Wieso gehen hier eigentlich immer alle von Fehlern von sportlichen Leitern aus?
Mit Pereiro konnte keiner rechner. Wer auf der ersten Bergetappe über 20 Minuten verliert, der ist kein ernstzunehmender Gegner. Das der so weit weggekommen ist war allerhöchstens ein Fehler von Phonak.
Dass Landis soweit weggekommen ist lag auch nicht zwingend an Fehlern, eher an Verständigungsschwierigkeiten der sportlichen Leiter. Dadurch, dass da vorne alle ganz eng beieinander waren wollte keiner so richtig Führung machen. Wenn ein Team eingestiegen wäre, hätten sich die anderen hinten ausgeruht. T-Mobile hatte das Stärkste Team, sie hätten eigentlich Tempo machen müssen oder zumindest sich mit den CSC Leuten absprechen sollen und dann gemeinsam einsteigen.
Aber wer konnte denn auch ahnen, dass Landis so viel Dope...ähh Kraft im Körper hat
Normalerweise hätte das 15km Flachstück und der 15km Anstieg ausgereicht um jemanden einzuholen, der seit 200km ganz alleine auf der Flucht war und am Tag zuvor kein Land gesehen hat. Dass Landis am letzten Berg den Herren Klöden und Pereiro Sio dann sogar noch Zeit abnimmt erscheint einem doch etwas...naja, wie soll ich sagen? Unnatürlich, ums demokratisch auszudrücken.
Letztendlich kann man sagen, dass auch wenn die Verfolgung früher angefangen hätte wär man nicht mehr rangekommen. Theoretisch war der Zeitpunkt der Verfolgung absolut richtig, nur konnte man nicht damit rechnen, dass Landis so stark ist, denn wie gesagt ist das ja etwas unnatürlich.
Sastre ist letztendlich nicht an seinen durchaus vorhandenen Zeitfahrqualitäten gescheitert sonder eher an seinen desolaten Abfahrten. In La Toussiere hat er auf dem Flachstück auf 1.5km 50Sekunden auf die Gruppe Klöden Pereiro verloren. Am Joux Plane hat er auf der Abfahrt nochmal etwas mehr als eine Minute zu Landis und wieder 40 Sekunden auf Gruppe Klöden verloren. Sastre kann eigentlich richtig gut Zeitfahren, das weiß jeder, der letztes Jahr die Vuelta verfolgt hat. Man muss aber auch 2 Sachen bedenken: Sastre hat schon den Giro in den Beinen und nach 40 Renntagen ist irgendwann Schluss mit der maximalen Rennfitness, das wissen wir ja (
). Nein, ernsthaft: Er ist den Giro gefahren und zwar richtig gut, die Tour sollte er auch nur als Helfer bestreiten. Sein eigentliches Saisonziel ist die Vuelta. Ich weiß nicht, ob er sich das jetzt noch antut, aber wenn er das Programm durchzieht, dann gebührt ihm auf jeden Fall eine gewaltige Menge Respekt. Aber heute hatte ich den Eindruck, dass bei ihm jetzt einfach mal die Luft raus ist. Der Mann fährt seit Mitte April, als er den Primavera gewonnen hat, auf höchstem Niveau. Schade für ihn.
Zu Pereiro: Irgendwie ist der Fall so ähnlich wie Landis. Auf der ersten Bergetappe verliert er fast 30 Minuten. Am nächsten Tag geht er mit einer Ausreißergruppe und holt sich das gelbe Trikot. Auf einmal wächst der auf Bergetappen über sich hinaus und wird hinter Landis und Sastre zum 3. besten Bergfahrer der Tour. Ganz komische Entwicklung...Da er ja nach dem Ausscheiden von Valverde ja Kapitän war muss man doch vermuten, dass der auf der ersten Bergetappe auch schon alles gegeben hat. Wie kann der so einen Leistungsschub hinlegen? Beflügelt das gelbe Trikot wirklich so sehr? Landis hat es offenbar 2mal nicht beflügelt. Ich denke er hat auf der ersten Etappe mit Absicht viel Zeit verloren, um dann auf Etappensiege zu gehen. Hätte er doch bloß 1 Minute weniger verloren...
