Fast wäre es aufgegange – aber nur fast
Es war ziemlich heiß als ich um 13.20 meinen neuen Stammplatz im HTC – Wagen einnahm. Gefühlte 30 Grad im Schatten und keine Wolke am Himmel, also beste Aussichten für solch eine schwere Etappe. Aber wozu gibt es denn die fleißigen Wasserträger? Piva wirkte heute irgendwie angespannter, es gab keinen kleinen Witz mehr vor Etappenstart und auch sonst war er Heute nicht so gesprächig wie Gestern. Vielleicht machte er sich Gedanken ob er Gestern übereilt reagiert hatte als er die sofortige Verfolgung von Contador angeordnet hatte. Das ist nun Geschichte, neuer Tag neues Rennen und verloren ist hier noch nichts.
Pünktlich, wie das Schweizer Uhrwerk, um 13.30 Uhr wurde das Peloton von der Leine gelassen und Pünktlich, wie das Schweizer Uhrwerk, folgten die ersten Attacken. Vom Start weg gingen Roberts, Kolobnev, Lorenzetto, Reda und Fofonov, Pinotti hielt sich gemäß der Anweisung noch zurück.
Und schon nach wenigen Kilometern kam dann der erste Paukenschlag, Cancellara setzte einen Angriff, zog davon und schloss zur ersten Gruppe auf.
„Was soll ich machen, wir wissen das er alleine einem Feld davon fahren kann, soll ich folgen?“ Pinotte schien verunsichert, es war zu früh im Rennen, man würde die Ausreißer doch gleich wieder stellen oder?
„Du wartest.“ Und als hätte er es geahnt wurde, mit den Worten des Teammanagers, das Tempo im Feld forciert.
„Ok sie holen ihn wieder.“ Gab uns Pinotti über Funk bekannt. So war es dann auch nach 25 Km wurde die sechsköpfige Gruppe gestellt. Das Tempo gedrosselt und Ruhe kehrte ein. Doch nur 4 Km später griff Cancellara erneut an und
„diesmal gehe ich mit“ war die Reaktion von Pinotti. Er schnappte sich das Hinterrad des Schweizers und flog in einem mords Tempo aus dem Feld davon.
„Wow die lassen uns gehen, oder sehe ich das falsch?“ fragte Pinotti nach dem er sich umgeguckt hatte.
„Es läuft ihr habt schon mehr als eine Minute. Fahrt das Tempo so weiter dann kommt ihr schnell weg.“ Plötzlich tauchte eine zweite Stimme im Funk auf, mit britischem Akzent fielen die Worte,
„sch..ß drauf ich setzt nach und hol mir die zwei Sprintwertung. Danach ist doch ehe egal wie ich fahre oder?“ „Äh ja, hast du denn die Beine? Also fühlst du dich fit, du weißt ich brauch dich Morgen!“ war Pivas verblüffte Reaktion doch da hatte Cavendish schon nach gesetzt. Im folgte noch Cataldo vom Team Quickstep.
Kurz vor der ersten Sprintwertung hatten Cavendish und Cataldo dann zu den beiden führenden aufgeschlossen. Der Vorsprung auf das Feld war auf mehr als 4 Minuten gewachsen und das Tempo im Peloton blieb weiterhin entspannt. Cavendish fehlte nun, nach der Aufholjagd, ein bisschen die Kraft und so ließ er sich, am ersten Zwischensprint, an Cancellaras Hinterrad über die Wertung ziehen und wurde Zweiter.
„Wow das scheint ja fast nach Plan zu laufen irgendwas muss faul sein, es läuft doch nie nach Plan.“ Piva hatte nun seine gute Laune wieder gefunden. Doch die Spitzengruppe, obwohl sie bis zum Fuß des Col des Mosses mehr als 8 Minuten auf das Peloton herausfuhr, war sich nie einig. Dazu kam das es noch weitere Gruppen hinter ihnen gab, Efimkin und Lorenzetto fuhren jeweils alleine, knapp 1 Minute getrennt, und dahinter kam eine Gruppe mit weiteren Bergexperten wie Iglinsky und Capecchi. Cancellara wollte scheinbar nicht riskieren mit diesen Bergexperten in den Anstieg zu gehen und griff 5 Km vor der zweiten Sprintwertung erneut an. Keiner konnte Folgen und so gewann Cavendish zwar den Sprint gegen Cataldo wurde aber wieder nur Zweiter an der Wertung.
