Selbst in den Medien wurde er schon veräppelt. Und jetzt hätte ihm beinahe ein Doper den Sieg geklaut: Gudeisell.
Barwuah, zunächst will ich Dir herzlichst gratulieren. Im vierten Profijahr hat es endlich zum ersten Sieg gereicht – wenn auch erst am grünen Tisch. Wie fühlt sich das an?
Gudeisell: Nun ja, Grüner Tisch würde ich nicht unbedingt sagen. Es ist und bleibt eine linke Ratte, im Grunde hat es mir ja damals beim Giro schon einige Siege gestohlen, das kann man jetzt quasi als fix ansehen, wer einmal dopt dopt immer. Das es dann auch noch die Frechheit besitzt vorne weg zu fahren, das Gspritzte, das ist schon ein starkes Stück. Soll mir aber egal sein, ich freue mich trotzdem über den Sieg, hat ja lange gedauert. Meine Mutter hat sofort ne SMS bekommen.
Leider wurdest Du um den Jubel auf der Zielgerade betrogen, weil es Es gibt. Ich kann mir vorstellen, dass Du diesem Betrüger gerne zeigen würdest, wie man auf Kuba mit solchen Leuten umgeht…?
Gudeisell: Wie gesagt, das Ding betrügt ja nicht nur mich seit Jahren, auch das restliche Peloton ist mehr als nur erbost über diesen Skandal. Ich glaube, das wird noch ordentlich Wellen schlagen in den nächsten Tagen. In Kuba hat Es ohnehin schon seit zwei Jahren Einreiseverbot, jetzt muss es eben auch in Frankreich aufpassen, nicht gelyncht zu werden.
Bislang hast Du stets versucht, in den Bergen eine Rolle zu spielen. Erst vor dieser Tour sind die kubanischen Sportwissenschaftler darauf gekommen, dass deine Statur mit den dicken Oberschenkeln für etwas ganz anderes gemacht ist. Wieso wurde das nicht früher bemerkt? Auch von Dir selbst…
Gudeisell: Das macht eigentlich nur auf den ersten Blick diesen Eindruck. Vor allem bei der Tour habe ich mich eigentlich immer als Sprinter oder sogar als Zeitfahrer versucht, das geht nur ein wenig unter, weil ich letztes Jahr aussetzen mussten, weil die kubanische Armee mich für ihr Manöver gegen Zigarrendiebe brauchte. Aber Du hast da schon recht, eigentlich hätte ich mit dem Ciclamino Gewinn 2010 schon umdenken können, aber später ist man immer kluger.
Auf Grund Deiner bisherigen Erfolglosigkeit wurdest Du nach dem Prolog sogar in der L’Equipe verspottet. „Mit seiner Zeit spielte er naturgemäß keine Rolle. 2. und 3. Plätze könnten aber schon bald folgen“, stand da. Wie sehr schmerzt so etwas?
Gudeisell: Das nagt natürlich schon an einem, zumal es oft wirklich knapp war. Ich denke, viele im Peloton kennen mich durch diese fehlenden Siege noch nicht so sehr, wie sie mich eigentlich kennen sollten. Du wirst aber sicher bemerkt haben, dass von der L'Equipe anschließend nichts mehr erschien, ich kann aus juristischen Gründen leider nur sagen, dass das seine Gründe hat.
Losgegangen ist die Rundfahrt gar nicht gut. Gleich am Anfang hast Du leichtfertig Punkte fürs Grüne Trikot verschenkt, und dann schien die alte Geschichte von den knapp verpassten Siegen mit einem vierten und einem zweiten Rang weiterzugehen. Was hat dafür gesorgt, dass jetzt endlich der Knoten geplatzt ist?
Gudeisell: Wichtig war, dass ich das schnell abhacken konnte. Dadurch dass meine Teamkollegen, allen voran Modotracht, dann für gute Ergebnisse gesorgt haben hatte ich auch die Zeit, ruhig weiterzuarbeiten. Ich habe mir schon am ersten Ruhetag, wo bei einem Head-to-Head gegen Ruffidish alle auf diesen Ochsen gesetzt haben (mit einer Ausnahme kannste hier anmerken), dass sich viele wundern werden. Zu Beginn der gestrigen Etappe hatte ich tatsächlich ein gutes Gefühl, ich hatte richtig gute Beine. Ich denke auch, dass ich übermorgen und in Paris ganz vorne sein werde.
Ihr vom Habanos Club Havana zeigt euch im Peloton oft mit Zigarren. Findet Ihr nicht, dass das wie ein billiger Abklatsch wirkt? Eine schlechte Kopie eines großen Stars? Oder wisst Ihr gar nicht von der Tradition der Cohibas im Peloton?
