22.07.2008 Le Tour de France – Etappe 16
Es war hart. Während er heute Morgen mit dem Rad unterwegs gewesen war, war er mehrmals kurz davor gewesen zu ihr zu gehen. Einmal war er sogar bis zu ihrem Haus gefahren. Doch er war stark geblieben. Er musste sie vergessen!
Dass sie sich nicht bei ihm gemeldet hatte, war doch der Beweis, dass sie nichts von ihm wissen wollte. Sein Brief war schließlich unmissverständlich gewesen. Andererseits hatte der Brief ihr auch keine Alternative gegeben. Aber dann hätte sie sich doch gemeldet.
Nein, sie wollte nichts von ihm wissen und deshalb würde er sie vergessen. Es war schwer. Es würde noch schwerer werden, aber es musste sein. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass man nicht Alles haben konnte. Wenn er Regine schon nicht haben konnte, dann konnte er stattdessen vielleicht Profi werden.
Er war sich nur nicht sicher, für was er sich entschieden hätte, wenn er die Wahl gehabt hätte…
Genug! Regine hatte ihm diese Wahl abgenommen. Er sollte eigentlich glücklich sein. Er brauchte dringend Ablenkung. Warum nicht wieder die Tour?
In Frankreich stand heute die 16. Etappe von Embrun nach Jausiers auf dem Programm. Das würde sicher interessant werden. Er stellte einen Französischen Sender ein, weil kein Deutscher Sender von Beginn an übertrug.
Die Etappe begann, wie erwartet, mit einer Welle von Ausreißern. Gut 20 Fahrer versuchten Stück für Stück ihr Glück und zermürbten sich mit ständigen Antritten. So würde das nicht funktionieren! So waren schließlich alle Ausreißversuche nur von Misserfolg gekrönt. Erst als die Fahrer den Anstieg zum Col de la Lombarde erreichten hatte sich eine Ausreißergruppe gefunden. Aitor Hernández Gutierrez und Lars Boom konnten ihren Vorsprung immer weiter vergrößern. Der Holländer sollte wohl die Bergpunkte für seinen Kapitän „Tot fahren“. Im Hauptfeld war man sich unterdessen Uneinig, wer die Nachführarbeit übernehmen sollte, sodass der Vorsprung noch weiter anwuchs.
Links: Lars Boom und Aitor Hernández Gutierrez vergrößern ihren Abstand. Rechts: Verschiedene Teams kontrollieren halblebig das Tempo.
Hernández Gutierrez überquerte die Grenze als erstes und kehrte mit 40 Bergpunkten nach Frankreich zurück. Im Hauptfeld wurde es jetzt spannen. Immerhin waren noch 30 Punkte für die Bergwertung zu holen. Mehrere Fahrer attackierten und lieferten sich einen erbitterten Kampf. Markus Fothen, der sein Bergtrikot verteidigen wollte verschlief die Attacke seiner Konkurrenz allerdings und musste so in einem Kraftakt wieder aufholen. Tadej Valjavec konnte er aber nicht mehr einholen. Dieser sicherte sich vor Fothen noch 30 Punkte. In der Abfahrt ließen sich die meisten wieder ins Hauptfeld zurück fallen. Einige andere hatten den Sprint um die Punkte allerdings nur als Vorwand genutzt um sich abzusetzen. Jens Voigt, Davide Rebellin, David Moncoutié und David Zabriskie dachten nicht daran sich zurückfallen lassen. Die Davids hatten sich gefunden… Unter diesen Umständen entschied sich auch Tadej Valjavec, der noch kurz vor ihnen lag, den Fluchtversuch durchzuziehen. Bald waren sie zu fünft unterwegs. Sie hatten immerhin schon 40’’ heraus gefahren. In der Abfahrt passierte es dann. Nacheinander stürzten Robbie McEwen, Thomas Dekker und Tom Danielson.
Links: 3 x David(e) und 1 x Jens in der Abfahrt. Rechts: Thomas Dekker stürzt spektakulär. Hoffentlich hat er sich nicht verletzt.
