Jerdona Zeres [Vuelta 2007 - beendet]

FIKTIVE Radsport-Geschichten von Usern, die sich für schreibtalentiert halten

Moderator: Grabba

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arkon
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Beitrag: # 323182Beitrag arkon
19.12.2005 - 0:24

18. September 2005, Madrid
21. Etappe Vuelta a Espana

Das letzte Mal musste sich Tobias heute nach einer langen Nacht aus dem Bett quälen um die Berichterstattung für die Vuelta anzuleiern. Schlaf aus den Augen reiben, Aspirin einschmeißen, viel zu altes Gesicht im Spiegel bemitleiden, all das gehörte zum festen Ritus. Heute beeilte er sich jedoch ein wenig mehr, um noch mehr Interviews vor der Etappe führen zu können als sonst. Zum Teil natürlich weil das die letzte Etappe war und er von vielen Fahrern Resümees haben wollte, zum anderen natürlich wegen dem spektakulären Äußerungen von Jerdona gestern.
In den letzten Tagen war der junge Baske zum neuen Nationalhelden aufgestiegen. Seine kämpferische Fahrweise, sein jungendlicher Blutdurst, der Streit mit Gorospe, seine Niederlage und seine Rückkehr, all das hatte nicht nur die Basken sondern alle Spanier fasziniert. So steil sein Aufstieg war, so überraschender kam nun die Wende weg von Euskaltel. Das es keinen Streit zwischen ihm und Gorospe gegeben haben sollte glaubte ihm natürlich kaum jemand, aber es war auch nur ein Randthema. Wohin würde er gehen? Zu einem anderen spanischen Rennstall? Dem Ruf des Geldes ins Ausland folgen? Eine Menge fragen waren zu beantworten.

Für Jerdona selbst begann der heutige Tag dagegen eher ruhig. Er ließ sich viel Zeit im Bett, im Bad und im Frühstück und mied die Reporter. Heute würde sein letzter Renntag mit Euskaltel sein, und den hatte er vor, zu geniessen.
Die Etappe selbst dagegen war mit 133 km eher kurz, wobei sie aber nach den voran gegangenen drei Wochen immer noch alles andere als leicht werden würde.
Wie immer zwangen die Sprinterteams mit ihrem hohen Tempo das Feld in einen Massensprint, den heute McEwen für sich entscheiden konnte. Damit hatten Petacchi und er jeweils 4 Erfolge auf ihrem Konto, während Boonen nur zwei Mal erfolgreich gewesen war.
Als nächstes Stand die Siegerehrung an. Jerdona konnte sich schon im Ziel kaum vor den Reportern wehren, gab dann auch bereitwillig Auskunft. Der Moment, nach 3 knallharten Wochen überhaupt so eine große Rundfahrt beendet zu haben, konnte auch von den Presseleuten nicht verdorben werden. Und letztlich gehörten sie ja auch dazu.
Überhaupt hatte er seit heute morgen alles genossen, jeden Fahrer um ihn herum, die Begleitfahrzeuge, die Hubschrauber,... all das war einfach super, er liebte es. Schon nach seiner ersten 3-Wochen Rundfahrt war er der Droge völlig anheim gefallen. Es konnte einfach durch nichts getopt werden.
Und auch während Petacchi als Etappensieger auf das Podium gerufen wurde, musste er Fragen beantworten. Auf der einen Seite nervte ihn das unheimlich, aber mit ein wenig Überwindung war es halb so schlimm. Während Petacchi nun das Trikot des Punktbesten überreicht bekam, machte sich Jerdona aber trotzdem auf den Weg zum Teambus. Mit einer Trinkflasche und einigen Handtüchern, die den Schweiss auffingen, ging er hinüber zu seinen Teamkollegen, die die Siegerehrung zusammen auf einer Leinwand verfolgten.
Roberto war der nächste und bekam nach einer unglaublichen Leistung in den Bergen, wo er seinen Angriffswillen unter Beweis gestellt hatte, das Bergtrikot hochverdient überreicht. Jerdona, der selber zweiter in dieser Wertung war, gönnte seinem Teamkollegen den Triumph natürlich. Das fiel ihm natürlich viel leichter, nachdem er nun selber dran war und Roberto quasi auf dem Podium abklatschte.
Hier in Madrid oben zu stehen war nochmal etwas anderes als bei einer Etappe aufgerufen zu werden. Die Menschenmenge war größer und besser gelaunt, waren die meisten Ergebnisse heute doch keine Überraschung für sie. Er sah zahlreiche Transparente in der Menge und auch ein paar mit seinem Namen. Viele Menschen hatten schon Getränke mit, die Party würde anfangen, sobald die Siegerehrung vorbei war. Bester Jungprofi.
[An dieser Stelle überspringe ich die Kombinationswertung, die ich natürlich nicht selber ausrechne ;)]
Die Teamwertung kam als nächstes dran. Hier hatte Phonak mit seiner Kombination aus Berg- und Zeitfahrern gewinnen können. Illes Baleares hatte zwar die beste Bergequipe dieser Vuelta gestellt, aber Phonak konnte bei den beiden Zeitfahren einfach überzeugen.
Schließlich als letztes wurde der Gesamtsieger geehrt. Ein wenig Wehmütig blickte Jerdona schon drein, als Botero ganz oben auf das Treppchen stieg, von der Menge bejubelt wurde und die Glückwünsche entgegennehmen durfte.
Aber als er zusammen mit Yaroslav Popovych auch nach draussen lief und sie zusammen das Treppchen besetzten war die Trauer um den verpassten Gesamtsieg vergessen. Noch vor einem Monat, ja noch vor zwei Wochen hätte er so etwas auch selbst für unmöglich gehalten. Das sein erster Auftritt bei einer großen Landesrundfahrt direkt so gut verlaufen würde, war fantastisch, ein Wunder. Sein Leben würde sich grundlegend ändern, und noch während er auf dem Podium stand, wurde er sich bewußt, das er den Rest seiner aktiven Karriere wohl den Rundfahrten widmen würde. Er war nicht nur gut darin, es machte ihm auch einen riesigen Spass.

Etappenergebniss
1 Robbie McEwen DAVITAMON - LOTTO 3h14'50
2 Stuart O'Grady COFIDIS s.t.
3 Oscar Freire RABOBANK s.t.
4 Fabio Baldato FASSA BORTOLO s.t.
5 Erik Zabel T-MOBILE TEAM s.t.
6 Alejandro Valverde ILLES BALEARS s.t.
7 Mario Cipollini LIQUIGAS-BIANCHI s.t.
8 Jimmy Casper COFIDIS s.t.
9 Max van Heeswijk DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM s.t.
10 Fred Rodriguez DAVITAMON - LOTTO s.t.


