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Alles, was mit reellem Radsport zu tun hat

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José Miguel
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Beitrag: # 412917Beitrag José Miguel
26.2.2007 - 15:15

Eine große Karriere ist vorbei, ein Idol, wenn nicht sogar das Idol des deutschen Radsports geht auf eine unangemesse und traurige Weise. Ich war nie wirklicher Ullrich-Fan, auch wenn bei der Tour de France meine Sympathien natürlich einfach bei ihm lagen, schließlich war er nicht nur ein sehr guter Radsportler, sondern auch immer nett und sympathisch. Im Sommer, als Ullrich von der Tour ausgeschlossen wurde, war ich bestürzt und traurig, obwohl es natürlich richtig war. Ich wäre nicht glücklich gewesen, wenn Ullrich jetzt noch weiter gefahren wäre, aber ich hätte mir einen würdigeren Abgang gewünscht, das wäre entweder ein DNA-Test mitsamt seiner Unschuld oder ein Schuldeingeständnis gewesen, einfach ein sauberer Abschluss, so aber werden wir vermutlich nie ganz wissen, was an seiner Karriere nun sauber war und was nicht. Ich verspüre trotzdem Dankbarkeit für tolle Momente und mehrere Wochen Spannung im Sommer.

Danke Jan!
RZ: Punktewertung Vuelta 2006 und 2008, Etappensieg TdF 2010, 2011 und Giro 2012&2014, Berg Giro 2012, 2013, 2014 / Rad-Tipp: Giro dell'Emilia, Paris-Tours 2008, Tour de Romandie 2011, Eneco-Tour 2011, WM-Zeitfahren 2011 / Frauenfussball-Weltmeisterschaft 2007 / Fussball-Bundesliga 11-12
SKI: Whitney Houston Award 10/11, 11/12, 12/13, 13/14

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matt29
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Beitrag: # 412953Beitrag matt29
26.2.2007 - 16:45

Ich sage nur soviel: Gut, dass er weg ist :?

Bergtrikot Tour de France 2011, Ronde und Doyenne 2009

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arkon
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Beitrag: # 412958Beitrag arkon
26.2.2007 - 17:05

gut, das es ihn gab. und noch besser, das diese diskussion ausnahmsweise mal nicht im doping-thread stattfindet. ich hab den auftritt ebenfalls nicht gesehen, muss ihm aber nach dem, was ich gelesen habe, inhaltlich zustimmen. schade ist und bleibt, das er so relativ klammheimlich geht. erinnert aber zumindest an sein großes vorbild...
wer keine ahnung hat - einfach mal die fresse halten

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SantiPerezFernandez
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Beitrag: # 413057Beitrag SantiPerezFernandez
27.2.2007 - 1:12

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Herzlich Willkommen zur heutigen Etappe der Tour des Lebens. Zwei absolute Highlights erwarten uns. Das erste bereits am frühen Vormittag. Nach langer Vorbereitungszeit soll es endlich geschehen, die Entscheidung wird fallen, so viel sei sicher. Endlich wird Klarheit herrschen, die Tour des Lebens wird heute entschieden. Danach wird es kein Zurück mehr geben.

Das zweite Highlight, der endgültige Schlagabtausch, wird erst am Abend stattfinden. Es wird das finale Duell, hier werden alle noch offenen Fragen des Vormittags beantwortet werden. Wer, wie, wo, warum? Es zählt nur die individuelle Stärke.

Doch eines nach dem anderen:

KM 0 – Noch ist das Rennen neutralisiert. Alle wichtigen Fernsehsender sind bereits auf Sendung, alle Sportjournalisten sind vor Ort. So eine Etappe kann sich niemand entgehen lassen. Jeder Star des Tages ist schon zu sehen. Gleich wird es also losgehen. Die Spannung steigt.

KM 12 – Das Rennen hat bereits begonnen. Schnell wird klar, dass es auf die richtige Einteilung ankommen wird. Wer am Morgen schon alle Kräfte vergeuden wird, der wird abends nicht mehr in der Lage sein, Angriffe zu kontern. Aber allen Anwesenden ist klar, dass heute der Tag der Entscheidung ist, heute kommt alles raus.

KM 25 – Die ersten Kilometer boten genug Zeit, alle Freunde und Bekannten zu begrüßen. Es ist schließlich wichtig, an alle zu denken, die einen unterstützen. Nur mit deren Hilfe kann man einen so schwierigen Tag durchstehen. Hat man auch niemanden vergessen?