Gudeisell: Wir Habanieros sind ein Team von Genießer, daher auch die Zigarren. Wir können uns ja auch durchaus leisten, mal rumgetränkt an den Start zu gehen, also warum nicht mit ner Zigarre im Mundwinkel durch Frankreich radeln. Zum Thema große Stars: Wir sind zwar noch nicht ganz oben am Rad-Olymp, aber als Team gehören wir zur absoluten Elite. Ohne diese Gallopinsche Krankheit, die da kurz auch bei uns grassiert hat, würden wir heute wohl auf dem Weg zum dritten Teamwertungs-Sieg in Folge sein.
Also tatsächlich keine Ahnung von historischen Hintergründen - ich habe es mir gedacht. Du selbst bemühst Dich immer wieder zu betonen, dass Du bei der Tour ein locker-lässiges Leben führst. Das passt eigentlich ganz gut zu den Jungs mit den tiefsitzenden Jeans, diesen „Tourtrotters“. Bist Du eigentlich Stammgast auf deren Partys? Mich würde mal interessieren, was da so geht… Du weißt schon was ich meine. Frauen, Drogen…
Gudeisell: Ich bin zwar ein locker-lässiger Typ, Stil wird bei mir aber auch groß geschrieben. Tiefsitzende Jeans sind da eher kontraproduktiv. Tatsächlich ist es eher umgekehrt, die "Tourtrotters" fragen permanent an, um zu meinen Partys eingeladen zu werden. Für Frauen und Drogen ist da bei mir eigentlich immer reichlich gesorgt, morgen werden wir meinen Sieg gestern und meinen Folgesieg morgen ordentlich feiern, da biste auch herzlich eingeladen.
Für Drogen ist ordentlich gesorgt? Und dann über das Es meckern, jaja... Aber zurück zum Rennen. Der heutige Etappensieg war ja perfekt vorbereitet. Erst hat Vinippo attackiert, so dass Ihr nicht viel arbeiten musstet. Dann hast Du gewonnen – und das mit Ansage, nachdem du am Morgen sagtest: „Am Ende schieß ich das Ding schon ab, keine Sorge!“ Woher kommt nach so vielen Niederlagen plötzlich das Selbstvertrauen? Hat das was mit euren neuen Kettenblättern zu tun?
Gudeisell: In diesem Fall habe ich meine Siegesgewissheit tatsächlich aus besagtem Kettenblatt bezogen, wobei aus meinem Interview auch hervorgeht, dass ich selbst das Material für ein ziemliches Risiko hielt. Aber als Sprinter muss man riskieren, sonst gewinnt man hier keinen Blumentopf. Ich hatte eigentlich seit Beginn der Rundfahrt das Gefühl, dass nach den vielen Niederlagen endlich der Knoten platzen würde, ich bin nun auch zuversichtlich, noch ein Ding abzuschießen. Paris ist da sicher ein großes Ziel von mir, vor zwei Jahren war ich immerhin mal am Etappenpodium in der Hauptstadt.
Nochmal zum Selbstvertrauen. Davor strotzt Du ja jetzt, hast großspurig angekündigt: „Jetzt hol ich mir auch noch Grün, Freunde der Blasmusik.“ Da stellt sich mir die Frage: Wer ist hier ein Freund der Blasmusik? Hat das vielleicht auch was mit den Basketball-Partys zu tun?
Gudeisell: Das Thema Homosexualität ist nicht nur im Fußball ein Thema, sondern auch bei uns im Radsport. Das war als Ansporn gedacht, dass einige Herren im Peloton endlich mal ihren Mut zusammennehmen, und an die Öffentlichkeit gehen. Die Basketball-Partys sind da ein nur all zu gutes Stichwort. Sexuell ambivalente Wesen wie Grabbador oder auch der genannte Es tragen schon zu einer gewissen Offenheit bei.
Und das Grüne Trikot ist wirklich Dein Ziel? Zutrauen tut Dir das fast niemand. In den Wettbüros hat man mir erzählt, dass im Head-to-Head mit Ruffidish 95 Prozent auf den Kerl vom Refezeit Test Team setzen...
Gudeisell: Genau, da sprichst du nochmal das an, was ich dir vorhin erzählt habe. Ich habe damals schon gesagt, dass mich da einige gewaltig unterschätzen. Es sind jetzt glaube ich noch rund zwanzig Punkte, die könnte bei günstigem Rennverlauf schon heute egalisiert werden. Wenn man heute das Feld fragen würde, würde wahrscheinlich ich mehr Stimmen bekommen. Wenn man schon abgeschrieben wurde, und jetzt wieder so dick im Geschäft ist, muss das Grüne Trikot einfach das erklärte Ziel sein .. und meine Chancen stehen jetzt sehr, sehr gut.
Monaco
