31. Juli 2005
HEW Cyclassics
Nach längerer Zeit konnten wir endlich einmal wieder bei einem ProTour Event an den Start gehen. Dass es sich gerade um ein deutsches Rennen handelte motivierte mich noch zusätzlich. Eigentlich war das Team aber durch den Aufstieg in die ProTour im kommenden Jahr schon genug motiviert.
Für die Cyclassics, die wohl so gut wie nie zuvor besetzt waren, nominierte unser Teamchef neben
Christian, Stefan und mir noch
Laurens, Mathieu, Bart, Alain und Julien.
Für den heutigen, schweren Tag hatte sich
Piet Hoekstra wieder eine besonders offensive Taktik zurechtgelegt. Natürlich waren
Stefan und ich heute die Kapitäne, jedoch sollte einer von uns beiden schon in einer frühen Gruppe mitgehen, um zum einen TV-Zeit für unseren Sponsor zu bekommen und um eventuell einen Überraschungssieg aus der Fluchtgruppe heraus landen zu können.
Das Wetter hier in Hamburg war mit 35 Grad und strahlendem Sonnenschein sehr gut und so waren an der Strecke entlang bestimmt eine Millionen Zuschauer. Es herrschte bereits am Start ein super Stimmung.
In der neutralisierten Starphase fuhr ich noch einmal durch das Feld und schaute mir die Topfavoriten für den heutigen Tag an.
Für mich waren heute
Oscar Freire, Paolo Bettini und der zweite der Tour de France,
Alejandro Valverde die Favoriten auf den Sieg. Aber auch der Toursieger
Armstrong ging wie
Jan Ullrich an den Start. Auf die beiden war ich auch sehr gespannt.
Aufgrund der großen Hitze machten wir uns im Feld auf den ersten 80 Kilometern eine großen Strapazen. Das Feld fuhr geschlossen und so blieb noch Zeit für den ein oder anderen Schwatz im Hauptfeld. Meine deutschen Landsmänner kamen übrigens zu mir und gratulierten zum Aufstieg in die ProTour. Einige Fahrer meinten sogar, dass ich bei der Teamleitung ein gutes Wort für sie einlegen sollte, so dass sie im nächsten Jahr bei uns im Team sein könnten. Da sieht man mal wieder was der ProTour Status so alles ausmacht.
Nach gut 90 Kilometer Plauderei ging das Rennen dann richtig los.
Rolf Aldag attackierte!!!Kurz darauf gingen weitere Fahrer nach. Nach Blickkontakt mit
Stefan ging ich auch hinterher und somit war ich in der 8köpfigen Spitzengruppe. Als ich über Funk die Namen meiner Begleiter hörte, staunte ich nicht schlecht. Neben
Aldag waren unter anderem noch
Mancebo, Bortolami, Botero und Celestino in der Gruppe. Das war eine starke Gruppe. Ich war sehr auf die Reaktion des Hauptfeldes gespannt. Doch zunächst einmal gab es überhaupt keine Reaktion. Über Funk hörte ich nur, dass sich weitere Fahrer aus dem Feld absetzen konnten.
100 Kilometer vor dem Ziel bot sich damit folgendes Bild:
Wir 8 Spitzenreiter lagen 1`20 vor den 4 Verfolgern und weitere 3 Minuten vor dem großen Feld.
Gut 60 Kilometer vor dem Ziel fuhren wir 8 Ausreißer noch immer mit knapp 2 Minuten Vorsprung auf das Feld an der Spitze des Rennens. Unsere ehemaligen 4 Verfolger wurden mittlerweile wieder eingeholt, so dass es jetzt 8 gegen 168 hieß. Dies sollte ein schwerer Kampf werden.
So langsam kamen wir in die entscheidende Phase. Auf den letzten 50 Kilometern wartete der 16% steile Waseberg insgesamt 5 Mal auf die Fahrer.
Nachdem wir den Waseberg gut 35 Kilometer vor dem Ziel das erste Mal passiert hatten, riss unsere Spitzengruppe auseinander. An der Spitze fuhren nun
Botero und Mancebo, gut 45 Sekunden dahinter kam dann das Duo
Aldag/Celestino. Ich selbst konnte leider nicht mehr vorne mithalten und fiel in die 3. Gruppe zurück, wo wir schon den Atem des noch gut 70 Fahrer umfassenden Hauptfeldes spürten.
