Es geht weiter und ich freue mich euch die Trofeo Laigueglia 2004 in einem noch nie dagewesen Format präsentieren zu dürfen. Viel Spaß!
Stefan König .
Allein gegen Alle
17.02.04, Laigueglia (ITA)
„Heute gastiert das Peloton an der normalerweise sonnigen ligurischen Küste. Das heutige Rennen, die Trofeo Laigueglia führt die Fahrer auf 183 Kilometern quer durch Ligurien ehe es in Laigueglia zum Showdown um den Sieg kommt. Favorit für das heutige Rennen ist unumstritten der Italiener Danilo Di Luca(SAE), aber bei einem "angenehmen" Rennverlauf könnten auch die Sprinter um Alessandro Petacchi(FAS) oder Bernhard Eisel(RBL) auf ihre Rechnung kommen. Letzgenannter kommt mit einer wirklich starken Mannschaft nach Italien, denn die zweite Speerspitze des Teams, Fabian Wegmann wurde von vielen als Geheimtipp für das heutige Rennen genannt.“
Aufgeregt nahm Stefan auf dem Beifahrersitz des VW Passat Platz. Das heutige Rennen, die Trofeo Laigueglia war nicht nur sein erstes Rennen, dass er „aktiv“ mitfuhr sondern auch sein erster Einblick in die Geschehnisse und Aufgaben eines Teamchefs. Denn sein heutiger Fahrer war niemand geringeres als Bernhard Rassinger.
„Zum Start müssen wir jedes Mal die Verbindung mit den Fahrern per Funk sowie die Verbindung zu Radio Tour kontrollieren. Ohne diese Kontrollen würden wir ansonsten wenig vom Renngeschehen mitbekommen. Nebenbei haben wir heute die Aufgabe mit unseren Fahrern in Ausreißergruppen mitzugehen, was die ganze Sache natürlich viel spannender und für dich wesentlich interessanter macht.“
Kurze Zeit später eröffnete der obligatorische Pistolenschuss die 40. Ausgabe der Trofeo Laigueglia, einem Eintagesrennen entlang der ligurischen Küste. Gespannt suchte Stefan das Feld nach bekannten Gesichtern ab, doch da hatte zuvor noch mehr erkennen können als jetzt. Dann ließ er sich wieder in den Sessel zurückfallen und lauschte Radio Tour.
„Attacco di Rabobank ed Acqua e Sapone.“
„Da muss einer mit. Jungs wo seit ihr?“
„Ich gehe, ich gehe.“
„Okay.“
Ein nicht vielsagender erster Funkverkehr, denn Stefan hatte keine Ahnung welcher Red Bull Fahrer jetzt hier in die erste Ausreißergruppe das Tages mitging. Doch ein neuerliches Funken verschaffte Klarheit, und Bernhard konnte Markus Eibegger(RBL) in der Gruppe lokalisieren. Bernhard befohl ihm, sobald sich die Gruppe gefestigt hatte stets präsent zu sein, und Red Bull in den Mittelpunkt zu rücken. Ja, er war ein erfahrener Mann, und wusste genau, was der Sponsor von ihm wollte.
Die Ausreißergruppe um Markus funktionierte gut, und nur wenige Kilometer später passierten Stefan und Bernhard das Feld, um aufzuschließen. Nur wenige Augenblicke später hatten die beiden auch schon zu Markus aufgeschlossen und reihten sich hinter der Gruppe ein. Nervös rutschte Stefan auf seinem Sitz auf und ab, reckte den Kopf in die Höhe und hielt Ausschau nach Markus.
„Da ist er, da ist er!“, rief Stefan aufgeregt.
Wie geil ist das denn, jetzt sitzt ich tatsächlich hier und bin hautnah dabei wie die Jungs alles geben. Mann, müsste ich hier mitfahren, ich wäre wohl jetzt schon tot.
„Bleib ruhig, Stefan. Das ist doch erst der Anfang. Du kollabierst mir ja noch bis ins Ziel.“, schmunzelte Bernhard.
Sie hatten gerade den Passo Balestrino passiert, und an eben diesem Anstieg hatte sich die Gruppe um Markus gelöst. Mit ihm waren nun Fahrer wie der Kasache Dimitri Fofonov(COF) oder Ludovic Turpin(A2R) unterwegs. Eine gute Gruppe also, die auch die nächsten 50 km ausgezeichnet funktionierte, bis es in den schwierigsten Anstieg des heutigen Tages, dem Passo del Genestro hinaufging. Mit dem heranrasenden Feld im Rücken, und der Gefahr des baldigen Gestellt-Werdens attackierte Fofonov und konnte sogleich ein paar Meter zwischen sich und die restlichen Ausreißer bringen. Auch Eibegger musste zu diesem Zeitpunkt reißen lassen und orientierte sich an seinen anderen Fluchtgefährten. Geschlossen erreichte die Gruppe den „Gipfel“ und konnte in der Abfahrt, auch durch Bernhards und Stefans Zureden bedingt, ja auch Stefan sprach durch den Funk nachdem ihm Bernhard die Erlaubnis erteilte, wieder zu Fofonov aufschließen.
