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[color=white][b][size=100]AUSGABE 7, MONTAG, 21. FEBRUAR 2005 [/size][/b][/color]
SEITE 9: INTERVIEW DER WOCHE
BRADLEY MCGEE
„Wir werden die ProTour aufmischen“
Etappen- und Gesamtsiege bei großen Rundfahrten, Weltmeister, diverse Weltrekorde und eine Bronzemedaille in Atlanta 1996 auf der Bahn – Brad McGees Siegesliste ist schon jetzt lang und beeindruckend und dennoch ist der Erfolgshunger nicht gestillt. Das nächste Ziel ist Paris-Nizza!
KONTRAST: Herr McGee, wie verlief der Saisonbeginn für Sie?
Bradley McGee: Nach der Rückkehr aus dem Urlaub stand natürlich wie üblich das harte Vorbereitungsprogramm in unserem Trainingslager in Australien bevor. Dort habe ich gleich meine ersten Rennkilometer des Jahres bei der Tour Down Under heruntergespult und danach reiste ich zu meiner neuen Wohnung in die französischen Alpen und trainiere dort intensiv für die neue Saison.
KONTRAST: Zum Ende des letzten Jahres haben Sie Ihrem Arbeitsgeber Marc Madiot und allen Fans eine Leistungssteigerung für die kommende Saison gegenüber 2005 und 2004 versprochen.
McGee: Das ist richtig, denn auf Dauer kann ich mich nicht auf den Erfolgen ausruhen.
KONTRAST: Die da lauten: Etappensiege bei der Tour, beim Giro, bei der Tour de Suisse, Gesamtsieg der Route du Sud und viele andere gute Platzierungen bei renommierten Rennen. Nicht zu vergessen die diversen Titel von der Bahn! Woher kommt diese Unzufriedenheit?
McGee: Sehen Sie, es ist gut, dass Sie die Bahnerfolge erwähnt haben, denn das ist genau das, wovon ich mich distanzieren möchte. Die Zeit als Radsportler auf der Bahn war sehr schön und von Erfolgen geprägt, dennoch habe ich mich vor ein paar Jahren für den Leistungssport auf der Straße entschieden und habe mir dementsprechend meine Ziele gesteckt.
KONTRAST: Inwiefern spielt das Bergtraining eine Rolle bei der Erfüllung Ihrer Ziele?
McGee: Ich sehe das so: Ich habe einige Veranlagung als Radrennfahrer. Von der Bahn habe ich die Fähigkeiten für das Zeitfahren mitgenommen, ich fahre für mein Leben gern Prologe. Zudem besitze ich – ebenfalls aus der Zeit des Bahnsports – eine überdurchschnittliche Endgeschwindigkeit, an leichteren Anstiegen habe ich zudem keine Probleme, so schätze ich mich als Fahrertyp ein und ich denke, dass Ergebnisse aus vergangenen Tagen das belegen können.
KONTRAST: Warum dann das Bergtraining?
McGee: Um etwas zu erreichen, musste ich mich mein Training über kurz oder lang auf eines dieser Bereiche spezialisieren. Dies habe ich im Winter mit meinem Trainer und anderen Experten aus unserem Team abgesprochen und wir haben durch verschiedene Tests herausgefunden, dass ich am Berg wohl am meisten Potenzial habe.
Innovativität am Arbeitsplatz: neben ausführlichen Trainingsfahrten und genauester Auswertung dank neuer PC-Technologie bestand das Wintertraining fdjeux’ auch aus Abenteuerurlaub im australischen Outback (oben)
KONTRAST: Wie funktionierten diese Tests?
McGee: Das bleibt intern unter allen Beteiligten, also vom Trainer über den Praktikanten, der die Daten in den Computer aufnimmt, bis zum Fahrer. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich den Instinkt im Kampf gegen die Uhr, im Rollen, nicht verlieren werde, dafür bin ich zu häufig durch das Velodrom gejagt. Auch die Spritzigkeit werde ich nicht so leicht verlieren, schließlich ist der Sinn des Trainings nicht, nur noch Alpenpässe hoch und runter zu fahren.
KONTRAST: Karten auf den Tisch: Diese ausgeklügelte Trainingsplanung dient Ihnen zu einem großen Zweck, oder? Wie lautet dieser?
McGee: Mindestens ein ProTour-Erfolg in dieser Saison. Und ich rede dabei von Gesamtsiegen, Etappensiege sind schön und gut, entsprechen aber nicht meiner Vorstellung und auch nicht der des Teams.
KONTRAST: Wann werden Sie den ersten Versuch starten?
McGee: Gleich wenn sich mir die erste Chance bietet, also übermorgen ein Start bei Paris-Nizza.
KONTRAST: Warum gerade diese Rundfahrt? Beim parallel laufenden Tirreno-Adriatico bieten sich Ihnen durch die weniger selektiven, aber trotzdem sehr zahlreich und vor allem im Zielbereich vorhandenen Anstiege doch fast größere Chancen auf Erfolg?
McGee: Nein, ich denke nicht, dass ich beim Tirreno große Siegchancen hätte. Einen Sieg aus Italien zu „entführen“ bedarf schon eine einwandfreie Leistung.
KONTRAST: Was beim Rennen Paris-Nizza nicht anders sein dürfte.
