Herzlich Willkommen zur heutigen Etappe der Tour des Lebens. Zwei absolute Highlights erwarten uns. Das erste bereits am frühen Vormittag. Nach langer Vorbereitungszeit soll es endlich geschehen, die Entscheidung wird fallen, so viel sei sicher. Endlich wird Klarheit herrschen, die Tour des Lebens wird heute entschieden. Danach wird es kein Zurück mehr geben.
Das zweite Highlight, der endgültige Schlagabtausch, wird erst am Abend stattfinden. Es wird das finale Duell, hier werden alle noch offenen Fragen des Vormittags beantwortet werden. Wer, wie, wo, warum? Es zählt nur die individuelle Stärke.
Doch eines nach dem anderen:
KM 0 – Noch ist das Rennen neutralisiert. Alle wichtigen Fernsehsender sind bereits auf Sendung, alle Sportjournalisten sind vor Ort. So eine Etappe kann sich niemand entgehen lassen. Jeder Star des Tages ist schon zu sehen. Gleich wird es also losgehen. Die Spannung steigt.
KM 12 – Das Rennen hat bereits begonnen. Schnell wird klar, dass es auf die richtige Einteilung ankommen wird. Wer am Morgen schon alle Kräfte vergeuden wird, der wird abends nicht mehr in der Lage sein, Angriffe zu kontern. Aber allen Anwesenden ist klar, dass heute der Tag der Entscheidung ist, heute kommt alles raus.
KM 25 – Die ersten Kilometer boten genug Zeit, alle Freunde und Bekannten zu begrüßen. Es ist schließlich wichtig, an alle zu denken, die einen unterstützen. Nur mit deren Hilfe kann man einen so schwierigen Tag durchstehen. Hat man auch niemanden vergessen?
KM 38 – Schwere Tage liegen hinter jedem Radprofi, der sich heute auf diese schwierige Etappe aufgemacht hat. Medien, Verbände, alle stehen nur hinter einem, wenn es läuft, doch heute wird es laufen, denn heute ist die entscheidende Etappe. Heute kann man es allen zeigen, allen beweisen, was man drauf hat. Die erste Schwierigkeit des Tages hat bereits seit wenigen Kilometern begonnen.
KM 48 – Noch wenige Kilometer bis zum Höhepunkt des Morgens. Bisher hat sich noch nichts Entscheidendes im Rennen getan. Doch das Vertrauen in sich selbst und alles andere war schon einmal größer. An allem ist nur der schwärzeste Tag der Karriere schuld, und dessen Folgen. Jeder Rundfahrer hat in der Vergangenheit viel gegrübelt, viel nachgedacht. Die Vergangenheit ist jetzt aber Geschichte, in wenigen Kilometern entscheidet sich viel Wichtigeres, nämlich die Zukunft.
KM 52 – Es wird unruhig auf der Strecke. Plötzlich wird attackiert. Damit hatte niemand gerechnet, vor allem nicht so früh am Morgen. Jeder Pedaleur will allen zeigen, was in ihm steckt. Heute ist sein großer Tag, wenn nicht jetzt, wann dann? So viele Attacken hat er in seiner ganzen Karriere zuvor nicht gestartet.
KM 55 – Es ist vollbracht. Zwar war es unmöglich, sich von der Masse abzusetzen, doch es scheint ein gutes Gefühl zu sein, die erste Schwierigkeit des Tages überstanden zu haben. Der Puls ist hoch, was kein Wunder ist, in der Höhe. Ansonsten ist alles perfekt. Die Radunterwäsche hält auch auf dem kühlen Gipfel warm, Plattfüße gibt es dank neuester Technik nicht mehr. Wie gut es doch ist, wenn man seinem Team mit Beratertätigkeiten zur Seite stehen kann.
KM 70 – Die Ruhe ist allmählich zurückgekehrt. Alle wissen inzwischen Bescheid, niemand kann mehr geschockt werden. Oder doch? Nun, das wird sich in einigen Kilometern zeigen, denn dann wartet die zweite und letzte Schwierigkeit des Tages.
Zeit genug, den Vormittag Revue passieren zu lassen. Es ist Zeit für
Tour en bloc!
KM 104 – Kaum hat die zweite Schwierigkeit des Tages begonnen, wird es schon hammerhart. Damit hat wohl niemand gerechnet. Wie kann so etwas im Radsport heutzutage passieren? Der Funk ist ausgefallen! Und ausgerechnet jetzt gibt es Angriff über Angriff. Wie soll da nur ein einfacher Pedaltreter durchblicken? Was soll er jetzt bloß machen? Die Angriffe kontern? Nein, da ist er nicht der Typ für. Seine wahre Stärke zeigen, einfach alles auspacken, war er hat, das wäre es doch. Aber nach kurzem Überlegen ist klar, dass aus seiner Sicht nur eines das Richtige ist: Fahr dein Tempo weiter, mach bloß nichts, was du hinterher bereuen dürftest.
KM 112 – Man weiß nicht wie, aber auf irgendeine Art und Weise hat jeder Zweiradfahrer den ersten Teil der Schwierigkeit überstanden. Es bleibt ihm die Möglichkeit, sich ein wenig auszuruhen. In der kleinen Abfahrt sind andere Leute gefragt, zum Glück nicht er selbst.
KM 127 – Ein jeder fragt sich, wieso jeder Radprofi nicht auf die Angriffe reagiert hat, warum zögert er, warum agiert er nicht? Er zeigt Schwäche, er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein ehemals Großer tritt ab. Hilflos ohne die nötige mentale Unterstützung durch seine Helfershelfer, ohne die er keinerlei Durchblick zu haben scheint.
KM 133 – Ohne Funk ist man im modernen Radsport völlig hilflos, das weiß jeder. Man muss Entscheidungen selbst treffen, die man normalerweise nicht allein treffen kann. Die Verunsicherung kann man spüren, doch jetzt ist es geschafft. Alle Angriffe sind abgewehrt und mit Bravour gemeistert worden. In früheren Jahren hätte man sicherlich mehr erwarten dürfen, aber auch jeder Stern am Radhimmel altert und verliert an Stärke. Wichtig ist, dass er nicht eingebrochen ist. Vor dem Rennen wurde er wohl doch hervorragend eingestellt von seinem persönlichen Beraterteam.
KM 160 – Alle haben sich wieder lieb. Nachdem sich niemand entscheidend durchsetzen konnte, hat man sich auf einen Nichtangriffspakt geeinigt. Die Etappe wird ruhig zu Ende gehen. Immerhin hat jeder Strampler inzwischen Hilfe aus seinem Team bekommen, die nun an seiner Seite sitzt und ihn bis ins Ziel begleitet. Dennoch bleiben noch einige Fragen offen: Wer, wie, wo, warum?