur Thomas konnte zum Glück folgen.
Sekunde für Sekunde holten sie an Vorsprung raus und dabei ließ Thomas Kreuziger den Hauptteil der Führung machen, dieser machte ihn sogar noch den Gefallen, ein schwerer Fehler des jungen Tschechen wie sich später herausstellen sollte. Thomas war eben schon ein Fahrer mit einigen Profijahren in den Beinen und ein ausgefuchster Taktiker. Er erholte sich blendend am Hinterrad seines Widersachers und sammelte Kräfte für den finalen Angriff. Dabei würden ihm später sicher seine exzellenten Abfahrerqualitäten und Ausdauerwerte im Flachen helfen können. Die letzten 3km nach der Abfahrt gingen nämlich eben ins Ziel und genau dort wollte Thomas die Vorentscheidung um den Etappensieg herbeiführen. Noch rund 7km bis ins Ziel und die Beiden hatten nun ihren Vorsprung auf 40sec ausgebaut. Somit war der Podestplatz für Thomas in der Gesamtwertung fast sicher, darum entschloß sich Laurent ein weiteres Mal alles auf eine Karte zu setzten. Er schnappte sich das Funkgerät und sprach Thomas folgendes ins Ohr:
„Thomas du hast eventuell die einmalige Chance dieses Rennen für dich zu entscheiden. Kreuziger wirkt wegen seiner Führungsarbeit bereits etwas Müde auf mich und du bist der klar bessere Abfahrer, dazu bis du ihm im Flachen ebenfalls überlegen. Darum greif jetzt an! Schlechtesten Falls bleibt dir Platz zwei, aber du kannst es schaffen, Los Junge leg los!“ Für Thomas waren diese Sätze wie pures Adrenalin, er wußte um seine Chance, aber Laurents Worte gaben ihm nun die letzte Gewißheit, Ja er wollte hier gewinnen und er wollte die Chance seines Lebens nützen!
Die beiden stärksten Fahrer im Showdown, Kreuziger und unser Thomas auf der Abfahrt hinunter nach Grenoble.
Nach einer der sehr engen Kehren setzte Thomas seinen Angriff, er nahm den Lenker fest in beide Arme und sprintete wie bei einem Massensprint an dem völlig verdutzen Tschechen vorbei. Dieser war so davon überrascht dass er Mühe hatte wieder zu Thomas aufzuschließen, aber er schaffte es mit letzter Kraft. Thomas merkte das Kreuziger sein Hinterrad hielt und nochmals probierte er es mit einer List, er nahm die Beine hoch und spielte den Erschöpften. Kreuziger nahm es skeptisch auf, aber noch war er sich nicht sicher ob es Thomas ernst meinte. Diese paar Sekunden Erholung waren wichtig für Thomas, denn als die Beiden, mit rund 43sec Vorsprung, die Ebene erreichten setzte er abermals einen Angriff. Kreuziger schrie ihm irgendetwas hinterher, aber Thomas hatte nur mehr das Ziel vor Augen und zog davon! 3km noch und nun wurde es tatsächlich nochmals spannend in der Gesamtwertung. Thomas war im Flachen klar stärker und hatte dazu die Fans auf seiner Seite. Meter für Meter und Sekunde um Sekunde machte er gut, könnte er wirklich noch das Unmögliche möglich machen und Kreuziger hier abfangen? Der letzte Kilometer stand an und der Vorsprung betrug jetzt bereits 25sec, dazu würde er als Etappensieger auf den Zweiten nochmals 4sec gutmachen, er hatte nun tatsächlich die Chance in seiner Heimat den Gesamtsieg zu holen! Mit letzter Kraft trat er in die Pedale, die Fans im Zielraum waren aus dem Häuschen und schrieen ihren Liebling förmlich ins Ziel. Kreuziger dagegen wirkte gebrochen, er wußte um seinen Fehler in der Abfahrt und dieser Gedanke bremste ihn zusätzlich. Außerdem sah er von hinten bereits die Verfolger kommen, irgendwie konnte einem jetzt dieser Junge Leid tun, aber vielleicht geht es für ihn ja doch noch aus? Nach 3:31:07std erreichte Thomas Voeckler das Ziel in Grenoble, sein bereits dritter Etappensieg bei der Dauphine Libere in diesem Jahr, aber sollte es noch mehr werden? Die Sekunden verstrichen, Kreuziger quälte sich nun richtig, doch noch hatte er Hoffung. 28, 29,30 …. die letzten Meter für ihn, aber das sah jetzt nicht gut aus! 34sec hinter Thomas fuhr er gerade noch als Zweiter übers Ziel, genau der Vorsprung den er vor der Etappe hatte, aber Thomas bekam als Etappensieger 10sec Gutschrift und Kreuziger als Zweiter nur 6sec, machten einen Unterschied von 4sec! Und genau um diese blieb Thomas in der Gesamtwertung vor Kreuziger, er hatte also wirklich das Wunder geschafft und Nestle Pro Racing den ersten Pro-Tour Rundfahrtssieg geschenkt, einsame Klasse!