KM 38 – Schwere Tage liegen hinter jedem Radprofi, der sich heute auf diese schwierige Etappe aufgemacht hat. Medien, Verbände, alle stehen nur hinter einem, wenn es läuft, doch heute wird es laufen, denn heute ist die entscheidende Etappe. Heute kann man es allen zeigen, allen beweisen, was man drauf hat. Die erste Schwierigkeit des Tages hat bereits seit wenigen Kilometern begonnen.

KM 48 – Noch wenige Kilometer bis zum Höhepunkt des Morgens. Bisher hat sich noch nichts Entscheidendes im Rennen getan. Doch das Vertrauen in sich selbst und alles andere war schon einmal größer. An allem ist nur der schwärzeste Tag der Karriere schuld, und dessen Folgen. Jeder Rundfahrer hat in der Vergangenheit viel gegrübelt, viel nachgedacht. Die Vergangenheit ist jetzt aber Geschichte, in wenigen Kilometern entscheidet sich viel Wichtigeres, nämlich die Zukunft.

KM 52 – Es wird unruhig auf der Strecke. Plötzlich wird attackiert. Damit hatte niemand gerechnet, vor allem nicht so früh am Morgen. Jeder Pedaleur will allen zeigen, was in ihm steckt. Heute ist sein großer Tag, wenn nicht jetzt, wann dann? So viele Attacken hat er in seiner ganzen Karriere zuvor nicht gestartet.

KM 55 – Es ist vollbracht. Zwar war es unmöglich, sich von der Masse abzusetzen, doch es scheint ein gutes Gefühl zu sein, die erste Schwierigkeit des Tages überstanden zu haben. Der Puls ist hoch, was kein Wunder ist, in der Höhe. Ansonsten ist alles perfekt. Die Radunterwäsche hält auch auf dem kühlen Gipfel warm, Plattfüße gibt es dank neuester Technik nicht mehr. Wie gut es doch ist, wenn man seinem Team mit Beratertätigkeiten zur Seite stehen kann.

KM 70 – Die Ruhe ist allmählich zurückgekehrt. Alle wissen inzwischen Bescheid, niemand kann mehr geschockt werden. Oder doch? Nun, das wird sich in einigen Kilometern zeigen, denn dann wartet die zweite und letzte Schwierigkeit des Tages.

Zeit genug, den Vormittag Revue passieren zu lassen. Es ist Zeit für Tour en bloc!

KM 104 – Kaum hat die zweite Schwierigkeit des Tages begonnen, wird es schon hammerhart. Damit hat wohl niemand gerechnet. Wie kann so etwas im Radsport heutzutage passieren? Der Funk ist ausgefallen! Und ausgerechnet jetzt gibt es Angriff über Angriff. Wie soll da nur ein einfacher Pedaltreter durchblicken? Was soll er jetzt bloß machen? Die Angriffe kontern? Nein, da ist er nicht der Typ für. Seine wahre Stärke zeigen, einfach alles auspacken, war er hat, das wäre es doch. Aber nach kurzem Überlegen ist klar, dass aus seiner Sicht nur eines das Richtige ist: Fahr dein Tempo weiter, mach bloß nichts, was du hinterher bereuen dürftest.

KM 112 – Man weiß nicht wie, aber auf irgendeine Art und Weise hat jeder Zweiradfahrer den ersten Teil der Schwierigkeit überstanden. Es bleibt ihm die Möglichkeit, sich ein wenig auszuruhen. In der kleinen Abfahrt sind andere Leute gefragt, zum Glück nicht er selbst.

KM 127 – Ein jeder fragt sich, wieso jeder Radprofi nicht auf die Angriffe reagiert hat, warum zögert er, warum agiert er nicht? Er zeigt Schwäche, er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein ehemals Großer tritt ab. Hilflos ohne die nötige mentale Unterstützung durch seine Helfershelfer, ohne die er keinerlei Durchblick zu haben scheint.

KM 133 – Ohne Funk ist man im modernen Radsport völlig hilflos, das weiß jeder. Man muss Entscheidungen selbst treffen, die man normalerweise nicht allein treffen kann. Die Verunsicherung kann man spüren, doch jetzt ist es geschafft. Alle Angriffe sind abgewehrt und mit Bravour gemeistert worden. In früheren Jahren hätte man sicherlich mehr erwarten dürfen, aber auch jeder Stern am Radhimmel altert und verliert an Stärke. Wichtig ist, dass er nicht eingebrochen ist. Vor dem Rennen wurde er wohl doch hervorragend eingestellt von seinem persönlichen Beraterteam.