Gesamtklassement
1 Santiago Botero PHONAK HEARING SYSTEMS 78h14'08
2 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI + 3'39
3 Yaroslav Popovych DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM + 5'30
4 Francisco Mancebo ILLES BALEARS + 6'15
5 Levi Leipheimer GEROLSTEINER + 12'08
6 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH + 12'13
7 Carlos Sastre TEAM CSC + 17'36
8 Damiano Cunego LAMPRE - CAFFITIA + 17'39
9 Michael Rogers QUICKSTEP + 19'11
10 Denis Menchov RABOBANK + 19'33
11 Serhiy Honchar DOMINA VACANZE + 20'04
12 Alejandro Valverde ILLES BALEARS + 20'18
13 Stefano Garzelli LIQUIGAS-BIANCHI + 21'21
14 Oscar Pereiro PHONAK HEARING SYSTEMS + 21'42
15 Alberto Contador LIBERTY SEGUROS - WURTH + 22'09
16 Aitor Gonzalez J. EUSKALTEL - EUSKADI + 24'31
17 George Hincapie DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM + 24'50
18 Juan Carlos Dominguez SAUNIER DUVAL - PRODIR + 26'38
19 Georg Totschnig GEROLSTEINER + 26'44
20 Cadel Evans DAVITAMON - LOTTO + 26'46

Punktewertung
1 Alessandro Petacchi FASSA BORTOLO 221
2 Robbie McEwen DAVITAMON - LOTTO 172
3 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI 151
4 Oscar Freire RABOBANK 131
5 Francisco Mancebo ILLES BALEARS 116
6 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH 114
7 Santiago Botero PHONAK HEARING SYSTEMS 113
8 Tom Boonen QUICKSTEP 111
9 Erik Zabel T-MOBILE TEAM 99
10 Stuart O'Grady COFIDIS 95

Bergwertung
1 Roberto Laiseka EUSKALTEL - EUSKADI 151
2 Jerdona Zeres EUSKALTEL - EUSKADI 113
3 Roberto Heras LIBERTY SEGUROS - WURTH 109
4 Francisco Mancebo ILLES BALEARS 97
5 Stefano Garzelli LIQUIGAS-BIANCHI 71
6 Yaroslav Popovych DISCOVERY CHANNEL PRO CYCLING TEAM 57
7 Damiano Cunego LAMPRE - CAFFITIA 53
8 M. A. M. Perdiguero PHONAK HEARING SYSTEMS 42
9 Giuseppe Guerini T-MOBILE TEAM 42
10 Francisco J. Lara Ruiz T-MOBILE TEAM 42

lbanMayo
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Beitrag: # 323530Beitrag lbanMayo
22.12.2005 - 18:59

das stimmt HAMMER geschrieben!! ich hab mich wie im Fernsehn gefühlt :D
Andreas.... du Heulsuse ... brauchsten Taschentuch? :D

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arkon
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Beitrag: # 323564Beitrag arkon
22.12.2005 - 22:24

20. September 2005, Bilbao

Der Empfang in Bilbao, der größten Stadt des Baskenlandes und Sitz von Euskaltel - Euskadi war gigantisch gewesen. Der gesamte Plaza Moyua war ein Meer von Orange gewesen. Das erwartete Volksfest war ausgeblieben, aber nichts destotrotz waren viele Leute gekommen um den neuen baskischen Superstar zu sehen. Man mochte sich garnicht vorstellen, was bei einem Sieg losgewesen wäre.
Heute, am Tag danach, ging es Jerdona immer noch nicht so gut. Gestern hatte er bis spät abends gefeiert, als einziger der Fahrer hatte er sich richtig abgeschossen und nach monatelanger Abstinenz war so etwas recht einfach zu bewerkstelligen und meisten ziemlich fatal.
Sein Start bei der Weltmeisterschaft hatte zwar einige Zeitlang im Raum gestanden, er hatte jedoch abgelehnt, um sich noch konzentrierter auf die nächste Saison vorbereiten zu können. Er hatte nicht vor, nächstes Jahr wieder als Verlierer nach Hause zu gehen, egal, für wen er fuhr.
Schon 2 Tage nach dem Ende der Rundfahrt und 3 Tage nachdem es offiziell gewesen war, hatte er zahlreiche Angebote bekommen. Viele Rennställe hatten ersteinmal etwas auf den Tisch legen wollen, um eventuell im Rennen zu bleiben, aber es gab auch durchaus ernsthafte Anfragen.
Allen voran wollte Discovery ihn in der Mannschaft haben. Johan Bruyneel hatte persönlich angerufen, um ihn für sein Team zu werben. Nach dem Weggang von Armstrong hatte er ja jede Menge Budget neu zu vergeben, was ihn dafür prädestinierte, bei 3 Rundfahrten mit Kapitänen an den Start zu gehen. Und wer wäre besser für die Vuelta geeignet als er? Nun ja, ein äußerst verlockendes Angebot, vor allem unter einem so erfahrenen Mann seine Rennen zu bestreiten...
Auch Phonak zeigte sich interessiert. Sie hatten zwar nach Boteros Sieg einen Großmeister für Rundfahrten an Bord, aber er würde wohl kaum zur Titelverteidigung im nächsten Jahr antreten. Und der Rest des Teams bestand ja aus erstklassigen Bergfahrern, mit denen er eine tolle Helfermannschaft an seiner Seite hätte.
Und in Spanien machte vor allem Saunier Duval auf sich aufmerksam. Hier fehlte zwar die echte Hintermannschaft, aber das konnte ja durchaus noch aufgerüstet werden. Hier war vor allem wichtig, das er bei einem spanischen Team blieb. Ein baskisches war ja aussen vor, aber spanisch wäre schon toll...
Liberty Seguros dagegen hatte noch kein ernsthaftes Gespräch geführt. Konnte ja noch kommen, tröstete er sich. Wie jeder spanische Jungprofi träumte er natürlich davon, von Manolo Saiz unter die Fittiche genommen zu werden. Er hatte einen unglaublichen Ruf und war wahrscheinlich einer der Besten der Welt.
Er gähnte. So viel zu bedenken an diesem frühen Morgen. Während die Turmuhr 2 mal bimmelte machte er sich langsam auf den Weg in Richtung Dusche. Das Hotel, in dem das Team ihn für ein paar Tage untergebracht hatte, konnte man durchaus nicht schlecht nennen. So gab es, neben einer für spanische Verhältnisse, großzügige Innenausstattung einen großen Fernseher (mittlerweile wieder ausgeschalten), eine Minibar (lecker, aber leer) und einen Zimmerservice (der gerade die neuste Zeitung unter der Tür durchschob).
Noch etwas wasserarm und wirr von gestern strubelte sich Jerdona die Haare ab, als er wieder ins Zimmer kam, sich einige Klamotten wahllos aus dem, noch nicht ausgepackten Koffer, auf das Bett legte und zur Tür herüberschlenderte, um die Zeitung zu begutachten. Was er laß, ließ ihn aber ganz schnell wieder nüchtern werden:

