Die Karriere des Rot Rigo [L-B-L 2008]

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RotRigo
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Beitrag: # 6759102Beitrag RotRigo
12.3.2009 - 22:28

15.3.2008 (Cannes) – Das wird ne enge Kiste:
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Neun Bergwertungen und 200 Kilometer – die siebente Etappe zwischen Sisteron und Cannes versprach nichts Gutes, war über weite Strecken dann aber doch das angenehmste Teilstück der gesamten Fernfahrt. Denn heute machte das Rennen zur Sonne seinem Namen endlich alle Ehre: 25 Grad und strahlend blauer Himmel erwarteten uns an der Cote d’Azur und bereits auf dem Weg dorthin schickte uns die Sonne ein paar Strahlen entgegen. Es hätte eine lange, aber wunderschöne Radtour werden können, wenn da nicht diese Verpflichtung gewesen wäre, erneut ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Fred hatte sich gestern für uns aufgeopfert und heute mussten wir alle Dankbarkeit zeigen, indem wir die Gesamtführung mit aller Kraft verteidigten. Einzig der Held von gestern durfte sich heute etwas ausruhen und musste nicht für Tempo sorgen. Doch schon bald wurde deutlich, dass nicht alle im Team fähig waren, das Peloton anzuführen. Michael Creed, Brock Curry und Doug Ollerenshaw hatten mit den Anstrengungen der letzten Tage genauso zu kämpfen wie Fred Rodriguez und so verringerte sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Rock-Racer ausgerechnet zu Beginn der heißen Phase, am siebenten von neun Anstiegen, um vier. Nur Mario Cipollini und Cesar Grajales konnten Tyler und mir von diesem Moment, gute 70 Kilometer vor Cannes, noch zur Seite stehen. Mario kümmerte sich um die Verpflegung und Cesar kontrollierte das Tempo an der Spitze des Feldes. Doch allein war er eigentlich chancenlos. Die anderen Teams konnten machen was sie wollten und es wurde offensichtlich, dass wir heute angreifbar waren.

Die Ausreißer des Tages, eine neunköpfige Spitzengruppe um George Hincapie und den ProTour-Spitzenreiter Gomez Gomez von Scott, hatten den Col de Bourrigaille mit neun Minuten Vorsprung in Angriff genommen und es war unser Glück, dass Hincapie deren 13 hinter Tyler zurück lag. Heute hätten wir ernsthafte Probleme gehabt, das Trikot gegen einen gefährlichen Ausreißer zu verteidigen. Doch so war die Lage bis zum letzten Berg überschaubar: Tyler und ich versuchten unsere Konkurrenten im Auge zu behalten, während Cesar und Mario die Arbeit machten. Wir warteten auf die erste Attacke und waren erleichtert, dass sich die Anderen bis zum Col du Tanneron, von dessen Gipfel es nur noch knapp 20 Kilometer ins Ziel sein würden, mit Tempoverschärfungen zurück hielten. An der Spitze war aus der Neuner-Gruppe ein Trio geworden, dem neben Hincapie der Italiener Alessandro Vanotti und der Australier Simon Gerrans angehörten. Die drei hatten ihre sechs Begleiter einen nach dem Anderen abgeschüttelt und radelten nun gemeinsam mit einem immer noch beruhigenden Polster den Tanneron hinauf. Während wir uns hinten im Feld belauerten, entstand vorn ein regelrechtes Ausscheidungsfahren, das Gerrans letztlich für sich entschied. Er hatte scheinbar die meisten Kraftreserven und musste nicht mal attackieren um sich kurz vor der Bergwertung am Tanneron von Hincapie und Vanotti abzusetzen. Er blieb im Sattel und ließ die beiden einfach stehen. Gerrans überquerte die Bergwertung als Erster und stürzte sich allein in die Abfahrt zum Ziel. Er sah wie der sichere Sieger aus.
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Doch auch bei uns im Feld waren nun Angriffe zu erwarten. Wir konnten das Tempo nicht so problemlos kontrollieren wie noch am Mont Ventoux und standen nun quasi ohne Verteidigungsreihe an der Front. Mario konnte schon seit einigen Minuten nichts mehr für uns tun und auch Cesar verabschiedete sich vier Kilometer vor dem Gipfel. Tyler und ich waren allein in einem rund 50 Mann umfassenden Feld, das sich so nervös verhielt wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm. Und dann begann der Großangriff auf unser Gelbes Trikot. Spätestens jetzt wurde aus der gemütlichen Frühlings-Radtour bei traumhaftem Wetter die Hölle auf Erden. Ständig trat irgendwo ein anderer gefährlicher Konkurrent an und ständig musste ich mit Tyler am Hinterrad die Lücken schließen. Bestimmt zehn Mal schoss einer an mir vorbei und genau so oft musste auch ich aus dem Sattel gehen und mit aller Kraft hinterher spurten. Die letzten Meter zur Bergwertung kamen mir wie eine Erlösung vor und als wir über die Kuppe jagten atmete ich, in der Hoffnung, dass es vorbei sei, tief durch. Aber selbst während der Abfahrt ging es weiter. Janez Brajkovic und Juan Jose Cobo Acebo gingen volles Risiko und versuchten uns erneut abzuhängen. Es gab keine Verschnaufpause. Jede Gerade musste ich nutzen um mit voller Kraft in die Pedale zu treten und die auf Grund niedrigerer Risikofreude verlorene Zeit aus den letzten Kurven wieder gut zu machen. Wir erreichten schließlich die Mittelmeer-Küste, bogen nach links auf eine größere Hauptstraße ab und konnten Cannes bereits sehen. Cobo und Brajkovic waren in die Gruppe zurück gekehrt und für einen kurzen Moment kehrte Ruhe ein. Ich blickte mich um, zählte rund 20 Helme und war glücklich, mit Tyler noch dabei zu sein. Die Ruhe allerdings war nicht von langer Dauer. Kaum hatten sich alle nach der Abfahrt wieder orientiert und sich einen Überblick über die Rennsituation verschafft, da begann Teil zwei des Großangriffs auf Gelb.
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Sylvain Chavanel, der Franzose im Grünen Trikot des Punktbesten, eröffnete den Angriffs-Reigen und sofort flog die Gruppe außeinander. Während einige Fahrer noch hinterher springen konnten, waren andere völlig am Ende. Ihre Beine gaben nichts mehr her und ein erneuter Antritt würde sie zur endgültigen Explosion bringen. Zu dieser Gruppe gehörte auch ich. Ich rief Tyler zu, dass ich „am Ende“ sei und versuchte dann mit gleichmäßigem Tempo einigermaßen in Schlagdistanz zu bleiben. Vielleicht bestand ja noch die Chance, dass sich die Gruppe wieder beruhigte und ich mit den anderen abgehängten zurück kommen konnte. Tyler hingegen schaffte gerade so den Anschluss und kämpfte verbissen weiter um sein Trikot.
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Einige hundert Meter später holten wir George Hincapie und Alessandro Vanotti ein und die zwei reihten sich in unseren Kreisel ein. Das Schreckliche an der Situation war, dass die Tatsache, dass die zwei Ausreißer unser Tempo noch mitgehen konnten, dafür sprach, dass wir nicht schnell genug waren um den Rückstand nach vorn nochmal zu verkleinern. Wir waren chancenlos gegen die unwiderstehliche Kraft von Sylvain Chavanel, Carlos Sastre, Stijn Devolder, Janez Brajkovic, Iban Mayo und Tyler. Das Quintett jagte dem Ziel entgegen und Tyler erzählte mir später, dass er permanent über dem Limit war. Er wüsste nicht, wie er es geschafft hat, sich immer wieder fest zu beißen. Sein unglaublicher Wille hat ihn wohl einmal mehr vor der Niederlage bewahrt – wie damals, als er vor fünf Jahren bei der Tour de France trotz gebrochenen Schlüsselbeins eine Etappe gewann und Gesamtvierter wurde. Der „härteste Moment“, so Tyler, sei gewesen, als rund 800 Meter vor dem Ziel plötzlich Simon Gerrans vor ihnen auftauchte. Die Möglichkeit dem Australier den Etappensieg noch weg zu schnappen schien Tylers Begleiter nochmal aufs Neue anzustacheln und so erfolgte ein weiterer Attackenhagel, an dessen Ende Stijn Devolder es tatsächlich schaffte, sich etwas abzusetzen.
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Ausgerechnet Devolder - der zweite der Gesamtwertung, dessen Rückstand auf Tyler lediglich sieben Sekunden betrug. Der belgische Meister jagte dem Ziel entgegen, passierte die 300 Meter Marke mit einer Lücke von etwa 20 Metern und kam immer näher an Gerrans heran. Es war klar, dass der Quick-Step-Mann Gelb übernehmen würde, wenn er sich die sechs Sekunden Zeitgutschrift für den Etappensieg holen und mit einem kleinen Vorsprung ins Ziel sprinten konnte. Tyler holte das Letzte aus seinen Beinen heraus und konnte von Glück reden, dass auch Brajkovic, Sastre, Chavanel und Mayo die Etappe noch nicht aufgegeben hatten. In ihrem Windschatten hielt er den Anschluss und gemeinsam kamen sie auf den letzten 150 Metern tatsächlich nochmal näher an Devolder heran. Der Belgier wurde immer langsamer. Seine Kräfte waren am Ende und die Beine gaben scheinbar endgültig den Geist auf. Es sah aus, als würde er einen steilen Berg hinauf sprinten, dabei war die Zielgerade topfeben. Devolder schaffte es nicht Gerrans abzufangen und wurde auf den letzten Metern sogar von seinen vier Verfolgern wieder eingeholt. Was für ein Finale! Stijn Devolder wurde vor Carlos Sastre Etappenzweiter, holte sich vier Bonussekunden und rückte somit bis auf drei Sekunden an Tyler heran – heran, aber eben nicht vorbei. Tyler rettete das Gelbe Trikot mit einem atemberaubenden Kraftakt auf den letzten fünf Kilometern einer wahnsinnig spannenden Etappe. Der Mann des Tages aber hieß Simon Gerrans. Er hatte sich bei Kilometer zehn mit acht Kameraden auf den Weg gemacht, 190 Kilometer an der Spitze absolviert und am Ende um haaresbreite den verdienten Lohn eingestrichen. Ein großartiger Etappensieg!
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Ich selbst kam 34 Sekunden später mit der ersten Verfolgergruppe als 19. ins Ziel. Dadurch konnte ich mich immerhin auf dem siebenten Gesamtplatz halten und, was mir noch wichtiger ist, vor allem das Weiße Trikot verteidigen. Remi Pauriol liegt weiterhin 27 Sekunden hinter mir und Janez Brajkovic hat 30 Sekunden Rückstand. Morgen wird es auf 131 Kilometern rund um Nizza und über vier Bergwertungen also auch für mich persönlich nochmal sehr spannend. Ich werde mit aller Macht versuchen, das Trikot zu verteidigen. Aber der winzige Vorsprung von Tyler gegenüber Devolder könnte auch bedeuten, dass ich noch mehr Kräfte für meinen Kapitän opfern muss. Devolder darf schließlich auf keinen Fall auch nur ein paar Meter vor Tyler die Ziellinie überqueren.

