Eigentlich wurde alles schon erwähnt, ich kann mich nur anschließen. Ich mecker bloß gerne und deshalb möchte ich auch noch ein paar andere Enttäuschungen als Cunego festhalten.
Im Prinzip war die gesamte Lampre-Mannschaft eine einzige Enttäuschung. Cunego ist definitiv kein Gesamtsieg-Contender bei einer großen Rundfahrt mehr. Der wird sogar jedes Jahr schwächer. Letztes Jahr ist er auf TdF gefahren, das ging völlig daneben, hatte aber den angenehmen Nebeneffekt, dass er schon bei den Ardennenklassikern Top-Form haben durfte, weil er danach wieder regenerieren konnte und somit hat er dort auch sehr gut abgeschnitten. Mal schaun, was Cunego dieses Jahr noch macht, aber ansonsten war das wirklich arg enttäuschend (die 20. Etappe wäre doch auch was für ihn gewesen...). Aber Bruseghin war ja auch kaum zu sehen. Das Cinque-Terre Zeitfahren war ihm wie auf den Leib geschneidert. Dazu kommt noch Gasparotto. Nachdem man nach den Dolomiten Etappen gesehen hat, dass Cunego bei weitem nicht mithalten kann, hätte doch Gasparotto bei den Überführungsetappen mal in eine Ausreißergruppe gehen können. Sowieso kann ich mich nicht erinnern auch nur 1 Mal ein Lampre-Trikot in einer Ausreißergruppe gesehen zu haben. Was haben die den ganzen Giro über gemacht? Lampre ist der ganz große Verlierer dieses Giros für mich!
Katyuscha ist aber auch nicht weit weg. Pozzattos Ausfall war natürlich Pech, aber viel hat von ihm bis dato auch nicht gesehen. Obwohl Katyuscha quasi der Tinkoff Nachfolger ist, hat man das Team nicht wiedererkannt. Auch hier waren eher selten Fahrer in Ausreißergruppen, Ignatiev habe ich den gesamten Giro über nur 1 Mal in der Gruppe mit Schröder gesehen. Nichts gegen Schröder, aber wenn der Ignatiev abhängt dann fragt man sich doch, was aus dem großen Talent nun eigentlich wird?! Den stärksten Kader hatten sie nicht, aber sonderlich viel probiert haben sie auch nicht. Ebenfalls enttäuschend.
Jetzt werde ich vermutlich gesteinigt, aber Liquigas ist für mich ebenfalls ein Verlierer. Die haben sich sehr stark präsentiert und waren mit Abstand das stärkste Team in den Bergen, keine Frage. Außerdem haben sie 2 Fahrer unter die ersten 5 gebracht. Das muss man erstmal schaffen. Aber dafür, dass sie dermaßen überlegen waren, kam am Ende recht wenig bei raus. Szmyd und Agnoli waren doch stark genug, um das gesamte Feld zu zerfahren. Es bleibt mir immernoch ein gewaltiges Rätsel, warum weder Liquigas, noch Cervelo auf der Monte Petrano-Etappe das Feld selektiert haben. Wenn Menchov über 2 Pässe ohne Helfer fahren muss, drückt das gewaltig auf die Moral. Und vllt wäre Bosisio auch nicht mehr an DiLuca drangeblieben. Also da holt man bei Liquigas nur Bergfahrer zum Giro und wartet dann bis zum letzten Berg mit dem Tempomachen. Ist mir völlig unverständlich. Sastre und Basso haben ihre Chancen auf der 16. Etappe verspielt. Unnötig.
Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreiben würde, aber Saxo Bank zähle ich auch zu den Verlierern. Ein insgesamt so stark besetztes Team muss einfach auch bei der 2. wichtigsten Rundfahrt des Jahres gute Leute aufbieten, die Akzente setzen. Hier konzentriert man sich aber leider voll auf die TdF...sehr sehr schade. Vor dem Giro war Saxo Bank mit Sicherheit mein Lieblingsteam, wenn man das so sagen kann. Aber die haben viel Kredit verspielt. Die Fahrweise war trotzdem engagiert. Voigte war mal groß zu sehen, da hat es leider nicht gereicht. Bak hat einen sehr starken Eindruck hinterlassen. Von Goss und Haedo hätte ich mir mehr erwartet. Aber wo waren Larsson, Chris Sörensen, Fuglsang, Klemme und Arvesen? Diese volle Konzentration auf die Tour ist schade. Besonders oft hat man sie leider auch nicht in Gruppen gesehen.
Zu den Gewinnern: Da steht für mich an 1. Stelle Diquigiovanni. Selbst mit einem rentenreifen Simoni haben die alles aus ihrem Kader herausgeholt. 3 Etappensiege (?) auf genau den Etappen, die nunmal für solche kleineren Mannschaften wichtig sind. Shame on you, Katyuscha! Die hatten sehr oft Leute in den Ausreißergruppen dabei und waren immer irgendwie zu sehen. Sehr sehenswert.
ISD sicherlich auch ein Gewinner. Die haben zwar am Ende auch nichts gewonnen, aber die waren sehr engagiert. Visconti und Grivko wurden nur leider nie belohnt. Denen hätte ich noch einen Sieg gegönnt.