Inzwischen hatte die Spitze die Verpflegungsstation im Tal. 4’30’’ später passierten die fünf Verfolger den Ort Isola und verpflegten sich. Mit einem Rückstand von rund sechs Minuten passierte das Hauptfeld den kleinen Skiort. Als das Tempo zur Verpflegung gedrosselt wurde nutzten 3 Fahrer die Chance und machten sich davon. Die Fans am Straßenrand freuten sich, neben Bobby Julich und Konstantin Siutsou auch Christophe Moreau zu entdecken. Beinahe zeitgleich startete Davide Rebellin einen Angriff, dem nur Jens Voigt folgen konnte. Die Regie konnte sich nicht entscheiden, was sie zeigen sollten und entschieden sich deshalb für den Franzosen. Als die Regie wieder zur Spitze wechselte war von Rebellin nichts mehr zu sehen. Stattdessen hatte Tadej Valjavec wieder zu Jens Voigt aufschließen können. Zu zweit hatten sie fast zu Boom und Hernández Gutierrez aufgeschlossen. Jetzt gingen sie, noch getrennt, in den Anstieg zum Cîme de la Bonette. Der Abstand zum Hauptfeld war jetzt auf 4 Minuten geschmolzen. Etwas weiter hinten kämpfte David Zabriskie darum, wieder zu seinen ehemaligen Begleitern aufzuschließen.
Links: Die Verfolger haben fast zur Spitze aufgeschlossen. Rechts: Kommt Zabriskie noch mal ran?
Bald hatten Voigt und Valjavec den Anschluss zur Spitze geschafft. Zu viert kämpften sie sich den Berg hinauf. Der Abstand zu David Zabriskie wurde indes immer größer. Auch Moreau, Moncoutié, Siutsou und Julich mussten nun einsehen, dass ihr Fluchtversuch Chancenlos war und wurden vom Peloton geschluckt. 14km vor dem Gipfel versuchten die nächsten Fahrer ihr Glück. Am Hinterrad von Samuel Sánchez Gonzalez setzten sich Vladimir Karpets und Michael Rogers ab. Die Spitze hatte jetzt nur noch 3 Minuten Vorsprung, was Valjavec zu einer Tempoverschärfung animierte. Voigt konnte nicht ganz folgen und an seinem Hinterrad kämpfte Lars Boom um den Anschluss. Hernández Gutierrez musste hingegen sofort reißen lassen. Ebenso erging es Vladimir Karpets, der dem Tempo seiner Konkurrenten einfach nicht folgen konnte. Stück für Stück holte Astana ihn, Davide Rebellin, Davide Zabriskie und Aitor Hernández Gutierrez ins Feld zurück. 10km vor dem Gipfel hatte Valjavec den Vorsprung allerdings immer noch bei 3 Minuten gehalten. Bald musste auch Lars Boom sich verabschieden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er vom Feld geschluckt werden würde.
Im Hauptfeld explodierte jetzt förmlich das vordere Drittel. Überall starteten Fahrer plötzlich ihre Angriffe. Hinter Pellizotti versuchte es Karpets erneut und Vladimir Efimkin folgte ihm. Auch Markus Fothen wollte mitziehen, doch er kam einfach nicht weg. Scheinbar hatte der Deutsche seine Körner bereits verschossen. Das Lars Boom 5km vor dem Gipfel vom Feld geschluckt wurde, ging ganz darin unter, dass die Spitzenreiter attackierten. Menchov, Contador und Vandenbroeck brannten ein wahres Feuerwerk ab, während sie leichtfüßig davon stiefelten. Schnell konnten sie zu Jens Voigt aufschließen, doch sie waren immer noch 2 Minuten hinter Valjavec. Jetzt musste auch Carlos Sastre reagieren. Zusammen mit Franco Pellizotti zog er an Jens Voigt vorbei und schloss zu Contador auf. Währenddessen kämpfte weiter hinten Fothen verzweifelt um den Anschluss.
1km vor dem Gipfel attackierte Contador erneut. Moritz war gespannt, wie seine Konkurrenz reagieren würde, doch die Regie zeigte stattdessen lieber, wie Tadej Valjavec den höchsten Pass Europas überquerte. Eine Minute später tauchte dort der nächste Fahrer auf. Doch es war nicht Contador. Der Zweite am Gipfel war Pellizotti, gefolgt von Efimkin, Vandenbroeck, Sastre und natürlich Contador. Der Spanier war also immer noch da. Moritz war nicht gerade begeistert Contador immer noch vorne zu sehen, aber der Spanier war eben ein starker Bergfahrer.