Ergebnis - 7. Etappe Paris-Nizza:
1 Simon Gerrans Credit Agricole 5h06'09
2 Stijn Devolder Quickstep s.t.
3 Carlos Sastre Team CSC - Saxo Bank s.t.
4 Janez Brajkovic Astana Cycling Team s.t.
5 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone s.t.
6 Tyler Hamilton Rock Racing s.t.
7 Iban Mayo Euskaltel - Euskadi s.t.
8 Sylvester Szmyd Lampre + 34
9 Joaquin Rodriguez Oliver Caisse d'Epargne s.t.
10 Rémi Pauriol Credit Agricole s.t.
...
19 Rot Rigo Rock Racing s.t.

Gesamtwertung - Paris-Nizza:
1 Tyler Hamilton Rock Racing 27h43'15
2 Stijn Devolder Quickstep + 3
3 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone + 12
4 Carlos Sastre Team CSC - Saxo Bank + 26
5 Iban Mayo Euskaltel - Euskadi + 29
6 Kim Kirchen Team Columbia + 43
7 Rot Rigo Rock Racing + 48
8 Juan José Cobo Acebo Scott - American Beef + 1'00
9 Michael Rasmussen Rabobank + 1'05
10 Sylvester Szmyd Lampre + 1'08

U25-Wertung - Paris-Nizza:
1 Rot Rigo Rock Racing 27h44'03
2 Rémi Pauriol Credit Agricole + 27
3 Janez Brajkovic Astana Cycling Team + 30

Punktewertung - Paris-Nizza:
1 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone 82
2 Stijn Devolder Quickstep 78
3 Thor Hushovd Credit Agricole 64

Bergwertung - Paris-Nizza:
1 George Hincapie Team Columbia 66
2 Alessandro Vanotti Liquigas 33
3 Simon Gerrans Credit Agricole 31


Wie schon gestern, hat unsere Iberen-Truppe auch heute wieder etwas zu feiern gehabt. Santiago Botero gewann das Einzelzeitfahren der viertägigen Santarem-Rundfahrt mit einer Sekunde Vorsprung vor Sebastien Joly und ist dadurch auf den zweiten Gesamtrang vor gerutscht. Da das morgige letzte Teilstück dort topfeben sein wird, sollte er die Position wohl auch halten können. Zwei Etappensiege und eine Podiumsplatzierung in der Gesamtwertung – was willst du mehr ASO?

Ergebnis - 3. Etappe Santarem-Rundfahrt:
1 Santiago Botero Rock Racing 26'06
2 Sébastien Joly Francaise Des Jeux + 1
3 David Herrero Llorente Karpin - Galicia + 3
4 Florent Brard Cofidis, le Credit Par Telephone + 4
5 Victor Hugo Pena Rock Racing + 9

Gesamtwertung - Santarem-Rundfahrt:
1 David Herrero Llorente Karpin - Galicia 9h23'21
2 Santiago Botero Rock Racing + 9
3 Sébastien Joly Francaise Des Jeux + 10
4 Victor Hugo Pena Rock Racing + 12
5 Florent Brard Cofidis, le Credit Par Telephone + 13


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soerenrudi
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Beitrag: # 6760049Beitrag soerenrudi
23.3.2009 - 14:57

hoffentlich kann sich Rot noch verbessern wenn er Tyler helfen muss. z. B. er muss in einer Gruppe mit um diese zu bewachen oder durch einen doppel Angriff durch Tyler und Rot!!!

$$_gibo_$$
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Beitrag: # 6760059Beitrag $$_gibo_$$
23.3.2009 - 16:00

Klasse wie lange du deine AAR jetzt schon durchziehst, mach weiter so. Macht wirklich Spaß jeden einzelnen Teil zu lesen und das Hamilton so zurück kommt freut mich, war schon immer begeistert von ihm, trotz seiner Skandale. :lol:
Ich sah den Himmel und mein eigenes Grab,
Ich feierte Siege triumphierte und verlor,
Ich starb aus Liebe.

RotRigo
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Beitrag: # 6760364Beitrag RotRigo
26.3.2009 - 17:40

16.3.2008 (Nizza) – Bis zum letzten Meter:
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Dass es eng werden würde war klar. Aber dem Groß-Angriff von gestern folgte auch heute nochmal ein Kampf bis zur letzten Sekunde. Verschnaufpausen boten sich an den letzten drei Anstiegen zum Col de la Porte, nach La Turbie und auf den Col d’Eze keine und selbst die Abfahrt ins Ziel nach Nizza war an Spannung kaum zu übertreffen. Tyler war am Morgen mit einem denkbar kleinen Polster auf die letzte Etappe gestartet, doch der geringe Vorsprung gegenüber Stijn Devolder stellte lediglich die Spitze des Eisbergs dar. Das war nicht das, was uns die größten Sorgen bereitete. Einen einzelnen Kontrahenten kann man schließlich noch relativ leicht im Auge behalten. Aber neben Devolder hatten gestern auch Chavanel, Sastre und Mayo noch ernsthafte Ansprüche auf den Gesamtsieg angemeldet und der Schlechteste von ihnen, Iban Mayo, lag ebenfalls lediglich 29 Sekunden zurück. Wenn die ProTour-Mannschaften also abwechselnd attackieren und ein ähnliches Feuerwerk abbrennen würden wie gestern, so war es die Summe der Antritte, die Tyler den Gar aus machen konnte. Davor hatten wir Angst. Zumal unser Team am Ende dieser harten Woche alles andere als frisch war. Genauer gesagt konnte Tyler im Finale eigentlich nur auf die Hilfe von mir und vielleicht noch Cesar Grajales vertrauen. Alle anderen waren froh, wenn sie den Col de la Porte noch im Hauptfeld überqueren sollten. „Hoffnung“ lautete somit die Devise. Hoffnung, dass Tyler am Schluss noch genug Kraft haben würde um allen Angriffen folgen zu können.

Dass wir als Team angreifbar waren, merkte die Konkurrenz recht schnell. Deshalb hagelte es schon auf den ersten Kilometern einige Attacken. Unter anderem versuchte Michael Rasmussen (Platz 9, + 1’05) bereits früh in eine Ausreißergruppe zu kommen. Das Kletter-Ass aus Dänemark wäre höchst gefährlich gewesen, wenn er die drei Anstiege mit etwas Vorsprung hätte in Angriff nehmen können. Aber wir hatten Glück, dass das auch die anderen Teams so sahen und uns die Arbeit abnahmen. Cofidis und Quick Step wehrten den Vorstoß von Rasmussen ab und sorgten von nun an den gesamten Tag dafür, dass das Tempo im Feld nicht einschlief.
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Eigentlich könnte man denken, dass das ein Fehler war, weil sich unsere Jungs somit schonen konnten und Rock Racing vielleicht doch noch den einen oder anderen Helfer dabei haben würde, wenn später die Post ab ging. Aber die ProTour-Späher hatten perfekte Analyse-Arbeit betrieben und die Situation richtig eingeschätzt. Egal wie wenig Arbeit wir im flachen verrichten mussten, am Berg würde fast das gesamte Team sofort zurück fallen. So kam es dann auch. Wir erreichten den Anstieg zum Col de la Porte und schon wenige Minuten später gab Ball per Funk bescheid: „Das Tempo von Cofidis und Quick Step ist zu hoch. Die Jungs kommen nicht mehr mit. Viel Glück Tyler und Rot!“ Selbst Cesar konnte nicht mehr viel für uns tun. Er schaffte es zwar noch bis zum Turbie-Anstieg vorn dabei zu bleiben, aber dann musste auch er die Segel streichen.

An der Spitze war aus der Ausreißergruppe des Tages inzwischen ein Duo geworden. Karsten Kroon und Jaroslav Popovych kurbelten gemeinsam die Berge hinauf und hofften, sich ins Ziel retten zu können. Nicht nur für CSC und Silence-Lotto wäre das gut gewesen. Auch in unserem „Hoffnungsplan“ spielten die Ausreißer eine große Rolle. Sollten sie durch kommen, so würde dahinter nur noch um zwei Bonussekunden gekämpft werden. Bei zeitgleichem Erreichen der Ziellinie konnte Devolder Tyler den Gesamtsieg somit nicht mehr streitig machen. Tyler musste „nur“ das Hinterrad des Kontrahenten halten.
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Doch auch das stellte sich schon bald als schwere Aufgabe heraus. Der Gesamtzweite hatte scheinbar erneut einen guten Tag erwischt und sprudelte nur so vor Selbstvertrauen. Demonstriert hatte er das bereits in den ersten zwei Rennstunden, als Quick Step für Tempo sorgte. Den Beweis erbrachte er aber erst jetzt. Mitten in einem kleinen Ort auf dem Weg nach La Turbie verabschiedeten sich die blau-grauen Quick-Step-Trikots urplötzlich aus der Führungsarbeit und das schwarz-gelb-rote Trikot von Devolder schoss an uns vorbei. Der belgische Meister trat so kräftig er konnte in die Pedale und brachte innerhalb von Sekunden einige Meter zwischen sich und das Feld. Ich schaute Tyler fragend an, aber unser Kapitän konnte nicht hinterher gehen. Er sah müde aus und zog die Augenbraun hoch, als wolle er mir sagen, dass er nicht wisse, was er machen sollte. Mir ging es etwas besser und so versuchte ich, Jagd auf den Flüchtigen zu machen. Ich reihte mich an der Spitze ein und war froh, dass Chavanel und die Cofidis-Truppe auch nicht unbedingt glücklich mit dem Solo-Ritt des Belgiers waren.
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Gemeinsam schraubten wir das Tempo nach oben und auf dem Weg zum Gipfel schafften wir es dann sogar, den Abstand wieder zu verkleinern. Es sah wieder besser aus! Die Abfahrt kam uns schließlich entgegen und so hatten wir Devolder noch vor dem letzten Berg des Tages wieder eingeholt. Ich atmete tief durch, lies mich wieder aus der Führung zu Tyler zurück fallen und rief ihm zu: „Glück gehabt. Das ist nochmal gut gegangen!“ Tyler nickte lediglich. Dann folgte das große Finale. Der Col d’Eze ist bei Paris-Nizza eine Institution. Jahr für Jahr fällt hier, am Hausberg von Nizza, die Entscheidung über den Gesamtsieg des Rennens zur Sonne – manchmal durch ein Bergzeitfahren, aber meistens wie heute durch eine Bergetappe mit Ziel an der Cote d’Azur. Inzwischen war deutlich geworden, dass Kroon und Popovych vorn immer noch ein ordentliches Tempo anschlagen konnten. Das Duo hatte die Möglichkeit den Lohn für seine Mühen einzusammeln und Tylers Chancen auf die Verteidigung des gelben Trikots wurden somit ebenfalls etwas größer. Die anderen spielten uns in die Karten, aber nun mussten wir auch unseren eigenen Job erledigen. Jetzt kam es auf Tylers Kraftreserven an. Der Anstieg begann.