High Road mit Sicherheit auch ein großer Gewinner, obwohl die in der Gesamtwertung stark nachgelassen haben. Dafür im Flachen das Maß aller Dinge. Hmm, kann man 2-seitig sehen. Ich mochte Cavendish immer unheimlich, aber seitdem er alles gewinnt im Sprint (und dann auch noch wie) hat sich das etwas geändert. Ich habe beim Giro die letzen Flachetappen nicht mehr angesehen, weil eh klar war, dass Cavendish den Sprint gewinnt. Hmm, wie gesagt, kann man gut finden oder eben auch nicht. So richtig sympathisch will mir die Truppe nicht werden. Mag auch an den T-Mobile-Wurzeln liegen, ich weiß es nicht.
Die individuellen Gewinner sind wohl Zottel und Menchov. Zottel, weil er es tatsächlich geschafft hat, vor Basso zu landen. Letztes jahr beim Giro war er ja recht angefressen, dass man ihm nächstes Jahr den Basso vorsetzen wollte und ihn mal so nebenbei zum Edelhelfer erklärt hat. Damals habe ich seine Aussage, dass Er und Basso um die Kapitänsrolle kämpfen werden, noch belächelt. In der Tat sah Basso am Anfang deutlich stärker aus. Dann kam aber Zottel mit engagierten Angriffen nach Bergamo und am Blockhaus. Er hat sich nicht aufgegeben, Hut ab!
Menchov ist der große Gewinner. Jaja, offensichtlich weil er den Giro gewonnen hat. Aber das ist nicht der einzige Grund. Irgendwie hat man den Eindruck, er hätte jetzt den Durchbruch geschafft. Was eigentlich pervers ist, denn der Mann hat schon 2 Mal die Vuelta gewonnen und stand bei der Tour auf dem Podium. Aber die eine Vuelta hat er im Kontrollabor gewonnen (und das auch nur äußerst knapp gegen Sastre) und die andere Vuelta war dermaßen langweilig, dass man sich kaum noch dran erinnert
Diesmal hat Menchov bei einem hochklassig besetzen Giro Dominanz und Stärke gezeigt, er hatte keinen schwachen Tag und war der stärkste Zeitfahrer. Die Fahrweise war natürlich ein Atmosphären-Killer, aber dafür wurden wir heute mit einem sehr spannenden Zeitfahren entschädigt. Böse Zungen würden ja jetzt behaupten, dass der Sturz eine kalkulierte PR-Maßnahme war, um für mehr Schlagzeilen bei der sonst so blassen Fahrweise zu sorgen. Verschwörungstheoretiker würden die schnelle Reaktion des Rabobank-Technikers mit dem Ersatzrad als Beweis aufführen. Aber das ist natürlich Quark. Zum Glück hat sich das Rasmussen-Debakel nicht wiederholt.
Es gibt natürlich noch etliche andere Gewinner (Sastre,Garzelli), wie auch Verlierer (Milram), aber das waren erstmal die eindeutigsten. Der diesjährige Giro war sicherlich nicht einer der besten, zumindest nicht an der Oberfläche. Dafür waren die Sprintetappen zu einseitig, die großen Überraschungsmomente fehlten und leider gab es dieses Jahr auch keinen jungen Fahrer, der in besonderer Weise auf sich aufmerksam gemacht hat. Seeldrayers war nah dran, aber das reicht mir noch nicht. Eine schwere Bergetappe am Ende, statt dieser komischen Vesuv-Ankunft, hätte dem Rennen gut getan. Der große Kampf um den Gesamtsieg fand nur dann statt, wenn Menchov nicht am Hinterrad von DiLuca gefahren ist. Also quasi nur in den Zeitfahren. Der Kampf um Platz 3 war in jedem Fall hochklassig. Jetzt könnte man natürlich sagen: schade, dass DiLuca und Menchov im Rennen waren. Wobei DiLuca die wichtigste Person im Giro war. Ohne DiLuca hätte meiner Meinung nach Sastre den Giro gewonnen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Menchov am Berg nur halb so stark ausgesehen hätte, wenn DiLuca ihn nicht immer wieder zu allen anderen hingefahren hätte. Auch hier war die Monte Petrano Etappe wieder entscheidend. Sastre ging vorne weg und war uneinholbar weg. Basso ging dann auch noch und als der auch 15 Sekunden auf die sich belauernden DiLuca und Menchov herausholte musste DiLuca eine Entscheidung treffen: Weiter pokern und Menchov die Nachführarbeit machen lassen, weil er ja sein Rosane verteidigen müsste oder auf Nummer sicher gehen und wenigstens einen Podestplatz oder den 2. Platz sichern, indem er selbst Tempo macht. Und da hat DiLuca sich für das Nachführen entschieden.
Der Giro war kein Feuerwerk, aber auch nicht schlecht. Vielleicht sollte man hier dem TdF-Beispiel folgen und auch die Zeitbonifikationen abschaffen. Ich finde das nichtmal dumm. Dann muss man aber natürlich gleichzeitig die Zeitfahren entschärfen. 40-50 Zeitfahrkilometer während der Rundfahrt reichen völlig für den Giro. Diesmal waren es 95. Aber das Rennen lebt nunmal von den herrlichen Bergen. Nächstes Jahr hoffentlich wieder mehr!