Klöden: naja ich gebe zu: ich kann ihn nicht leiden. Seine Leistung ist auf jeden Fall anerkennenswert, besonders das Zeitfahren zum Schluss. Am Anfang der Tour konnte ich ihn noch leiden, aber als er dann seine Krämpfe-Geschichte am Plat-de-Beret losgelassen hat hat er bei mir sämtliche Sympathien sofort verspielt. Das erinnerte mich sofort eine eine Person, die ich nicht nennen will, die auch immer irgendwelche Entschuldigungen hatte. Brauchen die beiden sowas zur Selbstbestätigung? Können die nicht einfach mal akzeptieren, dass andere besser waren ohne Einschränkungen?
Menchov: Eigentlich die große Enttäuschung oder? Nach der ersten Bergetappe hätte jeder gedacht, dass er und Landis sich ein packendes Duell liefern. Er hat den Ruhetag überhaupt nicht gut überstanden. Ich frage mich, wie seine Form innerhalb einer Woche so rapide Absinken konnte? Am Plat-de-Beret war er mit Landis eindeutig der Stärkste. Alpe d'Huez war er einer der ersten, die abgehängt wurden. Er hat daraufhin nicht einmal eine Flucht versucht und spielte in den Bergen keine Rolle mehr. Sein Einbruch ist mir völlig unerklärlich.
Evans: Joah, recht unauffällig aber doch effektive gefahren. Er hat zwar nicht angegriffen, aber die Taktik hat sich mit dem 5. Platz wohl ausgezahlt. War von Helfern völlig isoliert. Sehr schade, dass Davitamon total auf McEwen gesetzt hat. Soviele Helfer hat der außerdem gar nicht gebraucht. Horner war nie zu sehen. Den hätte ich auf jeden Fall in der ein oder anderen Ausreißergruppe erwartet. Das nächste mal könnte Van Huffel vielleicht wertvollere Dienste leisten?!
Dessel: Ist so ein bisschen zu meinem Lieblingsfahrer aufgestiegen, nachdem ich auf diversen Websiten gelesen habe: "Nobody Dessel im gelben Trikot". Da dachte ich mir: Zeigs den Unwissenden!
Er ist neben Pereiro das perfekte Beispiel dafür, dass wenn man erstmal in die Reichweite gekommen ist, etwas zu bewegen, dass das dann ganz von alleine geht. Dessel wäre wohl ohne das Gelbe einmal getragen zu haben 100. oder so geworden. Absolut postive Erscheinung.
Kommen wir gleich zum Gegenteil: Leipheimer hat gezeigt, dass wenn man erstmal etwas außer Reichweite ist, etwas zu bewegen, dass dann auf einmal gar nichts mehr geht. Als ich die Nachrichten gelesen habe, dass Basso, Ullrich und Mancebo raus sind, dachte ich sofort:"Leipheimer!"
Das ging wohl vielen so...offensichtlich zu vielen, denn mit dem Druck ist er nicht klargekommen. Wenigstens keine dämlichen Ausreden wie Krämpfe, Fieber, Antibiotika, 3,4°C zu viel oder Fliege im Auge. Ich wage mal die Vermutung, dass wenn Basso, Ullrich und Mancebo dabeigewesen wären, dann wäre er 4. geworden.
Moreau: Mein 3. Lieblingsfahrer hinter Sastre und Dessel! AG2R hat auf mich einen super Eindruck hinterlassen. Taktisch sehr klug und mannschaftlich sehr stark. Moreau hat uns wohl alle als Steh-Auf-Männchen fasziniert. Aber irgendwie war er letztes Jahr auch schon so. Dass er die Zunge so raushängen lässt sieht einfach nur köstlich aus! Schöne Leistung, vor allem am Joux Plane, die leider total untergegangen ist. Schade.
