21. Etappe Vuelta a Espana
Das letzte Mal musste sich Tobias heute nach einer langen Nacht aus dem Bett quälen um die Berichterstattung für die Vuelta anzuleiern. Schlaf aus den Augen reiben, Aspirin einschmeißen, viel zu altes Gesicht im Spiegel bemitleiden, all das gehörte zum festen Ritus. Heute beeilte er sich jedoch ein wenig mehr, um noch mehr Interviews vor der Etappe führen zu können als sonst. Zum Teil natürlich weil das die letzte Etappe war und er von vielen Fahrern Resümees haben wollte, zum anderen natürlich wegen dem spektakulären Äußerungen von Jerdona gestern.
In den letzten Tagen war der junge Baske zum neuen Nationalhelden aufgestiegen. Seine kämpferische Fahrweise, sein jungendlicher Blutdurst, der Streit mit Gorospe, seine Niederlage und seine Rückkehr, all das hatte nicht nur die Basken sondern alle Spanier fasziniert. So steil sein Aufstieg war, so überraschender kam nun die Wende weg von Euskaltel. Das es keinen Streit zwischen ihm und Gorospe gegeben haben sollte glaubte ihm natürlich kaum jemand, aber es war auch nur ein Randthema. Wohin würde er gehen? Zu einem anderen spanischen Rennstall? Dem Ruf des Geldes ins Ausland folgen? Eine Menge fragen waren zu beantworten.
Für Jerdona selbst begann der heutige Tag dagegen eher ruhig. Er ließ sich viel Zeit im Bett, im Bad und im Frühstück und mied die Reporter. Heute würde sein letzter Renntag mit Euskaltel sein, und den hatte er vor, zu geniessen.
Die Etappe selbst dagegen war mit 133 km eher kurz, wobei sie aber nach den voran gegangenen drei Wochen immer noch alles andere als leicht werden würde.
Wie immer zwangen die Sprinterteams mit ihrem hohen Tempo das Feld in einen Massensprint, den heute McEwen für sich entscheiden konnte. Damit hatten Petacchi und er jeweils 4 Erfolge auf ihrem Konto, während Boonen nur zwei Mal erfolgreich gewesen war.
Als nächstes Stand die Siegerehrung an. Jerdona konnte sich schon im Ziel kaum vor den Reportern wehren, gab dann auch bereitwillig Auskunft. Der Moment, nach 3 knallharten Wochen überhaupt so eine große Rundfahrt beendet zu haben, konnte auch von den Presseleuten nicht verdorben werden. Und letztlich gehörten sie ja auch dazu.
Überhaupt hatte er seit heute morgen alles genossen, jeden Fahrer um ihn herum, die Begleitfahrzeuge, die Hubschrauber,... all das war einfach super, er liebte es. Schon nach seiner ersten 3-Wochen Rundfahrt war er der Droge völlig anheim gefallen. Es konnte einfach durch nichts getopt werden.
Und auch während Petacchi als Etappensieger auf das Podium gerufen wurde, musste er Fragen beantworten. Auf der einen Seite nervte ihn das unheimlich, aber mit ein wenig Überwindung war es halb so schlimm. Während Petacchi nun das Trikot des Punktbesten überreicht bekam, machte sich Jerdona aber trotzdem auf den Weg zum Teambus. Mit einer Trinkflasche und einigen Handtüchern, die den Schweiss auffingen, ging er hinüber zu seinen Teamkollegen, die die Siegerehrung zusammen auf einer Leinwand verfolgten.
Roberto war der nächste und bekam nach einer unglaublichen Leistung in den Bergen, wo er seinen Angriffswillen unter Beweis gestellt hatte, das Bergtrikot hochverdient überreicht. Jerdona, der selber zweiter in dieser Wertung war, gönnte seinem Teamkollegen den Triumph natürlich. Das fiel ihm natürlich viel leichter, nachdem er nun selber dran war und Roberto quasi auf dem Podium abklatschte.
Hier in Madrid oben zu stehen war nochmal etwas anderes als bei einer Etappe aufgerufen zu werden. Die Menschenmenge war größer und besser gelaunt, waren die meisten Ergebnisse heute doch keine Überraschung für sie. Er sah zahlreiche Transparente in der Menge und auch ein paar mit seinem Namen. Viele Menschen hatten schon Getränke mit, die Party würde anfangen, sobald die Siegerehrung vorbei war. Bester Jungprofi.
