Tour du Quatar – Erste Etappe
Dann war es endlich soweit, der große Tag! Unser erstes Rennen sollte beginnen.
Südlich von Doha startete das Rennen planmäßig erst um halb zwei, doch Daniel und ich waren schon aufgeregt seit früh morgens im Startbereich rumgewuselt, bevor wir dann kurz nach Ende der Neutralisationsphase unseren Teamwagen, der sich weit hinten befand, bestiegen. Für Fluchtversuche hatten wir heute Vastaranta und Holmkvist bestimmt. Funkkontakt hatten wir zu Bongiorno und Brown.
Bald hörten wir über den Tourfunk, dass der Italiener Marco Gili von Vini Caldirola einen Ausreißversuch gestartet habe und nur ein Fahrer von Fresenius nachgesetzt hätte. Sofort fragten wir bei Brown nach, wer es war und er bestätigte unseren Verdacht, dass es Vastaranta sei.
Leider waren die beiden zu schwach, dem Feld bis ins Ziel zu widerstehen. Schlimmer noch, bereits rund 25km vor dem Ziel wurden sie gestellt, immerhin hatte Vastarante beide Bergwertungen gewonnen. Allerdings war er jetzt so platt, dass er bis ins Ziel über sieben Minuten verlieren sollte, Gili ging es allerdings auch nicht besser.
Ca. 10km vor der Ziellinie zeigte sich dann die Unerfahrenheit unserer Fahrer. Holmkvist hatte kurz nicht aufgepasst und sich nur auf das Hinterrad Garridos konzentriert und fand sich auf einmal ein paar hundert Meter hinter dem Feld, dass die beiden beim Wahnsinnstempo das dort mittlerweile herrschte nicht mehr einholen konnten.
Auch der Rest unserer Fahrer war größtenteils am Limit, an Führungsarbeit war kaum zu denken, immerhin konnten sich unsere drei Sprinter recht weit vorne postieren.
Wir gaben Brown die Anweisung auf eigene Kappe zu sprinten, während Borrajo für den etwas erfahreneren Bongiorno anziehen sollte.
Das klappte dann wohl auch wider Erwarten ganz gut, zwar schaffte Brown, der wohl eindeutig noch nicht in Form war, keine Punkterang mehr, landete aber immerhin in den Top20 und Borrajo leistete dafür eine umso bessere Arbeit und landete zum Schluss sogar auf einem exzellenten siebten Rang, nur zwei Plätze hinter seinem Leader Bongiorno.
Gewonnen hat der junge Franzose Dumoulin vor seinem Landsmann Chavanel. Dritter wurde der Spanier Ventoso.
Wir konnten mit dem ersten Tag eigentlich recht zufrieden sein, war unser Fazit.
Tour du Quatar – Zweite Etappe
Sollte die Etappe heute auch nur ähnlich wie die gestrige verlaufen, sollten wir hochzufrieden sein, allerdings war das Profil deutlich welliger und unsere Fahrer schienen schon nach einer Etappe nicht mehr die frischesten.
Man muss allerdings dazu sagen, dass das Wetter hier in Quatar wirklich ein wahrer Klimaschock für uns war. Während wir in der Heimat noch wegen Schnellfall und Glatteis so manche Trainingslektion auf die Rolle hatten verlegen müssen, herrschten hier Temperaturen um die 40°C!
Dennoch wollten wir wieder einen Ausreißer mitschicken, falls eine Fluchtgruppe ging. Wer die besten Beine habe, solle sich einfach dranhängen.
Als dann wir dann über Tourfunk erfuhren, dass eine achtköpfige Gruppe sich gelöst habe, hofften wir inständig, dass einer gute Beine haben möge, denn bei so einer großen Gruppe, war ein Durchkommen recht wahrscheinlich.
Wir hatten Glück, Holmkvist wollte seinen Patzer von gestern wettmachen und hatte sich in die Gruppe gemogelt.
Doch trotz der günstigen Konstellation, kam kein wirklich komfortabler Vorsprung zustande und es war klar, dass die Gruppe wohl gefasst würde.
Noch mehr Sorgen machte uns allerdings der Zustand unserer Fahrer. Bongiorno teilte uns mit, dass er heute nicht der frischeste sei und daher für Borrajo anziehen wolle. Brown ging es wohl auch nicht besonders und Davis und Bartoli waren schon 35km vor dem Ziel am Ende.
