Beitrag: # 6746406Beitrag
BlackHackz
24.11.2008 - 22:05
Kohl ist jetzt offiziell für 2 Jahre gesperrt worden von der NADA in Österreich. Er zeigte sich mit dem Urteil unzufrieden, weil er seiner Auffassung und der seines Anwalts nach geständig war. Er soll aber keine Hintermänner genannt haben, sondern lediglich den positiven Doping-Test zugegeben haben.
Tja, ich weiß nicht, was ich davon halten soll.
Es kommt natürlich überhaupt nicht zur Geltung, dass er gestanden hat. Er könnte das Urteil bis heute anzweifeln und hätte trotzdem die gleiche Sperre bekommen. Insofern verstehe ich ihn und seinen Anwalt schon irgendwie. Immerhin hat er reinen Tisch gemacht und somit auch die Öffentlichkeit nicht mehr im Unklaren gelassen.
Auf der anderen Seite wäre es natürlich schwachsinnig, Fahrern die Strafe um die Hälfte zu reduzieren, wenn sie bloß zugeben, was durch einen Test sowieso einwandfrei bewiesen wurde. Einem Mörder gewährt man ja auch keine großartige Strafkürzung, wenn man ihn noch mit der rauchenden Waffe zu fassen bekommt und er dann den Mord gesteht, den eh 1000 Zeugen mitverfolgt haben. (Und nein, ich vergleich Mord nicht mit Doping, bevor wieder solche Kommentare kommen). Es ist schwer, hier wirklich eine Meinung zu entwickeln, weil man die Urteile mittlerweile auch leider nicht mehr nachvollziehen kann. Sella bekommt ein Jahr Sperre, weil er angeblich sehr geständig gewesen sei. Von seinen Hintermännern hat man bis heute nichts gehört, auch keinen Bericht, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in dem Fall übertragen wurde, weil eine Handel mit illegalen Substanzen vermutet wird.
Riccos Sperre wird aufgrund seines Geständnisses, mit dem Arzt Santuccione (?) zusammengearbeitet zu haben um 6 Monate reduziert und dann wieder um 6 Monate erhöht, weil er Kontakt zu einer aus dem Radsport verbannten Person, eben jenem Santicionne gehabt hat. Völlig paradox.
Dazu kommt dann das fragwürdige Urteil der Kasachen, die Vino zu einem Jahr Sperre verurteiln. Die UCI interessiert das nicht mehr die Bohne, weil Vino ja eh nicht mehr fahren will. Dann kündigt der kurzerhand sein Comeback an und schwupps steht das UCI auf der Matte und versichert, dass man alles tun werde, Vino erst nach 2 Jahren wieder starten zu lassen. Ohne Rücksicht auf die Autonomie der nat. Verbände, ohne Rücksicht auf Fristen für die Anfechtung des Urteils und ohne Rücksicht auch auf den Fahrer, der ja auch mal irgendwie wissen muss, wann er wieder fahren kann, schließlich ensteht ihm ja ein Schaden, wenn er jetzt schon anfängt wie wild zu trainieren und dann doch erst nächstes Jahr wieder fahren darf.
Dazu kommt nun also das Kohl-Urteil. Sicher, großartig aufgedeckt scheint er nicht zu haben, aber interessiert das jemanden? Ist man nicht eher froh, dass Kohl eben nicht mehr aufgedeckt hat? Wer weiß, was Kohl losgetreten hätte, schließlich hat man ja erst vor ein paar Tagen in einer Zeitung lesen dürfen, dass die Frau von Fuentes in einem Interview behauptet hat, dass sie den gesamten spanischen Sport am Boden zerstören könne. Und waren die Spanier in den letzten Jahren nicht außergewöhnlich erfolgreich?
Aber zurück zu Kohl. Er hat gestanden gedopt zu haben, nicht mehr und nicht weniger. Am wichtigsten war es für ihn selbst, denn ich denke mir, es ist einfacher mit der Wahrheit zu leben, als mit einer ungewissen Lüge. Aber was ist mit dem Urteil? Zu hart? Oder zu milde, lieber 4 Jahre?
Das klingt jetzt doof, aber letztendlich ist es reine Geschmackssache.