McGee: Natürlich nicht, aber es gibt noch andere Gründe wie zum Beispiel Thor Hushovd, der beim Tirreno-Adriatico an den Start gehen wird und sich zur Zeit offenbar in einer bombastischen Form befindet. Auch wenn ich mich generell nicht an einzelnen Fahrern orientiere, wird es zumindest für mich keine Chance geben, Hushovd zu schlagen. Es gibt ja auch einige Punkte, die bei Paris-Nizza für mich sprechen.
KONTRAST: Zum Beispiel?
McGee: Der Prolog am ersten Tag! Ich möchte dort auf jeden Fall gewinnen, um dann gleich vom ersten Tag weg im gelben Trikot fahren zu können. Schließlich steckt an der Redewendung, dass das Führungstrikot Flügel verleihen kann, auch ein großes Stück Wahrheit drin.
KONTRAST: Der Tag der Bergankunft auf dem Mont Faron dürfte für Sie eine wichtige Rolle spielen.
McGee: Diese Etappe wird für jeden ambitionierten Teilnehmer an dieser Rundfahrt wichtig sein, schließlich bieten sich an einem Anstieg, dazu an einem solch selektiven, wie es der Faron nun mal ist, die besten Chancen, den Gesamtführenden zu attackieren.
KONTRAST: Mit Francisco Mancebo, Danilo di Luca und Michael Boogerd haben sich drei absolute Top-Fahrer angekündigt.
McGee: Davon habe ich auch gehört und gerade bei Mancebo hat mich das überrascht, aber spanischen Medien zufolge ist er in sehr guter Form und meint es bei Paris-Nizza ernst. Also werden auch wir ihn ernst nehmen.
KONTRAST: Alleine diese drei Fahrer in Topform versprechen ein wahres Feuerwerk an Attacken. Wie werden Sie darauf antworten?
McGee: So gut wir können.
KONTRAST: Welche Rolle wird dabei Ihr Teamkollege Sandy Casar einnehmen?
McGee: Sandy hat sich ebenfalls speziell auf Paris-Nizza vorbereitet und präsentiert sich in gemeinsamen Trainingsfahrten sehr gut, er wird sicherlich auch ein Wörtchen um den Sieg mitreden können. Er hat für sein Alter schon viel Erfahrung, auf ihn ist Verlass.
„Ein verlässlicher Kollege“: Sandy Casar
KONTRAST: Und taktisch gesehen, werden Sie mit einer Doppelspitze agieren?
McGee: Das ist gut möglich, doch zunächst müssen wir sehen, wie wir beide im Prolog agieren. Danach werden wir unsere Taktik ausrichten.
KONTRAST: Der Prolog nimmt also eine zentrale Rolle in Ihrer Planung ein, haben Sie die Strecke hospitiert?
McGee: Ja, das gehört natürlich dazu, wir sind die Strecke zweimal abgefahren im Auto und ich bin sehr optimistisch. Allerdings ist die Bedeutung auch nicht zu überschätzen, dieses Zeitfahren findet nun mal am ersten Tag statt und bietet damit die Grundlage für die restlichen sieben Teilstücke, allerdings ist es nur ein Prolog und daher gibt es keinen Grund seine gesamte Konzentration auf sieben Kilometer von insgesamt über fünfhundert zu legen.
KONTRAST: Welchen Konkurrenten schätzen Sie nach der Vorbereitung am Stärksten ein?
McGee: Mit solchen Urteilen bin ich meist vorsichtig, da ich nicht bei deren Training dabei war und so keinen Eindruck davon habe.
KONTRAST: Trotzdem ein Tipp, wer im Falle des Falles hinter Ihnen auf dem Podium steht?
McGee: Di Luca und Mancebo sind von den Fähigkeiten her die besten Fahrer auf der Starterliste, wenn sie in topfit sind, könnten sie alle anderen alt aussehen lassen. Und sonst? Paolo Bettini, Yaroslav Popovych, aber natürlich auch Sandy Casar sind alles Fahrer, die bei Paris-Nizza auftrumpfen könnten. Es wird wirklich wahnsinnig spannend werden, schließlich treten viele Fahrer zum ersten Mal in diesem Jahr auf der ganz großen Bühne des Radsports auf!
Francisco Mancebo sei zusammen mit di Luca der stärkste Fahrer des Feldes, so McGee
KONTRAST: In jedem Fall dürfte Ihnen und Ihrem Team der mögliche Sieg gut tun.
McGee: Gewiss, das entspräche dem perfekten Start in die ProTour und würde uns ein, wenn auch nicht allzu großes, Polster schaffen. Wir könnten ohne großen Erfolgsdruck von außen in die nächsten Rennen gehen, was gerade bei so vielen jungen Fahrern im Team ein Vorteil sein kann.
KONTRAST: Was denken Sie, welche Platzierung wäre für fdjeux in der Teamwertung der ProTour realistisch?
McGee: Irgendwo zwischen Platz Fünf und Zehn würde unserer Qualität entsprechen.
KONTRAST: Das ist mehr, als Ihnen viele Experten zutrauen.
McGee: Das ist aber auch genauso viel, wie wir uns zutrauen. Wir kennen unser Team so gut wie kein anderer, wir wissen um unsere Stärken und unsere Schwächen und ich bin optimistisch, dass dies eine erfolgreiche Saison werden kann und wir die ProTour richtig aufmischen werden.
KONTRAST: Und Sie werden bei Paris-Nizza Ihren Teil dazu beitragen, der KONTRAST wünscht Ihnen dabei viel Glück und bedankt für sich für das Gespräch.