KM 160 – Alle haben sich wieder lieb. Nachdem sich niemand entscheidend durchsetzen konnte, hat man sich auf einen Nichtangriffspakt geeinigt. Die Etappe wird ruhig zu Ende gehen. Immerhin hat jeder Strampler inzwischen Hilfe aus seinem Team bekommen, die nun an seiner Seite sitzt und ihn bis ins Ziel begleitet. Dennoch bleiben noch einige Fragen offen: Wer, wie, wo, warum?
"Wenn dieser Code wirklich angewandt wird, darf nur Tour-Chef Jean-Marie Leblanc antreten!"

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Beitrag: # 413062Beitrag Routinier
27.2.2007 - 1:54

GROßARTIG, Santi! :D
ETXE hat geschrieben:Ich finde übrigens, daß es ein kleiner aber feiner Unterschied ist, ob jemand sagt "Ich habe nie jemanden betrogen" oder klipp und klar sagt "Ich habe nicht gedopt"!
So ist es. Hat Ullrich während der gesamten Pressekonferenz (und auch am Abend bei Beckmann) auch nur ein Mal ausgesagt, niemals gedopt zu haben? Ich denke nicht. "Ich habe nie jemanden betrogen oder geschädigt", diese Aussage kann man eigentlich so stehen lassen. Gesagt hat er damit (wenn auch nicht zum ersten Mal) doch eine ganze Menge, denn er hätte es doch auch anders formulieren können, nicht wahr?
Schwache Leistung übrigens auch von Beckmann, dass er da nicht nachgehakt hat.

Eine große Dopingbeichte habe ich ohnehin nie erwartet. That's cycling!
jonas hat geschrieben:Was mich am allermeisten stört ist, dass er nicht verlegen ist Mal für Mal festzustellen, dass er nie jemanden betrogen habe und nie mit unlauteren Mitteln gearbeitet habe. Dabei kann man nach heutigem Kenntnissstand und heutigem Wissen nicht davon ausgehen, dass es möglich war 1997 die Tour de France sauber zu gewinnen, gegen Virenque, Dufaux, Pantani, die allesamt bis oben hin voll waren.
Hat er diese Herren im Fall der Fälle denn wirklich betrogen? ;)
Hat er jemals den Toursieg Pantanis eingefordert? Ich denke nicht, dass er sich von ihnen betrogen fühlt.

Immerhin hat er (klugerweise) von seiner alten Haltung in Sachen Doping Abstand genommen. Zur Frage, was Doping sei, antwortete er vor Jahren noch "Doping ist für mich, wenn einer positiv getestet wird".

Für mich war seine "Erklärung" auch eher peinlich. Präsentation seiner Sponsoren und übertrieben hoffnungsfroh dargestellte zukünftige Perspektiven mit seinen ach so tollen neuen Partnern.

Nichtsdestotrotz, der Mann ist ein Radsportheld. Zum Campionissimo fehlte nicht viel, es wird vermutlich Jahre dauern, bis wir wieder einen Fahrer erleben, der von seinen Möglichkeiten Jan Ullrich nahe kommen kann.

Auch von mir ein ganz großes Danke für all die herrlichen Radsportmomente! Ich habe den Radsport zwar auch schon vor Dir (ui, jetzt wird's persönlich) verfolgt (sofern man das Interesse eines kleinen Jungens denn so bezeichnen kann), aber ich weiß nicht, ob ich ihn ohne Dich auch heute so intensiv verfolgen würde. Dein zweiter Platz bei der Tour 1996 war meine ganz große Initialzündung, auch wenn ich damals (leider) Riis den Sieg mehr gönnte. Du warst zunächst mein Nachfolger des großen Helden Indurains, Du hast nach deinem "Sieg" beim Sparkassen-Giro (damals Kriterium) anno 1998 auch meine Hand abgeklatscht, Momente, die ich nie vergessen werde.

Amateur-Weltmeister, Landesmeister, Zeitfahrweltmeister, Toursieger, Vueltasieger, Olympiasieger, Etappensiege bei allen GTs. Für mich eine Legende, nicht nur eine Deutsche.