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arkon
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Beitrag: # 323568Beitrag arkon
22.12.2005 - 22:45

Bild
Zeres gedropt?
UCI berichtet von positivem A-Test - Zeres soll auf 17. Etappe Fruktose gedropt haben

Wie die UCI gestern Abend mitteilte sei in den Dropingproben der 17. Etappe von Jerdona Zeres Fruktose nachgewiesen worden. Dabei handelt es sich um ein übliches, sehr leckeres Poly-Sacharid, was vor allem in Weingummidrops verwendet wird. Die B-Probe wird untersucht. Ein Statement von Zeres selbst liegt derzeit noch nicht vor.
Der zweite der diesjährigen Vuelta war als völlig unbekannter Fahrer ins goldene Trikot geschlüpft und konnte durch zwei Etappensiege seine herausragende Klasse unter Beweis stellen. Die Führung in der Gesamtwertung verlor er erstmals auf eben jener 17. Etappe, nach der er positiv getestet wurde. Er war unter den ausglosten Fahrern gewesen, so dass er trotz des Verlustes der Gesamtführung zur Kontrolle musste. Auch gibt seine "Wiederauferstehung" am nächsten Tag, an dem er mit einem tollen Solo das Goldtrikot zurückholte, Rätsel auf. Die Probe dieses Tages ist nur schwach mit Fruktose versetzt, der Grenzwert wurde nicht verletzt.
Diese Zusammenhänge sind wohl auch für die Fachleute so mysteriös, das eine umfassende Untersuchung angekündigt wurde. Die Statements von Fahrer, Team und UCI stehen zur Stunde noch aus. Fest steht aber, das dieser Dropingskandal um den quasi über Nacht berühmt und beliebt gewordenen Zeres hohe Wellen schlagen wird.
Zuletzt geändert von arkon am 25.12.2005 - 15:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag: # 323571Beitrag arkon
22.12.2005 - 23:24

20. September 2005, Bilbao

Der Morgen hatte auch für Tobias eher spät und ruhig begonnen, was sich aber mit einem einzigen Telefonanruf änderte. Die Nachricht vom positiven Dopingtest setzte bei ihm alle Alarmglocken in Bewegung. Er war der Blonden von gestern noch einen letzten Blick zu, steckte den Schlüssel innen ins Schloss und hetzte halb angezogen runter in die Lobby.
Als das Taxi ihn vor dem Hotel von Jerdona absetzte, er hatte die Adresse von ihm selber, war er schon erheblich viel schlauer. Gorospe war wohl stinksauer, die UCI rotierte und die Untersuchung würde mit Lichtgeschwindigkeit anlaufen. Er hatte schon den Namen des Ermittlers und einige Statements der Droping-Fachleute vom französischen Labor Châtenay-Malabry über das verwendete Mittel.
Tobias selbst hatte vor wenigen Stunden noch nichts von der Existenz von Fruktose geahnt, aber während er im Lift nach oben fuhr, dämmerte ihm, das es als noch so harmlos gelten konnte, es war gefährlich genug, Zeres seine Karriere gründlich zu versauen. Droping war kein Spass. Sobald einmal der Ruf eines Schleckermauls an einem Sportler haftete, war es quasi unmöglich, ihn wieder wegzukriegen. Nur eine rasche Aufklärung half, ansonsten sickerte die Probe in das Bewusstsein der Öffentlichkeit ein und Jerdona würde nie wieder ein Bein auf die Erde bekommen. Er klopfte kurz bevor er die Tür selber öffnete.
Jerdona saß auf seinem Bett, den Kopf in seine Hände getützt und den Blick stur auf die Zeitung gerichtet, die auf seinen Knien lag. Die gestrige Nacht war nicht spurlos an ihm vorbei gegangen und die Ereignisse des heutigen Tages trugen nicht dazu bei, das er frischer aussah. Sein Gesicht war grau, die Ringe unter den Augen zeugten deutlich von der späten Stunde, zu der er schlafen gegangen war. Der Glanz des Sieges, der noch vor wenigen Tagen, noch gestern nachmittag beim Empfang, sein Gesicht hatte strahlen lassen, war weg, verdrängt von einer Niedergeschlagenheit, die man keinem wünschte.
Er hatte hart gearbeitet für die letzten Tage, den Triumph, die Anerkennung, den Sprung in die erste Reihe. Nun war all dies weg, mit einem Schlag ungültig. Neuanfangen gab es nicht. Sein Leben war innerhalb von einer Nacht, mit nur einer Dropingprobe, einem kleinen Röhrchen voll Blut, von "traumhaft" zu "am Boden zerstört" geworden. Ein Blick machte deutlich, das er aufgegeben hatte. Er konnte gegen Radfahrer kämpfen, Berge, rasende Abfahrten, vorlaute Teammanager, das war sein Terrain. Er war kein schwacher Mensch, er hatte ein Ziel, und er hatte es vorgestern fast erreicht. Er lebte seinen Traum, das was er sich die letzten 10 Jahre immer wieder vorgestellt hatte, aber nun war alles weg, nur wegen eines einzigen Drops.
"Morgen" versuchte Tobias vorsichtig.
"Keinen guten?" gab Jerdona zurück. Wenigstens hatte er seinen Humor nicht verloren. Die Frage, ob er es schon wusste, erübrigte sich und damit löste sich auch der Schlachtplan von Tobias in Luft auf. Er wünschte sich ein Frühstück herbei, um ihn aufzupeppeln und dann...
"Hast du gedropt?"
"Was kümmert das jetzt noch?" Verzweifelung, weniger gut.
"Willst du kämpfen?"
"Wo gegen? Es gibt nicht mehr viel zu sagen. Die Probe ist das Urteil"
Ein Seufzer. Eine Menge Arbeit lag vor ihm.
"Die Probe ist nur der Anfang. Die B-Probe ist der nächste Schritt des Labors, aber dazwischen liegen schon 1000 andere. Zuerst ein Dementi, ein überzeugendes. Dann einen lauten Anwalt, die Untersuchung vorantreiben. Die B-Probe ist nichts, worauf wir Hoffnung legen können. Wenn wir nachweisen..."
"Wir?" unterbrach Jerdona "Dein Leben wurde nicht zerstört!"
"Aber ich kann dir helfen, deines zu reparieren. Mit etwas guter Publicity und den richtigen Ergebnissen bei der Untersuchung kannst du vielleicht schon nächstes Jahr zurück in den Sattel."
Ein Lachen.
"Was weisst du denn schon? Woher nimmst du deine Sicherheit, das ich nicht froh bin, das nur das Frukte aufgefallen ist? Woher weisst du, das ich jemals wieder fahren will?"
Tobias stockte. Das hatte er nicht erwartet. Jerdona merkte den Blick und grinste. Er war in die Falle gelaufen.
"Ich habe niemals gedopt, Fruktose schon garnicht. Wenn man kein Droping nimmt, braucht man auch nichts zu verschleiern. Das wurde mir untergejubelt. Und fahren... jeder, der die Vuelta mitfährt, hat sein Leben dem Radsport gewidmet. Niemand von denen würde von heute auf morgen den Sport aufgeben. Ich will wieder fahren, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie ich meine Unschuld beweisen soll"
Tobias seufzte erleichtert. Von hier ab würde sein Job beginnen.
"Du gehst nochmal unter die Dusche, ziehst dir was vernünftiges an, ich gehe was zu essen organisieren. Wir machen ein paar Fotos, ein Interview mit einem Dementi und einer Kampfansage. Das wird ruckzuck über den Äther gehen, und dann kümmern wir uns um die Wahrheit"
Jerdona blickte auf, Tobias direkt in die Augen. Einen kleinen Funken Hoffnung konnte man erahnen, aber wie bei einem Feuer konnte er schnell verglimmen. Es würde all seine Erfahrung und Beziehungen brauchen, um hier ein Feuer entfachen zu können.
Er lächelte zurück, stand auf und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten, um etwas Essbares zu organisieren. Noch auf dem Weg begann sein Gehirn sich mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, zu rotieren. Vergleichsfälle, strafrechtliche Ermittlungen, die Teamleitung, Pressekonferenzen... für ihn ein Heimspiel. Es würde ein Waldbrand werden.