„Ja, super Markus. Du hast es geschafft! Immer weiter so.“, brüllte ein total enthusiastischer Stefan König aus dem Fenster, während Bernhard am Fahrersitz wieder ins Schmunzeln geriet.
„Lach nicht immer.“, schmollte ihn Stefan an und drückte sich etwas beleidigt in den Fahrersitz.
„Ich mach doch nur Spaß. Glaubst du nicht ich war auch mal so? Jeder fängt so an, nur du lernst mit der Zeit deine Gefühle im Zaum zu halten. Außer deine Jungs gewinnen, dann geht die Post ab.“
Wenige Kilometer nach diesem Gespräch zwischen Stefan und Bernhard war es um die Spitzengruppe auch schon geschehen. Gut, zuerst mussten die beiden hinter das Feld, weil der Vorsprung bereits unter einer Minute war, aber das Feld hatte zu diesem Zeitpunkt ein Höllentempo drauf, und so ließ die Spitzengruppe nicht lange auf sich warten.
Gleich nach dem sich der VW Passat wieder in Reih und Glied hinter dem Feld positioniert hatte, startete Bernhard eine Umfrage, wer denn in der Lage sei am letzten Anstieg des Tages, der Cima Paravenna zu attackieren. Mit einem deutlichen
„Ich versuchs.“, meldete sich sogleich Fabian Wegmann zu Wort, denn er war ja der eigentliche Kapitän für das heutige Rennen. Bernhard war natürlich damit einverstanden und holte sich den Münsteraner aber noch einmal zurück ans Auto. Wie ein alter Haudegen schwor er ihn ein, und meinte zum Schluss er solle einfach durchziehen so langer er könne, es ginge doch in erster Linie um die Präsenz im Rennen. Dann fuhr Fabian, mit Erik Hoffmann an seiner Seite wieder nach vorne. Das Feld war zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich dezimiert, hatte der letzte Anstieg doch wirklich einige Opfer gefordert, und somit war die Attacke die große Chance das heutige Rennen zu gewinnen.
Noch vor der Cima ging Fabian in die Offensive, wusste er doch, dass ein gewisser Danilo di Luca noch in der ersten Gruppe war, und ihn der am Anstieg wohl stehen lassen würde. Wie ein Blitz schoss er aus dem Feld hinaus und brachte sogleich einige Meter zwischen sich und die Gruppe.
Stefan musste sich währenddessen die schweißnassen Hände in die Hose wischen, so aufgeregt war er in diesem Moment. Aber Fabian schlug sich gut. Denn gesamten Anstieg konnte er sich vor dem Saecozug samt Anhang halten, ehe er seinen Vorsprung in der Abfahr t auf gut 50 Sekunden ausbaute. Aber Di Luca und seine Mannen saßen ihm im Nacken. Und kurz vor der Ortseinfahrt nach Laigueglia, etwa 1500 Meter vor der Ziellinie konnten sie den Deutschen stellen.
„So ein Scheis.“, schimpfte Bernhard. Doch dann attackierte plötzlich ohne Vorwarnung Jure Golcer(RBL). Zwar war sein Antritt nicht so explosiv wie jener von Fabian, doch er konnte sich etwas absetzen, war er doch ein Fahrer der im Sprint keine Chance hatte. Leider bekam Stefan das alles nur bedingt mit, saß er doch hinter der Gruppe fest.
Die 1000 Meter Marke war erreicht und noch immer hatte Jure 50 Meter auf das Feld Vorsprung. Fabian mühte sich einstweilen am Ende des Feldes ab. Würde er noch in den Sprint eingreifen können?
Über Funk erfuhr Stefan den Ausgang des Rennens, wurde sie doch kurz vor dem Ziel abgeleitet, um die Fahrer nicht zu behindern. Auch Jure hatte sich wacker geschlagen, wurde jedoch wenige hundert Meter vor dem Ziel von der heranrasenden Meute gestellt, aber konnte dennoch einen ausgezeichneten11. Platz nach Hause fahren, während sich Fabian Wegmann sehr zur Freude von Bernhard Rassinger noch auf Rang 8 klassierte, und das nach so einem Husarenritt am Ende des Rennens. Wer gewonnen hat? Danilo Di Luca natürlich.
Ergebnis Trofeo Laigueglia
1. Danilo Di Luca Saeco 3h51'17
2. Yuri Krivtsov AG2R Prévoyance s.t.
3. Maarten Den Bakker Rabobank s.t.
4. Denis Lunghi Alessio - Bianchi s.t.
5. Guiseppe Palumbo Acqua & Sapone - Caffè Mokambo s.t.
6. Luca Mazzanti Ceramiche Panaria - Margres s.t.
7. Marco Velo Fassa Bortolo s.t.
8. Fabian Wegmann Red Bull s.t.
9. Oscar Mason Vini Caldirola - Nobili Rubinetterie s.t.
10. Scott Sunderland Alessio - Bianchi s.t.