[An dieser Stelle überspringe ich die Kombinationswertung, die ich natürlich nicht selber ausrechne
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Die Teamwertung kam als nächstes dran. Hier hatte Phonak mit seiner Kombination aus Berg- und Zeitfahrern gewinnen können. Illes Baleares hatte zwar die beste Bergequipe dieser Vuelta gestellt, aber Phonak konnte bei den beiden Zeitfahren einfach überzeugen.
Schließlich als letztes wurde der Gesamtsieger geehrt. Ein wenig Wehmütig blickte Jerdona schon drein, als Botero ganz oben auf das Treppchen stieg, von der Menge bejubelt wurde und die Glückwünsche entgegennehmen durfte.
Aber als er zusammen mit Yaroslav Popovych auch nach draussen lief und sie zusammen das Treppchen besetzten war die Trauer um den verpassten Gesamtsieg vergessen. Noch vor einem Monat, ja noch vor zwei Wochen hätte er so etwas auch selbst für unmöglich gehalten. Das sein erster Auftritt bei einer großen Landesrundfahrt direkt so gut verlaufen würde, war fantastisch, ein Wunder. Sein Leben würde sich grundlegend ändern, und noch während er auf dem Podium stand, wurde er sich bewußt, das er den Rest seiner aktiven Karriere wohl den Rundfahrten widmen würde. Er war nicht nur gut darin, es machte ihm auch einen riesigen Spass.
Etappenergebniss
1 Robbie McEwen DAVITAMON - LOTTO 3h14'50
2 Stuart O'Grady COFIDIS s.t.
3 Oscar Freire RABOBANK s.t.
4 Fabio Baldato FASSA BORTOLO s.t.
5 Erik Zabel T-MOBILE TEAM s.t.
6 Alejandro Valverde ILLES BALEARS s.t.
7 Mario Cipollini LIQUIGAS-BIANCHI s.t.
8 Jimmy Casper COFIDIS s.t.
9 Max van Heeswijk DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM s.t.
10 Fred Rodriguez DAVITAMON - LOTTO s.t.
Gesamtklassement
1 Santiago Botero PHONAK HEARING SYSTEMS 78h14'08
2 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI + 3'39
3 Yaroslav Popovych DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM + 5'30
4 Francisco Mancebo ILLES BALEARS + 6'15
5 Levi Leipheimer GEROLSTEINER + 12'08
6 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH + 12'13
7 Carlos Sastre TEAM CSC + 17'36
8 Damiano Cunego LAMPRE - CAFFITIA + 17'39
9 Michael Rogers QUICKSTEP + 19'11
10 Denis Menchov RABOBANK + 19'33
11 Serhiy Honchar DOMINA VACANZE + 20'04
12 Alejandro Valverde ILLES BALEARS + 20'18
13 Stefano Garzelli LIQUIGAS-BIANCHI + 21'21
14 Oscar Pereiro PHONAK HEARING SYSTEMS + 21'42
15 Alberto Contador LIBERTY SEGUROS - WURTH + 22'09
16 Aitor Gonzalez J. EUSKALTEL - EUSKADI + 24'31
17 George Hincapie DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM + 24'50
18 Juan Carlos Dominguez SAUNIER DUVAL - PRODIR + 26'38
19 Georg Totschnig GEROLSTEINER + 26'44
20 Cadel Evans DAVITAMON - LOTTO + 26'46
Punktewertung
1 Alessandro Petacchi FASSA BORTOLO 221
2 Robbie McEwen DAVITAMON - LOTTO 172
3 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI 151
4 Oscar Freire RABOBANK 131
5 Francisco Mancebo ILLES BALEARS 116
6 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH 114
7 Santiago Botero PHONAK HEARING SYSTEMS 113
8 Tom Boonen QUICKSTEP 111
9 Erik Zabel T-MOBILE TEAM 99
10 Stuart O'Grady COFIDIS 95
Bergwertung
1 Roberto Laiseka EUSKALTEL - EUSKADI 151
2 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI 113
3 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH 109
4 Francisco Mancebo ILLES BALEARS 97
5 Stefano Garzelli LIQUIGAS-BIANCHI 71
6 Yaroslav Popovych DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM 57
7 Damiano Cunego LAMPRE - CAFFITIA 53
8 M. A. M. Perdiguero PHONAK HEARING SYSTEMS 42
9 Giuseppe Guerini T-MOBILE TEAM 42
10 Francisco J. Lara Ruiz T-MOBILE TEAM 42