Kohl und andere Doper werden ja nicht nach einem bestimmten traditionellen Strafkodex verurteilt. Im Prinzip geht es hier ja auch nicht um die Verteidigung eines Rechtsgutes oder eine gesellschaftlichen Ordnung. Es geht ja auch kaum um Gerechtigkeit und Sühne. 4 Jahre soll er dafür büßen, was er wem auch immer angetan hat. Völlig absurd. Wie lange dauert das die durschnittliche Berufsausübungszeit eines Radsportlers? Doch nicht viel mehr als 12 Jahre. 1/3 davon + den gewaltigen Image-Schaden. Sicherlich ist das alles die eigene Schuld des Dopers, aber man muss auch mal die Verhältnisse beachten. Warum nicht eine Regelung wie: 1 Mal Dopen -> 1-2 Jahre. 2 Mal Dopen -> Entziehung aller Profi-Lizenzen auf Lebenszeit. Kohl ist 26, ein 4 jähriges Berufsverbot würde schon jetzt einem Karriereende gleichkommen. Entweder er hat finanzielle Reserven und kann normal trainieren oder er muss anderweitig arbeiten und entwöhnt seinen Körper vom Hochleistungssport, was einem lebenslangen Berufsverbot gleichkommen würde.
Ist das Urteil also zu hart? Kohl meint, "ja". Sein Anwalt beruft sich auf das Geständnis und bezieht es auf eine Leichtathletin, der Doping nachgewiesen wurde, die aber bis heute nichts gestanden hat und auch 2 Jahre bekommen hat. Ist Kohl strafrechtlich tatsächlich besserzustellen? Die NADA in Österreich sagt ganz pragmatisch "Nein", denn Kohl habe schließlich nicht mehr erzählt, als sowieso bewiesen war. Erst als ihm sozusagen die Pistole auf die Brust drückte, kam er mit der Wahrheit heraus, unter Tränen.
2 Dinge sind hierbei anzumerken:
1. Wer einmal unter Tränen gesteht wird höchstwahrscheinlich sich selbst nie wieder in diese missliche, peinliche und selbstzerstörerische Lage bringen wollen. Das Bedauern war echt, der Schmerz und das Unverständnis über die eigenen Taten war riesig. Kohl dopt nie wieder, da bin ich felsenfest von überzeugt.
2. Welchen Sinn hat ein Geständnis? Soll es denn tatsächlich bei der weiteren Tataufklärung helfen? Soll es die Strafverfolgung einfacher machen?
Hier begeht die NADA einen, wie ich finde, gewaltigen Fehler. Man verwechselt den Geständigen und den Kronzeugen.
Ein Kronzeuge erfüllt genau das, was die UCI sich von überführten Dopern erhofft. Er nennt kühl und pragmatisch viele Namen, deckt Kreise auf, hilft bei Zurordnungen und so weiter. Der Kronzeuge bekommt Strafnachlass von immerhin 50%.
Ein Geständiger ist jemand, der in einer unheimlich intimen und erniedrigenden Szene erklärt, er habe betrogen, er schämt sich für sich selbst und ihm kommen die letzten Jahre, das Leben in Lüge, wie verschenkte Zeit vor. Was will man denn mehr? Für die Strafverfolgung ist das kaum relevant, aber ein Geständiger büßt mehr, als jeder Kronzeuge. Es ist mehr Gerechtigkeit für die Fahrer, die sich zurecht betrogen fühlen, als wenn irgendein italienischer Arzt mit seiner Frau verhaftet wird. Für den Fan steckt in diesem Geständnis mehr Ehrlichkeit, mehr Menschlichkeit und mehr Gefühl für den Sport, als in einer Aussage vor Gericht. Es gibt den Fans etwas zurück, was sie verloren haben, wenn sie von den Doping-Tests im Fernsehen gesehen haben: Ehrlichkeit und Glaube an Menschlichkeit.
Das ist für die UCI oder die NADA nichts wert. Schade, denn damit haben sie das System des Strafrechts, die Straftheorie und den weiterführenden Sinn des Sports nicht verstanden.
Hand aufs Herz. Kohl wurde 2 Jahre verbannt, weil man denkt, dass er vielen Menschen geschadet hätte. Wirklich geschadet hat er aber in Wirklichkeit nur sich selbst und einen ersten Schritt in Richtung Wiedergutmachung hat er mit der erniedrigenden Pressekonferenz getan. Ein weitaus mutigerer Schritt, als im stillen Kämmerlein Hintergrundwissen auszupacken, um möglichst schnell wieder vorne mitzufahren.
Die UCI/NADA hat es verpasst, Geständnissen einen zählbaren Wert beikommen zu lassen. Ich mochte Kohl nie besonders, aber es hätte keinem österreichischen Funktionär einen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn man ihm wenigstens 6 Monate erlassen hätte. Was spielt denn das auch noch für eine Rolle?
Segui il tuo corso, e lascia dir le genti!
"Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt." (E. Fried)
www.bildblog.de