Auch Quick Step hatte sich wieder an der Spitze des Feldes eingereiht, nachdem Devolder gestellt worden war. Somit bot sich dasselbe Bild wie bereits den gesamten Tag. Rot und Blau bolzten Tempo, während der Gelbe und der Weiße dahinter auf die Angriffe ihrer Konkurrenten warteten. Zunächst hatte ich das Gefühl, dass niemand einen Angriff wagen würde, weil dort vorn noch so viele Helfer von Chavanel und Devolder als mögliche Verfolger bereit standen, aber dann schlief das Tempo für einige Sekunden ein wenig ein. Cofidis hatte geschickt das Tempo gedrosselt um den Angriff des Kapitäns vorzubereiten – und der lies nicht lange auf sich warten. Das Grüne Trikot von Sylvain Chavanel schoss am rechten Straßenrand an mir vorbei und der Franzose eröffnete den offenen Schlagabtausch der Favoriten. Die Hilfe von Teamkollegen war nun Geschichte. Jetzt musste jeder selbst das Maximum aus sich heraus holen. Kein „Wasserträger“ dieser Welt konnte da noch mithalten.
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Außer einem – außer mir. Ich war der einzige „Helfer“, der im Reigen der Mannschaftskapitäne hinter Chavanel her jagte und so war meine Aufgabe klar: Führungsarbeit. Mit allem was ich hatte trat ich in die Pedale und irgendwann merkte ich, dass ich es tatsächlich schaffte, den Abstand zum Franzosen zu verringern. Ich drehte mich um und kontrollierte, wer noch alles dabei war. Das erste was ich sah, war das leuchtende Gelb von Tylers „Maillot Jaune“. Ich war erleichtert, dass er nun wieder besser aussah und scheinbar problemlos mein Tempo halten konnte. Dann erkannte ich meine beiden Verfolger in der U25-Wertung, Janez Brajkovic und Remi Pauriol, sowie Sylvester Szmyd und, wie sollte es anders sein, Stijn Devolder. Alle anderen hatten bereits reißen gelassen – sogar das Kletter-Ass Carlos Sastre, der uns am Ventoux noch so zugesetzt hatte. Zu sechst kamen wir nun also immer näher an Chavanel heran und als ich kurz etwas langsamer wurde, war ich freudig überrascht, dass Szmyd und Brajkovic nun sogar bereit waren, mir zu helfen. Chavanels Vorsprung schmolz weiter und kurz vor dem Gipfel erreichten wir schließlich sein Hinterrad. Auch der zweite Angriff auf Gelb war abgewehrt! In der Abfahrt lies ich es zunächst einfach rollen und holte bei Ball einige Informationen ein: Unser Vorsprung zur nächsten Gruppe um Cobo Acebo, Rasmussen, Mayo, Dessel, Tschopp und Joaquin Rodriguez betrug gut 30 Sekunden und das Spitzen-Duo Popovych-Kroon hatte die Bergwertung ebenfalls ein gutes Stück vor uns überquert.

Es sah gut für uns aus und so langsam begann auch in meinem Kopf die Rechnerei. An einen Angriff dachte ich angesichts meiner nicht optimalen Abfahrts-Künste natürlich nicht, aber allein die Tatsache, dass Mayo, Sastre und Kirchen nicht mehr bei uns waren löste gewisse Glücksgefühle bei mir aus. Ich würde mich in der Gesamtwertung noch einmal verbessern. Die Top-Fünf waren in Reichweite und wenn ich Brajkovic und Pauriol nicht mehr gewähren lies, so war mir auch das Weiße Trikot nicht mehr zu nehmen. Noch waren es allerdings ein paar Kilometer bis ins Ziel und auch wenn es sich dabei größtenteils um eine Abfahrt handelte, zehn Kilometer sind zehn Kilometer. Man kann schließlich nie wissen, wie verrückt die Konkurrenten sind. Vielleicht setzt einer in der Abfahrt sein Leben aufs Spiel um doch noch die entscheidenden Sekunden gut zu machen? Tyler und ich waren auf der Hut.
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Aber wir hatten nochmal Glück: Keiner unserer fünf Begleiter war dumm genug um hier volles Risiko zu gehen und so erreichten wir Nizza zu siebt. Was nun folgte waren knapp zwei Kilometer an der Strand-Promenade entlang zum Ziel. Ich erinnerte mich an gestern und fixierte das Hinterrad von Devolder. Zwar kam mir der Belgier bei einer solchen Zielankunft nicht ganz so gefährlich vor, wie Chavanel, doch Devoler musste schließlich nur ein kleines Loch von zwei Sekunden reißen um Tyler noch abfangen zu können. Ich biss mich fest und zog Tyler in meinem Windschatten mit. Devolder sollte keine Gelegenheit bekommen, hier nochmal aus dem Hinterhalt anzugreifen. Während Jaroslav Popovych an der Spitze als Solist die Ziellinie überquerte und einige Sekunden später auch sein Langzeitbegleiter Kroon, den er kurz vor der Bergwertung am Col d’Eze hatte stehen lassen, das Rennen beendete, kämpften wir hier hinten um Rang 3 als sei es der Etappensieg.

Ich schaffte es tatsächlich, Stijn Devolder die Lust auf eine Attacke zu nehmen, doch dann war es eben doch nochmal Chavanel, der sein Glück versuchte. Der Franzose kam rund 800 Meter vor dem Ziel von ganz hinten angeflogen und preschte davon. Ball wurde am Funkgerät panisch: „Hinterher Jungs! Gebt alles! Ihr müsst ihn holen! Der hat kaum Rückstand! Der darf kein Loch reißen! Los! Los! Los…“ Das Einzige, was da noch half, war das Herausreißen der Ohrstöpsel. Tyler und ich wussten ganz genau, wie gefährlich Chavanel war und natürlich gaben wir längst alles. Wir wollten den Gesamtsieg schließlich genauso wie unser Chef! Noch ein letztes Mal spannte ich mich vor die Gruppe und spielte all meine Zeitfahrqualitäten aus. Der Vorsprung wurde nicht mehr größer, aber ich konnte Tyler auch nicht mehr näher an den Franzosen heran führen. Chavanel war stark, bärenstark! Der Franzose sprintete als Etappendritter über den Zielstrich, strich zwei Sekunden Zeitbonifikation ein und drehte sich sofort um. Wieviel Zeit sollte verstreichen, bis wir über die Ziellinie flogen? Nicht viel! Definitiv nicht viel! Zwar hatte Chavanel einige Meter Vorsprung nach Hause gebracht, aber die Sekundenzahl war zu gering. Da war es mir auch egal, dass Pauriol auf den letzten Metern noch an mir vorbei auf Rang vier sprintete: Wir hatten Gelb und Weiß verteidigt! Perfekt!
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Bei der Siegerehrung überraschte uns die ASO dann ein wenig, als bekannt wurde, dass Chavanels Vorsprung sogar als irrelevant gewertet wurde. Wir bekamen dieselbe Zeit wie der Franzose zugesprochen und so blieb auch Devolder noch auf Rang zwei. Ehrlich gesagt kann ich das nicht ganz verstehen. Chavanel war eindeutig vor uns im Ziel. Ein Kontakt zur Gruppe war keineswegs zu erkennen. Eine komische Entscheidung zumal den Franzosen ja eigentlich nachgesagt wird, sie würden die einheimischen Rennfahrer bevorzugen. Aber vielleicht hatte man im Organisationsbüro genau vor diesem Vorurteil Angst. Wer weiß das schon…

Ergebnis – 8. Etappe Paris-Nizza:
1 Yaroslav Popovych Silence - Lotto 3h29'51
2 Karsten Kroon Team CSC - Saxo Bank + 55
3 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone + 2'01
4 Rémi Pauriol Credit Agricole s.t.
5 Rot Rigo Rock Racing s.t.
6 Tyler Hamilton Rock Racing s.t.
7 Stijn Devolder Quickstep s.t.
8 Sylvester Szmyd Lampre s.t.
9 Janez Brajkovic Astana Cycling Team s.t.
10 Juan José Cobo Acebo Scott - American Beef + 2'50

Endstand – Gesamtwertung Paris-Nizza:
1 Tyler Hamilton Rock Racing 31h15'07
2 Stijn Devolder Quickstep + 3
3 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone + 10
4 Rot Rigo Rock Racing + 48
5 Sylvester Szmyd Lampre + 1'08
6 Rémi Pauriol Credit Agricole + 1'15
7 Janez Brajkovic Astana Cycling Team + 1'18
8 Juan José Cobo Acebo Scott - American Beef + 1'49
9 Michael Rasmussen Rabobank + 2'00
10 Iban Mayo Euskaltel - Euskadi + 2'13

Endstand – Punktewertung Paris-Nizza:
1 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone 102
2 Stijn Devolder Quickstep 92
3 Thor Hushovd Credit Agricole 64
4 Stefan Schumacher Gerolsteiner 63
5 Rémi Pauriol Credit Agricole 61

Endstand – Bergwertung Paris-Nizza:
1 George Hincapie Team Columbia 66
2 Alessandro Vanotti Liquigas 33
3 Simon Gerrans Credit Agricole 31
4 Yaroslav Popovych Silence - Lotto 28
5 Karsten Kroon Team CSC - Saxo Bank 24

Endstand – U25-Wertung Paris-Nizza:
1 Rot Rigo Rock Racing 31h15'55
2 Rémi Pauriol Credit Agricole + 27
3 Janez Brajkovic Astana Cycling Team + 30
4 Johann Tschopp Bouygues Télécom + 2'06
5 Igor Anton Hernandez Euskaltel - Euskadi + 4'58


Übrigens hat Rahsaan Bahati die Santarem-Rundfahrt mit einem weiteren Etappensieg für Rock Racing abgeschlossen. Saisonsieg Nummer 17. Die Tour-Bewerbung läuft und nach dem heutigen Tag bin ich mehr als zuversichtlich, dass wir dabei sein werden!