Links: Tadej Valjavec überquert als erster den höchsten Pass Europas. Rechts: Contadors Attacke blieb ohne Erfolg.
Jetzt lag noch eine 24km lange Abfahrt vor den Fahrern. Die Fragen, die sich jetzt stellten waren unterschiedlicher Natur. Würde Valjavec seinen Vorsprung bis ins Ziel retten können? Im Gesamtklassement war er nicht sehr gefährlich, die Chancen standen also gut für den Slowenen. Die andere Frage war, ob Markus Fothen wieder nach vorne kommen würde. Moritz hatte ihn irgendwo im Anstieg aus den Augen verloren.
In der Abfahrt kam es, wie es kommen musste. Wie schon in der letzten Abfahrt stürzte wieder ein Fahrer. Dieses Mal war es Bobby Julich.
Das Ziel kam immer näher, doch Valjavec hielt seinen Abstand weiterhin bei einer Minute. Der Slowene war so gut wie durch. Als er Schließlich den Zielbereich erreichte, begann er ausgelassen über seinen ersten Etappensieg bei der Tour zu jubeln.
In der Verfolgergruppe entbrannte nun der Kampf um Platz 2.
Pellizotti begann den Sprint von vorne heraus mit einem Wahnsinns Antritt. Rechts von ihm Sánchez Gonzalez, links neben ihm Perez Sanchez. Doch eigentlich waren die eher hinter ihm. Sánchez Gonzalez holte Platz 3 vor seinem Namensvetter. In diesem Sprint war allerdings noch ein Fahrer gestürzt. 50m vor dem Ziel saß Juan José Cobo auf der Strecke und ärgerte sich. Der Spanier stieg gar nicht mehr auf, sondern schob sein Rad übers Ziel. Mit 2’40’’ Rückstand kam eine weitere große Gruppe ins Ziel. Darunter auch der Träger des Bergtrikots, Markus Fothen. Er würde in der Gesamtwertung vermutlich seinen 5. Platz verlieren. Dafür hatte er seinen Vorsprung in der Bergwertung auf 15 Punkte ausgebaut. Nicht viel, wenn man bedachte, dass Morgen noch 120 Punkte zu holen waren…
Links: Der Mann des Tages: Tadej Valjavec Rechts: Der Flop des Tages: Juan José Cobo
Ergebnis:
1 Tadej Valjavec AG2R LA MONDIALE 4h30'21
2 Franco Pellizotti LIQUIGAS + 40
3 Samuel Sánchez Gonzalez EUSKALTEL - EUSKADI s.t.
4 Francisco Perez Sanchez CAISSE D'EPARGNE s.t.
5 Levi Leipheimer ASTANA s.t.
6 Frank Schleck TEAM CSC - SAXO BANK s.t.
7 Andreas Klöden ASTANA s.t.
8 Vladimir Efimkin AG2R LA MONDIALE s.t.
9 Jens Voigt TEAM CSC - SAXO BANK s.t.
10 Laurens ten Dam RABOBANK s.t.
16 Alberto Contador ASTANA s.t.
23 Markus Fothen TEAM ANTIVIR +2’39’’
28 Linus Gerdemann TEAM COLUMBIA s.t.
Gesamtklassement:
1 Alberto Contador ASTANA 66h10'14
2 Jurgen Vandenbroeck SILENCE - LOTTO + 38
3 Denis Menchov RABOBANK + 1'09
4 Carlos Sastre TEAM CSC - SAXO BANK + 2'15
5 Samuel Sánchez Gonzalez EUSKALTEL - EUSKADI + 3'47
6 Markus Fothen TEAM ANTIVIR + 4'48
7 Vladimir Karpets CAISSE D'EPARGNE + 4'54
8 Cadel Evans SILENCE - LOTTO + 5'20
9 Michael Rogers TEAM COLUMBIA + 5'30
10 Juan José Cobo SCOTT - AMERICAN BEEF + 6'16
13 Linus Gerdemann TEAM COLUMBIA + 7'31
Bergwertung:
1 Markus Fothen TEAM ANTIVIR 155
2 Alberto Contador ASTANA 139
3 Carlos Sastre TEAM CSC - SAXO BANK 107