Popovych/Hincapie/Azevedo: Ich habe mich so auf Discovery gefreut. 3 Kapitäne...Das klang nach Attacke pur und unheimlicher Spannung. Nachdem Hincapie Gelb hatte, dachte ich, dass es jetzt richtig losgeht! Was ist draus geworden? Alle außer Hincapie von ihrer Topform Welten entfernt, der war nie besser. Azevedo manchmal einigermaßen OK, aber nicht annähernd mit 2004 zu vergleichen, als er der 3. beste Mann war. Popovych war für mich die große Zukunftshoffnung. Nachdem er in den Bergen total untergegangen ist habe ich wenigstens auf das Zeitfahren heute gehofft, weil er auf einem ähnlichen Kurs die U-23 WM dominiert hat...was wars? Gar nichts. Was war denn bitte mit dem los? Sowas sind wir bisher nur von T-Mobile gewohnt. Jetzt tönen sie nur noch von Vertragsverhandlungen mit Ullrich oder Basso. So schnell gibt man Popovych auf? 2004 hätte er mit einem besseren Team beinah den Giro gewonnen und jetzt geht er stiften? Auf zu AG2R, Popo! Wo war VanHeeswijk?
Boonen: Totale Pleite. Zwar Gelb getragen, aber das ist nicht das, was die Belgier wollten. In Massensprints völlig untergegangen. Er hat sich auf der ersten Etappe im Sprint völlig überschätzt und danach ging gar nichts mehr. Auf zur Vuelta und besser machen! WM kann er ausfallen lassen, ich bin den Kurs abgefahren. Das wird nix mit Verteidigung.
McEwen: Hab ihn bei weitem nicht so stark erwartet. Er hat sicherlich von Boonens Schwäche und Petacchis Unpässlichkeit profitiert. Trotzdem völlig souverän. Schon beim Giro extrem stark. Zwar nicht mehr der Jüngste, aber in meinen Augen der stärkste Rundfahrten-Sprinter in diesem Jahr.
Zabel:Naja...Eigentlich gute Ansätze, aber nie ein guter Abschluss. Auf der 9. Etappe war es glaub ich, als ich ihn schon siegen gesehen habe und habe dabei mein ganzes schönes Bier verschüttet. Dann wars doch nix. Sehr schade. Trotzdem war Ete sicherlich wertvoller als Eisel oder Boonen. Aber warum ist der gute Ete nicht einfach mal mit einer Ausreißergruppe mitgegangen? Damit habe ich fest gerechnet. Ich dachte mir die letzte Etappe vor dem letzten Zeitfahren ist seine. McEwen hatte sein Trikot sowieso in der Tasche. Dass sie ihn verfolgt hätten glaube ich nicht. War wohl sein letztes Jahr, macht zumindest so den Eindruck. Für sein Alter trotzdem noch erstaunlich stark, auch wenn McEwen nicht viel jünger ist.
Freire:Super überzeugende Leistung. War im Sprint vor allem in der Endgeschwindigkeit bei weitem nicht so stark wie McEwen, trotzdem 2. stärkster Sprinter. Sehr auffällig gefahren, das war sehr schön. Wo gehts nächstes Jahr hin, Oscar? Ich vermute einfach mal, dass er zu T-Mobile gehen wird, auch wenn es da noch keine Gerüchte gibt. Für Saunier wird er nach der Tour zu teuer, also T-Mobile. Obwohl man dort mit spanischen Oscars keine guten Erfahrungen gemacht hat. Man sollte ihn sich aber noch vor der WM sichern, denn so ein Weltmeistertrikot macht den Träger gleich nochmal doppelt so teuer.
Fazit: Ich als Basso-Fan hatte am Anfang der Tour drastische Bedenken, ob die Tour gut gehen wird und spannend wird. Ich habe außerdem befürchtet, dass das ganze wie die Tour 98 und die spanischen Meisterschaften enden wird...Dopingproteste en masse.
Man kann sagen, dass wir zwar nicht wissen wer die stärksten Radfahrer der Welt sind, dafür gibt es zuviele Zufälligkeiten, aber wir haben die 180 Fahrer gefunden, die das Rennen am spannendsten gestalten können!
Eins ist klar: Mit Ullrich, Basso, Mancebo wäre die Tour nicht halb so spannend gewesen. Es war schön zu sehen, wie Fahrer, die vor 3 Wochen noch nichtmal geträumt haben irgendwann während der Tour für 2 Sekunden im Fernsehen zu sein jetzt auf einmal ganz ganz nah dran waren zu gewinnen. Leipheimer hat das überraschenderweise geschadet. Pereiro und Dessel hat es die viel beschriebene gelben Flügel verliehen.
Danke Fahrer, danke Fehler und danke Fuentes für eine wunderschöne Tour de France!