Millar war eigentlich sehr zufrieden gewesen mit dem ersten Tag im Baskenland. Zwar hatte die Sanchez-Basso-Geschichte etwas genervt, aber das war ja zu aller Zufriedenheit gelöst worden, so hoffte er zumindest.
Noch während des Rennens kursierte im Rennleiterauto die neueste Ausgabe einer baskischen Boulevardzeitung, die sich zu eigen gemacht hatte, die reißerischen Artikel auf kastillisch zu schreiben, während man die Lokalteile im baskischen Idiom verfasste.
Enrique Erentxun, der Renndirektor, betrachtete die vermeintliche Sensationsmeldung mit einem Schmunzeln und reichte dann Millar die Zeitung an. Millar las und fragte ein-zweimal nach, ob er richtig übersetzt hatte. Absurd, was die sich aus den Fingern gesaugt hatten!
Im Anschluß an die Etappe und die ersten Siegerehrungen dieser Woche stellte Robert aber fest, daß dieser seiner Meinung nach dumme Artikel doch für Wirbel gesorgt hatte. Auch er wurde von einer Traube Reporter verfolgt. Aber es gelang, die Meute auf die allabendliche Pressekonferenz zu verweisen.
Dann klingelte das Handy. Kaum hatte Millar abgenommen, vernahm er Folgendes:
Yroslav Popovych hat geschrieben:"Hallo Mr. Millar,
ich lese gerade eine spanische, nein besser eine baskische Lokalzeitung. Aus der geht hervor das Rineiro bei Paris - Nizza gedopt gewesen sein könnte. Hier steht weiter das die Dopingproben nach wie vor nicht veröffentlicht worden sei, ganz im Gegensatz zu der sonst üblichen Praxis des beauftragten Labors. Man äußert sich dahingehend das entweder jemand mit viel Geld seine Finger im Spiel habe oder das die UCI nicht möchte das diese Sache weiter hochkocht, man verweist dann weiter auf die jüngere Vergangenheit der UCI. Das riecht doch schon wieder nach irgendwelchen üblen Machenschaften in der UCI. Mr. Millar, sie sind von der Vergangenheit nicht betroffen, dennoch es kann nicht sein das die UCI schon wieder auch nur ansatzweise in Verdacht gerät zu manipulieren. Ich verlange daher eine sofortige Offenlegung dessen was ihnen in der Sache bekannt ist und ich verlange das man Rinero aus dem Rennen nimmt. Wären wir in Italien oder Frankreich müsste ich das nicht tun, da hätten die Behörden schon gehandelt. Ja, Mr. Millar, sie hören richtig, ich verlange. Auf Wiederhören."
Zunächst fragte er sich, was diese Tirade sollte, dann überlegte er sich kurz, ob das Reglement einen Ausschluß Popovychs wegen 'übler Nachrede' oder Ähnlichem rechtfertigen würde. Aber nein, dafür gab es im Zweifelsfall zivile Gerichte. Was Millar ärgerte, war das Aufstellen der Theorie, es könne sich eventuell um ein Komplott handeln, an der seine Stelle maßgeblich beteiligt sein könne.
Was er aber überhaupt nicht mochte, waren Telefonanrufe, bei denen er keinerlei Chance hatte, sich selber zu der Geschichte zu äußern. Unverschämt war das. Er ließ sich nicht gerne unter Druck setzen, erst recht nicht von einem dahergelaufenen ukrainischen Möchtegern-Merckx! Der sollte ihn noch kennenlernen!
Schließlich beruhigten ihn die baskischen Organisatoren. Sie hätten gute Kontakte zu den Medien und würden darauf drängen, eine klare Darstellung in der Presse zu erzielen. Die Klage auf Gegendarstellung durch das 'Schmierblatt' sei auch bereits raus.
"No problem" bekam er immer wieder in fremdartig klingendem Englisch zu hören.