Sportlich kann man Dir keinerlei Vorwürfe machen, sportlich warst du niemals in einem Tief (das möge man mir mal zeigen...), wie so viele behaupten. Wenn ich trotz aller (höchst berechtigten) Schelte tief in mein Inneres blicke, dann kann ich an Deine Person eigentlich nur zwei Worte richten:
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Danke, Jan!

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Steini hat geschrieben:Was mich sowieso ganz besonders ankotzt: Auch jetzt, weit mehr als ein halbes Jahr nachdem das Ganze ans Licht kam, ist noch kein einziger Name genannt derjenigen Sportler, die aus anderen Sportarten verwickelt sind. (Wenn ich schon dran denke, würde ich gerne irgendetwas zerstören) Was ist da los? Stand bei den Tennisspielern, den Fußballern etc. kein Höhepunkt an?
Zumindest die Fußballteams sind ja bekannt geworden, wenn auch nicht in der ganz breiten Öffentlichkeit. Real Madrid, der FC Barcelona, Valencia und der FC Sevilla waren angeblich bei Fuentes. Auch die FIFA besitzt seit geraumer Zeit Einsicht in die Akten. Manzano hat bei seinem Besuch im Sportstudio damals sogar von deutschen Fußballern berichtet, die Kunden bei Fuentes seien. Nicht auszudenken, wenn da Namen an die Öffentlichkeit gelangen würden...

Letztendlich ist der Radsport doch ein warnendes Beispiel dafür, wie man es nicht angehen sollte. Warum auch die Zukunft und die Gegenwart eines Sports riskieren, wenn alles problemlos läuft?
Der Radsport war nach Festina doch abschreckendes Beispiel genug.
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Stephen Roche
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Beitrag: # 413084Beitrag Stephen Roche
27.2.2007 - 10:53

Ein Journalist: Herr Roche, haben Sie das Opfer gekannt, das Tatwerkzeug in der Hand gehabt und sich einen falschen Reisepass beschafft?

(Roche überlegt: Nein. Nein. Nein.)

Roche: Dazu kann/darf/soll ich nichts sagen. Es laufen schließlich Ermittlungen.
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Escartin
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Beitrag: # 413085Beitrag Escartin
27.2.2007 - 10:55

Kurz gesagt: Die dreiste Lüge wäre dir lieber als das aktuelle Schauspiel?
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wassertraeger29
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Beitrag: # 413115Beitrag wassertraeger29
27.2.2007 - 13:56

Mir ist es auch lieber wenn mich jemand dreist anlügt, als das mich jemand für dumm verkauft.

Und dieses "Danke, Jan" Getüdel, so authentisch es auch wirkt, geht mir ziemlich auf den Geist. :roll:

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Hannibal
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Beitrag: # 413119Beitrag Hannibal
27.2.2007 - 14:13

wassertraeger29 hat geschrieben:Und dieses "Danke, Jan" Getüdel, so authentisch es auch wirkt, geht mir ziemlich auf den Geist. :roll:
Danke wassi :D

Die große Beichte, @ Routinier, werden wir ohnehin wohl nicht noch einmal (nach Festina) erleben, dazu hängt da zu viel mit drin, lieber den Sponsor halten als den Fan, vor allem weil letzterer (zumindest geht mir es leider meist so) schnell vergisst und verzeiht (Festina ist schon wieder das Beispiel, diesmal eben Vienque, dem wenige Jahre nach seinem Geständnis in Frankreich wieder zugejubelt wurde wie eh und je). Wenn ein Sponsor sich erstmal von einem Team zurückgezogen hat, hängen da viele Existanzen dran und auch so ein Manager oder Fahrer oder wer sonst da dann den Fall ins Leere laufen lässt, hat ein gesteigertes Interesse daran, einen Sponsoren zu behalten und dann sitzen da eben prominente "Bauernopfer", die zumindest ahnen wenn nicht wissen, das Doping an der tagesordnung ist und versuchen, sich irgendwie rauszureden...
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Klaus und Tony
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Beitrag: # 413121Beitrag Klaus und Tony
27.2.2007 - 14:20

Ich verstehe aber ehrlich gesagt den Wunsch danach nicht, dass der Dopingfall eines Lieblings die emotionalen Bindungen zu diesem Sportler korrekterweise auslöschen müsste.