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Gerrit
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Beitrag: # 6760462Beitrag Gerrit
27.3.2009 - 18:07

Gratulation zum Sieg. War wirklich bis auf die letzte Sekunden spannend und klasse das Rot noch Vierter in der Gesamtwertung wurde.

gnobi
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Beitrag: # 6761541Beitrag gnobi
6.4.2009 - 12:06

Super AAR :!: :!: :!:

Gerrit
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Beitrag: # 6763441Beitrag Gerrit
23.4.2009 - 19:26

Wann geht es weiter RotRigo ?

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soerenrudi
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Beitrag: # 6763549Beitrag soerenrudi
24.4.2009 - 19:30

Es macht wirklich Spaß noch einmal in die Vergangenheit zu reisen und sich die Anfänge von Rot ließt!

RotRigo
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Beitrag: # 6764861Beitrag RotRigo
2.5.2009 - 15:35

24.3.2008 (Köln) – Heimatboden:
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Seit Beginn meiner Karriere habe ich ein besonderes Verhältnis zu Rennen auf deutschem Boden. Ich habe dort eigentlich immer recht gut abgeschnitten und hatte stets das Gefühl plötzlich über ein paar Körner mehr zu verfügen. Ein gutes Beispiel dafür ist Rund um Köln. Bei meiner ersten Teilnahme im Jahr 2005 konnte ich prompt den Sieg feiern und als ich 2006 als 13. ins Ziel kam, lag das lediglich daran, dass ich nicht in den roten Bereich gehen wollte – schließlich gewann mit Ronny Scholz damals ohnehin einer meiner Teamkollegen. Und auch heute hat der rheinländische Frühjahrsklassiker neue Kräfte in mir freigesetzt. Ich fühlte mich schon vor dem Start quicklebendig und holte mir bei der Teamleitung eine Sondergenehmigung um meine Form testen zu dürfen. „Tu was du für richtig hältst, aber bau keinen Scheiß!“, gab mir Michael Ball mit auf den Weg. Das war quasi ein Freifahrt-Schein!

Bremsen konnte mich in all meiner Euphorie noch nicht einmal das Strecken-Profil. Rund um Köln war in diesem Jahr nicht so wellig wie bisher, sondern glich viel mehr einer typischen Sprinter-Etappe bei der Tour de France – 203 Kilometer und fast topfeben. Eigentlich war ein Ausreißversuch von einer Gruppe an einem solchen Tag zum Scheitern verurteilt. Aber ich ließ mich nicht entmutigen. Ich hatte meinen Entschluss gefasst: Ich wollte heute attackieren! So fuhr ich den gesamten Tag in den vorderen Reihen des Feldes umher und wartete auf den richtigen Moment. Den Moment in dem alle für einige Zeit die Beine hängen lassen, das Tempo einschläft und man sich problemlos absetzen kann. Und tatsächlich: Dieser Moment kam. Bei Kilometer 140, also ziemlich genau 63 Kilometer vor dem Ziel tat sich plötzlich eine kurze Rampe vor uns auf. Ich schaute mich um und blickte in erschrockene Gesichter. Große Begeisterung war bei niemandem zu erkennen – außer bei mir. Ich freute mich wie ein Schneekönig, ging aus dem Sattel und trat beherzt an. Problemlos flog ich der Konkurrenz davon, riss ein immer größer werdendes Loch und verabschiedete mich schließlich komplett aus dem Sichtfeld des Pelotons.
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Aber ich hatte mich übernommen. 60 Kilometer allein im Wind gegen ein Feld, das größtenteils an einem Massensprint interessiert ist, sind kein Zuckerschlecken. Ich biss auf die Zähne und versuchte ein Einzelzeitfahren der Extraklasse zu absolvieren, aber je schneller ich fuhr und je mehr ich mich anstrengte, desto heftiger traten wohl auch die Jungs hinter mir in die Pedale. Sie hielten mich an der langen Leine und ließen mich schließlich zehn Kilometer vor dem Ziel verhungern. Es war ein schreckliches Gefühl, völlig ausgelaugt ins Feld zurück zu fallen und von allen angeschaut zu werden, als sei ich ein dummer Anfänger. Ich hatte mich völlig verausgabt und die Jungs, die jetzt doch wieder an meiner Seite fuhren, schienen tatsächlich noch volle Akkus zu haben. Michael Ball meldete sich per Funk: „Ich hoffe du hast nicht zu viele Kräfte vergeudet, Rot. Schön, dass du dich und uns vorn präsentiert hast, aber lieber wäre es mir, wenn du nachher im Sprint noch die Kräfte hättest um Mario zu unterstützen. Schaffst du das?“ „Nein“, dachte ich. Es war unmöglich, jetzt noch einen Sprint anzuziehen. Dennoch musste ich meinem Chef beweisen, dass ich keine Dummheit begangen hatte. „Klar, Michael. Ich fahre zu Mario.“, antwortete ich also. Letztlich war es kein großes Wunder, dass ich auf dem letzten Kilometer keine Hilfe für Mario mehr war. Ich konnte ihn nicht unterstützen und verabschiedete mich viel zu früh aus dem Wind. Mario schaute mich verdutzt an, suchte sich dann aber sofort ein neues Hinterrad und während ich mich immer weiter zurück fallen ließ, zeigte unser Sprint-Star mal wieder, was in seinen alten Beinen noch alles drin steckt. Obwohl er sich mitten in der heißen Phase umorientieren musste, fand er mit Olaf Pollack einen idealen unfreiwilligen Anfahrer und sprintete dem Sieg entgegen. Er lag klar an der Spitze, riss die Arme hoch und feierte den Sieg noch bevor er die Linie überquert hatte. Doch dann geschah es. Links neben ihm kam plötzlich ein junger Deutscher aus dem Team 3C-Gruppe heran geflogen. Dennis Pohl schob auf den letzten Metern sein Vorderrad am feiernden Mario vorbei und schnappte dem Großmeister den Sieg weg. Ein weiteres mal blieb dem Italiener nichts anderes übrig, als verdutzt zur Seite zu schauen. Der sichere Sieg war weg!
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Später im Mannschaftswagen machte sich die gesamte Mannschaft einen Spaß daraus, Mario wegen dieser Szene aufzuziehen. Aber unser Kapitän war nicht zu Späßen zumute. Er war angefressen: „Wenn ihr mir den Sprint anständig angezogen hättet, dann wäre das nicht passiert!“, blaffte er zurück und schien dabei vor allem mich im Auge zu haben. Ich sparte mir den Kommentar. Schließlich war Mario ohnehin schon angefressen hier angereist, nachdem unser Team letztendlich doch nicht zu „seiner Primavera“ eingeladen worden war. Mario wollte in San Remo gewinnen und stattdessen wurde er heute in Köln düpiert. Klar, dass er keine gute Laune hat!

Ergebnis – Rund um Köln:
1 Dennis Pohl Team 3C-Gruppe 5h00'44
2 Mario Cipollini Rock Racing s.t.
3 Marcel Sieberg Team Columbia s.t.
4 Bert Grabsch Team Columbia s.t.
5 Peter Velits Team Milram s.t.
...
95 Rot Rigo Rock Racing s.t.

Ergebnis – Mailand-San Remo:
1 Alessandro Petacchi Team Milram 6h10'23
2 Daniele Benatti Liquigas s.t.
3 Tom Boonen Quick Step s.t.
4 Paolo Bettini Quick Step s.t.
5 Thor Hushovd Credit Agricole s.t.
6 Robbie McEwen Silence-Lotto s.t.
7 Erik Zabel Team Milram s.t.
8 Gerald Ciolek Team Columbia s.t.
9 Gert Steegmans Quick Step s.t.
10 Filippo Pozzato Liquigas s.t.

Endstand - Tirreno-Adriatico:
1 Marzio Bruseghin Lampre 25h08'18
2 Markus Fothen Gerolsteiner + 9
3 Jose Ivan Gutierrez Palacios Caisse d'Epargne + 39
4 Samuel Sanchez Gonzalez Euskaltel + 51
5 Alessandro Ballan Lampre + 1'09

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Lifetec
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Beitrag: # 6767335Beitrag Lifetec
15.5.2009 - 14:14

Schön, dass es diesen AAR noch immer gibt! :D

Habe sicherlich mittlerweile einen riesigen Leserückstand angesammelt, aber in ruhigen Stunden werde ich sicherlich das ein oder andere nachholen.

Großes Lob, Rot! :)

thegarminteam
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Beitrag: # 6770388Beitrag thegarminteam
30.5.2009 - 18:19

RotRigo hofentlich gehts weiter habe fast seit einen Monat nichts mehr geört..

ES IST EIN SUPER AAR!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
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THE BEST

RotRigo
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Beitrag: # 6770983Beitrag RotRigo
4.6.2009 - 10:47

