Ich weiß nicht, wie lange das gut geht, aber irgendwie funktioniert der Radsport Manager jetzt wieder - man muss ihm wohl nur ein paar Monate im Regal zugestehen... Daher geht's mal wieder ein Stückchen weiter.
27.4.2008 (Lüttich) – Einfach mal probieren:
Dass ich wieder gut genug bin, um in den Ardennen in die Top 10 zu fahren, habe ich in dieser Woche bereits bewiesen und so war beim ältesten der Eintagesklassiker eigentlich klar, was mein Ziel sein musste: Mehr. Nicht nur, was das Ergebnis betrifft, sondern auch in Sachen Fahrweise. Bisher hatte ich nur reagiert und versucht mitzufahren, wenn die Favoriten das Tempo anzogen. Heute wollte ich das ändern. Ich wollte das Tempo selbst mitbestimmen und vielleicht sogar richtig angreifen – etwas, was sicher sogar meinem Chef gefallen hätte.
Zunächst aber galt es, sich im Feld gut zu verstecken und möglichst kraftsparend zu fahren. Mit Hilfe meiner Teamkollegen, die sich im Mannschaftsbus sichtbar gefreut hatten, dass ich heute etwas probieren wollte, weil auch sie wussten, dass der Chef mit der Mannschaftsleistung dann zufriedener sein würde, lief es 160 Kilometer lang sehr gut. Die Jungs kümmerten sich rührend um mich und fragten fast schon zu oft nach, ob ich etwas brauchen könnte. Dann aber wurde das Tempo im Feld erhöht, die Cote de Wanne stand kurz bevor, und einer nach dem anderen fiel zurück: Kayle Leogrande, Sergio Hernandez, Sterling Magnell, Jeremiah Wiscovitch, Michael Creed und Adam Switters – einer nach dem anderen stöhnte über den Funk: „Sorry Rot, es geht nicht mehr.“
Verantwortlich dafür war ausgerechnet Fabian. Er hatte mit den Gerolsteiner-Jungs den Auftrag bekommen, das Rennen von jetzt an schwer zu machen. Kapitän Davide Rebellin fühlte sich scheinbar sehr gut.
Für mich war das allerdings kein großes Problem. Ich blieb im vorderen Teil des Feldes und hatte auf den nächsten 30 Kilometern sogar noch einen letzten Helfer an meiner Seite: Fred Rodriguez. Man konnte spüren, dass er alles gab, um mich zu unterstützen und so festigte sich in mir der Entschluss, heute anzugreifen. Ich wollte dem Team etwas zurückgeben. Natürlich hätte ich mehr Hilfe gebrauchen können, aber die Jungs hatten alles gegeben – mehr ging einfach nicht. Wir sind Rock Racing und nicht Astana, Quick Step oder CSC.
Knappe 40 Kilometer vor dem Ziel erreichten wir den Anstieg zur Cote de la Redoute – einen der berühmtesten Berge bei der „Doyenne“, wie Lüttich-Bastogne-Lüttich genannt wird. Fred pfiff aus dem letzten Loch, ich klopfte ihm auf die Schulter und bedankte mich kurz: „Gute Arbeit, Mann. Mach‘ Feierabend.“ Er schaute etwas verblüfft, dürfte dann aber doch recht schnell verstanden haben. Denn ich ging aus dem Sattel und setzte die versprochene Attacke.
Meine alten Teamkollegen in den hellblauen Trikots schauten sich einen Moment lang an der Spitze des Feldes an, konnten dann aber auch nicht mehr reagieren und schon war ich weg. Eine Lücke entstand, ich zog durch und dann war da ein Loch. Nach einer Minute mit gesenktem Kopf und Vollgas schaute ich mich um und sah niemanden. Was zunächst gut klingt, war jedoch nicht ganz optimal. Zwar hatte ich alle stehen lassen, doch nun lagen rund 35 Kilometer im Wind vor mir, wenn ich allein in den Schlussanstieg von Ans gehen wollte.