[Anmerkungen: (die aus historischen Gründen beibehalten werden)
- Ich thematisiere hier Doping, und das ist ein Wagnis. Offiziell ist es nicht gern gesehen, und auch das die Geschichte, wie zu erwarten, gut ausgeht, ist im wahren Leben nicht immer gegeben. Ich will hier kein positives Bild des Dopings vermitteln, Gott bewahre, und das, was Jerdona widerfahren wird, ist ungewöhnlich, keine Ahnung, wie wahrscheinlich. Ich unterstelle hier keinem echten Fahrer Doping, was verboten ist. Das hier das Thema aufgegriffen wird, ist eigentlich in erster Linie als interessanter Spannungsfaktor gedacht.
- Realität bleibt wirklich aussen vor, auch die medizinische. Furosemid gibt es wirklich und das Verhalten hier im AAR ist garnicht so unrealistisch. Wenn doch jemand Fehler entdeckt möge er bitte ins Fäustchen lachen, dem Schöpfer ob seiner Klugheit danken und mir bitte ein PN schreiben, dann schau ich mal, was ich tun kann. Bitte keine medizinischen Anmerkungen hier in den Thread
- storytechnisch ist das natürlich ein drahtseilakt. daher: feedback. und bitte auch kritisches. Was euch nicht gefällt einfach aufschreiben, am besten natürlich auch hier pn. aber bitte: echte kritik ist die beste kritik. echte kritikpunkte sind gold werd und wär cool, wenn ihr welche hättet.

thx

arkon]
Zuletzt geändert von arkon am 25.12.2005 - 15:42, insgesamt 1-mal geändert.

RotRigo
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Beitrag: # 323580Beitrag RotRigo
23.12.2005 - 4:13

okay...dann mal los:
wie du es in die story einbaust ist hübsch und entspricht auch der restlichen qualität deines aars, dennoch ist das thema für einen aar aber streng tabu und ich glaube nicht, dass das unter den mods gern gesehen wird, dass du das tabu brichst. Falls du "dort oben" nachgefragt und deine genehmigung bekommen hast, will ich natürlich nichts gesagt haben, zumal du das thema ja durchaus vertretbar behandelst (in dem du anständig intensiv drauf eingehst), wie es aussieht...

lbanMayo
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Beitrag: # 323589Beitrag lbanMayo
23.12.2005 - 10:04

klar is das bissl gewagt... aber da du ja wie gesagt nur einem von dir erfundenen fahrer "doping unterstellst" ist das wohl kein problem. und story-technisch find ich das absolut Champions-League ;) die Wende jetzt mit der Dopinggeschichte passt echt klasse!!

mach weiter so
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Beitrag: # 323591Beitrag Lance Armstrong Fan
23.12.2005 - 10:21

Hoffi hat geschrieben:Desweiteren wurden wir von juristischer Seite darauf aufmerksam gemacht, dass es Probleme geben kann, wenn in einem AAR das Thema Doping behandelt wird.

Daher wird fortan untersagt, in irgendeiner Form das Thema Doping in den AARs zu behandeln, vor allem aber einem Fahrer Doping zu unterstellen.
Es ist hierbei völlig egal, ob es ein erfundener oder ein realer Fahrer ist. Es ist schlichtweg nicht gestattet. Was natürlich nicht heißt, dass du vielleicht eine Ausnahmegenehmigung bekommen hast :wink:
Gruß LAF

Sieger: Bayernrundfahrt 08, Lombardeirundfahrt 08, Cyclassics 08
2. Platz: Giro d'Italia 08, E3 Prijs 09, Criterium International 09,
3. Platz: Paris-Roubaix 09, Baskenland 09

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Beitrag: # 323612Beitrag Hoffi
23.12.2005 - 12:47

Hat er nicht, weshalb ich Dich, arkon, bitten würde, den entsprechenden Beitrag zu editieren - denn andernfalls sehen wir uns dazu gezwungen, ihn zu löschen. Ich denke, an der Formulierung in den Regularien bezüglich der Erwähnung von Dopinganekdoten in AARs ist in keinster Weise zu rütteln, und das bitte ich zu berücksichtigen.
"There are only 10 types of people in the world: Those who understand binary, and those who don't."