Zehn Kilometer später mussten sie dann reißen lassen und kassierten einige Minuten aufs Peloton. Auch die Gruppe mit Jonas war inzwischen gestellt und jetzt musste er wie Vastaranta gestern bezahlen.
Immerhin der Sprint verlief dann besser als befürchtet. Brown konnte zwar erneut nur Rang 18 holen, aber Bongiorno zog Borrajo am Hinterrad gut nach vorne, so dass der 23-jährige heute den vierten Platz holen konnte. Geschlagen nur von Dumoulin, Halgand und Ventoso. Bongiorno erreichte immerhin noch einen achtbaren zehnten Rang.
Die beiden Argentinier konnten ohne Zweifel gut miteinander.
Auch in der Gesamtwertung sah es gar nicht so schlecht für uns aus. Alejandro (Borrajo) und Ruben (Bongiorno) lagen auf Platz 6 und 7 und mit Brown und dem heute erstaunlich starken Fajt hatten wir noch zwei weitere Fahrer die zeitgleich lagen.
Fast noch schöner war, dass Vastaranta, der gestern das Bergtrikot erobert hatte auch morgen noch mal damit starten konnte und wir fast unglaublich in der Teamwertung in Front lagen!
Tour du Quatar – Dritte Etappe
Heute liegen 206km bei schon wieder fast 40°C vor unseren Fahrern – immerhin schön flach. Bei Ausreißversuchen können sie heute ruhig mal sitzen bleiben, haben wir angeordnet. Wir müssen mit den Kräften haushalten bei den Temperaturen.
Andere Teams schienen da ähnlich zu denken und so bleibt das Feld zusammen, während sich unsere Jungs vornehmlich im hinteren Drittel aufhalten. Nur zum ersten Zwischensprint schick ich unsere drei Spurter dann mal nach vorne und es gelingt uns tatsächlich ein Dreifach-Coup, Daniel und ich klatschen vor Freude begeistert in die Hände.
Der erfahrene Brown hatte heute mal Borrajo an sein Hinterrad gelotst und sich selbst hinter Ventoso postiert. Bongiorno kam in den Windschatten Grigolis und so hieß es an der Wertung dann Brown, Bongiorno und Borrajo – das könnten noch wichtige Zeitgutschriften werden!
Jetzt kam dann doch mal Bewegung ins Feld. Der Italiener Gerosa setzte sich direkt nach dem Sprint ab, aber keiner schien die Lust zu haben, mit ihm auf die restlichen 150km zu gehen.
Andererseits wollte man den Flüchtling aber auch nicht davon kommen lassen und so ließ man im Feld den Vorsprung bei ca. 2’30“ einpendeln.
Eine ganze Weile passierte dann recht wenig außer, dass sich Jukka Vastaranta bei der einzigen kleinen Bergwertung des Tages die drei Punkte für den zweiten Platz holte.
Kurz vor der nächsten Zwischenwertung, machte sich dann Gerolsteiner-Fahrer Serpellini auf die Verfolgung seines Landsmannes. Dies rief dann aber die Teams AG2R, Credit Agricole und Quick Step auf den Plan, die sich an die Spitze spannten, um den Abstand erfolgreich schmelzen zu lassen.
Unsere Leute pendelten nach wie vor zwischen dem Ende und der Mitte des Feldes, erschienen aber alle noch recht frisch.
50km vor dem Ziel wurde dann auch Serpellini gestellt und man konnte sich langsam auf einen Massensprint einrichten.
Wir blickten dem gelassen entgegen, hatten bisher keinen Meter im Wind stehen müssen und zudem schon beim ersten Zwischensprint gezeigt, dass die Jungs in Form waren.
Beim letzten Zwischensprint wollten wir es dann noch mal wissen. Wieder zog Brown den Spurt an, dahinter Bongiorno und an drei Borrajo – wieder schafften wir das Tripel, diesmal Bongiorno vor Borrajo und Brown. Jetzt konnten wir nur hoffen, dass die Jungs auch am Ende der Etappe noch genügend Kraft hätten.
Schon zeigten wieder die ersten Fahrer Probleme und so fielen u.a. Putsep und Serpellini aus dem Feld. Davis und Bartoli konnten sich heute mit Müh und Not im Feld halten.