Links: Thomas greift auf den letzten 3km an, wird sein Mut mit dem Etappensieg belohnt?
Rechts: Etappensieg Nummer Drei für Thomas. Als Draufgabe reichte dieser Sieg sogar noch zum Rundfahrtssieg, welch eine Sensation!
Der dritte Platz ging heute an Andreas Klöden und in der Gesamtwertung verlor Carlos Sastre auf den letzten Metern noch seinen Podestplatz an Girosieger Damino Cunego, fast genauso tragisch wie die Siegesentscheidung. Nun gab es aber für die gesamte Mannschaft kein Halten mehr, alle lagen sich in den Armen und feierten den sensationellen Erfolg hier. Laurent war ebenfalls überwältigt von seinen Gefühlen, er der eigentlich immer nur mit dem Nachwuchs arbeiten wollte, spürte zum ersten Mal wie sehr ihm dieser Job bei den Profis gefiel. Hier konnte er seine Erfahrung noch besser an den Mann bringen und inzwischen gefiel im auch der Rummel um seine Person, fast so wie früher als er Profi war. So wie es jetzt aussah konnte Eric wohl diese Leistung hier in Frankreich nicht mehr topen, aber eventuell würde er genau diesen Druck brauchen.
Endstand der 8.Etappe
1 Thomas Voeckler Nestle Pro Racing Team 3h31'07
2 Roman Kreuziger Liquigas + 34
3 Andreas Klöden Astana Cycling Team s.t.
4 Sylvain Chavanel Cofidis, Le Crédit par Téléphone s.t.
5 Pietro Caucchioli Bouygues Télécom s.t.
6 Pablo Lastras Caisse d'Epargne s.t.
7 Denis Menchov Rabobank s.t.
8 Bernhard Kohl Gerolsteiner s.t.
9 Damiano Cunego Lampre s.t.
10 Joaquím Rodríguez Caisse d'Epargne s.t.
20 Carlos Sastre Team CSC Saxo Bank + 1'24
Endstand Dauphine Libere
1 Thomas Voeckler Nestle Pro Racing Team 27h24'04
2 Roman Kreuziger Liquigas + 4
3 Damiano Cunego Lampre + 1'18
4 Carlos Sastre Team CSC Saxo Bank + 2'01
5 Thomas Lövkvist Team Columbia + 2'41
6 Sébastien Joly Française des Jeux + 3'40
7 Andreas Klöden Astana Cycling Team + 3'49
8 Sylvain Chavanel Cofidis, Le Crédit par Téléphone + 4'06
9 David Moncoutié Cofidis, Le Crédit par Téléphone + 4'44
10 Pablo Lastras Caisse d'Epargne + 5'12
22 Rémy Di Gregorio Nestle Pro Racing Team + 8'15
78 Rémi Pauriol Nestle Pro Racing Team + 26'07
79 Jérôme Coppel Nestle Pro Racing Team + 26'34
93 Alexandre Botcharov Nestle Pro Racing Team + 35'54
97 Julien Simon Nestle Pro Racing Team + 38'16
136 Jonathan Hivert Nestle Pro Racing Team + 1h31'14
160 Eric Berthou Nestle Pro Racing Team + 1h42'51
Sprintwertung
1 Roman Kreuziger Liquigas 89
2 Thomas Voeckler Nestle Pro Racing Team 82
3 Denis Menchov Rabobank 63
4 Damiano Cunego Lampre 58
5 Sylvain Chavanel Cofidis, Le Crédit par Téléphone 50
Bergwertung
1 Carlos Sastre Team CSC Saxo Bank 72
2 Chris Horner Astana Cycling Team 72
3 Thomas Voeckler Nestle Pro Racing Team 66
4 Damiano Cunego Lampre 56
5 Carlos Barredo Quick•Step 54