25.4.2004 Lüttich-Bastogne-Lüttich:
Bettini, Bartoli, Boogerd, Di Luca, Astarloa, Merckx, Vandenbroucke und Davide – Favoriten waren heute genügend dabei und alle wollten nur eins: Den Sieg bei einem der größten Frühjahrsklassiker um damit viele Punkte im Weltcup aufzuholen auf Spitzenreiter van Petegem, der Lüttich ausgelassen hatte.
Auch ich fühlte mich heute Morgen sehr stark und es tat mir gut, dass die ersten 40 Kilometer des Rennens, Weltcup-typisch, ruhig verliefen – keine Attacken, keine Ausfälle.
Als dann mit Agnolutto, Veneberg und Barredo die ersten Fahrer attackieren gingen ließen wir sie einfach fahren. Die waren sicher keine Gefahr…
Später schlossen auch Karpets und Yus Querejeta noch zur Spitze auf, aber durch Lampre, Quickstep und CSC wurde der Abstand im Feld gut kontrolliert. Im Stadtzentrum von Bastogne hatte die Gruppe ihren Maximalvorsprung von 5’20 erreicht und jetzt begann die Lücke kleiner zu werden. Allen war klar, dass die 5 noch vor den entscheidenden Anstiegen im Finale gestellt würden.
Kurz nachdem der Abstand durchgegeben worden war folgte die nächste Attacke. Jetzt wurde es schon ernster, denn mit Douma, R. Verbrugghe und vor allem Vinokourov versuchten nun drei Top-Leute ihr Glück. Das Trio war kaum aus dem Sichtfeld verschwunden und Bastogne verlassen, als sich noch mehr Fahrer ein Herz nahmen. Die Namen blieben bedeutend, denn unter anderem waren jetzt auch Pecharroman, Mancebo, Cunego, Casagrande und Markus Zberg auf der Flucht. Doch das Feld machte Dampf. Diese Gruppe war zu stark und so wurde sie 130 Kilometer vor dem Ziel wieder gestellt. Nur Pecharroman, Cunego und Markus konnten sich erneut absetzen.
Die drei holten kinderleicht die Spitzengruppe ein und ruhten sich kurze Zeit an deren Hinterrädern aus, verpassten dann aber den richtigen Zeitpunkt um sich wieder zu lösen und so mussten auch sie das Feld heranrauschen lassen.
Kaum war die eine Gruppe gestellt ging auch schon die nächste. Das Tempo ging kaum noch runter. „So ist das wohl im Weltcup“, dachte ich mir.
Gasperoni, Simoni und Klöden waren aus dem Sattel gegangen und schon folgten Marckx, Brochard, Vandenbroucke, Gianni (Faresin), Davide und erneut Markus, aber auch diesmal schafften es nur drei sich zu behaupten:
Brochard, Merckx und Vandenbroucke bildeten die neue Spitzengruppe.
War Davide heute zu schwach oder wollte er nur noch nicht? Fragen konnte ich ihn das leider nicht, weil ich ihn nicht sah. Meine Beine waren zwar gut, aber jetzt nach 180 Kilometern Berg- und Talfahrt bekam ich stellenweise doch leichte Probleme mich vorn im Feld aufzuhalten.
An der Côte de Wannerenval kam es dann zum Außeinanderbrechen des Feldes und ich war stolz mich grade noch so in der ersten Hälfte halten zu können – dort wo jetzt nur noch etwa 40 Mann waren.
50 Kilometer vor dem Ziel hatte die Spitzengruppe, die wohl sehr gut lief, bereits 3’35 herausgefahren und so langsam wurde es ernst.
Die Boogerds, Bettinis, Bartolis und Di Lucas wurden nervöser und auch das Tempo war jetzt sehr hoch. Unsere Verfolgergruppe wurde dadurch immer kleiner und auch Fabian Wegmann musste reißen lassen. Er befand sich jedoch in guter Gesellschaft, denn an seinem Hinterrad hing Jan Ullrich. Der T-Mobile-Star und ehemalige Tour de France-Sieger war sichtlich noch nicht in Form und seine aufgeblasenen Pausbacken sprachen Bände: Ullrich war k.o. – Ich nicht!
Zwar hing ich jetzt seit einigen Kilometern immer wieder am Ende der Gruppe, aber reißen lassen musste ich noch nicht.
Dann kam die Redoute. Der Anstieg mit bis zu 16% war oft genug Schafrichter bei L-B-L und auch heute kam hier die Attacke der Favoriten. Alle theoretischen Siegfahrer, auch Davide, schossen jetzt nach vorn.
Ich selbst ging stattdessen fliegen.
Innerhalb von wenigen Kilometern war ich ewig weit von Davide distanziert worden. Die sechsköpfige Favoritengruppe fuhr am Limit. Sie brauchten 5 Kilometer um 1’30 vom Rückstand auf die Spitze abzuknabbern und so langsam wurde es wieder möglich, dass ein Anderer hier gewinnt.
Dann nahm sich Davide wieder ein Herz. 15 Kilometer vor dem Ziel, mitten in der Sart-Tilman-Rampe überraschte er die Konkurrenz und spurtete los.
Noch guckten sich Di Luca und co nur dumm an, aber in der Abfahrt begann die Jagd. Weltmeister Astarloa wollte sicher nicht schon wieder so geschlagen werden und so führte er die Gruppe an der Côte de Saint-Nicolas wieder an Davides Hinterrad heran.
Doch die drei an der Spitze waren noch immer 50’’ voraus. Lüttich war erreicht. Das Trio des Tages ging in den Schlussanstieg und die Verfolger konnten mit 500 Metern Rückstand lediglich zuschauen, wie vorn gesprintet wurde.
Der Sieg ging letztendlich an Laurent Brochard vor Axel Merckx...
...während Davide keine Kraft mehr hatte und sich mit Platz 9 zufrieden geben musste. Er verlor sogar noch Zeit.
Markus wurde nur zwei Plätze dahinter 11. und ich belegte 6’14 hinter dem Sieger Platz 24. Die letzten Anstiege hatten es mir gegeben. Ich war mausetot – falsch. Ich bin mausetot!
Aber immerhin feiere ich meine ersten 2 Weltcup-Punkte.
Ergebnis:
1 Laurent Brochard AG2R PREVOYANCE 5h36'46
2 Axel Merckx LOTTO - DOMO s.t.
3 Frank Vandenbroucke MR BOOKMAKER.COM + 20
4 Paolo Bettini QUICK STEP - DAVITAMON + 43
5 Igor Astarloa LAMPRE s.t.
6 Danilo Di Luca SAECO s.t.
7 Michael Boogerd RABOBANK s.t.
8 Michele Bartoli TEAM CSC s.t.
9 Davide Rebellin GEROLSTEINER + 1'10
10 Juan-Antonio Flecha FASSA BORTOLO + 2'20
Weltcup-Gesamtstand (nach 5 von 10 Rennen):
1 Peter van Petegem LOTTO - DOMO 199
2 Davide Rebellin GEROLSTEINER 170
3 Laurent Brochard AG2R PREVOYANCE 168
4 Paolo Bettini QUICK STEP - DAVITAMON 130
5 Michele Bartoli TEAM CSC 124
6 Steffen Wesemann T-MOBILE 120
7 Servais Knaven QUICK STEP - DAVITAMON 110
8 Igor Astarloa LAMPRE 106
9 Danilo Di Luca SAECO 100
10 Markus Zberg GEROLSTEINER 94