Als es dann in die entscheidende Phase ging, sah es gar nicht gut für uns aus. Sowohl Brown als auch die beiden Argentinier hatten sich aus Angst zu früh im Wind zu stehen, zu spät nach vorne begeben und mussten sich erst frei fahren als vorne schon die Post abging.
Doch wieder war es das Doppel Borrajo-Bongiorno, das glänzte und dabei noch Brown mitzogen. Schließlich brauchte sich Bongiorno nur noch aus dem Windschatten Alejandros lösen und sich ans Hinterrad Ventosos zu hägen. Auch wenn er weder den Spanier noch Chavanel noch schlagen konnte, gelang ihm doch ein hervorragender dritter Platz, der ihm zusammen mit den unterwegs gesammelten Bonifikationen auch in der Gesamtwertung auf diesen Platz katalpultierte. Aber auch die Plätze 7 und 8 Brown und Borrajos, die jetzt in dieser Reihenfolge im Gesamtklassement 6 und 7 waren, beeindruckten.
Vastaranta konnte sein Bergtrikot und wir unsere Teamführung beinahe mühelos verteidigen.
Ich muss sagen, das ließ sich gar nicht schlecht an.
Tour du Quatar – Vierte Etappe
Die vorletzte Etappe im arabischen Staat sollte etwas kürzer werden als gestern, aber ähnlich flach sein.
Brown, Borrajo und Bartoli kamen vor der Etappe zu uns und erklärten, dass wir heute nichs Großes von ihnen erwarten sollten, sie wären kurz vorm Limit. „Klar, seht zu, dass Ihr einigermaßen passabel ins Ziel kommt und gebt das, was Ihr könnt, aber versucht Euch nicht gleich beim ersten Rennen der Saison vollkommen auszupumpen“, gaben wir ihnen quasi grünes Licht zum Beine hochlegen.
Immerhin war es heute bewölkt und nur 30°C, dafür aber umso schwüler.
Als dann nach ca. 35km drei Mann gingen, versuchte Jonas (Holmkvist) hinterher zu sprinten, war aber zu spät dran und ließ sich gemächlich rollend wieder ins Feld fallen.
Wir wussten nicht so recht, wie wir nun reagieren sollten. Zum Nachführen hatten wir kaum Kräfte frei, aber wir wollten Bongiornos dritten Platz unbedingt verteidigen.
Zunächst waren aber noch über 100km zu fahren und da waren die drei Minuten Rückstand noch nicht die Welt und dann hofften wir noch auf die Teams von Dumoulin und Ventoso AG2R und Saunier Duval.
Unsere Rechnung schien aufzugehen, denn wieder übernahmen AG2R, Quick Step und Credit Agricole die Kontrolle und stellten die drei Ausreißer bei Kilometer 88, während sich unsere Jungs mal wieder am Feldende ausruhen konnten.
Doch schon kurze Zeit später versuchte es erneut eine Gruppe um Gerolsteiner-Zeitfahrspezialist Rich sowie Altmeister Zülle. Aber auch hier brauchten wir uns keine Sorgen zu machen, denn einen richtig ernstzunehmenden Vorsprung fuhr die Gruppe nie raus.
Als dann aber 12km vor Etappenende die Gruppe gegen unsere Erwartungen noch immer mit einer knappen Minute vorne war, befahl ich allen, die noch konnten, sich vorne einzureihen und Tempo zu bolzen was nur ging – ausgenommen natürlich die drei Sprinter.
Bartoli konnte schlicht und ergreifend nicht, aber die anderen vier machten ihre Sache hervorragend, besonders Fajt, Holmkvist und Vastaranta gefielen mir einmal mehr bei dieser Rundfahrt.
Der Sprint selbst sollte dann noch grandioser werden als gestern. Ventoso und Dumoulin hatten sich einklemmen lassen und so waren nur noch Grigoli und Chavanel als ernstzunehmende Gegner vorne. Brown erwischte einmal mehr das richtige Hinterrad und zog mit Borrajo am Hinterrad vorbei an Grigoli. Bongiorno hatte sich etwas abdrängen lassen, bekam aber immerhin noch etwas Hilfe von Vastaranta, kam aber zum Schluss nicht mehr ganz an Brown heran.
So lautete das fantastische Resultat des Tages: Chavanel, Bongiorno, Brown, Borrajo – unsere drei Sprintasse hatten jetzt schon erheblich mehr Stiche gemacht als ihnen zugetraut hätte. Unser erstes Saisonziel lag zum Greifen nah, denn Bongiorno war nun mit nur zehn Sekunden Abstand auf Dumoulin Gesamtzweiter und Brown hatte sich auch in die Top5 geschoben. Eine nahezu perfekte Ausgangslage für die Schlussetappe.