30 Kilometer vor dem Ziel war es um mich und viele meiner Fluchtgefährten geschehen. Wir wurden vom Hauptfeld eingeholt und mussten mächtig kämpfen, das dortige Tempo mitgehen zu können. Jetzt lagen nur noch
Botero und Mancebo vor dem noch übrig gebliebenen Feld.
Ich schaute mich in einer kurzen Abfahrt kurz im nur noch 70 Fahrer großen Feld um und entdeckte unter den Fahrern nur noch
Stefan von meinen Teamkollegen. Als er mich sah zeigte er kurz mit dem Daumen nach oben um zum einen meine Leistung zu würdigen und um zum anderen zu zeigen, dass er sich noch gut fühlte.
Die nächsten zwei Überquerungen des Wasebergs konnte ich noch in der großen Gruppe überstehen, beim letzten Anstieg gut 15 Kilometer vor dem Ziel war es dann jedoch um mich und viele andere Fahrer geschehen.
An der Spitze behaupteten sich weiterhin
Mancebo und Botero, 35 Sekunden dahinter folgte jedoch schon eine 13 Fahrer große Verfolgergruppe. Über Funk hörte ich, dass auch
Stefan in der Gruppe war.
Die Auflistung der Fahrer der Verfolgergruppe war wirklich die Creme de la Creme des Radsportes und Stefan war mitten drin:
Armstrong, Freire, Ullrich, Rebellin, Wesemann, Erik Dekker, Di Luca, Vinokourov um einige zu nennen. Vielleicht würde
Stefan ja eine Top 10 Platzierung schaffen.
Stefans Gruppe kam immer näher an die Spitzenreiter ran und konnte sie 2 Kilometer vor dem Zie auch einholen. Überraschenderweise gab es auf den letzten beiden Kilometern keine Attacke mehr. Anscheinend vertraute jeder Fahrer in seine Sprintstärke.
Der Sprint begann gut 800 Meter vor dem Ziel. Wie ich nachher in den TV Bildern sah, schnappte
Stefan sich das Hinterrad von
Di Luca. In der Endphase verteilte sich der Sprint über die ganze Straße.
Stefan , in guter Position, fuhr in der Mitte,
Wesemann links und
Di Luca rechts vor ihm. Das ganze 200 Meter vor dem Ziel.
Stefan war auf Podiumskurs.
Doch dann war auf einmal das Bild schwarz (danke FSSCREEN *g*) und man konnte den Zieleinlauf nicht mehr sehen. So ein Pech, denn
STEFAN hatte gewonnen. Sensationell!!!!!!!!!!!!!!!!!
Als ich im Ziel war, als 60. mit 1`47 Rückstand auf
Stefan, allerdings zeitgleich mit dem 17. stürmte ich sofort zu
Stefan, der von einer Traube von Journalisten umgeben war.
Stefan hatte Tränen in den Augen. Was für ein Erfolg für ihn und unser Team. Einfach wahnsinn. Uns fehlten beide die Worte. Wir fielen uns einfach nur in die Arme.
Wie
Stefan mir später erzählte, musste es ein brutal enges Photofinish zwischen ihm,
Di Luca, der zweiter wurde, und dem dritten,
Armstrong gewesen sein.
Am Abend, als wir mit dem Team noch beisammen saßen und den Erfolg von
Stefan gebührend feierten, brachte Arend Scheppink die Abendausgabe der Hamburger Post mit. Die hatten
Stefans Sieg sogar mit Zielphoto auf der Titelseite. Oh mann, dort konnten wir sehen, wie knapp das war.
Aber egal. Sieg ist Sieg. Das war der mit Abstand größte Sieg für
Stefan und für unser Team in dieser Saison. Endlich ist der Knoten für unser Team wieder geplatzt. Dass es gerade heute klappen würde, damit hätte wohl niemand gerechnet, so war es aber umso schöner. Vor allem haben wir gezeigt, dass wir nächstes Jahr zurecht in der ProTour fahren werden.
Viel Zeit zum Feiern bleibt allerdings nicht, da wir in 3 Tagen schon wieder im Renneinsatz sein werden. Ein Teil des Teams, unter anderem Stefan und ich, werden bei der Dänemark Rundfahrt starten, der Rest wird bei der Eneco Tour antreten.
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Endstand HEW Cyclassics:
1. Schumacher (SHM)
2. Di Luca (Liq)
3. Armstrong (DSC)
4. Rebellin (GST)
5. Boogerd (Rab)
6. Wesemann (TMO)
7. E. Dekker (Rab)
8. Ullrich (TMO)
9. Kasheshkin (CA)
10. Vinokourov (TMO)
...
60. Adamietz (SHM) +1`47