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Beitrag: # 323624Beitrag lbanMayo
23.12.2005 - 13:39

find ich sehr schade das er hier jetzt so eingeengt wird und kann nicht verstehn wieso ihr das nicht durchgehn lasst.... nur weil es in so in euren Regeln steht?? er verletzt doch hier niemanden und es gibt wohl keinen der sich angegriffen fühlt oder sich beschwert über diesen Inhalt...
also wieso lasst ihr ihn net einfach die sache mit 1 -2 Posts klären und Ende...? versteh es einfach net

mfg
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Beitrag: # 323638Beitrag DeathMayoRider
23.12.2005 - 14:14

lbanMayo hat geschrieben:find ich sehr schade das er hier jetzt so eingeengt wird und kann nicht verstehn wieso ihr das nicht durchgehn lasst.... nur weil es in so in euren Regeln steht?? er verletzt doch hier niemanden und es gibt wohl keinen der sich angegriffen fühlt oder sich beschwert über diesen Inhalt...
also wieso lasst ihr ihn net einfach die sache mit 1 -2 Posts klären und Ende...? versteh es einfach net

mfg
Es ist doch hier schon vorgekommen, dass sich irgendeine Firma beschwert hat, oder? Das man aktiven Fahrern kein Doping vorwerfen darf ist wohl einleutent und dann ist es auch am Besten, wenn es GARNICHT benutzt werden darf. Sonst kommen wieder die vielen Ausnahmeregelungen und das ist dann wieder total kompliziert. Arkon kann seinen Post ja bisschen ändern und fertig ist. Z.b könnte er ja Traubenzucker genommen haben und die Fans sind voll empört darüber 8)
Meine Meinung kann mir NIEMAND nehmen.

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arkon
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Beitrag: # 323663Beitrag arkon
23.12.2005 - 18:41

[story auf eis, bis sache geklärt. danke für lob und sympathiebekundungen, mal schauen wie es weitergeht]

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shadow
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Beitrag: # 323756Beitrag shadow
24.12.2005 - 12:51

schade das ein aar wegen so einer sache mal wieder pausieren muss. Lass dir die Motivation nicht nehmen! Ich hoffe du findest noch eine neue Idee und wieder Spass daran.
gruß shadow

Mein AAR: Fly Like A Bird

Seien wir realistisch, versuchen wir das unmögliche!

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Beitrag: # 323849Beitrag arkon
25.12.2005 - 15:50

nach einigen pn's mit hoffi sind die admins zu dem schluss gekommen, dass das thema doping unbedingt aus jedem aar zu bannen sei, ausnahmeregelungen sind aufgrund der nachahmergefahr nicht zu gewähren.
(ich hoffe, dass das die essenz der nachrichten von hoffi wiederspiegelt)

ich habe mich entschlossen, den aar zu modden, statt doping wird es sich um droping drehen, ein vergehen, bei dem weingummis während der etappen geschluckt werden (jan ullrich würde sicher bei den trainingskontrollen auffallen). realismus wurde im laufe der veränderung gestrichen, ebenso wie storytiefe, aber die anfänge zu diesen wendungen liegen schon einige seite zurück und ich werde meine story nicht editieren.

verständlicherweise wurde meine motivation für diesen aar durch diese vorfälle erheblich angekratzt, versuche gerade, daran zu arbeiten. ich hänge mittlerweile schon etwas an jerdona (hoffe, ihr auch *g*) und habe deshalb nicht vor, meine rechte und freiheiten an dieser story kampflos aus der hand zu geben. ersetzt einfach geistig die begriffe und ihr kommt der wahrheit nahe.

nochmals danke an die user, die mich unterstütz haben, und auch an hoffi, der so spendabel war, sich mein statement durchzulesen und entsprechend zu antworten.

ich hoffe, jetzt dreht sich die welt wieder richtig rum, toursieger können sich nicht mehr im dunkeln einhändig spritzen setzen, dopingkontrollen sind unnötig weil niemand auf die idee kommt, leistungssteigernde mittel einzusetzen, dopingskandale haben nie stattgefunden und die sattlerei erlaubt aar's, die nahe an der realität liegen.

ein schönes (rest-)weihnachten

julian

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Beitrag: # 323869Beitrag lbanMayo
25.12.2005 - 18:27

hehe schade aber ich hoffe trotzdem das es hier genauso klasse weitergeht wie vorher!
Andreas.... du Heulsuse ... brauchsten Taschentuch? :D

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Kim Kirchen
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Beitrag: # 324106Beitrag Kim Kirchen
28.12.2005 - 1:09

mh...jerdona ist mir auch ans herz gewachsen. die vuelta war einfach nur toll, wie der baske gekämpft und vor allem wie du geschrieben hast. berichterstattung mal nach roman-art. könnten sich einige ein paar scheibchen von dir abschreiben.

die drehung mit der dopinggeschichte, war toll, und extrem realistisch - dass hoffi und co. aber die aktion stoppten kann ich verstehen und muss man akzeptieren. am ehesten hätte ich aber mir noch eine solche fortsetzung gewünscht.

nun musst du dir halt was neues einfallen. bitte gib nicht auf! dieser aar ist wirklich grosses kino, dann hör nicht nach dem besten teil des films auf! lass uns erfahren, wie jerdona sein weiteres profileben führt, was er in zukunft anstellt und wo. lass uns erfahren, was tobias, jerdona und die andere figur da, was sie in einem aar zusammenführt!

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Beitrag: # 324206Beitrag arkon
28.12.2005 - 20:00

vielen dank fürs feedback.
die weiterführung ist in planung, natürlich wird auch der doping, äh, droping-faden weitergeführt, bleibt ja noch eine frage offen...
ich werde aber erst wieder regelmäßig schreiben, wenn ich wieder in berlin bin (geniesse grade weihnachten zuhause). aber dann gehts weiter und, wenn ich irgendwann mal webspace kriege, hoffentlich auch mit bildern.