Es waren verflucht lange Kilometer über Cote de Sprimont, den Falkenfelsen und schließlich hinauf zur Cote de Saint-Nicolas, doch ich blieb an der Spitze. Es sah verblüffend gut aus – sieben Kilometer bis ins Ziel und es würde nur noch ein letzter Anstieg auf mich warten. Ich dachte an die Möglichkeit, dieses Rennen auf sensationelle Art und Weise zu gewinnen. In mir wurde es warm. Ein tolles Gefühl – was für ein Ausrufezeichen wäre das? Was für ein Comeback!
Doch dann wurde ich in die Realität zurück geholt. Die großen Favoriten hatten, wie schon in Valkenburg und Huy ihre Kräfte für das Finale gespart. Man hatte mich, natürlich, 30 Kilometer lang an der langen Leine geführt, um dann an der Cote de Saint-Nicolas nachzusetzen. Von hinten näherte sich schon auf der Kuppe eine gefährliche Gruppe um Davide Rebellin und Weltmeister Paolo Bettini. In der Abfahrt stellten sie den Kontakt her und schon waren meine Siegchancen auf ein Minimum geschmolzen – im Vergleich zu den anderen hatte ich quasi keine Reserven mehr.
Trotzdem hielten meine Verfolger eine freudige Überraschung für mich bereit: Sie waren nur zu fünft. Wenn ich am Hinterrad bleiben konnte, war mir der sechste Platz sicher – das war mehr als ich mir im Moment meines Angriffs erwartet hatte. Immerhin hätte die Aktion auch total in die Hose gehen können. Ich beschloss, von nun an keine Führungsarbeit mehr zu machen und „einfach nur“ mitzufahren – wie beim Amstel und auf dem Weg zur Mauer von Huy.
Der Plan ging auf. Zwar konnte ich dem Angriff meines Ex-Teamkollegen Davide Rebellin, der im Anstieg von Ans den Turbo schaltete und davon flog, nichts entgegensetzen, doch das war den anderen vier auch nicht vergönnt. Immer wieder drehte ich mich auf dem letzten Kilometer um, um zu sehen, ob von hinten doch noch eine größere Gruppe herankam. Doch da war nichts. Wir fuhren um die letzte Kurve und dann eröffnete Samuel Sanchez den Sprint um Rang zwei. Das Quintett zerfiel in seine Einzelteile und ich merkte, dass ich keine Chance mehr aufs Podium hatte. Aber ich konnte wenigstens einen meiner Begleiter schlagen und so biss ich mich einfach nur an Damiano Cunegos Hinterrad fest, um kurz vor dem Zielstrich tatsächlich noch an dem Italiener vorbei zu ziehen – Platz fünf bei der Doyenne, wow!
Gegen Davide war im Finale sowieso kein Kraut gewachsen und abgesehen von ihm, war ich an diesem Sonntag wohl der Mann des Tages gewesen. Die Journalisten stürzten sich im Zielbereich auf mich und wollten wissen, wie es sich anfühlte, nach einem solchen Ritt, so kurz vor dem Ziel gestellt zu werden: „Schön“, sagte ich. „Es ist einfach schön, wieder voll da zu sein.“
Ergebnis – Lüttich-Bastogne-Lüttich:
1 Davide Rebellin Gerolsteiner 6h50'57
2 Samuel Sánchez Gonzalez Euskaltel - Euskadi + 31
3 Paolo Bettini Quickstep + 38
4 Frank Schleck Team CSC - Saxo Bank + 40
5 Rot Rigo Rock Racing + 43
6 Damiano Cunego Lampre + 45
7 Karsten Kroon Team CSC - Saxo Bank + 58
8 Jurgen Van den Broeck Silence - Lotto + 1'00
9 Philippe Gilbert Francaise Des Jeux + 1'11
10 Alejandro Valverde Caisse d'Epargne + 1'16
11 Robert Gesink Rabobank s.t.
12 Riccardo Riccò Scott - American Beef + 1'18
13 Carlos Sastre Team CSC - Saxo Bank + 1'21
14 Thomas Dekker Rabobank s.t.
15 Kim Kirchen Team Columbia + 2'26
Rock-Racing-Victory-Counter: 22