31.3.2008 (Darmstadt) – Wenig Begeisterung:
Als ich heute einen Anruf von Michael Ball bekam und mein Chef mir mitteilte, welche Rennen er im April für mich vorgesehen hat, war ich wenig begeistert. Aus meiner Zeit bei Gerolsteiner war ich es gewohnt, dass echte Klassiker-Spezialisten im Team standen und ich somit nicht für eben jene Rennen gebraucht wurde. Ich war sehr froh über diesen Zustand, denn während mir die Ardennen ja noch gefallen könnten – dort war ich auch schon einmal in Lüttich am Start – habe ich für die Kopfsteinpflaster-Rennen nun wirklich überhaupt nichts übrig. Die Verletzungsgefahr ist enorm hoch und auf dem holprigen Untergrund komme ich einfach nicht zurecht. Ein gutes Ergebnis werde ich dort nicht erzielen, aber meine Gesundheit gefährde ich schon allein durch die Teilnahme. Trotzdem: Ball wollte mich in Flandern und Roubaix sowie bei Gent-Wevelgem am Start sehen. „Wenn wir schon die Möglichkeit haben durch eine Wildcard dort zu starten, dann müssen wir uns auch präsentieren. Ich erwarte von dir, dass du alle drei Rennen zu Ende fährst – so gut es geht.“ Widerrede war zwecklos, der Chef hatte gesprochen.
Doch damit nicht genug. Die Enttäuschungen der vergangenen Woche sind noch umfassender. Wir haben eine Absage bezüglich der Wildcard beim Giro d’Italia erhalten. Alle Connections von Mario Cipollini haben erneut nichts gebracht – wir kommen bei der RCS-Media-Group, dem Giro-Veranstalter, einfach auf keinen grünen Zweig. Zwar macht die Einladung nach Roubaix Mut, dass die ASO uns auch für Juli im Auge hat, doch unsere Bewerbungsmappe wäre sicher noch eindrucksvoller geworden, wenn wir im Mai bei einer dreiwöchigen Rundfahrt am Start gestanden hätten. Stattdessen müssen wir jetzt versuchen bei kleinen Rundfahrten zu punkten – und eben im April bei den Klassikern. Da hat Ball mir was eingebrockt: Ich muss nicht nur die ungeliebten Rennen fahren, sondern dort auch noch um unser Tour-Ticket kämpfen. Ich hasse ihn dafür!
Ich beneide Tyler darum, dass er stattdessen die gewohnte Runde über die Baskenland-Rundfahrt und den zweiten Saison-Höhepunkt von Rock Racing, die Tour de Georgia, drehen darf. Ich hingegen werde im April lediglich an sechs Eintagesrennen teilnehmen, von denen ich die Hälfte hasse und für deren zweite Hälfte man viel Erfahrung braucht um erfolgreich zu sein. Aber wenigstens kann man bei Amstel Gold Race, Fleche Wallone und Lüttich-Bastogne-Lüttich davon ausgehen, dass man gesund im Ziel ankommt. Wenn ich hingegen Roubaix überstanden habe, dann mache ich drei Kreuze im Kalender.
Wenigstens sportlich verlief die letzte März-Woche allerdings einigermaßen zufriedenstellend. Bei der Vuelta Castilla Leon belegte Santiago Botero den fünften Rang in der Gesamtwertung und einen Tag später konnte Oscar Sevilla das spanische Eintagesrennen GP Llodio gewinnen. Der 18. Saisonsieg für Rock Racing – eine gute Zahl.

Endstand - Vuelta Castilla Leon:
1 Janez Brajkovic Astana Cycling Team 15h00'08
2 Amaël Moinard Cofidis, le Credit Par Telephone + 29
3 Juan Mauricio Soler Barloworld + 39
4 David Zabriskie Garmin Chipotle presented by H30 + 48
5 Santiago Botero Rock Racing + 49


Ergebnis - GP Llodio:
1 Oscar Sevilla Rock Racing 4h18'26
2 Niklas Axelsson Serramenti PVC Diquigiovanni s.t.
3 David De la Fuente Scott - American Beef s.t.
4 David Herrero Llorente Karpin - Galicia s.t.
5 Candido Barbosa Benfica s.t.

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RotRigo
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Beitrag: # 6771146Beitrag RotRigo
6.6.2009 - 0:03

6.4.2008 (Meerbeke) – Von Hellingen, Geerards-Bergen und einer Kapelle:
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Wenn man sich an neue Aufgaben heran wagt, dann soll man optimistisch sein. Man soll versuchen, das gute darin zu sehen und schon wird einem alles viel angenehmer und leichter vorkommen. So stand ich heute Morgen in Brügge bei Nieselregen und empfindlich kalten 2° Celsius auf dem „Großen Markt“ und wartete auf den Startschuss zu meiner ersten Flandern-Rundfahrt. Zusätzlich zu den ungeliebten Pflastersteinen hatte Petrus mir auch noch das absolut unangenehmste Wetter vorgesetzt, dass man sich vorstellen kann – mir dem Schön-Wetter-Fahrer! Da fiel es schwer noch optimistisch zu sein, aber ich gab mir wirklich Mühe. Der große Vorteil der Flandern-Rundfahrt im Vergleich zu anderen Klassikern ist, dass man zunächst knapp 150 Kilometer Zeit hat um sich einzurollen. Hier passiert meistens recht wenig, die Straßen sind asphaltiert und das Gelände flach. Gerade bei diesem Wetter kam mir das sehr entgegen: Warm fahren war angesagt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Bis zur ersten der 17 kurzen steilen Rampen, die man hier „Hellinge“ nennt, ging das auch ganz gut. Ich fand mich im Feld gut zurecht und konnte mich zwischenzeitlich sogar gut unterhalten. Auch Fabian war am Start. Die Stimmung wurde besser und die Temperatur kletterte sogar über die 5-Grad-Marke – wow! Bis dahin war es eigentlich ein ganz normales Sprinter-Rennen bei schlechtem Wetter. Doch dann ging es los. Die Spitzen-Teams Lampre, CSC, Quick Step und Rabobank ballerten mit voller Kraft über die ersten beiden Hellinge hinweg und in den dritten hinein. 40 Kilometer lang hatte ich keine Chance mich umzusehen, sondern war einzig und allein damit beschäftigt, den Anschluss zu halten. Helling 3 und 4 überstand ich irgendwie in der ersten Gruppe und dann wurde es plötzlich ruhig. Die Tempomacher nahmen kurzzeitig die Beine hoch und schauten sich um. Die erste Selektion war durchgeführt und man hatte das Gefühl, dass die Jungs zunächst nur das Ziel hatten, den unnötigen Ballast im Feld los zu werden – die Fahrer, die das Feld groß und den Weg zum Mannschaftswagen lang machten. Der Plan war aufgegangen. Unsere Gruppe umfasste schon jetzt nur noch knapp 50 Mann und war leicht zu überblicken. Außer mir war nur noch ein anderer Rock-Racer dabei: Fred Rodriguez – unser routinierter Amerikaner, der hier zwar eigentlich auch keine Chance hatte, zumindest aber die Abläufe bereits kannte und über viel Erfahrung verfügte. Ich hielt mich an ihn. „Rot, das ist jetzt die Ruhe vor dem Sturm. In wenigen Minuten erreichen wir Helling Nummer 5, den Koppenberg. Da geht dann richtig die Post ab.“, erklärte er mir. Ich war wenig begeistert. Die letzten 50 Kilometer hatten mir eigentlich schon gereicht. Leider hatte Fred recht. Der Koppenberg kam und die Hetzjagd begann von neuem. Diesmal sollten nicht nur lästiger Ballast, sondern wenn möglich auch die ersten Mit-Favoriten abgeschüttelt werden. Da ich dazu mit Sicherheit nicht zu zählen war, konnte es keine Schande sein, nun reißen zu lassen. Ich tat es.
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Allerdings muss ich gestehen, dass ich nicht versuchte Kräfte zu sparen. Ich konnte das Tempo auf den Kopfsteinpflaster-Anstiegen einfach nicht mehr mitgehen. Ich hatte zwar noch Reserven, aber meine Muskeln konnten nicht genug abrufen um zu folge. Das war ein klares Zeichen: Erstens bin ich noch nicht in Top-Form und zweitens komme ich mit diesem Untergrund einfach nicht zurecht. 75 Kilometer hatte ich nun noch zu absolvieren und ich nahm mir vor mein Bestes zu geben um Ball zufrieden zu stellen. Außerdem war das die einzige Möglichkeit um den Körper „heiß“ zu halten und bei der Kälte nicht zu erfrieren. Mein Gemütszustand schwankte auf den restlichen Kilometern trotzdem ständig. Im Anstieg hatte ich Schmerzen und mir wurde heiß, also wünschte ich mir ein flaches Stück oder eine Abfahrt herbei – ohne Kopfsteinpflaster natürlich. Erreichte ich aber eine Abfahrt, so wurde mir unglaublich kalt und ich wünschte mich zurück in den Anstieg. Kurz: Egal wo ich war, ich wollte woanders sein. Trotzdem fand ich irgendwann einen Rhythmus, der mir das Gefühl gab, es bis ins Ziel von Meerbeke zu schaffen. Und dieser Rhythmus war scheinbar gar nicht so schlecht. Einige Kilometer später schloss ich am Ende eines Hellings zu einer Gruppe auf, in der sich auch Fred befand. Das machte mir Mut und plötzlich meldete sich auch der bisher sehr stille Ball über den Funk: „Rot das machst du gut. Halte den Kontakt zu dieser Gruppe. Fred ist ziemlich fertig. Er wird dir nicht wirklich helfen können.“ Was mich jedoch viel mehr interessierte als Freds körperliche Verfassung war die Entfernung zum Ziel. „Noch 50 Kilometer, 7 Anstiege.“, lautete die knappe, aber präzise Antwort. Uff! Ich schaute zu Fred hinüber und fühlte mich plötzlich genauso schlecht wie der Amerikaner. Erst die Hälfte der Helling-Jagd war überstanden und den Erzählungen nach folgten die schwersten Anstiege erst noch. Überhaupt: Je länger dieses Rennen dauert, desto schwerer werden die Anstiege. Egal ob sie flacher werden oder steiler, mit jedem Kilometer sind sie schwerer.

An der Spitze hatte sich inzwischen endgültig die Spreu vom Weizen getrennt. Leif Hoste, Tom Boonen und Stijn Devolder konnten sich am Leberg von ihren Konkurrenten absetzen und pedalierten nun zu dritt dem Ziel entgegen. Als ich die Bilder später im Fernsehen sah war ich verblüfft, wie einfach das scheinbar ging. Über Berendries, Valkenberg und Tenbosse hinweg blieb das Trio an der Spitze. Aber am drittletzten Helling, dem Eikenmolen setzte Stijn Devolder eine Attacke, der Teamkollege Boonen zunächst nicht folgen wollte und Hoste nicht folgen konnte. Devolder war auf und davon. Der belgische Meister jagte allein dem Ziel entgegen und brachte auch den Anstieg zur Kapelle an der Mauer von Geerardsbergen problemlos hinter sich. Am Bosberg war schließlich klar, dass ihn niemand mehr einholen würde und am Ende brachte Devolder tatsächlich einen Vorsprung von knapp 2 Minuten ins Ziel. Wahnsinn!
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Boonen und Hoste wurden von der ersten Verfolgergruppe noch zurück geholt und belegten am Ende die Plätze fünf und sechs. An der „Kapelmuur“ fehlte ihnen einfach die Kraft, die sie zuvor während ihrer Flucht verschleudert hatten um an Ballan, Flecha und Pozzato dran bleiben zu können.