Nachdem wir, wie jeden Tag allen Fahrern persönlich gratuliert hatten oder sie über ein paar Schwächen getröstet hatten, legten wir noch am Abend die Taktik für den nächsten Tag fest. Sobald irgendeine Ausreißergruppe gehen sollte, musste Brown dabei sein und einfach „lutschen“. Wenn die Gruppe dennoch klappte, hatten wir einen guten Sprinter dabei, ansonsten sollte Bongiorno keine Probleme haben, seine Position zu verteidigen.
Tour du Quatar – Fünfte und letzte Etappe
Unsere Taktik schien aufzugehen. Ziemlich früh ging eine erste kleine Gruppe und Graeme hängte sich wie besprochen rein. Sowie die drei anderen sahen, dass sie mit Brown nicht nur einen hatten, der sie vermutlich zum Schluss aussprinten und der noch dazu keine Führungsarbeit leisten würde, nahmen sie die Beine hoch und wurden schnell wieder geschluckt.
Wenig später versuchte es ein Belgier allein. Graeme war schon drauf wieder hinterherzustiefeln als wir im über Funk bescheid sagten: „Lass ihn! Allein kommt der eh nicht durch.“ Also ließ sich unser Aussie wieder ins Feld fallen, blieb aber wachsam vorne.
Wenig später hörten wir ihn erneut über die Sprechanlage: „Ich bin ziemlich fertig und weiß nicht, ob ich beim nächsten Angriff noch mitgehen kann.“
Okay, wir hatten keine Wahl, er sollte sich zurückfallen lassen und als Aufpasser schickten wir stattdessen Fajt nach vorne.
Tatsächlich sollte er auch noch seine Bewährungsprobe bekommen, denn als eine kleine Gruppe angriff, war auch Bayarri dabei und der lag nur knapp 30 Sekunden hinter Bongiorno als versuchte Fajt sich dranzuhängen, aber Bayarri schüttelte alle ab und so machte sich Fajt mit Serpellini auf die Verfolgung.
20km vor dem Ziel hatte das Feld aber die Kontrolle unter der Führung Quick Steps wiedererlangt und holte alle drei.
Im Sprint mussten wir heute auf Graeme Brown verzichten, der gute Junge war schlicht und ergreifend platt.
Ohne Brown schienen auch Bongiorno und Borrajo schlechter organisiert als gewohnt zumal auch von den anderen Sprintern lange nichts zu sehen war. Einzig Grigoli sprintete von der Spitze weg. Gott-sei-Dank schafften es unsere beiden Jungs noch an sein Hinterrad zu kommen und hatten dann leichtes Spiel vorbeizuziehen, doch die Zielgerade war noch lang und von hinten kamen jetzt Ventoso, Strazzer, Chavanel und Nazon auf.
Schon flog Ventoso an Borrajo vorbei, aber noch war Bongiorno vorne. Dann der Tigersprung…Fotofinish!
Leider stellte sich heraus, dass Ventoso uns um Zentimeter am ersten Saisonsieg gehindert hatte – sowohl Tagessieg als auch Gesamtwertung gingen an den Spanier, wir konnten uns immerhin über eine unerwartet starke Mannschaftsleistung, einen zweiten Platz in der Gesamteinzel- und -teamwertung, sowie die Trikots für den besten Bergfahrer – wobei von Bergen in Quatar wirklich keine Rede gewesen sein konnte – und den besten Sprinter – zumindest das konnte Bongiorno mit nach Hause nehmen - riesig freuen.
Ein Blick auf die Ergebnisliste zeigte das Wunder:
1. Francisco Ventoso (Saunier Duval)
2. Ruben Bongiorno (Fresenius – Intersport)
3. Samuel Dumoulin (AG2R)
4. Graeme Brown (Fresenius – Intersport)
5. Alejandro Borrajo (Fresenius – Intersport)
…
16. Kristjan Fajt (Fresenius – Intersport)
Das erste Saisonziel nicht nur erfüllt, sondern quasi über-erfüllt. Wir versprachen dem Team eine dicke Party für den Abend, aber außer Jonas verschwanden alle ziemlich groggy früh ins Bett.