„Das können sehr wichtige 8 Punkte gewesen sein Cav. Gute Arbeit und jetzt leg die Beine hoch und seh zu das du für Morgen fit bleibst!“ Piva wollte um jeden Preis vermeiden das Cavendish am Anstieg zum Col des Mosses zu viel inverstierte. Pinotti hingegen sollte das Tempo halten, er fuhr nun mit Cataldo zusammen in den Anstieg.
Nach nicht mal 5 Km Steigung hatte sich das Blatt dann neu gemischt. Pinotti fuhr nun zwischen Peloton und Spitzengruppe und musste Cataldo, Efimkin, Iglinsky und Capecchi ziehen lassen. Am ende kam er 3 Minuten nach der Spitzengruppe über den Gipfel. Die Bergwertung der ersten Kategorie gewann Iglinsky vor Cancellara und Cataldo.
Das Peloton passierte den Pass gar 9 Minuten hinter der Spitzengruppe und war durch das verschärfte Tempo der Garmin Profis nun auf 95 Fahrer geschrumpft. In der Abfahrt sollte dann auch keiner mehr aufschließen können und so fuhr ein erweiterter Favoritenkreis den Ausreißern hinterher ins Tal. 83 Km vor dem ziel verlor dann Andy Schleck einen seiner wichtigsten Helfer aus der Verfolgergruppe den Chris Sörensen musste mit einer Reifenpanne passen.
Und jetzt wurde Vollgas gefahren, keine kompromisse mehr. Sörensen verlor auf wenigen Kilometern mehr als 4 Minuten und der erweiterte Favoritenkreis schrumpfte. 60 Km vor dem Ziel hatte die Gruppe um Cancellara noch 3'44 Vorsprung aber dieser schien dahin zu schmelzen unter der Sonne des Fribourgerlands. Zehn Kilometer später wurde dann Pinotti gestellt und ein weiterer teil der Taktik schien auf zu gehen. Pinotti hatte tatsächlich noch die Kraft sich für knapp 20 Km vor Matin zu setzen und ihn aus dem Wind zu halten. Das gleiche machte übrigens Albasini seit Etappenstart bei Monfort und zusätzlich holte der Schweizer auch noch Wasser für die Mannen in der Verfolgergruppe. Ein unglaublicher Kraftakt der ihm immer wieder Lob über den Funk einbrachte. Monfort, Piva, Martin und Rogers bedankten sich regelmäßig bei ihrem Edelhelfer. Die vorletzte Fluchtgruppe um Meersman, Capecchi und Efimkin werden dann 40 Km vor dem Ziel gestellt und gnadenlos durch gereicht. Sie versuchten es zwar verzweifelt an irgendeinem Hinterrad der Favoriten zu bleiben aber das Tempo war einfach zu hoch. So mussten dann auch zeitgleich die beiden unermüdlichen HTC Profis Pinotti und Albasini ihre Kapitäne fahren lassen. Das geschah 30 Km zum Ziel, zeitgleich mit der ersten Attacke aus dem Verfolgertross. Syvian Chavanel, der QuickStep Man, eröffnete das Finale mit einem Antritt am Fuß der letzten Bergwertung. Ihm folgten Gerdemann, Wiggins, Vanden Velde, Pereiro und Bruseghin, sie konnten sich leicht absetzen aber auch nicht mehr. 5 Km später setze es die nächste Attacke, diesmal war es der Spanier Contador der Angriff, sofort sprangen mehrere Fahrer an sein Hinterrad. Valjavec, Karpets und Schleck. Das hieß für Martin,