Etwa 10 Minuten nach Devolder näherte auch ich mich endlich Geerardsbergen. Der kleine Ort war trotz des miserablen Wetters bis zum Rand gefüllt mit Zuschauern und im Anstieg zur Kapelle peitschte nicht nur der inzwischen stärkere Regen von oben, sondern auch die Anfeuerungs-Rufe der flämischen Radsport-Enthusiasten von der Seite auf uns ein. Es war ein Gänsehaut-Feeling wie im Schlussanstieg einer wichtigen Tour-de-France-Etappe. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, wie toll es für Devolder gewesen sein muss hier zwischen den Zuschauern hinauf zu jagen, doch dann erinnerte mich der Schmerz in meinen Beinen sofort wieder daran, dass ich nicht zum Träumen hier war. Ich würde gern davon erzählen, dass ich im Anstieg an den Ventoux, den Galibier, den Tourmalet oder was weiß ich welche großen Pässe gedacht habe, doch es war einfach nicht so. Die Stimmung war schließlich nicht wirklich romantisch. Trotzdem: Ich hatte es fast geschafft. Der Bosberg stellte schließlich kein großes Hindernis mehr dar. Die Vorfreude auf die Ziellinie und die Wärme des Mannschaftsbusses war so groß, dass es mir wirklich leicht viel, diesen letzten Anstieg hinauf zu fahren. In der Abfahrt ließ ich es dann nur noch rollen. Es war mir egal, auf welchem Platz ich das Ziel erreichte – hauptsache ich war da. Meerbeke erreicht, Aufgabe erfüllt. Es war schrecklich, aber es ist schön endlich hier zu sein. Einer von drei Kopfsteinpflaster-Klassikern liegt hinter mir und ich bin noch nicht gestürzt. Toi toi toi!
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Ergebnis – Flandern-Rundfahrt:
1 Stijn Devolder Quickstep 6h50'44
2 Alessandro Ballan Lampre + 1'51
3 Juan Antonio Flecha Rabobank + 2'30
4 Filippo Pozzato Liquigas s.t.
5 Tom Boonen Quickstep + 3'31
6 Leif Hoste Silence - Lotto s.t.
7 Johan Van Summeren Silence - Lotto s.t.
8 Karsten Kroon Team CSC - Saxo Bank + 4'25
9 George Hincapie Team Columbia + 5'22
10 Staf Scheirlinckx Cofidis, le Credit Par Telephone s.t.
11 Andreas Klier Team Columbia + 5'51
12 Stuart O'Grady Team CSC - Saxo Bank + 6'17
13 Kurt-Asle Arvesen Team CSC - Saxo Bank s.t.
14 Greg Van Avermaet Silence - Lotto + 6'54
15 Paolo Bettini Quickstep s.t.
...
41 Rot Rigo Rock Racing + 13'26

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RotRigo
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Beitrag: # 6771792Beitrag RotRigo
11.6.2009 - 22:57

9.4.2008 (Wevelgem) – Der Wind, der Wind das höllische Kind:
In Flandern habe ich vor drei Tage meine ersten Erfahrungen mit den Nord-Klassikern gesammelt. Ich belegte Rang 41 und war bei gerade mal 5 Grad Celsius und Dauer-Regen froh gesund im Ziel angekommen zu sein. Unter diesen Umständen war ich sogar mit der mittelmäßigen Platzierung ziemlich zufrieden. Heute stand in Belgien bereits mein zweiter Versuch auf dem Programm und als ich heute Morgen in Gent am Start stand, war ich mir sicher ein besseres Rennen fahren zu können, als noch am vergangenen Wochenende. Erstens zeigte das Thermometer 10 Grad mehr an, zweitens war die Strecke 50 Kilometer kürzer und deutlich weniger profiliert und drittens beschränkten sich die Pflaster-Abschnitte auf wenige Kilometer in der Mitte des Parcours. Warum sollte ich hier nicht vorn mitmischen können? Klar, in Wevelgem kommt es oft zum Sprint einer großen Gruppe und im Sprint würde ich wohl kaum gewinnen, aber eine Top-20-Platzierung sollte allemal drin sein.

Doch dann kam alles ganz anders. Das Rennen begann und man hatte vom Start weg das Gefühl, dass die Distanz von 200 Kilometern den Klassiker-Jägern zu kurz erschien. Die Jungs, die in Flandern und Roubaix nach 250 Kilometern noch den nötigen Punch besitzen um das Rennen zu entscheiden, hatten Angst auf der kürzeren Strecke zu viele Konkurrenten mit ins Ziel zu schleifen. Also gab man von Beginn an Vollgas und machte das Rennen schwer. Schon bei Kilometer 20 war das Feld weit in die Länge gezogen und wenn man in diesem Moment den Fernseher angeschaltet hätte, hätte man wohl geglaubt, dass gerade die Vorbereitungen auf einen Massensprint laufen. Wir waren wie an einer Perlenkette aufgereiht und ständig versuchte jemand durch einen kurzen Sprint wieder einige Positionen gut zu machen.
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Ich kam mir vor wie im falschen Film und staunte nicht schlecht als nach 100 Kilometern das passierte, wovon ich jetzt weiß, dass darauf schon den ganzen Tag alle gewartet hatten: Der Wind blies von der Seite, es entstand eine Windkante und das Feld zerfiel urplötzlich in mehrere Gruppen. Ich hatte auf Grund der Strapazen von Flandern und wegen meiner noch nicht erreichten Top-Form schon auf den ersten 100 Kilometern nicht die nötigen Kräfte gehabt um in den vorderen Teil des Feldes zu sprinten und so war auch jetzt nicht daran zu denken nochmal nach vorn zu kommen. Die Löcher zwischen den Gruppen wurden größer und ich verschwand irgendwo im Nirgendwo. Das Rennen war gelaufen bevor ich seinen eigentliche Anfang erwartet hatte. 75 Kilometer vor dem Ziel nahm ich schließlich die Beine hoch und rollte in der letzten Gruppe nur noch mit – was für ein Desaster! Trotzdem wollte ich nicht vom Rad steigen und Ball hätte mir eine solche Entscheidung wahrscheinlich auch nicht verziehen. Zwar war mir die Meinung meines Teamchefs seit seiner Entscheidung mich bei den Klassikern einzusetzen sowieso ziemlich egal, doch irgendwie war ich doch auf ihn angewiesen. Schließlich war er mein Geldgeber und schließlich wollte ich auch noch im Team sein, wenn Rock Racing im Juli bei der Tour de France starten würde. Ich tat also nur noch das Nötigste, kämpfte mich aber tapfer bis ins Ziel durch und belegte schließlich den sagenhaften 148. Platz – 24 Minuten hinter dem Sieger. Lediglich sieben Fahrer kamen nach mir in Wevelgem an.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Siegerehrung längst stattgefunden und die belgischen Journalisten scharten sich längst um ihre Helden des Tages: Die Quick-Steps. Zunächst hatten 30 Kilometer vor dem Ziel zwar Alessandro Ballan, Vladimir Gusev und Juan-Antonio Flecha versucht, dem dominanten Team aus Belgien ein Schnippchen zu schlagen, doch die Truppe von Lefevre schien einfach nur abzuwarten, bis ihr Chef den Startschuss gab. 10 Kilometer vor dem Ende war es dann soweit. Stijn Devolder attackierte die erste Verfolgergruppe und schloss die Lücke zur Spitzengruppe innerhalb von Sekunden. Der Flandern-Sieger, der heute im Trikot des ProTour-Spitzenreiters ins Rennen gegangen war, wirkte erneut wie von einem anderen Stern und schien die Spitzengruppe im Alleingang auseinander nehmen zu können. Ballan, Flecha und Gusev wollten ihm den Sieg allerdings nicht auf dem Silber-Tablett servieren und weigerten sich kurzzeitig Tempo-Arbeit zu machen. Das Tempo schlief ein und von hinten kamen die Verfolger wieder näher.
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Dann offenbarte sich die tatsächliche Taktik, die sich Patrick Lefevre ausgedacht hatte. Devolder diente lediglich als Bremsklotz für die Spitzenreiter und perfektes Sprungbrett für Tom Boonen. Kaum waren die Verfolger auf Tuchfühlung gekommen nahm nämlich auch der hinten reiß aus, spurtete an Devolder und dessen verdutzten Begleitern vorbei und lag vier Kilometer vor Schluss plötzlich allein in Front. In Windeseile hatte er einen ordentlichen Vorsprung heraus gefahren und als man sich hinten endlich einigen konnte, ihn zu verfolgen, war es auch schon zu spät. Boonen fuhr den Sieg problemlos nach Hause und der Italiener Ballan belegte wie schon am Sonntag den undankbaren zweiten Rang. Der zweite Streich für Quick Step, die zweite Lehrstunde für mich.
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Ergebnis:
1 Tom Boonen Quickstep 5h13'53
2 Alessandro Ballan Lampre s.t.
3 Thor Hushovd Credit Agricole s.t.
4 George Hincapie Team Columbia s.t.
5 Stijn Devolder Quickstep s.t.
6 Fabian Cancellara Team CSC - Saxo Bank s.t.
7 Juan Antonio Flecha Rabobank s.t.
8 Andreas Klier Team Columbia s.t.
9 Nick Nuyens Cofidis, le Credit Par Telephone s.t.
10 Greg Van Avermaet Silence - Lotto + 1'23
...
148 Rot Rigo Rock Racing + 24'04

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sciby
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Beitrag: # 6771793Beitrag sciby
11.6.2009 - 23:16

Der vorletzte Screen von Flandern ist genial. Einfach traumhaft. Sollte als der beste Screenshot aller Zeiten in die geschichte einfahren
Ex-Profi Cédric Vasseur via Twitter: "Der Radsport wurde wieder einmal vor der ganzen Welt lächerlich gemacht...Bravo!!!"