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Beitrag: # 413142Beitrag Routinier
27.2.2007 - 15:35

wassertraeger29 hat geschrieben:Mir ist es auch lieber wenn mich jemand dreist anlügt, als das mich jemand für dumm verkauft.
Tut er das nicht auch, wenn er dich bei dieser Beweislast anlügt?

Wer weiß, vielleicht tut er ja das Richtige. Die Möglichkeit, dass der DNA-Abgleich negativ ausfällt (sofern es denn jemals dazu kommen wird) besteht zumindest. Soll nicht heißen, dass ich an seine Unschuld glaube, ich bin davon überzeugt, dass er in der Fuentes-Sache mit drinsteckt, aber im Radsport hat man schon viel erlebt, gerade in Spanien...
wassertraeger29 hat geschrieben:Und dieses "Danke, Jan" Getüdel, so authentisch es auch wirkt, geht mir ziemlich auf den Geist. :roll:
Dieser Kommentar war jetzt natürlich dringend erforderlich. Ist es verwerflich, einem der größten Radsportler der vergangenen 10 Jahre zu danken, speziell dem größten, den dieses Land jemals hatte?

Ullrich ist weit davon entfernt, zu den beliebtesten Radprofis zu zählen, die ich jemals erleben durfte. Aber er war meine Nummer 2 bei den Fahrern, die jemals ernsthaft um den Toursieg gekämpft haben (nach Pantani).
Jeder der jüngeren Generation hier hat sein Radsportinteresse zu einem gewissen Teil Jan Ullrich zu verdanken, unterstelle ich einfach mal. Dass er mein Interesse gefestigt hat, steht außer Frage, Dank hat er sich verdient. Für rein sportliche Belange.
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wassertraeger29
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Beitrag: # 413172Beitrag wassertraeger29
27.2.2007 - 16:42

Jan Ullrich hatte einfach nur viel Talent, er hat weder sportlich noch menschlich viel daraus gemacht. Und anstatt sich gestern mit einem Geständnis und Ausstieg aus dem Radsport sein letztes bißchen Respekt (auch bei mir) zu erhalten, feiert er dort einen der lächerlichsten Monologe der Fernsehgeschichte ab, die nur von der eigentlichen Traurigkeit der Situation, eben eines der größten Talente der Radsportgeschichte, übertroffen wird, weil er nun Funktionsunterwäsche vertritt.
Selbst wenn ich von deiner richtigen Aussage: "Jeder der jüngeren Generation hier hat sein Radsportinteresse zu einem gewissen Teil Jan Ullrich zu verdanken" ausgehe, dann fühle ich mich spätestens seit gestern doch erst Recht ins Lächerliche verwiesen.

Mir fallen spontan 6 Milliarden Menschen ein, die mehr aus ihren Möglichkeiten gemacht haben, und ich habe wahrlich keine Zeit allen zu danken.

Btw. Ich finde es nicht verwerflich, kann mich aber in keinster Weise anschließen.

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SantiPerezFernandez
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Beitrag: # 413175Beitrag SantiPerezFernandez
27.2.2007 - 16:57

Wer kann denn wirklich beurteilen, wie groß ein Talent ist. Die Medien? Irgendwelche Experten?

Hatte Ullrich die Möglichkeit, jedes Rennen zu gewinnen?

Ich weiß es nicht. Falls du, wassertraeger, dein Talent, Talente perfekt zu erkennen, aber mit deinen zwanzig Jahren bereits optimal ausgenutzt hast, dann bleibt mir nur eines zu sagen:

Hut ab!

Und danke!
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Beitrag: # 413183Beitrag Routinier
27.2.2007 - 17:39

Santi hat vollkommen Recht. Niemand kann beurteilen, wie viel Talent und wie viel harte Arbeit in den Erfolgen Jan Ullrichs steckt.

Ullrich war der jüngste Amateur-Weltmeister aller Zeiten. Lance Armstrong der der Profis. Kann man es Ullrich auf Grund seines Talents vorwerfen, gegen Armstrong verloren zu haben, dem man ebenso unglaubliches Potenzial zuschrieb?
Ihm vorzuwerfen, er hätte nicht viel aus seinen Möglichkeiten gemacht, finde ich schon hart. Zählt denn nur die Tour de France? Ullrich hat erreicht, was nur wenige erreicht haben. "Zum Campionissimo fehlte nicht viel", ich zitiere mich selbst. So schlecht kann er dann ja nicht gewesen sein.
Talent ist nicht alles. Viele erreichten allein in den letzten Jahren nicht das, was man von ihnen erwartete. Roberto Sgambelluri, Evgeni Petrov, Yuriy Krivtsov, Yaroslav Popovych, Francesco Chicchi, bis jetzt darf man auch Roman Kreuziger und Thomas Dekker zählen, die Liste ist lang.