„raus aus dem Sattel!“ und sofort hängte er sich an den Luxenburger. Mit der zweiten Bergwertung, welche sich unter Pereiro und Brusheghin entschied, wurde die Gruppe um Cancellara gestellt. Aber der Schweizer war Stark und er hängte sich sofort an das Rad von Martin um sich bei den Favoriten fest zu beißen. In der kurzen Abfahrt schaffen es die Helfer von Menchov fast alle Attacken wieder zu stellen und so bleiben vorne nur noch drei Fahrer mit Brusheghin, Pereiro und Valjavec. Es geht nun Schlag auf Schlag, Gerdemann zieht erneut davon und diesmal sieht es sehr gut aus. Er fliegt förmlich und schafft es sogar die drei verbliebenen Ausreißer hinter sich zu lassen. Aus einem weiterhin höllischen Tempo attackiert nun 12 Km zum Ziel Dennis Menchov, der einzige der ihm zu folgen versucht ist Rogers doch für ihn ist das Tempo zu hoch und seine Attacke verpufft. Menchov setzt sich ab, sogar so weit das er nur 9 Sekunden hinter Gerdemann fährt. Und schon gibt es die nächste Attacke, hier spielen alle auf Sieg. Diesmal geht Klöden gefolgt von Monfort, Pellizotti und Kiryienka auch diese drei können sich Absetzen. So sieht es nun 5 Km vor dem Ziel aus:
Favoritengruppe (Contador, Schleck, Rogers) –- Klöden, Monfort, Kiryienka, Pellizotti –- Brusheghin, Pereiro, Valjavec –- Menchov – Gerdemann
Gerdemann geht als erster in den Sprint, hinter ihm in der Verfolgergruppe greift Tony Martin noch einmal an und zieht davon, Andy Schleck scheint geschlagen. Vorne geht nun Menchov aus dem Sattel, gefolgt von der Gruppe um Pereiro doch auch Klöden und Pellizotti sind nun nah dran. Menchov zieht gnadenlos an, lässt Gerdemann stehen und fliegt über die Ziellinie ohne den Konkurrenten auch nur den Hauch einer Chance zu lassen. Gerdemann ist geschlagen, so geschlagen das sogar Klöden noch an ihm vorbei kommt und Zweiter werden kann. Dritter wird der Milram Profi, vierter Pellizotti. Alle in der gleichen Zeit. Martin hat es geschafft mit einem Angriff nochmal eine Lücke von 8 Sekunden auf Andy Schleck zu fahren und vor ihm kommt Monfort hinter Bruseghin als Achter ins Ziel. Das war doch deutlich erfolgreicher als der Ausgang gestern.
Alles auf einen Blick:
Etappe:
1. Dennis Menchov (Rabobank) 4h44'05
2. Andres Klöden (RadioShack) + 0
3. Linus Gerdemann (Team Milram) + 0
4. Franco Pellizotti (Liquigas) + 0
5. Oscar Pereiro (Astana) + 31
6. Tadej Valjavec (Ag2r) + 31
7. Marzio Bruseghin (Caisse d'Epargne) + 31
8. Maxime Monfort (HTC – Columbia) + 47
9. Tony Martin (HTC – Columbia) + 55
10. Vasil Kiryienka (Caisse d'Epargne) + 1'03
…
18. Michael Rogers (HTC – Columbia) + 1'03
Gesamtwertung:
1. Dennis Menchov (Rabobank) 8h54'54
2. Andres Klöden (RadioShack) + 7
3. Franco Pellizotti (Liquigas) + 19
4. Linus Gerdemann (Team Milram) + 19
5. Oscar Pereiro (Astana) + 44
6. Tom Danielson (Garmin) + 48
7. Marzio Bruseghin (Caisse d'Epargne) + 50
8. Tadej Valjavec (Ag2r) + 57
9. Maxime Monfort (HTC – Columbia) + 1'06
10. Tony Martin (HTC – Columbia) + 1'10
…
16. Michael Rogers (HTC- Columbia) + 1'22
Bergwertung:
1. Jelle Vanendert (Lotto) 17 Pkt
2. Maxim Iglinskiy (Astana) 13 Pkt
3. Dario Cataldo (QuickStep) 10 Pkt
Punktewertung:
1. Dennis Menchov (Rabobank) 36 Pkt
2. Tom Danielson (Garmin) 31 Pkt
3. Andreas Klöden (RadioShack) 25 Pkt
…
12. Tony Martin (HTC – Columbia) 7 Pkt
16. Mark Cavendish (HTC – Columbia) 6 Pkt
U25 Wertung:
1. Tony Martin (HTC – Columbia) 8h56'04
2. Andy Schleck (SaxoBank) + 13
3. Robert Gesink (Rabobank) + 18
Teamwertung:
1. RadioShack 26h47'25
2. Rabobank + 20
3. Team Milram + 49
…
4. HTC – Columbia + 55