RotRigo
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Beitrag: # 6771970Beitrag RotRigo
14.6.2009 - 0:57

12.4.2008 (Paris) – Einer noch:

Mein persönlicher Kopfsteinpflaster-Countdown läuft. Eines dieser ekelhaften Rennen muss ich morgen noch überstehen: Paris - Roubaix, die Königin der Klassiker. Den heutigen Tag habe ich in der Stadt verbracht, in der ich in etwas mehr als drei Monaten gerne den eindrucksvollsten Rundkurs der Welt befahren würde um meine tolle zweite Tour de France zu beenden. Es war schön über den Place de la Concorde zu schlendern, den Triumph-Bogen zu sehen und zwei Jahre zurück zu denken. An den morgigen Tag verschwendete ich dagegen keine Gedanken. Wozu auch? Das hätte mir nur schlechte Laune beschert. Nach dem Debakel von Wevelgem befürchte ich auf der deutlich Kopfsteinpflaster-lastigeren Strecke nach Roubaix eine weitere Schmach und einen desaströsen Untergang. Viel lieber hätte ich diese Woche in Spanien verbracht – bei der Baskenland-Rundfahrt. Zwar war das Wetter mit 12 Grad und Regen auch dort meist nicht viel besser, doch die Strecken hätten mir gelegen. Außerdem hätte ich dort auch was zu feiern gehabt, denn unser Team war mal wieder richtig stark. Auf spanischem Boden sind wir scheinbar wirklich gut. Oscar Sevilla und Santiago Botero haben das in den vergangenen Wochen ja bereits ein paar mal bewiesen, doch was die Jungs und vor allem Oscar in dieser Woche bei der ProTour-Rundfahrt gegen Größen wie Contador, Valverde und Evans gezeigt haben, verdient wirklich Respekt. Bereits auf der ersten Etappe deutete sich an, dass Oscar der beste Rocker sein würde. Als kurz vor dem Etappenziel in Legazpi nämlich der letzte Anstieg bezwungen werden musste und Alejandro Valverde zum Angriff blies, ging unser kleiner Kletter-Künstler problemlos hinterher und fand sich schließlich in der sechsköpfigen Favoriten-Gruppe wieder. Sylvain Chavanel gewann die Etappe und Oscar wurde Fünfter – 49 Sekunden vor dem Feld mit Tyler Hamilton und Santiago Botero. Der Rock-Racing-Kapitän hieß nun Oscar Sevilla.
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Einen Tag später triumphierte bei der einzigen Sprint-Ankunft der Rundfahrt der Belgier Philippe Gilbert, während Top-Favorit Mario Cipollini im Finale die Kraft ausgegangen war und als 132. das Ziel erreichte. Doch der schlechte Tag unseres Sprinters konnte die Laune im Team nicht verschlechtern, denn schon auf der dritten Etappe meldete Oscar endgültig Gesamtsiegs-Ambitionen an. Er setzte sich in Viana auf einer kurzen Abfahrt im Etappen-Finale vom Feld ab und gewann die Etappe schließlich sieben Sekunden vor Valverde, 13 vor Contador und Evans und 20 vor dem Feld. Gelb war die neue Farbe des baskischen Rock-Racing-Teams.
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Leider konnten unsere Jungs das Trikot am Folgetag nicht verteidigen. Sie ließen einer Ausreißergruppe zu viel Vorsprung und konnten das Loch bis zum Ziel nicht mehr schließen. Gelb wanderte zu Quick Steps Alessandro Proni weiter, aber Oscar war mit 22 Sekunden Rückstand auf Rang drei noch immer der Beste der Sieg-Aspiranten. Dass gegen ihn am Berg und vor allem in den Abfahrten kein Kraut gewachsen war, bewies er dann am fünften Tag. Nachdem er zunächst in der ersten Rennstunde während einer Abfahrt zu Fall gekommen war, rappelte er sich wieder auf, stellte den Anschluss zum Feld her und flog selbigem wiederum in der letzten Abfahrt des Tages, drei Kilometer vor dem Ziel davon. Der zweite Etappensieg mit 16 Sekunden Vorsprung und die Gesamtführung war zurück erobert.
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Doch leider reicht es bei der Baskenland-Rundfahrt nicht, gut klettern und abfahren zu können. Die letzte Etappe bestand aus einem 25 Kilometer langen Einzelzeitfahren rund um Orio und den Alto de Aia, an dem sich Oscar noch am Tag zuvor abgesetzt hatte. Unser Fahrer der Woche wollte seine Führung mit allen Mitteln verteidigen, doch der Vorsprung von 36 Sekunden auf Evans und Contador wirkte schon vor dem Start nicht unbedingt komfortabel. Vor allem der Australier ist schließlich als begnadeter Zeitfahrer bekannt und so wurde es wirklich eine Zitterpartie. Oscar versuchte alles und spurtete den Alto de Aia wie am Vortag hinauf um sich zumindest an der ersten Zwischenzeit nochmal ein Polster zu verschaffen. Es gelang. Er lag gleichauf mit Evans an der Spitze und hatte noch immer 36 Sekunden Vorsprung in der Gesamtwertung. Es sah wirklich gut aus, doch nach der kurzen Abfahrt folgte ein längeres Flachstück und schließlich nochmal eine kleine Rampe zum Abschluss. Oscar verlor im Flachen Sekunde um Sekunde und hatte letztendlich keine Reserven um den letzten Anstieg hinauf zu spurten. Er brach völlig ein und büßte nun für seine Kraftaufwendungen am Alto de Aia und auf den vergangenen Etappen. Am Ende war Evans sage und schreibe 1’49 schneller und erbte den Gesamtsieg. Oscar rutschte noch auf den achten Rang ab.
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Dennoch: Unser Team hat sich im Baskenland hervorragend präsentiert. Wir haben zwei Etappensiege eingefahren und bis ganz kurz vor Schluss sogar um den Gesamtsieg gekämpft. Wenn das kein gutes Bewerbungsschreiben ist, dann weiß ich auch nicht. Schade, dass ich da nicht mitwirken konnte, Mr. Ball!

Endstand - Baskenland-Rundfahrt:
1 Cadel Evans Silence - Lotto 21h09'02
2 Alberto Contador Astana Cycling Team + 12
3 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne + 24
4 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone + 31
5 Samuel Sánchez Gonzalez Euskaltel - Euskadi + 1'00
6 Thomas Dekker Rabobank + 1'04
7 Stefan Schumacher Gerolsteiner + 1'11
8 Oscar Sevilla Rock Racing + 1'13
9 Andreas Klöden Astana Cycling Team + 1'15
10 Kim Kirchen Team Columbia + 1'19

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soerenrudi
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Beitrag: # 6773181Beitrag soerenrudi
22.6.2009 - 13:44

Ich finde es gut was für einen Hass du gerade auf Ball entwickelst dadurch macht es das ganze noch amüstanter!

RotRigo
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Beitrag: # 6773191Beitrag RotRigo
22.6.2009 - 15:43

13.4.2008 (Roubaix) – Genug!:
Ich habe ehrlich gesagt keine große Lust von diesem Rennen zu erzählen. Paris-Roubaix war ekelhaft! Auch wenn das Wetter noch einigermaßen mitgespielt hat und die Kopfsteinpflaster-Passagen dadurch wenigstens trocken geblieben sind, hatte ich heute absolut keinen Spaß. Die erste Hälfte des Rennens kann man gerade noch akzeptieren: Dort sind die Kopfsteinpflaster-Abschnitte kürzer, nicht so extrem grob gepflastert und vor allem werden sie durch lange Asphalt-Strecken unterbrochen. Diese Asphalt-Stücke habe ich genutzt um die zuvor verlorenen Positionen wieder gut zu machen. Das ging gut, war allerdings ziemlich Nerven aufreibend. Ab dem Wald von Aremberg kennt dieses Rennen dann aber endgültig keine Gnade mehr.
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Nachdem ich mich zuvor noch relativ weit vorn im Feld halten konnte, war dort endgültig Schluss mit lustig. Die Asphalt-Stücke waren zu kurz um die verlorenen Positionen zurück zu holen und ich fiel Kilometer um Kilometer weiter zurück. Bereits vor der 200-Kilometer-Marke habe ich den Anschluss zum Feld verloren und ab da gibt es nicht viel wovon ich erzählen möchte. Es war ein schrecklicher Kampf bis ich endlich im Velodrom angekommen bin! Was ich erst später erfuhr: Ich war Letzter! Alle hinter mir gelegenen Fahrer hatten das Rennen aufgegeben und so kam ich als allerletzter mit 27’14 Rückstand auf Platz 158 im Ziel an. Das tu ich mir nie wieder an! Genug ist genug!
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Trotzdem bin ich natürlich noch ein paar Worte zum Rennverlauf schuldig. Als ich noch vorn dabei war, fuhr das Feld noch geschlossen durch den Wald von Aremberg, aber kurz danach ging es mit den Attacken los. Den Anfang machte mein ehemaliger Gerolsteiner-Teamkollege Peter Wrölich 55 Kilometer vor dem Ziel. Er hielt sich rund 10 Kilometer allein an der Spitze, hatte dann aber keine Chance mehr, als die Favoriten das Tempo erhöhten. Der erste „Große“, der sein Glück versuchte war dann auf Pavé Nummer 7 Alessandro Ballan. Der Lampre-Mann hatte in dieser Woche bereits in Flandern und Wevelgem jeweils den zweiten Platz belegt und wollte heute endlich gewinnen.
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Aber die Konkurrenz ließ ihn natürlich nicht fahren. Sofort stiegen Tom Boonen, Juan-Antonio Flecha, George Hincapie, Stuart O’Grady und ProTour-Spitzenreiter Stijn Devolder hinterher. Es bildete sich eine sechsköpfige Spitzengruppe, die bis zum Ziel nicht mehr eingeholt werden sollte. Aber Ballan hatte etwas zu viel Kraft in seinen Angriff gelegt, so dass er einige Kilometer später nicht kontern konnte, als sich Devolder, Boonen und O’Grady von der Gruppe lösten. Auf Pavé-Abschnitt 5, 31 Kilometer vor dem Ziel, lag jetzt ein Trio an der Spitze, das sich auf den nächsten Kilometern bis zu Sektor 2 einen Vorsprung von 45 Sekunden erarbeitete.
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Dann folgte das, worauf alle schon länger gewartet hatten: Tom Boonen, der sich die meiste Zeit am Ende der Gruppe ausruhen konnte weil Devolder sich mit O’Grady im Wind abwechselte, setzte eine beherzte Attacke und fuhr seinen Begleitern davon. Kurz darauf hängte auch Devolder den Australier ab und schloss schließlich zu seinem Kapitän auf. Das Quick Step-Duo lag 12 Kilometer vor Schluss allein an der Spitze und schien den Sieg unter sich ausmachen zu können. Ich bin mir sicher, dass die halbe Radsport-Welt schon spekulierte, was Boonen seinem Teamkollegen für den Sieg anbieten würde.
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Aber da hatten die Experten ihre Rechnung ohne einen Italiener gemacht: Der erste Verfolger war nun nicht mehr Stuart O’Grady, sondern Alessandro Ballan und der drehte auf den letzten 15 Kilometern voll auf. Er kam dem Spitzen-Duo unaufhaltsam näher und als der Zielort Roubaix zum Greifen nah war, tauchte er plötzlich hinter ihnen auf. Der Traum vom problemlosen Quick Step-Sieg war ausgeträumt. Boonen und Devolder verfügten zwar immer noch über taktische Vorteile, aber ihre Moral war gebrochen. Das Trio erreichte das Velodrom und Devolder fuhr erneut von vorn, damit Boonen wenigstens im Sprint noch eine Chance gegen Ballan hatte.
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Doch der psychologische Vorteil von Ballan, der allein nach vorn gefahren war und den Konkurrenten einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, war größer als die Kraft-Reserven seiner zwei Widersacher. Als das Trio in die letzte Kurve ging, sprang der Italiener von Devolders Hinterrad weg und sprintete zur Ziellinie. Boonen konnte ihm nicht folgen und musste sich mit Platz 2 begnügen. Ballan hatte in eindrucksvoller Art und Weise die sogenannte Königin der Klassiker gewonnen! Herzlichen Glückwunsch, aber dieses Rennen will ich überhaupt nicht gewinnen!
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Ergebnis - Paris-Roubaix:
1 Alessandro Ballan Lampre 7h36'43
2 Tom Boonen Quickstep s.t.
3 Stijn Devolder Quickstep s.t.
4 George Hincapie Team Columbia + 35
5 Fabian Cancellara Team CSC - Saxo Bank s.t.
6 Juan Antonio Flecha Rabobank + 1'08
7 Stuart O'Grady Team CSC - Saxo Bank + 1'08
8 Staf Schierlinckx Cofidis + 1'30
9 Andreas Klier Team Columbia + 2'45
10 Nick Nuyens Cofidis s.t.
...
158 Rot Rigo Rock Racing + 27'14