Ohne es weiter kommentieren zu wollen, bin ich froh, dass Ullrich kein Geständnis abgelegt hat. Alle Welt würde sämtliche seiner Erfolge anzweifeln, wäre das wirklich gerecht? Ullrich kennt den Radsport.
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wassertraeger29
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Beitrag: # 413188Beitrag wassertraeger29
27.2.2007 - 17:51

Um sein Talent zu beurteilen muss man sich nur mal seine Laufbahn bis 1997 ansehen, ich würde niemals behaupten er habe nicht auch selber viel dazu beigetragen, dann wären diese Erfolge schlichtweg nicht möglich gewesen.
Nur haben sich in den letzten Jahrzehnten Millionen Menschen für ihren Sport gequält, sei es der Hobby-Fussballer des FC Wald und Wiesen, der sich in seiner "Karriere" dreimal den Kiefer und fünfmal das Schienbein gebrochen hat, oder eben ein Zabel, der sich durch Rückschläge nicht hat aus der Ruhe bringen lassen, und nun zumindest mal ein Jahr länger fährt als Ullrich. Fast alle hatten selbst bei 24h Training nie die Chance auch nur 1/100 der Erfolge eines Ullrichs zu erreichen, Ullrich hatte die Chance das ist unbestritten doch letztendlich kann er dafür nichtmal was.
Jan Ullrich hat nie viel mehr geleistet, als das was praktisch folgerichtig war, er ist in 10 Jahren zwei vllt. dreimal die Tour mit Herz und Leidenschaft gefahren. Er ist eigentlich immer den Weg der Gemütlichkeit und Geldes gegangen, ist bei ersten Schwierigkeiten in die Drogenfalle geraten, hat seine Familie verlassen,...
Dann hat er sich scheinbar nicht erfolgreich aus der Dopingbetrügerei raushalten können, keine Ahnung ob das einfach nur der normale Weg im Profiradsport ist, oder ein besonders dreckiger, ein guter jedenfalls nicht.
Dann wurde er überführt, hat sich aber nie um die Aufklärung gekümmert, sondern Sätze wie "Du weißt mehr vom Doping als ich." (Zu Beckmann) gebracht, und liefert als Sahnehäubchen diese Konferenz ab. Er hat sich spätestens nach den beiden Auftritten gestern völlig disqualifiziert und lächerlich gemacht, selbst ein Beckmann (!!!) konnte ihn völlig zerlegen. (vgl. Süddeutsche Artikel, o.a.)

Zur Beurteilung von Ullrichs Talent höre man sich mal die Aussagen Zabels in Höllentour an. ("Gottgegeben")

RotRigo
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Beitrag: # 413217Beitrag RotRigo
27.2.2007 - 19:42

Mir gefällt Santi's "Etappenbericht" sehr gut. Mir gefällt Routinier's "ins Gedächtnis rufen der Ullrich-Erfolge" sehr gut. Mir gefällt sehr gut, dass Etxe auf die "Ich habe niemals betrogen"-Floskel (und deren Bedeutung) aufmerksam gemacht hat.

Was mir aber nicht gefällt ist eine Diskussion über Talent. Wer auch immer dazu etwas schreibt, den möchte ich hiermit auffordern: Definiere "Talent"! Danke...


Ich für meinen Teil werde mein Leben lang Bilder in meinem Gehirn gespeichert haben, die Jan Ullrich als einen großen Radsportler beschreiben - Bilder, die in mir 1996 eine Liebe zu einer tollen Sportart haben entfachen lassen! Das ist für mich wichtig und das wird mir kein aktuelles oder zukünftiges Geschehen nehmen können.
Umso trauriger finde ich natürlich, dass Jan Ullrich seinen Abschied in dieser Form vollzogen hat - mir wäre ein Geständnis das allerliebste gewesen (deutlich lieber als eine Fortsetzung der Karriere oder ein negatives DNA-Ergebnis!). Dennoch kann ich aber irgendwo verstehen, dass er so handelt. Er ist schließlich auch nur ein Mensch.