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Beitrag: # 324533Beitrag arkon
31.12.2005 - 1:25

Bild

"Ich bin unschuldig"

Jerdona Zeres bestreitet Dropingvorwürfe vehement - B-Probe frühestens in einer Woche

Jerdona Zeres hat in einem Interview in "Der Gegensatz" die Dropingvorwürfe gegen ihn bestritten. "Ich habe niemals illegale Substanzen genommen!" so der zweite der Vuelta. Er selber findet keine Erklärung dazu, wie die Probe positiv habe sein können, vertraut aber darauf, das die "Wahrheit ans Licht kommen wird". Er kündigte an, die eingeleiteten Ermittlungen nach Kräften zu unterstützen und den Ermittlern zahlreiche Einblicke in seinen Nahrungsplan zu geben. Damit könnten die Funde vielleicht erklärt werden, obwohl das als mehr als unwahrscheinlich gilt.
Derweil sind Stimmen laut geworden, nach denen das verwendete Dropingmittel mit Anlass zum Einbruch Zeres's auf der 17. Etappe gewesen sein könnte. Dropingexperte Francois Manielle: "Fruktose dient in erster Linie zur Verschleierung anderer Substanzen. Es regt die Produktion von Harnstoff an und entzieht dem Körper so die anderen Stoffe, die beim Dropingtest auffallen könnten, aber natürlich auch Wasser, welches auf einer harten Bergetappe bitter vonnöten ist". Die Ermittlungskommision wollte dies jedoch nicht kommentieren.
Derweil kündigte das ermittelnde Institut in der Nähe von Paris an, einige weitere Experten zur Untersuchung der B-Probe hinzu zu ziehen. Das sei durch die Seltenheit des verwendeten Stoffes nötig geworden. Dadurch zögert sich natürlich die Untersuchung der B-Probe hinaus. Die Ergebnisse werden frühestens in einer Woche erscheinen, es könnte sich aber auch noch länger hinziehen.
Der sportliche Leiter von Euskaltel-Euskadi, Julian Gorospe, distanzierte sich derweil von seinem Athleten, dessen Vertrag ohnehin zum Ende des Jahres ausläuft. "Ich bin tief enttäuscht von ihm. Obwohl er uns verlässt, trifft es mich schwer, das ein Schützling von mir Dropen soll. Ich hoffe natürlich, das diese Anschuldigungen nicht wahr sind, kann es aber leider nicht ausschliessen. Ich bin so überrascht wie der Rest der Welt."

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arkon
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Beitrag: # 324534Beitrag arkon
31.12.2005 - 1:47

21. September 2005, Madrid

Noch ein Tag, nichteinmal 24 Stunden. So lange würde er noch warten müssen bis zum letzten richtigen Test in diesem Jahr. Fabian würde alles geben. Nach dem dummen Sturz kurz vor der Vuelta hatte er sein Training ganz auf das WM-Zeitfahren ausgerichtet. Natürlich war es ein Glücksspiel gewesen, aber er hatte gewonnen, und nach seinen guten Zeitfahrergebnissen bei der Tour hätte er auch ohne die Ausfälle beim Rest der deutschen Topzeitfahrer zu den Favoriten für einen Startplatz gezählt. Aber einen Starterplatz zu erhaschen und wirklich hier etwas zu gewinnen waren zwei Paar Schuh.
Er war den Parcour in den vergangenen Tagen mehrmals abgefahren, hatte sich jede Kurve eingeprägt, die Hügel, die etwas schwereren Steigungen. Zusammen mit seinem Trainer hatte er die Schaltung ausgetüftelt, die er verwenden wollte und die genaue Übersetzung für einige kritische Streckenpunkte festgesetzt.
Das alles war natürlich unter den hier Startenden nichts ungewöhnliches, aber trotzdem glaubte Fabian daran, das er hier seinen Job besser machte als die meisten anderen. Ob er damit Recht hatte, würde sich morgen zeigen.

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arkon
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Beitrag: # 324767Beitrag arkon
1.1.2006 - 22:23

