Beitrag: # 6819354Beitrag
Escartin
28.6.2010 - 14:11
Dass nach der ungeheuer langweiligen Ausgabe von 2009 etwas passieren musste, war klar. Was die ASO jetzt aber macht, um wieder für mehr Spannung zu sorgen, gefällt mir gar nicht. Das Experiment von 2004 ist doch hinreichend missglückt, warum hat man daraus nichts gelernt?
Es ist nun einmal so, dass von den Fähigkeiten her eigentlich nur zwei Fahrer für den Toursieg in Frage kommen, Alberto Contador und Andy Schleck. Auf jedem Tourparcours, den ich bisher gesehen habe, würden die beiden den Sieg unter sich ausmachen und die Chancen stünden wohl 70 zu 30 für den Spanier. Daran würde auch die eine andere Zahl von Bergetappen und Zeitfahren wenig ändern. Muss das so schlecht sein? Gerade Duelle können ja, wenn der Parcours passt, einiges an Spannung bringen. Mit der Entscheidung, kein Zeitfahren vor den Bergen zu haben, wird das ja von der ASO auch schon forciert, auch wenn mir persönlich die Touren mit flachem Zeitfahren in der ersten Woche besser gefallen.
Dass die ASO jetzt aber um diesem Duell auszuweichen, den Faktor Zufall so massiv in den Kurs aufnimmt, gefällt mir gar nicht. Kopfsteinpflaster hat bei GTs nichts zu suchen, schon gar nicht in diesem Ausmaß: Elf km Pflaster innerhalb der letzten 30 Kilometer einer Etappe.
Nun ist es so, dass die Außenseiter für den Toursieg - Basso, Menchov, Gesink, vielleicht auch Kreuziger - ebenfalls keine Experten für das Pflaster sind. Dass also beide Topfavoriten die Tour auf dem Pflaster an einen lachenden Dritten verlieren, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Aber auch unter diesen kann es natürlich mglw. podiumsrelevante Verschiebungen geben.
Jetzt wird niemand etwas dagegen haben, dass auch die Radbeherrschung eine Rolle bei der Vergabe eines GT-Sieges spielt. Deshalb werden Abfahrten nicht neutralisiert und es ist auch absolut verdient, wenn jemand wie Denis Menchov nicht auf dem Poidum steht, weil er bergab zu viel zeit liegen lässt. Auf dem Pave entscheidet aber eben gerade nicht allein die eigene Radbeherrschung, sondern ganz entscheidend der Zufall: Habe ich Defekt, stürzt jemand vor mir, sodass ich in den Sturz verwickelt werde, gibt es einen Sturz bereits in der Abfahrt zum Pflaster. Vorne fahren! mag man da den Favoriten zurufen - das wollen 180 andere Fahrer auch und mir soll keiner erzählen, dass die Breite der Ellenbogen ein gerechtes Kriterium ist. Zumal es ja, anders als beim Giro, für die Favoriten auch keine Chance gibt, das Gedränge zu reduzieren. Da sind die Straßen zwar auch oft schmal, in aller Regel aber in hügeligem Terrain: Mit entsprechendem Tempo kann man da das Feld und damit auch die Sturzgefahr erheblich verringern. Wer das nicht tut ist selber schuld. Auf den brettflachen Straßen Nordfrankreichs keine Option.
Wäre fast zu wünschen, dass es ganz dumm läuft, einer der beiden Favoriten auf dem Pflaster mehrere Minuten verliert und danach einen ungefährdeten und spannungsarmen Toursieg einfährt.
"Wittgenstein pondered what time it could be on the sun (it was a nonsensical question, he concluded)." - The Economist