Toursieger Ullrich
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Beitrag: # 413231Beitrag Toursieger Ullrich
27.2.2007 - 20:29

So, dann melde ich mich auch mal. Habe mich ja in der letzten Zeit eher selten hier gemeldet.

Eine große Karriere ging gestern zu Ende. :(

Danke Jan für die vielen tollen Jahre. Du hast mich zum Radsport gebracht. Du hast Jahr für Jahr die Zuschauer an die Strecken der Rennen gebracht. Du hast Millionen Menschen an die Bildschirme gelockt. Der Sieg in Paris als glorreiches Karriereende sollte es sein. Den haben die Verleumder verhindert. Schön, dass du noch mit ihnen abgerechnet hast.

Du warst ein Held! Du warst für mich der sympathischte unter allen Radfahrer. Schade, dass du es dann Frankes, denn Bannenbergs oder den Heuchler wie Voigt nicht noch einmal zeigen willst und nochmal versuchen die Tour zu gewinnen. Aber auch so, viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg. Ich werde dein Fan bleiben.

Was die Scharpings, Frankes, Burkerts, Aldags, Voigts, Seppelts oder wie sie auch alle heißen eine Hetzjagd auf dich veranstaltet haben werde ich nicht vergessen. Das wird in menem Gedächtnis bleiben.

Ganz schlimm finde ich Voreingenommenheit der Medien, die nicht auch mal die zweifelhaften Dinge der OP angesprochen haben. Etwa die Manipulation der Dokumente, auf denen die Anschuldigungen beruhen. Dir war es nie möglich dich zu verteidigen.

Ich werde mich an deine sportlichen Höchstleistungen weiterhin erinnern, nicht an dein unschönes Karriereende, hetzerisch durch die Medien gefordert.
Danke Jan!

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Escartin
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Beitrag: # 413236Beitrag Escartin
27.2.2007 - 20:42

wassertraeger29 hat geschrieben: Mir fallen spontan 6 Milliarden Menschen ein, die mehr aus ihren Möglichkeiten gemacht haben, und ich habe wahrlich keine Zeit allen zu danken.
Messt mich an diesem Satz. Ich will versuchen, diese Ebene zu vermeiden.

Punkt 1: Die sportlichen Leistungen von JU sind an vielen Stellen nachzulesen und auch dir bekannt. Ich kann dir versichern, dass sie in meiner Tabelle der Jahre 1993-2006 zu Rang drei (hinter Jalabert und Armstrong) reichen. Jeder, der hier in den letzten Jahren mitgelesen hat, hat mitbekommen, dass ich JUs sportliche Entscheidungen oft kritisch gesehen habe. Aber ihm vorzuwerfen, er habe sein Talent nicht genutzt, ist eine Unverschämtheit. Welche Erfolge würden denn vor deinem gestrengen Auge Gnade finden?

Punkt 2: Ullrich hätte sich also anders verhalten sollen! Wie denn? Doping gestehen? "Ja, ich bin seit 1996 geladen, Fahrer X und Teamchef Y haben mir gezeigt, wie man durch die Proben kommt, bei Fuentes habe ich übrigens den, den und den getroffen." Etwa so? Ich finde sein aktuelles Verhalten durchaus ehrenwert. Er umschifft die klare Lüge, ohne seine Weggefährten mit in den Abgrund zu reißen. Das ist ja der Weg, der dir offenbar vorschwebt. Frei nach dem Motto "Der Fall Ullrich hat dem Radsport schon genug geschadet, warum also auf halber Strecke stehenbleiben". Ach ja, da ist ja noch ein dritter Weg: "Ich, JU habe zwar all die Jahre gedopt, aber immer so, dass kein Betreuer, kein Arzt, kein Teamkollege etwas mitbekommen konnte. Ganz ohne Beratung. Dank meines Talents hat das trotzdem immer auf den Punkt geklappt." Oh, scheidet wohl doch aus, seine Erklärungen sollen schließlich glaubwürdig sein. Was also wäre die richtige Entscheidung gewesen?