21. September 2005, Bilbao

Es hatte einige Stunden gebraucht, um auf die Idee zu kommen. Jerdona letztlich davon zu überzeugen war dagegen eine Sache von Minuten. Tobias hatte sich den ganzen Vormittag den Kopf darüber zerbrochen, wie er Jerdona aus der Sache hinaus helfen könnte. Schließlich erinnerte er sich an ihn. Nachdem er Jerdona überzeugt hatte war es immer noch ein ganzes Stück Arbeit gewesen, seine Telefonnummer herauszufinden. Aber er war sofort begeistert von der Idee von Tobias gewesen und hatte quasi den nächsten Flieger nach Spanien genommen. Nach einem Umstieg in Madrid war er nun da und Tobias holte ihn selbstverständlich vom Flughafen ab.
Dave hatte sich kaum verändert. Seine große, muskulöse Statur, sein harter Blick, sein bestimmter, effizienter Gang. Die Haare trug er nun mittellang, kombiniert mir einem gepflegten Bart. In dieser Aufmachung könnte er fast als Playboy durchgehen, aber das war nicht der Grund, weshalb er so herumlief.
Er erkannte Tobias ebenfalls sofort und kam auf ihn zu. Die herzliche Begrüßung fiel aus, Dave hatte eine gewisse Aversion gegen Gefühle in der Öffentlichkeit. Der Deutsche führte seinen Freund hinunter ins Parkdeck, wo er sein Auto stehen hatte. Unterwegs sprachen sie nur wenige Worte miteinander. Dave verstaute seinen Rucksack und seinen Koffer auf dem Rücksitz und stieg vorne zu Tobias ins Auto.
Erst jetzt erlaubte er sich ein Grinsen.
"Na du alter Stecher, wie sind die Frauen in Spanien?"
Auch Tobias musste lächeln. "Die sind spitze. Kann dir ein paar zeigen, aber vorher steht noch ein bisschen Arbeit an. Und du bist immer noch so Paranoid wie früher?"
"Niemand wird alt ohne vorsichtig zu sein. Und Flughäfen machen mich immer nervös. Ich weiss, es ist übertrieben, aber nur so bleibt man in Übung."
Die beiden alten Freunde über dies und das, bis sie schließlich im Hotel ankamen. Dave nahm sich selber ein Zimmer, welches nahe an dem von Tobias lag. Nachdem er kurz geduscht und sich umgezogen hatte trafen sie sich zum Abendessen mit Jerdona in der Stadt.
Tobias gab einen kurzen Einblick in die Situation, wie Dave sie auch aus den Zeitungen hätte entnehmen können, bevor Jerdona ihn mit weiteren Einzelheiten versorgte. Schließlich resümierte Tobias:
"So wie die Sache aussieht, gibt es nur eine Erklärung: Tobias wurde das Zeug untergeschoben. Ich habe mich ein bisschen schlau gemacht, was die Substanz angeht: Sie fängt innerhalb von Minuten an zu wirken und wird innerhalb von etwa 2 Stunden vollständig vom Körper abgebaut. Im Bluttest gelingt der Nachweis noch länger, aber trotzdem muss Jerdona der Stoff während der Etappe verabreicht worden sein. Und das reduziert die Möglichkeiten enorm" Tobias warf einen vielsagenden Blick in die Runde, um die Fantasie der Zuhörer noch ein wenig weiter anzuheizen. Jerdona sprach das Offensichtliche aus. "Wasserflaschen. Sie sind ideal. Die ganzen Gels und der Kram ist originalversiegelt. Das wäre sehr aufwendig. Die Flaschen sind ideal. Irgendein Fan hebt sie auf und damit sind sie auf alle Zeiten verschwunden, besser als Müllverbrennung."
"Einer vom Team? Hmmm.... Das Mittel war auch an deinem Einbruch schuld?"
"Scheint so"
"Dann hat entweder jemand ganz gewaltig geschlampt oder wollte genau diesen Effekt erzielen. Nehme wir letzteres an, was wesentlich wahrscheinlicher ist. Warum sollte man dich sabotieren?"
"Naja, ich scheide aus dem Team aus, der Schaden ist also nur auf meiner Seite"
"Das schon, erklärt aber noch nicht, warum man dich bewusst schädigen sollte"
"Missgunst? Wollte jemand einen hochdotierten Vertrag für dich verhindern? Naja, möglich ist alles. Wer kommt also noch als Täter in Frage?"
Täter... das war schon ein hartes Wort. Jerdona fühlte sich zunehmend unwohl. Die ganze Sache geriet aus dem Ruder. Er war nicht nur positiv getestet worden, jetzt gab es noch ein Verbrechen darum. Der Gedanke war neu und traf ihn hart. Dieser "Helfer" von Tobias sah aus wie jemand, der wusste, was er tat. War er vielleicht Privatdetektiv? Egal, er würde ihm helfen, seinen Namen rein zu waschen und wieder fahren zu dürfen.
"Auf der Etappe, an dem Tag, naja, da war ein neuer Betreuer im Teamfahrzeug. Ich kannte ihn noch nicht und er stellte sich nach der Etappe auch nur kurz vor, ich hatte an dem Tag echt andere Sorgen. Aber er ist auf jedenfall der einzige, der in den Wagen fuhr, den ich nicht schon mindestens ein Jahr kannte."
"Das ist doch schonmal ein Ansatzpunkt. Dann würde ich sagen, wir statten ihm gleich einen Besuch ab und sehen, was wir herausfinden können."
"Wie im Fernsehen? Was bringt so was?"
"Nun ja, es gibt einige Unterschiede zum Fernsehen. Aber ihr werdet sehen. Ich brauche den Namen und die Adresse, und dann werden wir vielleicht noch heute Abend einen ersten Schritt voran kommen."
David grinste kurz in die Runde, bevor er sich wieder an seinem Steak zu schaffen machte. Er hatte ein gutes Gefühl, was die Sache betraf.

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Beitrag: # 324896Beitrag arkon
2.1.2006 - 16:08