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RotRigo
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Beitrag: # 6774845Beitrag RotRigo
30.6.2009 - 22:04

20.4.2008 (Valkenburg) – Es geht wieder bergauf:

Eine Woche hatte ich Zeit, um mich von den Kopfsteinpflaster-Strapazen zu erholen, bevor heute mit dem Amstel Gold Race in Holland der nächste Klassiker auf mich wartete. Diesmal ging es in die hügelige Region rund um Valkenburg und ehrlich gesagt habe ich mich sogar wirklich darauf gefreut, endlich wieder ein richtiges Rennen fahren zu können, bei dem ich zumindest auf dem Papier auch Chancen hatte vorn mit dabei zu sein. Schließlich haben Flandern, Wevelgem und Roubaix schon ganz gehörig an meinen Nerven gezerrt. Allerdings hatte ich auch Angst, dass mir die Woche bei den Nord-Klassikern meine Form ein wenig versaut haben könnte.

Trotzdem war ich hoch motiviert und selbst das erneut nicht besonders tolle Wetter, es regnete bei etwa 15 Grad, konnte meine gute Laune nicht trüben. Besonders schön fand ich, dass auch Fabian heute wieder am Start stand. Mit ihm habe ich die ersten 200 Kilometer Seite an Seite absolviert, bevor das Rennen dann auf den letzten 50 Kilometern richtig los ging.
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Dadurch bemerkte ich zunächst auch gar nicht, dass meine Teamkollegen heute alle zu schwach waren, um mir im schwierigen Finale noch zu helfen. Bis auf Rodriguez waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle zurück gefallen und selbst er musste schon vor der ersten richtigen Tempo-Verschärfung bei Kilometer 210 von 250 die Segel streichen. Als ich 30 Kilometer vor dem Ziel bei Ball über den Funk nach Verpflegung fragte war ich deshalb ganz schön überrascht, dass er mich aufforderte selbst nach hinten zu kommen: „Rot, es tut mir leid, aber du musst dir deine Flaschen selbst abholen. Die Jungs haben alle bereits reißen lassen.“ Kurzzeitig war ich geschockt, aber als ich Fabian von dem Missgeschick erzählte, drückte er mir kurzerhand seine Flasche in die Hand. „Ich bekomme sowieso gleich zwei Neue gebracht“, grinste er. Ich konnte von Glück reden, dass ich einen so guten Freund im Feld habe. Denn die Kräfte, die es mich gekostet hätte jetzt noch selbst zum Mannschaftswagen zurück zu fahren, hätten mir im Finale vielleicht das Genick brechen können. Immerhin war das Tempo im stark dezimierten Feld schon jetzt sehr hoch. Mein Ex-Teamkollege Stefan Schumacher hatte bereits fünf Kilometer zuvor die Phase der Fluchtversuche eröffnet.
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Aber Schumi wurde 20 Kilometer vor dem Ziel wieder gestellt und das Rennen begann von vorn. Immer wieder versuchten einzelne Fahrer, sich vom Feld zu lösen. Doch auch Rinaldo Nocentini, Christian Vandevelde, Robert Gesink und Sylvain Chavanel scheiterten, weil Caisse d’Epargne und CSC das Tempo im Feld konsequent hoch hielten. Meinen ursprünglichen Plan es vielleicht auch mit einer Attacke zu versuchen schlug ich mir aus dem Kopf und so verließ ich mich einfach darauf, dass das Feld, wenn auch nur noch mit etwa 25 Mann, „geschlossen“ den Cauberg erreichen würde. Kurze Zeit später stellte sich heraus, dass das ein Fehler war, denn zwölf Kilometer vor dem Ziel attackierten mit Alejandro Valverde und Frank Schleck ausgerechnet die Kapitäne der beiden Teams gleichzeitig, die bisher für das Tempo gesorgt hatten. Für einen kurzen Moment hatte ich nicht aufgepasst und schon war der Zug abgefahren. Nocentini, Bettini, Gerdemann sowie Samu Sanchez sprangen hinterher und so hatte sich die entscheidende Gruppe gefunden. Rabobank und Gerolsteiner versuchten für Gesink und Rebellin zwar den Abstand klein zu halten, doch die sechs Ausreißer waren zu stark. Mit mehr als 30 Sekunden Rückstand erreichten wir den Schlussanstieg und damit war klar, dass der Sieger des Rennens aus der Spitzengruppe kommen würde.

Meine Aufgabe war es nun also, aus der Verfolgergruppe heraus einen möglichst guten Platz zu erkämpfen. Immerhin konnte ich noch siebter werden und das wäre ein absolut geniales Ergebnis gewesen. Aber als Robert Gesink, Karsten Kroon und Philippe Gilbert am Cauberg das Tempo anzogen und den Sprint lancierten, merkte ich schnell, dass ich da nicht mithalten konnte. Die Spezialisten haben zu diesem Zeitpunkt der Saison einfach das nötige Quäntchen Extra-Power in den Beinen, das ich erst im Juli brauche. Ich versuchte mich an ihren Hinterrädern fest zu beißen, musste auf den letzten 200 Metern dann aber doch eine kleine Lücke lassen und belegte schließlich ganz knapp hinter Marzio Bruseghin, der für Lampre im Mai beim Giro in Top-Form fahren soll, den elften Rang.
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Ich bin total happy! Insgeheim hatte ich es mir zwar erhofft, aber wirklich damit gerechnet, nach der Schmach aus der Vorwoche heute wieder um die Top 10 kämpfen zu können, hatte ich nicht. Immerhin habe ich auch meine ehemaligen Teamkollegen Stefan Schumacher und Davide Rebellin hinter mir gelassen – aus dem letztjährigen Gerolsteiner-Team war ich also der Schnellste. Ein sehr gutes Ergebnis. Gewonnen hat übrigens der Spanier Samuel Sanchez. Der Euskaltel-Mann ließ Weltmeister Paolo Bettini am Cauberg genau so stehen wie Frank Schleck und Alejandro Valverde. Linus Gerdemann und Rinaldo Nocentini hingegen hatte das Quartett bereits im unteren Teil des Schlussanstiegs abgehängt.
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Als ich am Mannschaftsbus ankam klopfte mir Michael Ball auf die Schulter: „Gut gemacht, Rot“, freute sich mein Chef. Dabei hätte er es belassen sollen. Leider schickte er aber noch zwei Sätze hinterher: „Du kannst es ja doch. Ich habe in der letzten Woche so meine Zweifel gehabt.“ Am liebsten wäre ich ihm aufs Dach gestiegen. So langsam kristallisiert sich wirklich heraus, dass unser Mode-Freak aus den Staaten nicht wirklich viel Ahnung von klassischem Radsport hat. Dass Lance Armstrong bei seinen sechs Tour-Siegen bewiesen hat, der stärkste Radfahrer der Welt zu sein, und Mario Cipollini einmal der Schnellste war, das hat Ball verstanden. Dass es aber viele verschiedene Typen von Rennen gibt und nicht auf jedem Terrain die gleichen Fahrer vorne liegen können, das muss man ihm wohl noch erklären. Ich hielt meinen Mund und lächelte nur freundlich. Die Kopfsteinpflaster-Tortur ist ja jetzt vorbei.

Übrigens hat mein Teamkollege Santiago Botero während der Woche die kolumbianischen Zeitfahrmeisterschaften gewonnen – wie immer eigentlich. Damit hat Rock Racing jetzt bereits 21 Saisonsiege auf dem Konto stehen und die Tour de France-Teilnahme scheint immer greifbarer zu werden. Im Straßenrennen holte sich Mauricio Soler, der Tour de France-Bergkönig aus dem Vorjahr den Titel. Hier wurde Botero immerhin Dritter.

Ergebnis – Amstel Gold Race:
1 Samuel Sánchez Gonzalez Euskaltel - Euskadi 6h16'18
2 Paolo Bettini Quickstep + 7
3 Frank Schleck Team CSC - Saxo Bank + 8
4 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne + 14
5 Linus Gerdemann Team Columbia + 38
6 Robert Gesink Rabobank + 44
7 Karsten Kroon Team CSC - Saxo Bank s.t.
8 Philippe Gilbert Francaise Des Jeux + 46
9 Rinaldo Nocentini Ag2r - La Mondiale + 48
10 Marzio Bruseghin Lampre + 51
11 Rot Rigo Rock Racing s.t.
12 Sylvain Chavanel Cofidis, le Credit Par Telephone + 58
13 Jérôme Pineau Bouygues Télécom s.t.
14 Stefan Schumacher Gerolsteiner + 1'03
15 Franco Pellizotti Liquigas s.t.

Ergebnis - Nationale Meisterschaft Kolumbien (Straße):
1 Juan Mauricio Soler Barloworld 6h18'56
2 Rigoberto Uran Caisse d'Epargne s.t.
3 Santiago Botero Rock Racing s.t.

Ergebnis - Nationale Meisterschaft Kolumbien (Einzelzeitfahren):
1 Santiago Botero Rock Racing 27'32
2 Victor Hugo Pena Rock Racing + 16
3 Rigoberto Uran Caisse d'Epargne + 27

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Andi91
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Beitrag: # 6778905Beitrag Andi91
13.7.2009 - 12:31

Wann kommt denn wieder mal was? :(

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Andi91
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Beitrag: # 6786482Beitrag Andi91
19.8.2009 - 19:33

Bitte Rot :(
Mach doch bitte weiter :(

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