Punkt 3: Die Rolle JUs für den Deutschen Radsport und seine Betrachtung in der Retrospektive: Alles war korrekt, was er dazu in seiner merkwürdigen Erklärung vorgetragen hat. JUs Erfolge haben Radsport populär und ertragreich gemacht. Von dem finanziellen Boom profitierten die Radsport-Insider, von dem medialen wir als Radsportfans. HEW, D-Tour, Sparkassen-Giro. Alles Kinder des Ullrichbooms. Ja, und auch die Medien haben von Ullrich profitiert. Glaubt ernsthaft jemand, Erik Zabel allein hätte Kersten Volks radsport-news am Leben gehalten? Ich hoffe, diese Bedeutung erkennen wir alle an. Jetzt also ist der Engel gefallen. Die Umstände mag man verschieden beurteilen, das ist legitim, ich sehe in Ullrich nicht viel mehr als ein tragisches Opfer der Tatsache, dass es in unserer Gesellschaft einen zutiefst verlogenen Umgang mit den systemimmanenten Problemen des Leistungssports gibt. Das darf man aber auch anders sehen. Deshalb jetzt rückwirkend alles in den Dreck zu ziehen, was mit der Person JU verbunden ist, ist absurd. Der Fall JU beeinflusst seine Leistungen in der Vergangenheit nämlich inhaltlich gar nicht.
Der deutsche Radsportboom ist ein erfreuliches Phänomen, was auch immer man im Nachhinein über seine Ursachen erfährt. Ich hätte den Preis nicht bezahlen wollen, der damit verbunden gewesen wäre, wenn JU sich dafür entschieden hätte, eine Karriere wie Xavier Jan hinzulegen. Zumal diese Einzelentscheidung an den Problemen des Radsports nicht geändert hätte.
Jetzt plötzlich ist JU also schon immer das üble Schwein gewesen. Würden derart hämische Posts auch verfasst, wenn die Verbindung zu Fuentes nie aufgedeckt worden wäre (wohl aber bestanden hätte), Ullrich aber gestern trotzdem seinen Rücktritt erklärt hätte?

Die Fragen stehen im Raum - die Antwort in den Sternen.
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Beitrag: # 413248Beitrag wassertraeger29
27.2.2007 - 21:10

Natürlich hat Jan Ullrich den Radsport in Deutschland populär gemacht, aber er hatte eben auch die Chance dazu, das Talent, ich bleibe bei diesem Wort und habe es oft genug definiert.
Aber dieser Jan Ullrich hat seit 1997 eben auch ziemlich viel falsch gemacht und hat im letzten halben Jahr den deutschen Radsport ins Lächerliche gezogen um seine eigene Haut zu retten.
ICH werde nicht den Fehler machen, plötzlich nur noch die eine Hälfte der Medaille zu sehen und über die andere den Mantel des Vergessens zu hüllen.

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Beitrag: # 413250Beitrag jonas
27.2.2007 - 21:11

Der Fehler passierte meines Erachtens am Tag vor der Tour. Dort hätte er 2 Möglichkeiten gehabt.
Entweder er gesteht, tritt zurück und würde danach als geständiger Sünder weiterhin einen guten Ruf geniessen, wie dies alle anderen auch tun.
Oder er verneint, dies aber offensiv. Er hätte alles versuchen müssen um seine Unschuld zu beweisen. Klar, die Beweislast liegt auf der anderen Seite, aber geht es hier um juristische Spitzfindigkeiten?

Durch dieses Abwarten, 8 Monate ohne Äusserung, trägt er auch eine Mitschuld am Ganzen. Niemand verneint, dass Verbände, Untersuchungsbehörden teilweise Mist abgeliefert haben. Aber Ullrich ist sicherlich kein reines Opfer wie er sich darstellt.
--
Jonas

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Escartin
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Beitrag: # 413256Beitrag Escartin
27.2.2007 - 21:25

wassertraeger29 hat geschrieben:Natürlich hat Jan Ullrich den Radsport in Deutschland populär gemacht, aber er hatte eben auch die Chance dazu, das Talent, ich bleibe bei diesem Wort und habe es oft genug definiert.
Aber dieser Jan Ullrich hat seit 1997 eben auch ziemlich viel falsch gemacht und hat im letzten halben Jahr den deutschen Radsport ins Lächerliche gezogen um seine eigene Haut zu retten.
ICH werde nicht den Fehler machen, plötzlich nur noch die eine Hälfte der Medaille zu sehen und über die andere den Mantel des Vergessens zu hüllen.
Dass Ullrich die Chance zu Erfolgen hatte, ist trivial. Sonst hätte er sie ja gar nicht erzielen können.
Noch einmal: Sein Verhalten ist also falsch. Welches wäre richtig gewesen?
"Wittgenstein pondered what time it could be on the sun (it was a nonsensical question, he concluded)." - The Economist

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