21. September 2005, Bilbao

Die Adresse wäre einfach zu bekommen gewesen. Jerdona hätte einfach nur zu Hause in einigen Papieren herumwühlen müssen. So jedoch musste er jemanden anrufen, was ja vielleicht Verdacht erregen würde. Zum Glück aber hatte Tobias auch noch einige Listen von Euskaltel aufgehoben. Nach einigem Kramen in dem nicht mehr ganz aufgeräumten Zimmer fanden sie das Papier.
Jatano Beriola wohnte auch noch tatsächlich in Bilbao. Dave ging kurz in sein Zimmer und packte einige Sachen in einen kleinen Rucksack, dann ging es auch schon los.
Er wohnte in Basauri, einem Vorort, in der Calle de Basozelai. Tobias fuhr, aber Dave gab ihm Anweisungen. Sie fuhren zuerst einmal an dem Haus vorbei, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Die Gegend bestand aus typischen, hohen, spanischen Mietshäusern. Auf den Strassen war wenig los. Die Strasse führte einen Hügel hinauf, wo das Haus auch stand. Auf der anderen Seite der Strasse standen Einfamilienhäuser, die geparkten Autos liessen allesamt auf einen höheren sozialen Status schließen. Keine reiche Gegend, aber dennoch kein Arbeiterviertel.
Tobias parkte an einem kleinen Fußballfeld zwei Querstrassen weiter. Dave zog eine Karte heraus, die er wohl schon vorher gründlich inspiziert hatte. Mit einem kurzen Lächeln verabschiedete er sich aus dem Auto und nahm seinen Rucksack mit. Als er die etwas verdutzten Blicke seiner Gefährten bemerkte, schob er noch ein kurzes "Wartet hier, ich komm gleich wieder" hinterher.
Jerdona beruhigte das keineswegs. Tobias war schon öfter bei solchen Nacht- und Nebelaktionen dabei gewesen, aber Zeres war an so etwas nicht gewöhnt. Nicht, das er eine völlig unschuldige Jugend gehabt hätte. Als stolzer Baske war er schon öfter mit der Polizei aneinandergeraten, wie es hier unter zum Teil üblich war. Aber nachts mit irgendwelchen Karten und Werkzeugen weiss Gott was zu machen, war eine andere Sache. Er hatte nicht unbedingt vor, in den Knast zu gehen. Auf der anderen Seite schien dies der einzige Weg zu sein, wieder Fahrrad fahren zu können... und Tobias?
"Warum tust du das alles eigentlich für mich?"
"Ich kann doch meinen Star nicht nach seinem ersten Auftritt schon aufgeben" kam die Antwort nur wenig erhellend zurück.
Glücklicherweise kam Dave bald zurück. "Auf gehts. Tobias kommt mit, und du, Jerdona, wartest hier." Letzterer wurde dadurch nicht wirklich ruhiger. Zu gerne hätte er selber etwas getan, vor allem Jatano gegenüber zu treten. War er es gewesen? Vielleicht konnte er es in seinen Augen ablesen... Aber so musste er hier sitzen und auf die beiden anderen warten.
Diese beiden postierten sich derweil um die Tür herum. Tobias legte seine Pressemarke zurecht, Dave holte einen Fotoapparat heraus. Schließlich öffnete ein Mann mittleren Alters die Tür. Er wurde von einem gleißend hellen Blitz begrüßt, der ihn, gegen die schwärze der Nacht, in die er hinaus blickte, völlig erblinden ließ. Er konnte seine Gegenüber nur an der Stimme erkennen.
"Guten Tag, Tobias Schuster, freier Reporter im Auftrag der deutschen Radsportzeitschrift 'Der Gegensatz', dürfen wir sie einen Moment stören?" rasselte er seine Begrüßungsformel auf Englisch herunter. Der ohnehin schon ahnungslose Ausdruck auf dem Gesicht wurde noch fragender.
Auf übertrieben unsicherem Spanisch ging es weiter "Sie sind... Jatano Beriola?" Er drehte sich um und warf einige englische Floskeln zu Dave hinüber. Das langsame Nicken nahm er nur aus den Augenwinkeln war. Das Blitzlicht flammte wieder auf, aber Jatano hatte seine Reflexe wiedergefunden. "Keine Fotos" fauchte er erbost und hielt seine Hand mehr vor den Blitz als vor das Objektiv.
"Wir haben einige Frage betreffend Jerdona Zeres. Sie waren auf der 17. Etappe in dem ihn betreuenden Teamfahrzeug?" schoss Tobias weiter. Jatano war immer noch so perplex, das er nur Nicken konnte. Er bat mit einer etwas hilflosen Geste seine 'Gäste' nach innen, doch diese ignorierten seine Einladung.
"Haben sie Jerdona Zeres Fruktose in eine seiner Trinkflaschen gefüllt und ihm diese auf dem letzten Anstieg gegeben?" So hektisch diese Frage auch gestellt wurde, das Gewicht war sichtbar. Aus Jatano's Gesicht wich sofort jede Farbe. Mit versteinerter Mine schüttelte er kurz den Kopf.
"Wie kommen sie darauf?"
Tobias antwortete wieder auf hektischem, gebrochenen Spanisch "Nun, es gibt chemische Funde, die ihre Mittäterschaft nahe legen. Wir haben mit einem Labor in..." weiter kam er garnicht.
"Ich habe mit dieser Sache nichts zu tun." Jatano schwankte noch einige Momente, ob er noch etwas hinterherschieben sollte, entschied sich aber schließlich dagegen und knallte die Tür zu.
Die plötzliche Stille lastete schwer auf ihm, während auf der anderen Seite sich zwei grinsende Gesichter anblickten. Der Weg zurück zum Auto verlief schweigend. Dave riskierte einen kurzen Blick hoch zu den Fenster des Hauses und erhaschte noch kurz ein gegen die Scheibe plattgedrücktes Gesicht, welches ihren Abzug begutachtete. Die Vorsicht war angebracht gewesen. Der Lärm der nahen Autobahn wirkte durch die drückende Stille noch lauter.
Als sie schließlich im Auto saßen, brach Tobias die Stille. "Er war es" Jerdona, der bis dahin noch angespannt im Fond gewartet hatte, stürzte sich nach vorne und überhäufte sie mit Fragen.
"Gemach, gemach, wir werden sehen" ließ Dave verlauten, nachdem Tobias ausführlich von ihrer Perfomance erzählt hatte. Die beiden anderen ließen sich jedoch nicht davon abbringen, weiter über das eben Geschehene zu spekulieren, wer mit drin hing, die Motive, was sie tun sollten. Derweil stahl sich Dave unbemerkt aus dem Auto davon. Erst nach einigen Minuten bemerkten Tobias und Jerdona, das sie nur noch zu zweit waren. Es sollte noch einige Minuten länger dauern, bis Dave endlich zurückkam.
"Was hast du schon wieder getan? Wohin gehst du eigentlich die ganze Zeit?"
Ein vielsagendes Grinsen war die Antwort. Aus dem Innentasche seines Mantels zog er stattdessen einen MP3-Player, der mit einer ganzen Reihe komischer kleiner Kisten und Kabeln verbunden war. "Wisst ihr was das ist?"
"Keine Ahnung, ein MP3-Player?"
Dave steckte eines der Kabel in das Autoradio, ließ den Motor an, drückte einige Knöpfe und hieß sie schließlich, ruhig zu sein, was aber eher unnötig war.
Sie hörten ein Rauschen, dann ein Freizeichen von einem Telefon. Nach dem der Hörer abgehoben wurde, entspannte sich folgender Dialog:
"Ja Hallo?"
"Sie sind mir auf die Schliche gekommen. Sie waren hier, haben Fotos gemacht, es ist alles vorbei, wir fliegen auf. Ich will nicht in das Gefängniss, ich will raus aus der ganzen Sache..."
"Ganz ruhig. Wer ist vorbei gekommen?"
"Die Presse. Irgend ein Reporter mit Fotograf war da. Er hat gesagt, er wüsste von der Sache."
Schweigen.
"So lange du nichts sagst, können sie garnichts rausfinden. Du hälst dich bedeckt. Am besten nimmst du dir Urlaub, spannst ein bisschen aus. Ich bezahl auch. Man sieht sich dann im Frühjahr. Und erzähl keinem, wohin du gehst"
Wieder eine Pause
"Wenn du meinst. Ich bin echt nervös, weisst du. Wenn..."
Klick, die Leitung war tot. Auch im Auto war es still.
"Du hast... das Telefon angezapft?" fragte Jerdona überflüssigerweise.
Ein Nicken war die einzige Antwort. "Und was machen wir jetzt?" meldete sich Tobias zu Wort. "Die Beweise kommen doch vor Gericht niemals durch. Die angezapfte Telefonleitung ist sowieso illegal"
"Das fragst du mich?" erwiderte Dave "Das ist doch dein Ressort. Die Beweise sind hart genug, als das du eine Story darüber drucken kannst. Und unter dem Druck der Öffentlichkeit müssen die Verantwortlichen dann zurücktreten."
"Schlechte Idee" entgegnete Jerdona "Dazu müssten wir unsere Beweise vorlegen und damit ja zugeben, das wir etwas verbotenes getan haben. Wessen Anschluss ist das eigentlich?"
Dave nannte ihm den Namen.
"Warum statten wir ihm nicht gleich einen Besuch ab und erzählen ihm von unserem Fund."
"Und was soll er tun?"
"Ganz einfach. Er hat Freunde, viele Freunde. Und er kann uns ganz sicher eine ganz bestimmte Information beschaffen, die wir brauchen. Und dann... Dave, warst du schonmal in Paris?"

Antworten